Kategorie: Kurzmeldungen

  • Suizidprävention bei Suchterkrankungen

    Das Zentrum für Interdisziplinäre Suchtforschung (ZIS) der Universität Hamburg führt ein Modellprojekt durch, das darauf abzielt, die Suizidprävention für Menschen mit Suchterkrankungen bundesweit effektiv und nachhaltig zu stärken. Fachkräften aus unterschiedlichen Settings des Suchthilfesystems kommt für die Suizidprävention bei Suchtkranken eine besondere Rolle zu. Sie sollen für die Thematik sensibilisiert, bedarfsgerecht und berufsgruppenübergreifend fortgebildet sowie langfristig miteinander vernetzt werden. Die Maßnahme wird als online-basiertes Social Learning konzipiert und setzt sich aus zwei Komponenten zusammen:

    1. Webbasierte Trainings (WBTs) werden nach aktuellen mediendidaktischen Standards erstellt, im Projektverlauf formativ evaluiert und weiterentwickelt, so dass sie mittels einer ‚adaptiven‘ technischen Umsetzung Fachkräften der Suchthilfe mit unterschiedlichen Qualifikationen, Bedarfen und Arbeitsfeldern zur Verfügung stehen.
    2. Eine Online-Vernetzungsplattform wird eingerichtet, über die sich die Teilnehmer aus unterschiedlichen Settings während der WBTs kennenlernen, über die sie Aufgaben gemeinsam bearbeiten und in einer nach Prinzipien des Social Learnings ausgerichteten Lernumgebung praxisrelevante Fertigkeiten aktiv einüben.

    Die Forscher führen parallel eine Bedarfsanalyse durch, die ihnen dabei helfen soll, in einem nächsten Schritt möglichst passgenaue Online-Fortbildungen und Vernetzungsmaßnahmen zur Suizidprävention zu entwickeln und im Laufe dieses Jahres bereitzustellen.

    Zur Online-Umfrage und weiteren Informationengeht es hier: www.suizidundsucht.net

    Quelle: www.suizidundsucht.net, 27.06.2018

  • Weiterbildungsermächtigungen für Suchtfachkliniken

    Der Deutsche Bundesverband der Chefärztinnen und Chefärzte der Fachkliniken für Suchtkranke e.V. (DBCS) hat am 30. Mai 2018 eine an die Landesärztekammern gerichtete Stellungnahme zu Weiterbildungsermächtigungen für Suchtfachkliniken im Gebiet der Psychiatrie und Psychotherapie herausgegeben. Darin tritt der Verband für eine Ausweitung des zeitlichen Umfangs ein bzw. gegen die aktuelle Tendenz, die Zeiten zu kürzen. Die im Vergleich zu psychiatrischen Akutkrankenhäusern restriktive Handhabung der Erteilung von Weiterbildungsermächtigungen an Suchtfachkliniken steht aus Sicht des DBCS in deutlichem Widerspruch zur Komplexität und gesellschaftlichen Bedeutung der Behandlung von Suchtkranken.

    Der DBCS schlägt außerdem vor, die geforderte ständige Präsenz der/des Weiterbildungsermächtigten an der Klinik über Telemedizin abzudecken. In einem ‚sprechenden Fach‘ erlaube es diese Technik, psychiatrische Explorationen, Visiten, Supervisionsprozesse, Fallbesprechungen und Weiterbildungsvorträge durchzuführen. In der vorliegenden Novellierung der Musterweiterbildungsordnung sei der Einsatz von Telemedizin nicht angemessen berücksichtigt.

    Für die Suchtkliniken spielt es eine wichtige Rolle, als Standorte der Weiterbildung attraktiv zu sein, um geeignetes ärztliches und psychologisches Fachpersonal zu gewinnen. Durch Einschränkungen dieses Angebots sieht der DBCS die Sicherstellung der fachgerechten Rehabilitation von Suchtkranken grundsätzlich in Gefahr.

    Die Stellungnahme schließt mit der Bitte an die Landesärztekammern, gemeinsam mit dem Verband die Voraussetzungen zu schaffen, um (wieder) längere Weiterbildungsabschnitte im Rahmen der fachärztlichen Weiterbildung und in der Folge für psychologische Psychotherapeuten zu erreichen.

    Die komplette Stellungnahme steht hier zum Download bereit.

    Redaktion KONTUREN, 27.06.2018

  • Private Kliniken arbeiten wirtschaftlich effizienter

    Private Krankenhäuser in Deutschland sind deutlich ertragskräftiger als Kliniken in freigemeinnütziger oder kommunaler Trägerschaft. Im Jahr 2016 waren 94 Prozent der Privaten investitionsfähig und können damit ihre Unternehmenssubstanz nachhaltig erhalten. Bei den kommunalen Kliniken traf das nur auf 66 Prozent, bei den freigemeinnützigen auf 79 Prozent zu. Zudem nehmen die privaten Kliniken deutlich weniger öffentliche Fördermittel in Anspruch und zahlten im Jahr 2016 mit rund 182 Millionen Euro deutlich mehr Gewinnsteuern als die anderen Träger. Zu diesen und weiteren Ergebnissen kommt eine aktuelle Studie des RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung und der Hochschule Fresenius, die zahlreiche Krankenhaus-Kennziffern aus den Jahren 1996 bis 2016 ausgewertet hat. Die Studie basiert auf einem Projekt im Auftrag des Bundesverbandes Deutscher Privatkliniken e.V. (BDPK), Berlin.

    Für die vom RWI nach 2009, 2012 und 2015 in diesem Jahr bereits zum vierten Mal herausgegebene Studie „Krankenhäuser in privater Trägerschaft“ wurden zahlreiche Krankenhaus-Kennziffern aus den Jahren 1996 bis 2016 trägerspezifisch aufbereitet und ausgewertet. Der Fokus der Studie liegt auf den Versorgungskrankenhäusern, die nach diagnosebezogenen Fallgruppen (DRG) abrechnen. Datengrundlage sind die amtlichen Krankenhausdaten des Statistischen Bundesamts. Sie umfassten für das Jahr 2015 Daten von 1.463 Versorgungskrankenhäusern, darunter 405 in privater, 572 in freigemeinnütziger und 486 in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft. Psychiatrische oder psychotherapeutische Krankenhäuser, reine Tages- und Nachtkliniken sowie Universitätskliniken wurden nicht in die Analysen mit einbezogen.

    Gutes Abschneiden bei Sterblichkeit in privaten Kliniken

    Nimmt man die Sterblichkeit als Maß der Behandlungsqualität, schneiden private Kliniken ebenfalls gut ab. Grundlage dieser Analyse ist eine große Zahl von Qualitätsindikatoren der Initiative Qualitätsmedizin (IQM). Hinsichtlich der Patientenzufriedenheit gibt es keine signifikanten trägerspezifischen Unterschiede. Sie liegt laut Befragungen der Techniker Krankenkasse für alle Träger ähnlich hoch.

    Private und freigemeinnützige Träger setzen zwar weniger Pflegevollkräfte je erbrachter Leistungsmenge ein als kommunale Träger. Die ausgewerteten Daten belegen jedoch keine Unterschiede zwischen den verschiedenen Trägern bezüglich der „Pflege am Bett“. Auch die Ergebnisse zur Patientenzufriedenheit geben keine Hinweise auf Unterschiede. Zudem besteht kein statistisch signifikanter Zusammenhang zwischen der (standardisierten) Sterblichkeit und der Zahl der eingesetzten Pflegekräfte.

    Da private Kliniken Leistungen wie Catering, Reinigung und Labor häufiger auslagern („Outsourcing“), verteilt sich bei ihnen das gesamte Leistungsvolumen auf weniger internes Personal. Unter anderem dadurch haben sie die höchste Arbeitsproduktivität unter allen Trägern. Die Zahl der zu betreuenden Patienten je Vollkraft ist bei privaten Krankenhäusern kaum höher als bei den anderen Trägern.

    Marktanteil privater Kliniken ist in vergangenen zehn Jahren gestiegen

    Insgesamt haben private Krankenhäuser in den Jahren 2006 bis 2015 ihren Marktanteil erhöht. Bezogen auf die Anzahl der Versorgungskrankenhäuser stieg er um 6,7 Prozentpunkte, bezogen auf die Zahl der Betten um 4,7 Prozentpunkte und bezogen auf die Zahl der Fälle um 4,1 Prozentpunkte. Die Privaten beteiligen sich zudem überdurchschnittlich häufig an der intensivmedizinischen Versorgung. Die Anzahl ländlicher Krankenhäuser ist bei privaten Trägern gestiegen, während sie bei anderen Trägerschaften rückläufig ist. Im Jahr 2015 befanden sich 38 Prozent der privaten Krankenhäuser im ländlichen Raum. Bei den kommunalen waren es 40 Prozent und bei den freigemeinnützigen 19 Prozent ihrer Krankenhäuser.

    Private Kliniken nehmen zwar weniger häufig an der Notfallversorgung teil als andere Trägerschaften. Dieser Befund wird jedoch von den Spezialversorgern bestimmt, die häufiger in privater Trägerschaft betrieben werden. Bei den Grundversorgern zeigen sich hinsichtlich der Beteiligung an der Notfallversorgung keine signifikanten Unterschiede zwischen den Trägerschaften. Auch bezüglich der vorgehaltenen medizinisch-technischen Infrastruktur gemessen an der Zahl der medizinischen Großgeräte sind kaum trägerspezifische Unterschiede festzustellen.

    Nötig sind weniger Regulierung und mehr Innovationsoffenheit

    Eine große, wenn nicht sogar die größte Herausforderung wird es für Krankenhausträger sein, weiter qualifiziertes Personal zu gewinnen. Hierzu braucht es im Gesundheitswesen attraktiv gestaltete Arbeitsplätze und eine größere Innovationsoffenheit gegenüber Digitalisierung, Robotik und künstlicher Intelligenz sowie ein modernes Zuwanderungsgesetz. Eine Ausweitung von Regulierung halten die Autoren hingegen für nicht zielführend. Denn „Regulierungen wie beispielsweise Personaluntergrenzen in der Pflege, wie sie der Koalitionsvertrag vorsieht, bremsen arbeitssparende Innovationen aus, die wir in den kommenden Jahren dringend benötigen, um Rationierung von Leistungen für Patienten wegen wachsender Knappheit an Fachkräften zu vermeiden“, so Prof. Dr. Boris Augurzky, Leiter des RWI-Kompetenz­bereichs „Gesundheit“.

    Die Studie „Krankenhäuser in privater Trägerschaft 2018“ ist als Heft 122 in der Reihe „RWI Materialien“ erschienen und steht unter http://www.rwi-essen.de/publikationen/rwi-materialien/ kostenfrei zum Download bereit. Weitere Studien, Berichte und Gutachten zu den Bereichen „Gesundheit“, „Arbeitsmärkte, Bildung, Bevölkerung“, „Umwelt und Ressourcen“ sowie „Wachstum, Konjunktur, Öffentliche Finanzen“ finden sich unter http://www.rwi-essen.de/ > Publikationen.

    Pressestelle der RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung, 13.06.2018

  • Krankenkassen trocknen medizinische Reha aus

    Die Arbeitsgemeinschaft Medizinische Rehabilitation SGB IX (AG MedReha) hat ein Gutachten über den Vergütungsbedarf von Rehabilitationsleistungen in der gesetzlichen Krankenversicherung vorgelegt. Das Ergebnis: Das aktuelle Vergütungsniveau liegt deutlich unter dem, was zur Erfüllung der Strukturanforderungen der Krankenkassen notwendig ist. Die in der AG MedReha vertretenen Leistungserbringerverbände beklagen deshalb ein Austrocknen der medizinischen Reha und fordern die Träger der gesetzlichen Krankenversicherung zur Änderung ihrer Vergütungspraxis auf.

    Das aktuelle Gutachten „Was kostet die Rehabilitationsleistung? Kostenberechnung auf Basis struktureller Anforderungen in der gesetzlichen Krankenversicherung“ der aktiva Beratung im Gesundheitswesen GmbH im Auftrag der AG MedReha geht von den Strukturanforderungen der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation e.V. (BAR) aus, die die Verbände der Krankenkassen mit anderen Rehabilitationsträgern gemeinsam beschlossen haben und die etwa für die Personalausstattung in den Reha-Einrichtungen maßgeblich sind. Auf dieser Basis berechnen die Gutachter die notwendigen Tagessätze exemplarisch für die medizinische Rehabilitation orthopädischer, kardiologischer und geriatrischer Patienten. Für die stationäre orthopädische Rehabilitation kalkulieren die Gutachter einen Vergütungssatz von 164 Euro pro Belegungstag. Der kalkulierte Vergütungssatz für die kardiologische Rehabilitation beträgt 157 Euro und für die stationäre geriatrische Rehabilitation 265 Euro pro Belegungstag. Die Gutachter bewerten die Ergebnisse auch für andere, im Rahmen der Studie nicht untersuchte Indikationen, als richtungsweisend.

    Die heute im Markt realisierbaren Vergütungssätze im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung liegen aber bis zu 30 Prozent unter den im Gutachten ermittelten Werten. Damit wird deutlich, dass sich die Rehabilitationseinrichtungen in einer chronischen Unterfinanzierung befinden. Rehabilitationseinrichtungen müssen im Gegensatz zu Krankenhäusern sämtliche Kosten aus dem Vergütungssatz refinanzieren. Nur wenn die Leistungserlöse die tatsächlichen Personal-, Sach- und Investitionskosten abdecken, können die Rehabilitationskliniken langfristig ihre Aufgaben erfüllen und so den Rechtsanspruch der Versicherten auf medizinische Rehabilitation flächendeckend sichern.

    Die AG MedReha fordert daher zum Erhalt der notwendigen Reha-Struktur eine zügige Anpassung der Vergütungssätze in der Rehabilitation, um die notwendige Versorgungsstruktur langfristig und in der geforderten Qualität zu sichern. Durch ihre bisherige Vergütungspolitik trocknen die Krankenkassen die Reha stattdessen aus und riskieren den Abbau notwendiger Angebotsstrukturen. Aktuell zehren die Kliniken ihre Substanz immer weiter auf oder sind gezwungen, die Leistungen zu subventionieren. Erste Klinikschließungen sind bereits erfolgt bzw. Anbieter reduzieren ihre Anzahl an Rehabilitationsplätzen. Die medizinische Rehabilitation wird im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung zukünftig deutlich an Bedeutung gewinnen. Hier spielt vor allem die demografische Entwicklung und die wachsende Anzahl älterer Menschen eine entscheidende Rolle, beispielsweise im Bereich „Reha vor Pflege“ bzw. bei der sachgerechten Anschlussversorgung bei immer kürzeren Krankenhausverweildauern.

    Das Gutachten steht auf der Homepage der AG MedReha zum Download bereit:
    www.agmedreha.de > Themen > Gutachten zur Kostenstruktur

    Pressestelle der AG MEdReha, 23.05.2018

  • fdr+ veröffentlicht Forderungen für eine wirksame Suchthilfe

    Unter dem Titel „Suchtprävention, Suchthilfe und SuchtSelbstHilfe – Das muss sein, damit sie wirken“ legt der Vorstand des Fachverbandes Drogen- und Suchthilfe e.V. im 40. Jahr seines Bestehens 27 Forderungen vor, die Suchtprävention, Suchthilfe und SuchtSelbstHilfe wirksamer machen können. Weil sich in diesen 40 Jahren viel zu wenig zum Besseren geändert hat, hat der wissenschaftliche Beirat des fdr+ die Erfahrungen aus vier Jahrzehnten formuliert und aufbereitet, um sie weitergeben zu können. Erfahrungen, die anderen Orientierung und Unterstützung sein sollen.

    Damit werden die Forderungen des fdr+ an gute fachliche Praxis, politisches Gestalten und Verwaltungshandeln bei den Leistungs- und Kostenträgern neu formuliert und gleichzeitig Perspektiven für die Träger von Einrichtungen aufgezeigt, Fachkräften wird Orientierung gegeben. Nicht alle regionalen Besonderheiten können dabei berücksichtigt werden. Die Forderungen sind deshalb allgemein und werden bei Bedarf im lokalen Kontext präzisiert. Alle Forderungen können jedoch – guten Willen bei Politik und Verwaltung vorausgesetzt – in die Praxis umgesetzt werden.

    Kernpunkt des Textes ist die Forderung nach einer Abgabe auf Alkohol, Tabak und Glücksspielgewinngeräte, um damit über ein Suchthilfegesetz die notwendigen Hilfen zu finanzieren. Eine Utopie vielleicht, aber auch ein Vorschlag, der – den nötigen Willen vorausgesetzt – durchaus umsetzbar ist.

    Die Publikation „Suchtprävention, Suchthilfe und SuchtSelbstHilfe – Das muss sein, damit sie wirken“ kann auf der Homepage des fdr+ heruntergeladen werden: https://fdr-online.info/wp-content/uploads/file-manager/redakteur/downloads/informationen/fdr-meinung/fdr_Unsere_Forderungen_2018.pdf

    Quelle: https://fdr-online.info/, 07.06.2018

  • Europäischer Drogenbericht 2018

    Der am 7. Juni 2018 in Brüssel vorgestellte Europäische Drogenbericht 2018: Trends und Entwicklungen der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EMCDDA) zeigt, dass die Verfügbarkeit von Kokain zugenommen hat. Hintergrund dieser Entwicklung ist ein dynamischer Drogenmarkt, der in der Lage ist, sich rasch auf Maßnahmen zur Drogenbekämpfung einzustellen. Die Agentur untersucht in ihrem jährlichen Überblick zudem, welche Herausforderungen Neue psychoaktive Substanzen (NPS) und die Verfügbarkeit neuer synthetischer Opioide (insbesondere hochpotenter Fentanyl-Derivate) sowie der Konsum synthetischer Cannabinoide in marginalisierten Bevölkerungsgruppen (unter anderem bei Gefängnisinsassen) mit sich bringen. Die im Bericht vorgelegten Daten beziehen sich auf das Jahr 2016 bzw. das jeweils letzte Jahr, für das Daten verfügbar sind. Außerdem erschienen sind 30 Länderberichte (in englischer Sprache) mit den jüngsten Analysen zur Drogensituation in den einzelnen Ländern.

    Laut dem Bericht der EMCDDA ist eine durchweg hohe Verfügbarkeit von Drogen zu beobachten, die in einigen Regionen sogar anzusteigen scheint. Den jüngsten Zahlen zufolge wurden in Europa (EU-28, Türkei und Norwegen) 2016 mehr als eine Million Sicherstellungen illegaler Drogen gemeldet. Über 92 Millionen in der EU lebende Erwachsene (im Alter von 15 bis 64 Jahren) haben im Verlauf ihres Lebens schon mindestens einmal irgendeine illegale Droge konsumiert, während schätzungsweise 1,3 Millionen Menschen in der EU-28 im Jahr 2016 wegen des Konsums illegaler Drogen in Behandlung waren.

    Dimitris Avramopoulos, Europäischer Kommissar für Migration, Inneres und Bürgerschaft, erklärt hierzu: „Es ist zu beobachten, dass in Europa derzeit mehr Drogen produziert und angeboten werden. Hinzu kommt, dass der Markt für illegale Drogen sehr dynamisch und anpassungsfähig – und daher umso gefährlicher – ist. Wenn wir nicht ins Hintertreffen geraten wollen, müssen wir uns verstärkt darum kümmern, die Widerstands- und Reaktionsfähigkeit zu erhöhen, nicht zuletzt wegen der zunehmenden Bedeutung von Online-Marktplätzen und der Entwicklung neuer Drogenarten. Bis zum Jahresende werden neue Vorschriften hinsichtlich neuer psychoaktiver Substanzen in Kraft treten, die Europa zusätzliche, gute Instrumente an die Hand geben werden, um die Herausforderungen wirksamer angehen zu können und den Schutz der Bürger und Bürgerinnen in Europa vor gefährlichen Drogen zu erhöhen.“

    Kokain: Erhöhte Verfügbarkeit und höchster Reinheitsgrad seit zehn Jahren

    Kokain ist das am häufigsten konsumierte illegale Stimulans in Europa. Etwa 2,3 Millionen junge Erwachsene (zwischen 15 und 34 Jahren) haben diese Droge in den vergangenen zwölf Monaten konsumiert (EU-28). Die aktuelle Analyse zeigt, dass angesichts der Hinweise auf einen steigenden Koka-Anbau und eine erhöhte Kokainproduktion in Lateinamerika der Kokainmarkt in Europa floriert. Einige Indikatoren deuten gegenwärtig darauf hin, dass die Verfügbarkeit der Droge in einer Reihe von Ländern angestiegen ist. Obwohl der Kokainpreis stabil geblieben ist, erreichte die Reinheit der Droge 2016 im Straßenverkauf den höchsten Grad seit zehn Jahren. Auch die Zahl der Beschlagnahmungen von Kokain hat zugenommen. In der EU wurden 2016 rund 98 000 Sicherstellungen der Droge gemeldet (2015 waren es 90 000). Insgesamt wurden 70,9 Tonnen beschlagnahmt).

    Auf städtischer Ebene zeigte eine kürzlich durchgeführte Untersuchung, dass die Kokainrückstände im Abwasser von 26 der 31 Städte, zu denen Daten für diesen Zeitraum vorliegen, zwischen 2015 und 2017 angestiegen sind. Die meisten Rückstände wurden in Städten in Belgien, den Niederlanden, Spanien und im Vereinigten Königreich verzeichnet, während in den untersuchten osteuropäischen Städten niedrige Werte gemessen wurden.

    Der Bericht zeigt auch, dass die Zahl der lebenszeitbezogenen Erstbehandlungen im Zusammenhang mit Kokain zugenommen hat. Im Jahr 2016 begaben sich 30 300 Personen aufgrund von Problemen mit dieser Droge erstmals in Behandlung – über ein Fünftel mehr als 2014. Insgesamt unterzogen sich 2016 mehr als 67 000 Personen einer auf Kokainprobleme zugeschnittenen Spezialbehandlung. Besonders besorgniserregend sind die schätzungsweise 8 300 Personen, die sich 2016 wegen des primären Konsums von Crack in Behandlung begaben. Zudem war Kokain 2016 die zweithäufigste Droge, die bei drogenbedingten Notfällen in den Krankenhäusern des 19 Beobachtungsklinken umfassenden Euro-DEN-Netzes nachgewiesen wurde (Euro-DEN Plus).

    Auch die Schmuggelmethoden und Schmuggelrouten scheinen sich zu ändern. Die Iberische Halbinsel – bislang Haupteinfuhrort für Kokain, das auf dem Seeweg nach Europa gelangt – ist in dieser Hinsicht zwar weiterhin von Bedeutung, steht den Daten von 2016 zufolge jedoch nicht mehr unangefochten an erster Stelle, da auch von den Containerhäfen weiter nördlich große Sicherstellungen gemeldet wurden. 2016 wurden in Belgien 30 Tonnen Kokain sichergestellt (43 % der geschätzten jährlichen Gesamtmenge des in der EU beschlagnahmten Kokains).

    Anzeichen für eine gestiegene Drogenproduktion innerhalb Europas

    Europa ist ein wichtiger Markt für illegale Drogen, die aus verschiedenen Teilen der Welt, etwa aus Lateinamerika, Westasien und Nordafrika eingeschleust werden. In dem Bericht wird jedoch auch auf die Rolle Europas als Ort der Herstellung von Drogen hingewiesen: Bei einer Vielzahl von Substanzen waren im Berichtsjahr besorgniserregende Anzeichen dafür zu beobachten, dass die Herstellung von Drogen in Europa zunimmt.

    Die Produktion findet aus mehreren Gründen näher an den Verbrauchermärkten statt, etwa aus praktischen Erwägungen heraus, wegen des geringeren Risikos, an der Grenze entdeckt zu werden, und weil die Grundsubstanzen für die Produktion je nach Droge verfügbar und kostengünstig sind. Der Bericht führt mehrere Beispiele für eine höhere Drogenproduktion in Europa und für innovative Produktionsmethoden auf. Dazu zählen Hinweise auf illegale Labore, die Kokain verarbeiten, die zahlenmäßige Zunahme entdeckter MDMA- bzw. Ecstasy-Labore, die Ausweitung der Methamphetamin- produktion unter höherer Beteiligung organisierter Banden, die Produktion von Amphetaminen in der Endphase im Land des Konsums sowie die Entdeckung einer geringen Zahl an Laboren zur Herstellung von Heroin. Einige der in der EU hergestellten synthetischen Drogen sind für Auslandsmärkte, etwa für den amerikanischen Kontinent, Australien, Nah- und Fernost sowie die Türkei, bestimmt.

    Die vermehrte Produktion von hochpotentem Cannabis innerhalb Europas hat offenbar auch Auswirkungen auf die Aktivitäten von Cannabisproduzenten außerhalb der EU, was sich daran ablesen lässt, dass Cannabisharz mit höherem Wirkstoffgehalt aus Marokko nach Europa geschmuggelt wird. Des Weiteren gibt es Hinweise darauf, dass neue psychoaktive Substanzen, die gewöhnlich in China hergestellt und zur Verpackung nach Europa geliefert werden, bisweilen auch innerhalb Europas produziert werden.

    Cannabis: Verfügbarkeit und Konsum sind weiterhin hoch

    Cannabis ist auch weiterhin die am meisten konsumierte illegale Droge in Europa. Dies zeigen die Daten zur Prävalenz, zu Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz, zu Sicherstellungen und zum gestiegenen Behandlungsbedarf. Etwa 17,2 Millionen junge Europäer (zwischen 15 und 34 Jahren) haben in den vergangenen zwölf Monaten Cannabis konsumiert (EU-28), und rund ein Prozent aller erwachsenen Europäer (zwischen 15 und 64 Jahren) verwenden die Droge täglich oder fast täglich (EU-28).

    Cannabis war bei mehr als drei Viertel (77 Prozent) aller 2016 in der EU gemeldeten 800 000 Verstöße gegen die Vorschriften über den Drogenbesitz oder -konsum, bei denen die Primärdroge bekannt ist, beteiligt. Zudem ist Cannabis die am häufigsten beschlagnahmte Droge: Im Jahr 2016 wurden in der EU 763 000 Sicherstellungen von Cannabisprodukten gemeldet. Der größte Anteil (45 Prozent) von Erstbehandlungen aufgrund von Drogenproblemen in Europa (EU-28, Türkei und Norwegen) geht auf den Konsum von Cannabis zurück. Die Zahl der Erstpatienten, die sich wegen Cannabisproblemen behandeln ließen, stieg in den 25 Ländern, für die Daten zu beiden Jahren vorliegen, von 43 000 im Jahr 2006 auf 75 000 im Jahr 2016.

    Kürzlich vorgenommene gesetzliche Änderungen in Bezug auf Cannabis in Teilen Amerikas, etwa die Legalisierung in einigen Ländern, haben dazu geführt, dass sich dort schnell ein kommerzieller Cannabismarkt für den Freizeitkonsum entwickelt hat. Dies führt derzeit zu Innovationen bei den Abgabesystemen und bei der Entwicklung von Cannabisprodukten (z. B. E-Liquids, essbare Produkte und hochpotente Stämme).

    Noch ist unklar, welche Folgen es für Europa haben wird, wenn in Teilen Amerikas ein großer legaler Markt für diese Droge entsteht, allerdings kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich dies auf die Angebots- oder Konsummuster in Europa auswirken wird. Die EMCDDA beobachtet die internationalen Entwicklungen im Bereich der Cannabis-Regulierung aufmerksam, um die sich vollziehenden Änderungen erfassen und verständlich darstellen zu können und mögliche Auswirkungen auf die Situation in Europa zu ermitteln. Ein Bereich, der infolge der sich weltweit ändernden Einstellungen zur Cannabis-Regulierung größere politische Aufmerksamkeit erhält, ist der Cannabiskonsum in Verbindung mit dem Fahren unter Drogeneinfluss. Dieses Thema steht im Mittelpunkt eines kürzlich veröffentlichten EMCDDA-Berichts, der sich auf die Erkenntnisse internationaler Experten stützt.

    Geringere Zahl neuer psychoaktiver Substanzen, aber mehr Hinweise auf Schädigungen

    Neue psychoaktive Substanzen (NPS/„neue Drogen“) stellen in Europa nach wie vor ein gravierendes Problem für die Politik und die öffentliche Gesundheit dar. Diese Substanzen, die nicht vom internationalen Drogenkontrollsystem erfasst werden, umfassen ein breites Spektrum, zu dem synthetische Cannabinoide, Opioide, Cathinone und Benzodiazepine gehören. Im Jahr 2017 wurden 51 neue psychoaktive Substanzen erstmals in das EU-Frühwarnsystem aufgenommen, dies entspricht einer Quote von etwa einer Substanz pro Woche. Auch wenn die jährliche Gesamtzahl neu auf dem Markt erscheinender Substanzen die der Spitzenjahre unterschreitet – 2015: 98, 2014: 101 –, ist die Zahl der verfügbaren neuen psychoaktiven Substanzen insgesamt weiterhin hoch. Ende 2017 überwachte die EMCDDA mehr als 670 neue psychoaktive Substanzen (gegenüber etwa 350 im Jahr 2013). Gesundheitsschäden im Zusammenhang mit neuen synthetischen Cannabinoiden und neuen synthetischen Opioiden, darunter akute Vergiftungen und Todesfälle, veranlassten die EMCDDA dazu, 2017 insgesamt neun Risikobewertungen durchzuführen, so viele wie noch nie davor.

    Die größte von der EMCDDA beobachtete Gruppe chemischer Stoffe sind neue synthetische Cannabinoide, von denen seit 2008 179 nachgewiesen wurden (10 davon im Jahr 2017). Die häufig als „Kräutermischungen“ verkauften synthetischen Cannabinoide waren 2016 mit knapp über 32 000 gemeldeten Beschlagnahmungen (gegenüber 10 000 im Jahr 2015) die am häufigsten sichergestellten neuen psychoaktiven Drogen. Damit machten sie fast die Hälfte aller beschlagnahmten neuen psychoaktiven Substanzen aus, die der Agentur 2016 gemeldet wurden. Vier synthetische Cannabinoide wurden 2017 einer Risikobewertung unterzogen: AB-CHMINACA, ADB-CHMINACA, 5F-MDMB-PINACA und CUMYL-4CN-BINACA.

    Es werden zunehmend mehr hochpotente neue synthetische Opioide (insbesondere Fentanyl-Derivate) entdeckt, die die Wirkung natürlich gewonnener Opiate (wie Heroin und Morphin) imitieren. Gelegentlich sind sie in neuartiger Form erhältlich (z. B. als Nasensprays), oder sie werden mit illegalen Drogen wie Heroin oder Kokain gemischt oder als solche verkauft. Seit 2009 wurden insgesamt 38 neue synthetische Opioide auf den europäischen Drogenmärkten nachgewiesen (13 davon im Jahr 2017). Fentanyl-Derivate, die wichtigsten Substanzen in der derzeitigen Opioidkrise in den USA, sollten in Europa weiter mit Besorgnis und Wachsamkeit verfolgt werden. Diese hochpotenten Substanzen – manche sind um ein Vielfaches potenter als Morphin – machten mehr als 70 Prozent der schätzungsweise 1 600 neuen synthetischen Opioide aus, die 2016 beschlagnahmt wurden. Im Jahr 2017 wurden zehn neue Fentanyl-Derivate über das EU-Frühwarnsystem gemeldet, fünf davon wurden einer Risikobewertung unterzogen (Acryloylfentanyl, Furanylfentanyl, 4-Fluorisobutyrylfentanyl, Tetrahydrofuranylfentanyl und Carfentanil).

    Haftanstalten: Konzentration auf Gesundheitsfürsorge und neue Drogen

    Haftanstalten sind relevante Settings, wenn es um die medizinische Versorgung von Drogen- konsumierenden geht. Eine gute intramurale Versorgung kann auch der Allgemeinheit zugutekommen (etwa indem Überdosierungen nach der Entlassung vermieden oder die Übertragung drogenbedingter Infektionskrankheiten wie HIV und HCV verringert werden). Der diesjährige Bericht zeigt die Interventionsmöglichkeiten in Gefängnissen und die unterschiedlichen Versorgungsleistungen in den einzelnen Ländern auf.

    In einer neuen länderübergreifenden Studie, die gemeinsam mit dem heute vorgestellten Bericht veröffentlicht wird, untersucht die Agentur die zunehmenden Gesundheits- und Sicherheitsprobleme, die sich aus dem Konsum neuer psychoaktiver Substanzen in Haftanstalten ergeben. „Der Konsum neuer psychoaktiver Substanzen und die damit einhergehenden Schäden sind für das Strafvollzugs- system in Europa eine neue wichtige Herausforderung“, heißt es in der Studie. Unter den vier Haupttypen der in Haftanstalten entdeckten neuen psychoaktiven Substanzen stehen synthetische Cannabinoide an erster Stelle. Wichtige Faktoren, die ihren Konsum in Gefängnissen ermöglichen, sind die Leichtigkeit, mit der sie eingeschleust werden können (etwa in flüssiger Form auf Papier oder auf Textilien aufgesprüht), sowie die Schwierigkeit, sie in Drogentests nachzuweisen.

    Verkauf im Internet und das Aufkommen neuer Benzodiazepine 

    Mengenmäßig wird der Verkauf von Drogen nach wie vor von traditionellen Offline-Märkten dominiert, allerdings scheint die Bedeutung von Online-Marktplätzen zuzunehmen, was die Drogenbekämpfung vor neue Herausforderungen stellt. In einer kürzlich veröffentlichten EMCDDA/Europol-Studie wurden über 100 globale Darknet-Marktplätze ermittelt, rund zwei Drittel aller Käufe auf diesen Plattformen betrafen Drogen. Auch das sichtbare Web und die sozialen Medien spielen offenbar eine immer wichtigere Rolle, vor allem beim Angebot neuer psychoaktiver Substanzen und beim Zugang zu missbräuchlich verwendeten Arzneimitteln.

    In dem Bericht wird auch auf das besorgniserregende Aufkommen neuer Benzodiazepine – sowohl auf der Straße als auch im Internet – hingewiesen, die in der EU nicht als Arzneimittel zugelassen sind. Die EMCDDA überwacht derzeit 23 neue Benzodiazepine (drei davon wurden 2017 erstmals in Europa nachgewiesen). Einige werden unter ihrem Eigennamen verkauft (z. B. Diclazepam, Etizolam, Flubromazolam, Flunitrazolam, Fonazepam). In anderen Fällen werden diese Substanzen zur Herstellung von Fälschungen häufig verschriebener Benzodiazepine (z. B. Diazepam, Alprazolam) verwendet, die dann auf dem Schwarzmarkt angeboten werden. Im Jahr 2016 wurden mehr als eine halbe Million Tabletten sichergestellt, die neue Benzodiazepine oder ähnliche Stoffe enthielten – rund zwei Drittel mehr als noch 2015.

    In einer zusammen mit dem Bericht veröffentlichten Analyse untersucht die EMCDDA den Benzodiazepinmissbrauch bei Hochrisiko-Opioidkonsumierenden in Europa. Obwohl die Verschreibung dieser Arzneimittelgruppe an Hochrisiko-Drogenkonsumierenden größtenteils legitime therapeutische Ziele verfolgt, kommt es durchaus vor, dass sie weitergegeben und missbraucht werden, was zu einer erhöhten Morbidität und Mortalität in dieser Gruppe führt. Rund 40 Prozent aller Personen, die sich wegen des primären Konsums von Opioiden in Behandlung begaben, nannten Benzodiazepine als ihre sekundäre Problemdroge. Die Studie enthält auch eine Zeitleiste, an der sich die Meldung neuer Benzodiazepine an die EMCDDA ablesen lässt.

    Anstieg der Todesfälle durch Überdosierung und die Rolle von Naloxon bei der Prävention

    Der Bericht unterstreicht die Besorgnis über die hohe Zahl an Todesfällen durch Überdosierung in Europa, welche in den letzten vier Jahren stetig angestiegen ist. Laut Schätzungen starben in Europa (EU-28, Türkei und Norwegen) 2016 mehr als 9 000 Menschen an einer Überdosis, hauptsächlich in Verbindung mit Heroin und anderen Opioiden, die jedoch häufig in Kombination mit anderen Substanzen, insbesondere Alkohol und Benzodiazepinen, konsumiert wurden.

    Die mit alten und neuen Opioiden verbundenen Probleme rücken erneut die Rolle des Opioid-Gegenmittels Naloxon bei Maßnahmen zur Verhinderung von Überdosierungen in den Fokus. Im Bericht wird darauf hingewiesen, dass es dringend notwendig ist, „die derzeitige Naloxonpolitik zu überprüfen und die Ausbildung und Sensibilisierung sowohl der Drogenkonsumierenden als auch der Fachleute, die mit der Droge in Berührung kommen könnten, zu verstärken“.

    Die Vorsitzende des Verwaltungsrates der EMCDDA, Laura d’Arrigo, bemerkt abschließend: Die Gefahren, die von Drogen für die öffentliche Gesundheit und Sicherheit in Europa ausgehen, machen nach wie vor eine gemeinsame Reaktion erforderlich. Der 2017 verabschiedete EU-Drogenaktionsplan bildet den Rahmen für die europäische Zusammenarbeit. Es ist äußerst wichtig, dass unser Überwachungssystem mit den sich verändernden Drogenproblemen und neu aufkommenden Entwicklungen Schritt hält.“

    Pressestelle der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EMCDDA), 07.06.2018

  • Startschuss für das Bundesprogramm „rehapro“

    Verbunden mit einem ersten Förderaufruf wurde am 4. Mai 2018 die Förderrichtlinie für die Modellprojekte „rehapro“ im Bundesanzeiger veröffentlicht. Die Förderung von Modellprojekten zur Stärkung der Rehabilitation wurde im Rahmen des Bundesteilhabegesetzes beschlossen (§ 11 SGB IX neu). Beide Papiere stehen im Bundesanzeiger zum Download zur Verfügung (www.bundesanzeiger.de, Suchbegriff „rehapro“). Zusätzliche Informationen zum Antragsverfahren finden sich auf der Internetseite http://www.modellvorhaben-rehapro.de.

    Die Modellvorhaben haben als übergeordnete Ziele, neue Ansätze zur Unterstützung von Menschen mit komplexen gesundheitlichen, psychischen und seelischen Unterstützungsbedarfen oder beginnenden Rehabilitationsbedarfen zu erproben. Des Weiteren soll auch die Zusammenarbeit der Akteure im Bereich der medizinischen und beruflichen Rehabilitation weiter verbessert werden. Dies betrifft insbesondere die folgenden Themenfelder:

    • Zusammenarbeit der Akteure, z. B. der Leistungsträger untereinander oder mit Leistungserbringern
    • Individualisierte Bedarfsorientierung/Leistungserbringung
    • Frühzeitige Intervention
    • Nachsorge und nachhaltige Themen

    Den Trägern der Grundsicherung für Arbeitssuchende (Jobcenter) und den Rentenversicherungsträgern stehen hierzu bis 2022 jeweils 500 Millionen Euro zur Verfügung. Die Anträge können bei den örtlichen Jobcentern und den Rentenversicherungsträgern, als so genannten federführenden Bedarfsträgern, gestellt werden. Die Förderdauer der Modellprojekte beträgt nach § 11 Absatz 2 SGB IX bis zu fünf Jahren.

    Das Antragsverfahren ist zweistufig gestaltet und sieht vor, dem eigentlichen Projektantrag eine aussagefähige Projektskizze voranzustellen. Dies ermöglicht sowohl den Antragstellern wie auch den Bedarfsträgern entsprechende Ansätze zu sondieren, ohne gleich in ein finales Antragsverfahren (Projektantrag) einzusteigen. Nachdem die Antragsskizze positiv beschieden wurde, kann innerhalb von zwei Monaten ein Projektantrag eingereicht werden.

    Erste Bewilligungen sind für November 2018 vorgesehen. Es sind weitere Förderstufen geplant. Die zweite Stufe wird voraussichtlich Anfang 2019 erfolgen. Sowohl die Suchtfachverbände wie auch die DHS planen jeweils Anträge einzureichen.

    Quelle: CaSu Infobrief 08/2018, 11.05.2018

  • Bundeslagebild Rauschgiftkriminalität 2017

    Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marlene Mortler, und der Präsident des Bundeskriminalamtes, Holger Münch, haben am 23. Mai das Bundeslagebild Rauschgiftkriminalität 2017 in Wiesbaden vorgestellt.

    Im siebten Jahr in Folge ist die Anzahl der Rauschgiftdelikte angestiegen. Insgesamt wurden 2017 330.580 Rauschgiftdelikte registriert. Die meisten Fälle gab es mit 198.782 Straftaten im Bereich Cannabis, dies entspricht einem Anstieg gegenüber dem Vorjahr von 11,8 Prozent. Die Entwicklung der Rauschgiftkriminalität in Deutschland war im Jahr 2017 zudem insbesondere durch einen starken Anstieg der Kokaindelikte um rund 18 Prozent bei einer gleichzeitigen Vervierfachung der Sicherstellungsmenge gekennzeichnet.

    Neben den klassischen Drogen stellen zudem Neue psychoaktive Stoffe, kurz NPS, nach wie vor eine Gefahr dar. Ihre Wirkung ist für den Nutzer unberechenbar, da nicht klar ist, welche Substanzen sie in welcher Wirkstoffkonzentration enthalten. Durch Inkrafttreten des „Neue psychoaktive Stoffe Gesetzes“ im November 2016 hat der Gesetzgeber auf diese Problematik reagiert. Das Gesetz sieht ein weitreichendes Verbot des Erwerbs, Besitzes und Handels mit NPS und eine Strafbewehrung der Weitergabe von NPS vor. Dabei bezieht sich das Verbot in Ergänzung zum einzelstofflichen Ansatz des BtMG erstmals auf ganze Stoffgruppen.

    Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marlene Mortler: „Rauschgiftkriminalität ist nach wie vor eine sehr ernste Herausforderung für unseren Rechtsstaat. Die Einnahmen bieten vielen weiteren kriminellen Bereichen erst die Grundlage, sind Quelle für Leid und Ausbeutung. Im Fokus behalten müssen wir auch den Handel über das Internet und das Darknet – es kann nicht sein, dass Drogen einfach bestellt und per Post versendet werden. Aber auch beim Thema Cannabis müssen wir achtsam bleiben, eine Legalisierung wäre das falsche Signal. Es geht nicht darum, Statistiken zu verschönern, sondern darum, einer gefährlichen Droge entgegenzutreten.“

    Der Präsident des Bundeskriminalamts, Holger Münch: „Drogenhandel ist ein lukratives, internationales Geschäft – auch für die Organisierte Kriminalität. Wachsende Anbauflächen und finanzkräftige Absatzmärkte mit hohen Gewinnmargen in Deutschland und Europa treiben den Rauschgifthandel an. Wir als BKA engagieren uns in verschiedenen internationalen Projekten, und unsere Verbindungsbeamte leisten in vielen Ländern einen wichtigen Beitrag bei der Bekämpfung des internationalen Rauschgifthandels. Auch den Vertriebsweg über das Internet haben wir fest im Blick. Ermittlungserfolge unserer Cyberkriminalisten und Cyberanalysten im Darknet belegen das. Die Polizei leistet damit ihren Beitrag bei der Rauschgiftbekämpfung – diese ist jedoch auch eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.“

    Das Rauschgiftlagebild 2017 sowie weitere Informationen finden Sie unter www.bka.de und auf www.drogenbeauftragte.de.

    Gemeinsame Pressemitteilung der Drogenbeauftragten der Bundesregierung und des Bundeskriminalamtes, 23.05.2018

  • Drogenindizierte Todesfälle im Jahr 2017

    Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marlene Mortler, hat am 15. Mai in Berlin die neuen Zahlen der an illegalen Drogen verstobenen Menschen vorgestellt. Waren es 2016 noch 1.333, verstarben im vergangenen Jahr 1.272 Personen. Demnach sind 2017 fünf Prozent weniger Menschen als 2016 an den Folgen ihres Drogenkonsums verstorben. Die größte Gruppe bilden wie in den vorherigen Jahren Männer, das durchschnittliche Alter der Verstorbenen betrug 39 Jahre.

    Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marlene Mortler: „Erstmals seit 2012 gibt es einen leichten Rückgang bei den an illegalen Drogen verstorbenen Menschen. Allerdings steht auch diese aktuelle Zahl für großes Leid von Betroffenen und deren Angehörigen. Wir brauchen weiterhin eine engagierte Suchtprävention, passgenaue Hilfen und ein entschlossenes Vorgehen gegen Drogenkriminalität. Es gilt, suchtkranke Menschen noch deutlich früher zu erreichen als bisher – das Stichwort lautet Frühintervention. Damit verbunden ist die Stärkung der kommunalen Suchthilfe durch eine bessere finanzielle und personelle Ausstattung. In den letzten zehn Jahren stagnierten hier die Mittel – das muss sich ändern!“

    Prof. Dr. Ludwig Kraus, Leiter des IFT Institut für Therapieforschung München, stellte erste Ergebnisse einer Begleitstudie zur „Analyse drogenindizierter Todesfälle in Deutschland“ vor. In dieser untersucht er den Zeitraum 2012 bis 2016 anhand der Obduktionsergebnisse der Länder, um Rückschlüsse auf Todesursachen, Konsumverhalten und Substanzen geben zu können.

    „Nach wie vor sind es Opioide, die die überwiegende Mehrheit tödlicher Überdosierungen verursachen“, so Prof. Dr. Kraus. „Überdosierungen durch Neue psychoaktive Stoffe sind nach einem Anstieg zwischen 2012 und 2016 deutlich zurückgegangen. Die auch europaweit zunehmende Verbreitung synthetischer Opioide erfordert wegen des hohen Risikopotentials verstärkt präventive Maßnahmen; unter anderem sollten Abhängige und Angehörige in der Anwendung von Naloxon zur Ersthilfe trainiert werden.“

    Die ersten Ergebnisse der Studie sowie weitere Informationen finden Sie auf der Webseite der Bundesdrogenbeauftragten www.drogenbeauftragte.de

    Gemeinsame Pressemitteilung der Drogenbeauftragten der Bundesregierung und des IFT – Institut für Therapieforschung München, 15.05.2018

  • Kommunikationsdaten in Unternehmen

    Durch elektronische Kommunikation fallen in Unternehmen immer mehr Daten an, die Interaktionen unter Beschäftigten dokumentieren. Technisch ist es für Arbeitgeber bereits möglich, daraus soziale Beziehungsgeflechte oder „soziale Graphen“ der Belegschaft zu konstruieren und für Personalentscheidungen einzusetzen, zeigt eine aktuelle, von der Hans-Böckler-Stiftung geförderte Studie.

    Bei wem laufen die Fäden zusammen? Wer ist ein gefragter Ansprechpartner und Ratgeber? Wer steht eher am Rande und bekommt selten Antworten auf seine Mails oder Beiträge im firmeninternen Social Network? In kleinen Betrieben weiß das jeder. In Großunternehmen hat das Management aber keinen Einblick in die sozialen Detailstrukturen, die viel über Kooperation, Konflikte und Motivation unter den Beschäftigten aussagen. Doch das ist vielleicht nur noch eine Frage der Zeit. Denn was für Laien nach Science-Fiction wie im Film „The Circle“ klingt, ist technisch bereits möglich und praktisch in einzelnen Unternehmen schon Realität. Vielfach wird der „soziale Graph“ schon unentwegt gefüttert, ohne dass Auswertungen erfolgen: Mit jeder E-Mail, mit jedem Chat, mit jedem Tweet und jedem Like wird der Graph um eine Beziehung zwischen Kollegen ergänzt. Und erste Softwareprodukte kommen auf den Markt, um persönliche Stellungen und soziale Beziehungen in diesem Graphen zu analysieren. Systeme wie „Workplace Analytics“ von Microsoft oder „Organisational Analytics“ von IBM haben dieses Potenzial. Darauf weisen die Studienautoren, der Informatiker Prof. Dr. Heinz-Peter Höller und der Jurist Prof. Dr. Peter Wedde, hin.

    Die Professoren von der Hochschule Schmalkalden beziehungsweise der Frankfurt University of Applied Sciences warnen: Solche Methoden könnten vom Management künftig verstärkt genutzt werden, „um in die Belegschaft hineinzuhorchen“. In einem fiktiven, aber unter rein technischen Gesichtspunkten realistischen Szenario, stellen sie die Möglichkeit in den Raum, dass Arbeitgeber, die Entlassungen planen, sich an den Ergebnissen solcher Analysen orientieren: Wer nicht hinreichend vernetzt ist, riskiert berufliche Nachteile oder sogar eine Kündigung.

    Damit es nicht so weit kommt, seien neben der Politik die Betriebsräte gefordert, Arbeitgebern genau auf die Finger zu sehen, wenn es um das Sammeln und Auswerten von Daten mit „sozialen Graphen“ geht. Rechtlich sind derartigen Formen der Vorratsdatenspeicherung zwar relativ enge Grenzen gezogen. Das geltende Recht müsse aber auch effektiv durchgesetzt werden, so Höller und Wedde.

    Auswertungen der Hans-Böckler-Stiftung zeigen, dass Betriebsvereinbarungen zu Datennutzung und -schutz längst einen Schwerpunkt der Betriebsratsarbeit bilden. Doch nur knapp die Hälfte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland hat einen Betriebsrat an der Seite – obwohl in jedem Betrieb mit mindestens fünf Beschäftigten eine Arbeitnehmervertretung gegründet werden kann. Zudem sei es notwendig, die Mitbestimmungsrechte auszubauen, betonen die beiden Wissenschaftler. Sie empfehlen die Schaffung eines neuen Mitbestimmungsrechts zum Datenschutz, da vorhandene Mitbestimmungsrechte dieses Thema bisher nicht direkt beinhalten.

    Weitere Informationen in:
    Heinz-Peter Höller, Peter Wedde: Die Vermessung der Belegschaft, Mitbestimmungsreport Nr. 10, Januar 2018

    Pressestelle der Hans-Böckler-Stiftung, 06.04.2018