Kategorie: Kurzmeldungen

  • Auf der Suche nach den Frauen

    In den vergangenen 20 Jahren wurden immer mehr Forschungsarbeiten zum Thema Internetsucht veröffentlicht. Die daraus abgeleiteten Ergebnisse haben maßgeblich dazu beigetragen, dass heute kaum noch ein Zweifel daran besteht, dass Internetsucht (auch als Internetbezogene Störungen bezeichnet), ein ernstzunehmendes Gesundheitsproblem darstellt und Programme zur Prävention, Frühintervention und Behandlung weiter ausgebaut und breit implementiert werden sollten.

    Unter Internetbezogenen Störungen wird eine oftmals zeitlich exzessive und sich größtenteils der bewussten Kontrolle des Betroffenen entziehende Nutzung unterschiedlicher Internet-Inhalte verstanden. Diese Nutzung wird auch gegen Widerstände und trotz des Wissens, dass der Konsum zu nachhaltigen negativen Konsequenzen in verschiedensten Lebensbereichen führt, vom Betroffenen fortgesetzt. Sie geht darüber hinaus mit Phänomenen wie Toleranzentwicklung und entzugsnahen Symptomen einher.

    In kaum einem anderen Bereich ist die Datenlage so zufriedenstellend wie in Bezug auf epidemiologische Studien, welche die Auftretenshäufigkeit Internetbezogener Störungen (Prävalenz) sowie Zusammenhänge mit bestimmten soziodemographischen Merkmalen abbilden. Aus diesen Studien ist bekannt, dass sich die Prävalenz Internetbezogener Störungen in Deutschland, aber auch in vielen anderen europäischen Ländern, auf etwa ein bis zwei Prozent der Gesamtbevölkerung und zwei bis vier Prozent der Jugendlichen beziffern lässt. Aus den Daten geht ebenso hervor, dass keine Unterschiede zwischen Männern und Frauen zu finden sind, was die Verbreitung von Internetbezogenen Störungen betrifft. Anders als noch in den epidemiologischen Studien der frühen 2000er Jahre sind Frauen laut aktueller Datenlage also ebenso häufig von diesem Störungsbild betroffen wie Männer. Genau dieser Befund ist es, der derzeit wichtige Fragen im Bereich der Versorgung aufwirft. Anders als in der Allgemeinbevölkerung zeigt sich nämlich innerhalb der Einrichtungen, die Angebote zur Beratung oder Behandlung von internetsüchtigen Patienten vorhalten, dass unter den Klienten und Patienten überwiegend Männer vorstellig werden. Einrichtungsübergreifend beläuft sich der Anteil von Frauen mit Internetbezogenen Störungen im klinischen Versorgungsbereich auf lediglich fünf bis zehn Prozent, ohne einen nennenswerten Trend nach oben. Somit stellt sich die Frage, wo die betroffenen Frauen und Mädchen sind und welche Hinderungsgründe dafür verantwortlich zeichnen, dass sie so selten den Weg in das spezifische Versorgungssystem finden.

    An dieser Stelle setzt das Projekt IBS femme an, welches Ende 2017 vom Bundesministerium für Gesundheit in Auftrag gegeben wurde und noch bis Mitte 2019 läuft. IBS femme hat den Anspruch, Erklärungsansätze für die oben genannte Diskrepanz empirisch zu prüfen. Die Ambulanz für Spielsucht der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie der Universitätsmedizin Mainz führt das Projekt federführend aus. Als direkte Kooperationspartner konnten der Bundesverband für stationäre Suchtkrankenhilfe (buss), das Center for Behavioral Addiction Research (CeBAR) der Universität Duisburg/Essen, der Fachverband Medienabhängigkeit e.V., die Median-Kliniken Daun sowie die MediClin Bad Wildungen gewonnen werden.

    Hintergründe zum Projekt IBS femme

    Im Vorfeld wurden mögliche Gründe dafür formuliert, dass Frauen mit Internetbezogenen Störungen im Versorgungsbereich unterrepräsentiert sind.

    1) Zum einen wurde vermutet, dass weibliche Betroffene unter weiteren komorbiden psychischen Störungen (z. B. affektive Störungen, Angststörungen und Persönlichkeitsstörungen) leiden bzw. diese Störungen die Internetsucht überlagern und sich die betroffenen Frauen von daher zuallererst an andere Versorgungsstellen wenden, wie etwa an das psychiatrische Versorgungssystem, niedergelassene Psychotherapeuten oder andere Einrichtungen der Psychosomatik. Da sich hier die Behandlung der anderen psychischen Störungen im Fokus befindet, steht zu vermuten, dass die Internetbezogene Störung unentdeckt bleibt.

    2) Ein zweiter Erklärungsansatz bezieht sich auf Unterschiede in der erlebten Beeinträchtigung durch Internetbezogene Störungen. Hier wird argumentiert, dass Frauen andere Formen Internetbezogener Störungen aufweisen als Männer. Dazu zählt vor allem die suchtartige Nutzung von Social Media, wohingegen sich der suchtartige Konsum von Männern eher auf Online-Computerspiele und Pornographie bezieht. Somit ließe sich das spezielle Suchtverhalten von Frauen gegebenenfalls besser in den Alltag integrieren, sie erlebten dadurch eine geringere psychosoziale Funktionsbeeinträchtigung und Bezugspersonen würden nicht auf die Problematik aufmerksam werden. Dies würde dazu führen, dass Angehörige die betroffenen Frauen auch seltener dazu ermunterten, das Nutzungsverhalten kritisch zu hinterfragen oder deswegen eine Beratung oder Behandlung in Anspruch zu nehmen.

    3) Schließlich wurde als weitere Erklärung ein so genanntes Methodenartefakt ins Spiel gebracht. Die Vermutung lautet hier, dass entweder in epidemiologischen Studien die Prävalenz Internetbezogener Störungen bei Frauen überschätzt wird, Internetbezogene Störungen bei Frauen keinen Krankheitswert haben oder die Symptome bei Frauen stärker fluktuieren, Frauen also eine höhere Chance haben, dass sich das Suchtverhalten lediglich in einem sehr begrenzten Zeitraum manifestiert, um dann ohne externe Hilfe wieder zu remittieren.

    Die Prüfung dieser doch sehr unterschiedlich ausfallenden Erklärungsansätze stellt eine methodische Herausforderung dar und lässt sich nicht in einem Durchgang bewerkstelligen. Dementsprechend sieht die Projektumsetzung einen Mehrebenenansatz unter Verwendung eines so genannten fluiden Forschungsdesigns vor, das im Folgenden näher beschrieben wird (siehe Abbildung 1).

    Abbildung 1: Methodischer Aufbau des Projekts IBS femme

    Inhalte des Projekts IBS femme

    Die vorgenannten zu untersuchenden Fragestellungen sind größtenteils explorativer Natur. Deshalb ist der eigentlichen Projektumsetzung eine Sekundärdatenanalyse vorgeschaltet. In Sekundärdatenanalysen werden bereits vorliegende Datensätze, die ursprünglich im Rahmen anderer Fragestellungen erhoben wurden, unter neuem Blickwinkel ausgewertet. Die Sekundärdatenanalysen haben im Projekt IBS femme den Vorteil, dass ohne den Aufwand einer gänzlich neuen Datenerhebung eine erste Orientierung über die Plausibilität der oben genannten Erklärungsansätze gewonnen werden kann. Weiter versprechen sich die Forscher von diesen Analysen eine erste Konkretisierung der Hypothesen sowie eine mögliche Identifikation neuer Arbeitshypothesen.

    Für das Projekt IBS femme stehen der Ambulanz für Spielsucht verschiedene Datensätze zur Verfügung, die eine Gesamtzahl von circa 25.000 Befragten umfassen. Von zentraler Bedeutung sind Datensätze, die repräsentative Stichproben von erstens erwachsenen und zweitens jugendlichen Personen beinhalten, sowie klinische Datensätzen von Personen, die sich im Suchthilfesystem wegen des Verdachts auf Internetbezogene Störungen vorgestellt haben. Diese Datensätze beinhalten einerseits bereits aufbereitete Daten, andererseits auch eher unstrukturiertes Material wie etwa Befundberichte und Arztbriefe über Patientinnen und Patienten, die Informationen enthalten, die über eine reine Erhebung mittels Fragebogen hinausgehen und somit umso wertvoller sind.

    Ausgehend von den vorgeschalteten Sekundärdatenanalysen und den hier gewonnenen Erkenntnissen schließt sich die Erhebung von neuen Daten (Originaldaten) an. Die Erhebung von Originaldaten sieht die Durchführung von qualitativen Tiefeninterviews sowie eine experimentalpsychologische Testung von weiblichen Social-Media-Nutzern aus der Allgemeinbevölkerung vor. In diesem Schritt soll geprüft werden, ob unter intensiven Nutzerinnen von Social-Media-Angeboten von einem erhöhten Risiko für die Entwicklung einer Internetsucht auszugehen ist und ob sich ein etwaiges Suchtverhalten in ähnlicher Art und Weise niederschlägt wie bei anderen Formen internetsüchtigen Verhaltens, zum Beispiel der Computerspielsucht.

    Des Weiteren, und dies ist der größere Projektanteil, sollen Daten von Patientinnen und Patienten aus unterschiedlichsten Bereichen des Versorgungssystems erhoben werden. Hierzu werden Kooperationen mit Einrichtungen, die dem Suchthilfesystem angehören, ebenso wie mit Einrichtungen außerhalb des Suchthilfesystems geschlossen. In einem vorab definierten Zeitraum werden Daten von den dort behandelten Patientinnen und Patienten erhoben. Die Absicht dahinter ist, zum einen individuelle Zugangswege von Patientinnen und Patienten mit einer internetbezogenen Störung in das Suchthilfesystem nachzuzeichnen, und zum anderen individuelle Auslöser für die Entscheidung, sich in Behandlung zu begeben, zu identifizieren. Speziell in Einrichtungen außerhalb der Suchthilfe soll mittels geeigneter Fragebogenverfahren zudem die ‚verdeckte Prävalenz‘ Internetbezogener Störungen ermittelt werden. Hier wird speziell unter weiblichen Patienten, die wegen anderer Störungen in Behandlung sind, auf eine zusätzlich vorliegende internetbezogene Störung getestet.

    Aufruf zur Beteiligung

    Wie im vorigen Abschnitt dargestellt, sind die Forscher auf die Mitarbeit möglichst vieler unterschiedlicher Einrichtungen aus dem Bereich der Gesundheitsversorgung angewiesen. Zum aktuellen Zeitpunkt ist nicht klar zu beantworten, ob sich Fälle bislang nicht diagnostizierter Internetbezogener Störungen in bestimmten Bereichen des Gesundheitsversorgungssystems häufen. Ausgehend von den bislang durchgeführten Analysen deutet sich jedoch zumindest an, dass gerade unter Patientinnen, die sich bei niedergelassenen Psychotherapeut/innen in Behandlung befinden, von einer diesbezüglichen Dunkelziffer auszugehen ist.

    Um das Projekt erfolgreich durchzuführen, möchten die Wissenschaftler gerne Fachleute aus allen Ecken und Enden der Gesundheitsversorgung herzlich einladen, sich am Projekt zu beteiligen. Dies kann beispielsweise darüber erfolgen, dass sich Behandlerinnen und Behandler als Interviewpartner zur Verfügung stellen oder dass in Einrichtungen bei den behandelten Patientinnen und Patienten mittels Fragebögen Daten gesammelt werden können.

    Wichtig ist der Forschergruppe, nochmals darauf hinzuweisen, dass Einrichtungen aller Art willkommen sind. Das gilt also sowohl für Kliniken, Ambulanzen und Praxen als auch für Einrichtungen mit den unterschiedlichsten Behandlungs- und Beratungsschwerpunkten.

    Falls Ihr Interesse geweckt ist und Sie sich eine Beteiligung vorstellen können oder noch Fragen haben, wenden Sie sich gerne an Dr. Kai Müller unter der Mail-Adresse:
    kai.mueller@unimedizin-mainz.de

     Text: Dr. Kai W. Müller, Ambulanz für Spielsucht, Mainz

  • Jahrbuch Sucht 2018

    Das Jahrbuch Sucht 2018 der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen e.V. (DHS) ist erschienen. Es liefert die neuesten Zahlen, Fakten und Trends zum Konsum legaler und illegaler Drogen sowie zu abhängigem Verhalten. Eine Zusammenfassung der aktuellen Daten und Fakten finden Sie hier. Anlässlich des Erscheinens des diesjährigen Jahrbuches macht die DHS besonders auf die Folgen des ‚Passivtrinkens’ aufmerksam.

    Passivtrinken – eine folgenschwere Gefahr für Unbeteiligte

    Der Konsum keines anderen Suchtmittels ist gesellschaftlich derart akzeptiert wie der des Alkohols. Dessen Risiken werden häufig verdrängt – auch die für das persönliche Umfeld. Dazu muss nicht zwingend eine Abhängigkeit vorliegen, bereits der akute Konsum kann Dritte schädigen. Betroffene sind in erster Linie Angehörige und Partner, Kinder und Jugendliche sowie Ungeborene. Hinzu kommen Kollegen und Mitarbeitende, Beifahrer alkoholisierter Fahrer, Unfallopfer und ihre Angehörigen sowie Steuer- und Beitragszahler. Sie alle sind von folgenschweren Konsequenzen des Konsums betroffen, auch wenn sie nicht unbedingt selbst Alkohol trinken. Dies alles fällt unter den Begriff des ‚Passivtrinkens‘.

    Angehörige und Kinder leiden am meisten unter Passivtrinken

    Dramatisch ist das Passivtrinken für Ungeborene und Kinder. Nach einer aktuellen europaweiten Studie trinken mehr als ein Viertel der Frauen in Deutschland in der Schwangerschaft Alkohol. Pro Jahr sind in Deutschland 10.000 Kinder schon bei ihrer Geburt alkoholgeschädigt – geistig und körperlich („Fetale Alkohol-Spektrum Störung“ FASD). Diese Schädigungen sind nicht reversibel, viele der Betroffenen brauchen lebenslange Betreuung. Insgesamt gehen Experten von rund 1,5 Millionen Menschen mit einer FASD in Deutschland aus. Wichtig: Es gibt für Schwangere keine unbedenkliche Menge Alkohol!

    Kinder, die mit alkoholkranken Eltern leben, können dieser Situation kaum ausweichen. Rund 2,65 Millionen Kinder wachsen in einer Suchtfamilie auf. Sie erleiden eine schwerwiegende Beeinträchtigung und Gefährdung ihrer persönlichen Entwicklung. Überdurchschnittlich oft kommt es in diesen Familien zu sexuellen Übergriffen, Missbrauch und körperlicher Gewalt. Es herrscht eine Atmosphäre der Angst und Unberechenbarkeit, die einen nachhaltigen Einfluss auf die seelische Entwicklung der Kinder nimmt. Forschungsergebnisse belegen, dass Kinder, die diesen und weiteren familiären Belastungsfaktoren ausgesetzt sind, ein erhöhtes Risiko aufweisen, selbst suchtkrank zu werden oder andere psychische Störungen zu entwickeln.

    Angehörige können unter den Auswirkungen des akuten und abhängigen Konsums leiden. Etwa acht Millionen Angehörige alkoholkranker Menschen in Deutschland erfahren zahlreiche Belastungen, sorgen sich um die Gesundheit des alkoholabhängigen Angehörigen, fühlen sich hilflos und ohnmächtig, einsam, alleinverantwortlich und oftmals nicht ernst genommen. In Extremfällen erfahren sie gar regelmäßig körperliche und sexuelle Gewalt. Hinzu kommen Zukunftsängste, finanzielle Belastungen, Trauer und Verlust, Scham und Schuldgefühle (Hilfe für Angehörige: http://www.suchthilfeverzeichnis.de/).

    Passivtrinken im Straßenverkehr

    Bei Alkoholunfällen kommen insbesondere Menschen zu Schaden, die selbst nichts getrunken haben: Mitfahrer, Unfallbeteiligte oder andere Verkehrsteilnehmer. Auch Angehörige oder Unfallzeugen, die Schockierendes miterleben, sind Opfer des Alkoholkonsums anderer. Stirbt ein Mensch bei einem Verkehrsunfall, sind laut Deutschem Verkehrssicherheitsrat im Durchschnitt 113 andere Menschen unmittelbar betroffen. Darunter sind elf Angehörige, vier enge Freunde, 56 Bekannte – und 42 Einsatzkräfte von Sanitätsdiensten, Feuerwehren oder Polizei. Bei 225 Personen, die 2016 bei Alkoholunfällen ums Leben gekommen sind, wären das allein über 24.400 Betroffene. Etwa jeder 14. Verkehrstote stirbt, weil ein Verkehrsteilnehmer zu viel Alkohol getrunken hat.

    Im Jahr 2016 wurden zudem 16.770 Menschen bei einem Alkoholunfall verletzt. Auch die Zahl der Schwerverletzten liegt bei Alkoholunfällen deutlich höher als bei Verkehrsunfällen ohne Alkoholeinfluss: Während bei allen Unfällen mit Personenschaden 219 Schwerverletzte auf 1.000 Unfälle kamen, waren es bei Alkoholunfällen 337 Schwerverletzte. Auch wenn sie überleben, haben viele der Verletzten ihr Leben lang mit den Folgen zu kämpfen: Sie sind Pflegefälle, haben ihren Arbeitsplatz und ihre Lebensqualität verloren.

    Insbesondere Männer neigen dazu, alkoholisiert zu fahren: Laut Statistischem Bundesamt werden am alljährlichen ‚Vatertag‘ zwei- bis dreimal so viele Alkoholunfälle registriert wie an anderen Tagen. 2015 gab es an diesem Tag 254 Alkoholunfälle, das sind 160 mehr als an einem durchschnittlichen Tag. Nur an Neujahr 2015 war die Bilanz noch schlechter.

    Verluste für Betriebe und Volkswirtschaft

    Auch im Arbeitsleben kann Passivtrinken durch trinkende Kollegen erhebliche Auswirkungen nach sich ziehen: Produktivitätsausfälle, die Kollegen im Betrieb auffangen müssen, Arbeitsunfälle, die nicht trinkenden Mitarbeitenden Schaden zufügen, Qualitätsverluste der eigenen Arbeit, die durch fehlerhafte Leistungen von Alkoholkonsumenten verursacht werden. Es ist davon auszugehen, dass fünf Prozent der Arbeitnehmer – von der Geschäftsführung bis zur Aushilfskraft – problematisch Alkohol konsumieren, weitere fünf Prozent sind abhängig. Bei der nächsten Aktionswoche Alkohol vom 18. bis 26. Mai 2019 wird das Thema „Kein Alkohol am Arbeitsplatz!“ im Mittelpunkt stehen (weitere Informationen unter www.aktionswoche-alkohol.de sowie www.sucht-am-arbeitsplatz.de).

    Schließlich sind alle Steuerzahler und Beitragszahler in Renten- und Krankenversicherungen Geschädigte des Passivtrinkens: Eine aktuelle Untersuchung beziffert die direkten und indirekten Kosten des Alkoholkonsums in Deutschland auf rund 40 Milliarden Euro. Dem stehen Einnahmen des Staates aus alkoholbezogenen Steuern von nur 3,165 Milliarden Euro gegenüber.

    Bereits 2007 hat die EU-Kommission im Zusammenhang mit Alkohol Schwerpunktbereiche ermittelt, die in allen Mitgliedsstaaten relevant sind und für die ein gemeinschaftliches Vorgehen gefordert wird:

    • Schutz von Jugendlichen, Kindern und des Kindes im Mutterleib,
    • Senkung der Zahl von Verletzungen durch alkoholbedingte Straßenverkehrsunfälle,
    • Vorbeugung alkoholbedingter Schädigung bei Erwachsenen und Verringerung der negativen Auswirkungen am Arbeitsplatz.

    An der Aktualität dieser Schwerpunkte hat sich auch nach über zehn Jahren nichts geändert: „Deutschland ist ein Alkohol-Höchstkonsumland“, sagt Christina Rummel, stellvertretende Geschäftsführerin der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen. „Es muss bewusst werden, dass Passivtrinken ähnlich gravierende Folgen für Unbeteiligte hat wie das Passivrauchen.“

    Forderungen der DHS

    Die DHS fordert effektive Präventionsmaßnahmen, u.a. Preiserhöhungen, Angebotsreduzierung, Werbeeinschränkungen sowie die Ausdehnung des Jugendschutzes: kein Alkoholverkauf an Minderjährige! Diese Maßnahmen sind dringend erforderlich, wenn Millionen Einzelne und die Gesellschaft vor den massiven Beeinträchtigungen durch Passivtrinken geschützt werden sollen. Keine dieser wirksamen Maßnahmen stand auf den Agenden der vergangenen Bundesregierungen. Höchste Zeit für einen Wandel!
    (Quelle: DHS Jahrbuch Sucht 2018, S. 198 ff.)

    Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e.V. (Hg.): DHS Jahrbuch Sucht 2018
    Pabst Science Publishers, Lengerich 2018, 276 Seiten, € 20,00, ISBN 978-3-95853-380-6, auch als E-Book erhältlich

    Pressestelle der DHS, 28.03.2018

  • Bin ich süchtig?

    Bild©Medienprojekt Wuppertal

    Die Filme beschäftigen sich mit der Handynutzung von Jugendlichen. Viele der Teilnehmer/innen haben beim ‚Handyfasten‘ mitgemacht und freiwillig versucht, eine Woche auf ihr Handy zu verzichten. Diese Zeit porträtieren die Jugendlichen in Videoblogs, die durch persönliche Interviews ergänzt werden. Die Teilnehmer/innen sprechen über die Apps, die sie nutzen, und die Rolle des Handys in ihrem Leben. Sie beschreiben ihren Tagesablauf und in welchen Momenten sie das Handy nutzen. In vielen Punkten, vor allem bei der Nutzungsdauer, gibt es Konflikte mit Erwachsenen, die das Verhalten ihrer Kinder kritisieren. Für viele Jugendliche ist es Stress, nicht erreichbar zu sein, für andere ist es Erholung, die aber beim Beantworten der angestauten Nachrichten schnell wieder verfliegt. Die Protagonist/innen erzählen von dem Drang, alles zu fotografieren und es dann zu ‚teilen‘, bis hin zur Frage, ob etwas wirklich passiert ist, wenn es nur in der Erinnerung existiert. Sie sprechen über die Regeln zur Handynutzung an ihren Schulen und die Nutzung im Schulalltag. Die Interviews und der Handyverzicht lassen die Teilnehmer/innen ihren eigenen Konsum reflektieren. Das Experiment rüttelt am Stellenwert des geliebten Smartphones. Alle stellen sich schließlich die Frage: Kann man süchtig sein nach dem Handy?

    Die Filme geben authentische Einblicke in die Handynutzung junger Menschen. Sie bieten eine gute Gesprächsgrundlage für Kinder und Jugendliche, die dazu angeregt werden, ihren Handykonsum kritisch zu reflektieren und – vielleicht – das Handy mal zur Seite zu legen.

    Am 19.03.2018 findet die Premiere der Filmreihe „Bin ich süchtig?“ im CinemaxX Wuppertal (Bundesallee 250) statt. Der Eintritt ist frei!

    Die Filme:

    • Ich mach alles damit
    • Ich hab‘ kein Handy mehr
    • Mein Handy und ich
    • Der Akku ist schnell leer
    • Mir fehlt etwas
    • 7 Tage offline
    • „Handyverbot oder kein Taschengeld!“
    • Mittel zum Zweck
    • Interview mit Thomas Feibel, Journalist, Autor und Leiter des Büros für Kindermedien in Berlin
    • Interview mit Dr. Kai-Uwe Hugger, Professor für Medienpädagogik und Mediendidaktik

    Freigegeben ab 0 Jahren
    DVD Kauf € 32,00, Ausleihe € 12,00, Preis V & Ö € 60,00
    Mehr Informationen

    Pressestelle des Medienprojekts Wuppertal, 13.03.2018

  • So süchtig machen WhatsApp, Instagram und Co.

    Foto©eugenesergeev – Fotolia.com

    WhatsApp, Instagram oder Snapchat können süchtig machen. Nach einer neuen DAK-Studie erfüllen 2,6 Prozent der Kinder und Jugendlichen in Deutschland die Kriterien für eine Abhängigkeit nach der so genannten „Social Media Disorder Scale“. Das Suchtrisiko wurde jetzt erstmals in einer repräsentativen Untersuchung der Krankenkasse DAK-Gesundheit und des Deutschen Zentrums für Suchtfragen am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) analysiert. Laut Studie verbringen Jungen und Mädchen zwischen zwölf und 17 Jahren durchschnittlich rund zweieinhalb Stunden täglich mit sozialen Medien. Durch die intensive Nutzung entstehen gesundheitliche Probleme. Es gibt sogar einen Zusammenhang zwischen Social-Media-Sucht und Depressionen. Die sozialen Probleme sind vielfältig:  zu wenig Schlaf, Realitätsflucht und Streit mit den Eltern.

    100.000 Kinder und Jugendliche abhängig von Social Media

    Für die DAK-Studie „WhatsApp, Instagram und Co. – so süchtig macht Social Media“ hat das Forsa-Institut 1.001 Kinder und Jugendliche im Alter von zwölf bis 17 Jahren befragt. Erstmals wurde mit dieser Analyse die Häufigkeit einer Social-Media-Abhängigkeit in einer für Deutschland repräsentativen Stichprobe untersucht. Grundlage sind wissenschaftliche Kriterien aus den Niederlanden (Social Media Disorder Scale). Werden mindestens fünf von neun Standardfragen mit Ja beantwortet, liegt laut Fragebogen eine Social-Media-Abhängigkeit vor. Kernergebnis der DAK-Studie: 2,6 Prozent der Befragten sind bereits süchtig nach Social Media – Mädchen mit 3,4 Prozent etwas häufiger als Jungen (1,9 Prozent). Auf alle 12- bis 17-Jährigen in Deutschland hochgerechnet entspricht dieser Prozentsatz etwa 100.000 Betroffenen.

    Mädchen länger online

    Mädchen sind länger in sozialen Medien unterwegs als Jungen – im Schnitt knapp über drei Stunden pro Tag (Jungen: 2,5 Stunden pro Tag). Je älter die Befragten werden, desto mehr Zeit verbringen sie bei WhatsApp, Instagram und Co.: Mädchen zwischen 16 und 17 Jahren sind fast 3,5 Stunden pro Tag in sozialen Medien aktiv, gleichaltrige Jungen nur 2,75 Stunden. Mit Abstand die beliebteste Anwendung ist WhatsApp, gefolgt von Instagram und Snapchat. „Je länger und häufiger die Kinder und Jugendlichen online sind, desto höher das Suchtrisiko“, sagt Professor Rainer Thomasius, Ärztlicher Leiter Deutsches Zentrum für Suchtfragen des Kindes- und Jugendalters am UKE. „Wir beobachten, dass Eltern häufig keine klaren Regeln zum Umgang mit sozialen Medien aufstellen. Die sind aber dringend nötig, damit ihre Kinder nicht unbemerkt in die Abhängigkeit rutschen.“

    Social-Media-Sucht und Depressionen

    Besonders alarmierend sei der Zusammenhang zwischen Social-Media-Sucht und Depressionen, sagt Thomasius: Wer von sozialen Medien abhängig ist, hat ein um den Faktor 4,6 Prozent höheres Risiko, an einer Depression zu erkranken als Nicht-Süchtige – so das Ergebnis der DAK-Studie: Jeder dritte Jugendliche mit einer Social Media Disorder berichtet über Symptome einer Depression. „Über Ursache und Wirkung haben wir noch keine Erkenntnisse“, kommentiert der Suchtexperte. „Natürlich kann es auch sein, dass sich depressive Kinder und Jugendliche häufiger in die virtuelle Welt zurückziehen und deshalb ein Suchtverhalten entwickeln. In jedem Fall verstärken sich die beiden Faktoren, so dass eine ernste gesundheitliche Gefahr droht.“

    Weitere Probleme durch soziale Medien

    Laut Untersuchung haben soziale Medien bei den befragten Kindern und Jugendlichen häufig negative soziale Auswirkungen in verschiedenen Bereichen – auch wenn sie nicht als süchtig gelten:

    • Jeder dritte Befragte nutzt soziale Medien um nicht an unangenehme Dinge denken zu müssen. Bei den Mädchen trifft dies sogar auf vier von zehn Befragten zu.
    • Knapp ein Viertel der Befragten bekommt wegen der Nutzung sozialer Medien manchmal, häufig oder sogar sehr häufig zu wenig Schlaf.
    • 22 Prozent streiten manchmal, häufig oder sehr häufig mit den Eltern über die Nutzung sozialer Medien – öfter betroffen sind die 12- bis 13-Jährigen (32 Prozent).
    • 14 Prozent gaben an, soziale Medien oft heimlich zu nutzen. Ebenso viele können die Nutzung nicht stoppen, obwohl andere ihnen sagten, dass sie dies dringend tun müssen.
    • 13 Prozent sind unglücklich, wenn sie keine sozialen Medien nutzen können.
    • Acht Prozent der Befragten sind mit allen Freunden ausschließlich über soziale Medien in Kontakt.
    • Fünf Prozent der Befragten haben regelmäßig kein Interesse mehr an Hobbys oder anderen Beschäftigungen, weil sie lieber Social Media nutzen.

    Als Konsequenz aus den aktuellen Umfrageergebnissen setzt die DAK-Gesundheit ihre Aufklärungskampagne zum Thema Internetsucht fort. Die Krankenkasse finanziert Broschüren, die Jugendliche, Eltern und Lehrkräfte gezielt informieren. Herausgegeben werden die Hefte mit ausführlichen Hintergrundinformationen, Beispielen und einem Selbsttest vom Deutschen Zentrum für Suchtfragen des Kindes- und Jugendalters (DZSKJ) am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf.

    Außerdem schaltet die DAK-Gesundheit gemeinsam mit den Suchtexperten des UKE in Kürze eine kostenlose Hotline und einen Experten-Chat für Betroffene und Angehörige.

    Weitere Informationen gibt es auch im Internet unter www.computersuchthilfe.info oder unter www.dak.de/internetsucht

    Pressemitteilung der DAK und der Bundesdrogenbeauftragten, 01.03.2018

  • BTHG und Eingliederungshilfe Sucht

    Was bewegt sozialtherapeutische Einrichtungen im Kontext des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) und der Eingliederungshilfe Sucht? Mit dieser Fragestellung lassen sich die vielfältigen Inhalte des 4. Fachtages für Soziotherapeutische Einrichtungen beschreiben, zu dem der Bundesverband für stationäre Suchtkrankenhilfe e.V. (buss) am 21.02.2018 nach Kassel eingeladen hatte.

    Vorstandsmitglied Andreas Reimer (Deutscher Orden Suchthilfe) skizzierte in seiner Einführung aktuelle fach- und sozialpolitische Entwicklungen und Herausforderungen für suchtspezifische Einrichtungen der Eingliederungshilfe. Gleichzeitig lenkte er den Blick auf die noch junge Geschichte des Fachtages und dessen Bedeutung für die Praktiker: Einige Mitglieder des buss betreiben neben Einrichtungen der stationären und ambulanten medizinischen Rehabilitation auch komplementäre Einrichtungen der Eingliederungshilfe Sucht. Anlass für den ersten Fachtag für Soziotherapeutische Einrichtungen 2015 waren die Vorboten des BTHG und der Bedarf der Leitungskräfte und Betreiber soziotherapeutischer Einrichtungen, die eigenen fachlichen und strukturellen Konzepte rechtzeitig hinsichtlich der Anforderungen der Gesetzgebung zu analysieren und ggf. anzupassen.

    Die durchweg sehr guten Bewertungen der bisherigen Fachtage motivieren die Vorbereitungsgruppe, auch für das kommende Jahr wieder ein Programm mit relevanten Themen und Trends für die Praxis zusammenzustellen. Das breite Fach- und Vernetzungswissen innerhalb der Suchthilfelandschaft und die Themenwünsche der Teilnehmer/innen werden dabei eingebunden.

    Wirkung und Wirkungsmessung

    Was konkret ist zu tun, um die Herausforderungen des BTHG zu meistern, die Chancen im Sinne einer noch besseren personenzentrierten Teilhabe von Suchtkranken zu nutzen und – ganz im Sinne einer qualitativen Hebelwirkung – die komplementären (zumeist noch stationären) Einrichtungen für chronisch mehrfachbeeinträchtigte Suchtkranke aus dem Schattendasein herauszuholen? Diese Fragen standen im Mittelpunkt des diesjährige Fachtages.

    Der Vormittag stand thematisch unter dem BTHG-Schlagwort „Wirkung“. Robert Meyer-Steinkamp (Therapeutische Gemeinschaft Jenfeld, Hamburg) stellte in seinem Beitrag BADO Hamburg – Erfassung und Auswertung von Daten aus der Eingliederungshilfe dar, wie es in Hamburg gelingt, die Ergebnisqualität der umfassenden Eingliederungsleistungen für Suchtkranke abzubilden. Eindrucksvoll und überzeugt stellte Meyer-Steinkamp die Arbeit des gemeinsam von Leistungsträger und Leistungsanbietern getragen Vereins BADO e.V. vor. Anders als in vielen anderen Bundesländern ist die Basisdokumentation in Hamburg auch in der Eingliederungshilfe Pflicht, so dass seit 2011 alle ambulanten und (teil-)stationären Angebote Daten liefern. Dass sich die – zugegeben nicht immer beliebte – Erbsenzählerei lohnt, stellte er anhand des Spezialthemas im Statusbericht 2015 vor. Aus allen Datensätzen der letzten sechs Jahre wurden so genannte Intensivnutzer der Hamburger Suchthilfe herausgefiltert und hinsichtlich ihrer Beratungs-, Behandlungs- und Betreuungsepisoden sowie der dabei erreichten Gesamtergebnisse untersucht. In den beispielhaft vorgestellten Teilhabebereichen zeigten sich für die Leistungsberechtigten trotz oder wegen der ‚Drehtür-Verläufe‘ spürbare Verbesserungen ihrer Lebens- und Teilhabesituation, die zwar für den Praktiker vor Ort und im Einzelfall erwartbar waren, aber eben ohne die Datenerhebung und -auswertung nicht in der Quantität belegbar wären.

    Es wäre wünschenswert, wenn auch andernorts die Chancen der Basisdokumentation erkannt und genutzt würden. Nach einer Auswertung des IFT Institut für Therapieforschung zur Deutschen Suchthilfestatistik für das Jahr 2014 ergab sich eine Beteiligung von nur 105 ambulanten und (teil-)stationären Einrichtungen der Eingliederungshilfe mit rund 5.500 Fällen. Die Datenlage und ihre Aussagekraft könnte mit einer stärkeren Beteiligung der Träger deutlich verbessert werden. Die aktuelle Ausdifferenzierung des Kerndatensatzes 3.0 und stärkere Berücksichtigung von Angeboten der Eingliederungshilfe kann ein guter Anlass sein, jetzt in die Datenerhebung einzusteigen.

    Mit der Aussage, Wirksamkeit und Wirkung seien zunächst einmal zu differenzieren, führte anschließend Prof. Dr. Andrea Riecken (Hochschule Osnabrück) in ihren Vortrag ein. Unter dem Titel Anforderungen an Wirkungsmessung in der Eingliederungshilfe stellte sie grundlegende forschungsmethodische Herausforderungen bei der Evaluation Sozialer Arbeit und ihrer Dienstleistungen vor. Die Komplexität von Wirkfaktoren und deren Zusammenspiel soll die Praxisforschung allerdings nicht länger davon abhalten, die Wirkung z. B. der Fachleistung innerhalb der Eingliederungshilfe Sucht wissenschaftlich sauber zu belegen. Damit kann auch der Erhalt und die Weiterentwicklung der Eingliederungshilfe-Leistungen im Sinne der Klienten vorangetrieben werden.

    Nach diesen beiden Beiträgen mochte so manche/r Zuhörer/in angesichts der Überschrift des Vortrages von Dieter Adamski (Therapiehilfe e.V., Hamburg/Bremen) zunächst aufatmen: Basisdokumentation und Wirksamkeitsmessung – Was ist in der Praxis leistbar? Allerdings verdichtete Adamski die vielfältigen Anforderungen an Leitung, Fach- und Hilfskräfte zu prägnanten Forderungen im Rahmen einer weiteren Professionalisierung der Eingliederungshilfe Sucht im Sinne der Etablierung eines Qualitätsmanagements. Sofern nicht bereits ein Umdenken erfolgt ist, wird es nun höchste Zeit. Dabei ist der Gestaltungsspielraum, den ein proaktives Vorgehen der Einrichtungen, ihrer Träger und Fachverbände bietet, pragmatisch zu nutzen. Qualitätssicherung soll dabei keinen Selbstzweck erfüllen, sondern die kontinuierliche Weiterentwicklung von strukturellen und fachlichen Standards sowie die Abbildung der Ergebnisqualität der Leistungserbringer unterstützen. Nur so können komplementäre und am individuellen Teilhabebedarf und Teilhabeplan ausgerichtete Eingliederungshilfe-Angebote erhalten und zukunftssicher weiterentwickelt werden: „Wir wissen, wann und wie wir unsere Kunden unterstützen, wir dokumentieren es jedoch (noch) nicht sachgerecht, um mit den Ergebnissen an die Öffentlichkeit zu treten. Denkbar wären Katamnesen, wie es in der medizinischen Rehabilitation üblich ist.“ Gleichzeitig forderte Adamski finanzielle und personelle Ressourcen: „Wer Wirksamkeitsmessung in der Eingliederungshilfe umsetzten will, muss in Forschung investieren und für die Praxis handhabbare Instrumente entwickeln, die auch zu den Berufsgruppenprofilen der Eingliederungshilfe-Einrichtungen passen.“

    Die Mittagspause bot Gelegenheit zu einem persönlichen und informellen Austausch der Teilnehmenden. Der Fachtag wurde in sechs Arbeitsgruppen zu Anforderungen und Chancen rund um die Umsetzung des BTHG fortgesetzt.

    Anforderungen und Chancen bei der Umsetzung des BTHG

    Prof. Dr. Johannes Schädler (Universität Siegen) gab in seiner Arbeitsgruppe Bedarfsermittlung und Teilhabeplanung: Herausforderung und Chance für Suchtkranke und Leistungserbringer zunächst einen Überblick über die Begrifflichkeiten und die historische Entwicklung von Bedarfsermittlung und Teilhabeplanung. Weiter ging er auf die Herausforderungen und Chancen für Suchtkranke und Leistungserbringer in dem Prozess ein und betonte die aus seiner Sicht dringend notwendige und gesetzlich verankerte Steuerungshoheit der Leistungsträger: „Wer den Gesamtplan verfasst, steuert de facto das (Teilhabeplan-)Verfahren.“ Seine weitere Aufforderung „Weg von dem (einrichtungsbezogenen) Platzierungsdenken und -handeln hin zu einer Steuerung der EGH durch die Leistungsträger im Sinne einer personenzentrierten Teilhabeplanung“ eröffnete einen Diskurs unter den Teilnehmenden zur Bedeutung des Teilhabeplanverfahrens für die Eingliederungshilfe Sucht. Hieraus entstanden neue Fragen zu folgenden Themen:

    • Teilhabeberatung von Suchtkranken (z. B. Suchtberatung, Sozialdienste in der Entgiftungsbehandlung und der medizinischen Rehabilitation, gesetzliche Betreuer),
    • Unterstützungsmöglichkeit von Suchtkranken und Beteiligung der Leistungserbringer im Bedarfsermittlungsverfahren,
    • Perspektiven der Studien zur Entwicklung des Personenkreises nach § 99 SGB IX-neu (Wie wird der geringe Anteil der Suchtkranken (vier Prozent) an allen Menschen mit Behinderung in den Studien z. B. hinsichtlich der Rechtsfolgen berücksichtigt? Exklusion durch ‚5 aus 9‘?),
    • sozialpolitische Aktivitäten in Bezug auf die länderspezifischen Ausführungsgesetze und Verordnungen.

    Chancen für behinderte oder von Behinderung bedrohte Suchtkranke bestehen in einem regional ausdifferenzierten Suchthilfeangebot, welches aus ambulanten Einrichtungen und stationären bzw. besonderen Wohnformen sowie tagesstrukturierenden und arbeitsmarktbezogenen Angeboten bestehen kann. Dazu könnten die multiprofessionellen Teams der Träger und die Vernetzungsqualität genutzt werden.

    Stephan May (Hohage, May & Partner – Rechtsanwälte/Steuerberater, Hamburg) referierte in seiner Arbeitsgruppe Heimverträge und Betreuungsverträge – neue Anforderungen im Rahmen des BTHG?! zu den Anforderungen an Wohn- und Betreuungsverträge von ambulanten Einrichtungen und besonderen Wohnformen. Diese AG war rasch nach Anmeldebeginn des Fachtages ausgebucht, der hohe juristische Beratungsbedarf in diesem Feld spiegelte sich in der Diskussion und den Fragestellungen der Teilnehmenden wider.

    In der Arbeitsgruppe Inklusion in CMA-Einrichtungen gab Janina Tessloff (Therapiehilfe e.V., Bremen) Impulse zu folgenden Fragen:

    • Wie müssen die inklusiven Strukturen aussehen, damit sie Teilhabeprozesse begünstigen?
    • Inwieweit und wie weit wollen unsere Bewohner/innen überhaupt Inklusion?
    • Wie können Mitarbeitende zur Teilhabe motivieren, gibt es Grenzen und worin liegt die Verantwortung der Einrichtung?

    Die Teilnehmenden kamen rasch in einen Austausch über die bereits gelebte Praxis und der Spezifika von Suchtkranken. Tessloff formuliert in ihrer Präsentation ein gemeinsames Fazit: „Inklusion kann auch Überforderung bedeuten. Viele unserer Klienten können ihre Bedürfnisse nicht adäquat artikulieren, Selbsteinschätzung ist ein Lernprozess. Viele äußern eher den Wunsch nach Integration: Indem sie sich in der schützenden Einrichtung beheimaten, verweigern sie sich den Anforderungen der Gesellschaft und dem Inklusionsgedanken. Inklusion steht hier erst am Ende eines langen Weges, Integration ist die Vorstufe. Das stationär und ambulant betreute Wohnen arbeitet schon seit langem inklusiv, indem stetig an dem Teilhabeprozess der Betroffenen gemeinsam mit ihnen gearbeitet wird. Die Gesellschaft, die Politik muss nun nachziehen, indem Strukturen entstehen, die unsere Klientel, ohne von ihnen beeinträchtigt zu werden, nutzen kann.“

    Der Impetus des BTHG im Sinne einer stärkeren Personenzentrierung und Verzahnung von Rehabilitationsleistungen mit dem Ziel einer gelingenden Teilhabe und verbesserter Aktivität einerseits und die zugespitzte Koppelung von Suchterkrankung und Wohnungslosigkeit andererseits lenkten auf die Schnittstelle zwischen Wohnungslosenhilfe und Sucht- bzw. Eingliederungshilfe neue Aufmerksamkeit. Gabriel Blass (Haus Eichen, Blankenrath) griff dieses Thema in seiner Arbeitsgruppe Schnittstelle zwischen Wohnungslosenhilfe und Eingliederungshilfe auf. Das vorgestellte Angebot bietet wohnungslosen Suchtkranken eine zweimonatige Orientierungs- und Stabilisierungsmöglichkeit, an die sich weiterführende Behandlungs- und Betreuungsangebote nahtlos anschließen können. Solche Angebote bestehen bundesweit vereinzelt als „Vorsorge“, Vorschaltphase, Betreutes Wohnen für Gefährdete, Übergangswohnen etc. Ihre Finanzierung erfolgt aktuell noch im Rahmen des SGB XII als so genannte § 67er Hilfe oder auch auf Grundlage des § 53.

    In der Arbeitsgruppe Was ist das eigentlich: Soziotherapie oder Sozialtherapie? Leitlinie für neue Mitarbeitende von Nicolai Altmark und Andreas Guder (beide Diakonisches SuchtHilfeZentrum Flensburg) standen Newcomer unter den Mitarbeitenden der Einrichtungen im Focus. Neben der Klärung der verschiedenen Bezeichnungen für Leistungen von Eingliederungshilfe-Einrichtungen in der Suchthilfe (Soziotherapie, Sozialtherapie, soziale Rehabilitation) standen Leitlinien für neue Mitarbeiter zur Diskussion.

    Das BTHG schreibt ICF-basierte Bedarfsermittlungsinstrumente und eine klare ICF-Orientierung im Teilhabeplanverfahren verbindlich vor. In allen Segmenten der Suchthilfe-Angebote kommt der Kenntnis und Anwendung der ICF – z. B. mit entsprechenden Instrumenten in der Beratung, Behandlung und Vermittlung von Suchtkranken mit Behinderung (oder die davon bedroht sind) – eine zunehmende Bedeutung zu. Eine differenzierte, leistungsbegründende Beschreibung der suchtbedingten Behinderung, der damit einhergehenden Einschränkungen der funktionalen Gesundheit sowie der daraus resultierenden Teilhabebedarfe wird mit Blick auf die Definition des leistungsberechtigten Personenkreises in Zukunft noch wichtiger sein als in der Vergangenheit. Maren Spies (Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf) und Robert Meyer-Steinkamp (Therapeutische Gemeinschaft Jenfeld, Hamburg) stellten in ihrer Arbeitsgruppe MCSS (Modulares Core Set Sucht) – Entwicklungsstand und Perspektiven zur Umsetzung der ICF in der Suchthilfe das Konzept und die Anwendung der ICF vor und gaben Einblick in den aktuellen Entwicklungsstand des Modularen Core-Sets Sucht. So genannte Core-Sets bieten störungsspezifische Listen typischer Funktionsbeeinträchtigungen, so dass die insgesamt 1442 Items der ICF in der Praxis handhabbar werden. Das MCSS bietet neben einem Basis-Set weitere Modul-Sets für verschiedene Settings der Suchtkrankenversorgung. In einer Studie wird aktuell die Validität der Item-Listen in den verschiedenen Settings untersucht.

    In dem abschließenden Vortrag Modellprojekt zur Trennung existenzsichernder Leistungen von den Fachleistungen und zur Leistungssystematik gab Olaf Bauch (Landschaftsverband Rheinland, FB Sozialhilfe, Köln) einen Ausblick auf Zuordnungs- und Rechenmodelle, die für die länderspezifischen Vereinbarungen Pate stehen könnten. Neben der differenzierten Berechnung von existenzsichernden Leistungen und Fachleistungen stellt die Umstellung von der bisherigen Anrechnung von Einkommen und dessen Einzug durch die Leistungsträger auf ein Kostenbeitragsverfahren eine besondere Herausforderung für die Leistungserbringer dar. In der Suchthilfe ist mit einem Aufwand durch Forderungsmanagement zu rechnen – keine verlockende Aussicht für die Verwaltungen der Einrichtungen und sicherlich auch eine Herausforderung für die multiprofessionellen Betreuungsteams. Es darf mit einem weiteren Diskurs zum Wert Sozialer Arbeit gerechnet werden.

    Die Tagungsbeiträge stehen – wie auch die Präsentationen der vorangegangenen Fachtage – auf der Homepage des buss zum Download bereit (www.suchthilfe.de > Veranstaltungen > Workshops).

    Darüber hinaus bieten folgende Online-Präsenzen Materialien und Informationen zum BTHG:
    www.reha-recht.de
    www.umsetzungsbegleitung-bthg.de

    Text: Martina Tranel
    Mitglied der Vorbereitungsgruppe Fachtag für Soziotherapeutische Einrichtungen, Veranstalter: buss e.V.
    Dipl.-Sozialarbeiterin/Dipl.-Sozialpädagogin, Sucht- und Sozialtherapeutin
    Leiterin der Einrichtung Theresienhaus, Glandorf, CRT – Caritas Reha und Teilhabe GmbH
    Vorstandsmitglied der DGSAS – Deutsche Gesellschaft für Soziale Arbeit in der Suchthilfe e.V.

  • Schweizer Suchtpanorama 2018

    Der Suchtmittelmarkt wie auch der Onlinespiel- und Online-Geldspielmarkt in der Schweiz sind in Bewegung. Viele Konsumierende wollen neue Produkte möglichst risikofrei ausprobieren, während Anbieter maximale Renditen suchen und staatliche Reglementierung ablehnen. Die Politik schaut weg, obwohl die Folgen für die Bevölkerung direkt oder indirekt spürbar sind und zahlreiche Fragen bestehen: Inwiefern sind alternative Tabakprodukte weniger schädlich als Zigaretten? Wann ist Hanf legal? Wie viel trinken Männer und Frauen heute? Welche Risiken bergen Geldspiele? Wie sieht der Gebrauch opioidbasierter Schmerzmittel aus? Das Schweizer Suchtpanorama 2018 gibt einen Überblick über die heutige Situation sowie die zentralen Entwicklungen und skizziert aktuelle gesellschaftliche Fragen zum Umgang mit Suchtmitteln. Die Publikation steht auf der Homepage von Sucht Schweiz zum Download zur Verfügung. In der Einleitung sind zentrale Aspekte zusammengefasst:

    Alkohol: billig und omnipräsent auch im Web

    Der Pro-Kopf-Konsum von Alkohol ist im Jahr 2016 leicht auf 7,9 Liter reinen Alkohol zurückgegangen und die Abstinenzrate liegt bei rund 14 Prozent der Schweizer Bevölkerung ab 15 Jahren – mehr als noch vier Jahre zuvor. Beim Risikokonsum gibt es indes kaum Veränderungen. 21,6 Prozent der Bevölkerung trinken chronisch oder punktuell risikoreich. Alkohol kann billig und jederzeit erworben werden – auch im Internet, wo Konsumierende in sozialen Netzwerken zum erweiterten Arm der Werbeagentur werden. Alkohol ist zudem ein überall verfügbares Gut – eine Ausnahme sind Autobahnraststätten, aber laut Parlamentsbeschluss nicht mehr lange. Ein weiteres Signal der Deregulierung: die Forderung, die Biersteuer abzuschaffen.

    Raucherquote stagniert, was die Politik nicht kümmert

    2016 rauchten 25,3 Prozent der Personen über 15 Jahren in der Schweiz, das heißt ein Viertel der Bevölkerung. Dieser Anteil hat sich seit rund zehn Jahren nur marginal verändert. Knapp 40 Prozent der Bevölkerung kennen die Gefahren des Tabakkonsums ungenügend. Am besten über die Risiken informiert sind Personen im Alter von 20 bis 44 Jahren. In aller Munde sind neue Produkte, die als schadensmindernde Variante zum herkömmlichen Zigarettenkonsum gehandelt werden. Unklar bleibt, inwiefern das Rauchen entscheidend reduziert wird. Eine stringente Tabakpolitik, welche das Zigarettenrauchen mit einem Werbeverbot und einer wirksamen Steuer reduzieren würde, fehlt hierzulande. In die Bresche springt mitunter die Zivilgesellschaft, wie der Verzicht auf das Tabaksponsoring des Gurtenfestivals zeigt.

    Illegale Drogen – ein Wirrwarr ohne Grenzen beim Cannabis

    Die Konsumzahlen bei den illegalen Drogen sind in etwa stabil geblieben. Cannabis ist die weitaus am häufigsten konsumierte Substanz, weit vor Kokain, Amphetamin und Ecstasy. Beispiellos ist das dramatische Ausmaß der Opioid-Problematik in den USA, wo viele Menschen nach einer Schmerztherapie die Opioide auf dem Schwarzmarkt beschaffen und oft, ohne es zu wissen, zu Stoffen wie Fentanyl greifen. Wie eine Studie aus der Waadt zum Heroinmarkt nahelegt, stellt sich das Problem hierzulande bis jetzt nicht.

    Die Cannabis-Politik steht vor immer größer werdenden Herausforderungen. Mit CBD-haltigen Produkten, der uneinheitlichen Praxis bei den Ordnungsbußen, den geplanten Studien der Städte und Kantone für neue Regulierungsmodelle, der Verwendung von Cannabis zu medizinischen Zwecken sowie dem internationalen Kontext drängt sich eine Revision des Betäubungsmittelgesetzes auf.

    Geldspiele vor einer Renaissance mit unabsehbaren Folgen

    0,8 bis 2,2 Prozent der Personen, die um Geld spielen, gelten als problematisch Spielende und 0,5 bis 0,8 Prozent als pathologisch Spielende. Von problematischen Formen des Geldspiels sind mehrheitlich jüngere Männer betroffen. Die geplante Öffnung des Geldspielmarkts im Internet droht mehr Menschen in die Sucht zu ziehen, denn Online-Geldspiele bergen nachweislich ein höheres Suchtpotenzial. Eher abseits des öffentlichen Interesses hat das Parlament ein Gesetz verabschiedet, das insgesamt die Möglichkeiten der Geldspielanbieter stärker gewichtet als den Schutz der Spielenden. Das Gesetz will nicht-lizenzierte Anbieter mit Netzsperren vom Markt fernhalten und prompt wurde deswegen das Referendum lanciert. Gleichzeitig ermöglicht das Internet laufend neue Spielformen, welche insbesondere die Grenzen zwischen Video- und Geldspielen fließend machen – die Rede ist vom so genannten Social Gambling.

    Medikamente: Wo liegt die Schmerzgrenze?

    In den USA sterben jeden Tag mehr als hundert Menschen an einer Opioid-Überdosis. Zu den betroffenen Substanzen zählen auch schmerzlindernde Medikamente. Die in den letzten zehn Jahren beobachtete Zunahme der Verschreibungen und des Umsatzes von opioidhaltigen Schmerzmitteln erfordert auch hierzulande Wachsamkeit. Bislang gab es aber keine Meldungen, wonach entsprechende Suchtprobleme zugenommen hätten. Schlaf- und Beruhigungsmittel, namentlich Benzodiazepine, bergen ein Abhängigkeitspotenzial. 2,8 Prozent der Bevölkerung nehmen täglich oder fast täglich während mindestens eines Jahres solche Mittel ein. Dieser Anteil ist hoch, wenn man bedenkt, dass sie nur über kurze Zeit eingenommen werden sollten.

    Neue Produkte schaffen neue Marktdynamik

    Potenziell gesundheitsschädliche Stoffe sind alles andere als neu. Neu in den letzten Jahren ist die Diversifizierung der Produkte nicht nur im Alkoholbereich: E-Zigaretten und Tabakprodukte zum Erhitzen, die auf den Markt drängen; nebst Haschisch und Marihuana gibt es CBD-reiches Cannabis in Zigaretten oder als Tropfen und Balsam etc. oder in Esswaren; neue psychoaktive Substanzen oder Online-Spiele ohne Grenzen. Diese Entwicklung verlangt nach neuen Leitlinien, damit Produkte mit möglichst geringem Schadenspotenzial begünstigt werden und nicht die Interessensgruppen mit dem größten Einfluss. Ohne politisches Engagement bleibt ein Vakuum, von dem die Anbieter profitieren. Rasches Handeln und ein Gesamtkonzept sind nötig, um das freie Marktspiel besser zu regulieren und Gesundheitsschäden zu minimieren. Doch eine politische Linie fehlt heute.

    Quelle: Sucht Schweiz, Schweizer Suchtpanorama 2018, S. 2-4

  • Sozialarbeiter/innen in klinisch-therapeutischen Arbeitsfeldern

    Im Rahmen eines Forschungsprojektes führen Studierende des Masterstudiengangs „Klinisch-therapeutische Soziale Arbeit“ der Katholischen Hochschule Aachen eine Umfrage zum Thema „Beanspruchungen von Sozialarbeiter/innen und deren Bewältigungsstrategien“ durch.

    Das Arbeitsfeld der klinisch-therapeutischen Sozialen Arbeit ist gekennzeichnet von vielfältigen Herausforderungen. Dies erfordert von den dort tätigen Mitarbeiter/innen ein hohes Maß an Flexibilität, Frustrationstoleranz und Belastbarkeit. Ziel dieser Umfrage ist es, die zuvor beschriebene Situation auf ihre Aktualität hin zu prüfen und die jeweiligen Berufsrollenträger/innen bezüglich ihrer Bewältigungsstrategien und ihres Umgangs damit zu befragen. Diese Umfrage richtet sich explizit an Sozialarbeiter/Sozialpädagogen und Sozialarbeiterinnen/Sozialpädagoginnen in klinisch-therapeutischen Arbeitsfeldern der Kinder- und Jugendhilfe, der Psychiatrie sowie der Aids- und Suchthilfe.

    Die Studierenden freuen sich über rege Beteiligung und bitten auch um Weiterleitung der Umfrage an das entsprechende Fachpersonal. Der Fragebogen kann bis zum 18.03.2018 ausgefüllt werden. Es handelt sich um eine gänzlich anonyme Umfrage. Um an dieser Umfrage teilzunehmen, klicken Sie bitte auf folgenden Link: https://survey.katho-nrw.de/index.php/988472?lang=de

    Bei Fragen und Anregungen zur Umfrage schreiben Sie bitte eine Mail an: Bewaeltigungsstrategien@web.de

    Quelle: Homepage Landesstelle Sucht NRW, 07.03.2018

  • Leitfaden für Ärzte zur substitutionsgestützten Behandlung Opiatabhängiger

    Die Bayerische Akademie für Sucht- und Gesundheitsfragen (BAS) hat die 4. vollständig überarbeitete Auflage ihrer Publikation „Leitfaden für Ärzte zur substitutionsgestützten Behandlung Opiatabhängiger“ veröffentlicht. Der Leitfaden steht auf der Homepage der BAS zum Download bereit. Das Vorwort zur 4. Auflage fasst wichtige Neuerungen zusammen:

    Am 2.10.2017 wurde eine umfangreiche Änderung der Betäubungsmittelverschreibungsverordnung (BtMVV) in Kraft gesetzt, die vor allem zum Ziel hatte, die ärztlich therapeutisch notwendigen Erfordernisse der Substitutionsbehandlung von den Erfordernissen der Kontrolle und Überwachung des BtM-Verkehrs sauber zu trennen. Damit wurde der in der Vergangenheit vielfach geäußerten Kritik aus der Ärzteschaft an der zu großen juristischen Einflussnahme bei der Substitution Rechnung getragen. Einhergehend mit der Änderung der BtMVV war deshalb eine Anpassung der Richtlinien der Bundesärztekammer nötig, die fortan den allgemein anerkannten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse in der Substitutionsbehandlung feststellt und Regelungen für die Therapie und die Kontrolle des Therapieverlaufs trifft. Entlastet wurden die Ärzte auch von der Verpflichtung, bei Verabreichung des Substitutionsmittels außerhalb der Praxis am Ende des Monats noch die Bestände, die unter ihrer Verantwortung dort gelagert werden, zu kontrollieren, sofern sie darüber eine Vereinbarung treffen und die Dokumentation sicherstellen.

    Von wesentlichem Einfluss wird sicher auch die Änderung der Definition einer Substitution gemäß § 5 sein, da hier nunmehr alle opioidabhängigen Patienten danach behandelt werden können, unabhängig davon, wie sie sich diese chronische Erkrankung erworben haben. Die Abkehr von der Forderung nach grundsätzlich anzustrebender Opioidabstinenz in der therapeutischen Zielsetzung war suchtmedizinisch nicht haltbar und wurde den Zielen bei anderen erworbenen chronischen Erkrankungen entsprechend in eine realistischere „Soll“-Zielsetzung umgewandelt. Die juristische Forderung nach Abstinenz von unerlaubt erworbenen oder erlangten Opioiden als Ziel belässt nunmehr alle anderen Bewertungen des Beigebrauchs in der therapeutischen Verantwortung des Arztes – auch dies eine Änderung, die von Fachleuten lange Zeit gefordert wurde.

    Nicht zuletzt wurde die Entscheidung, wann und in welchem Maße ein Patient psychosoziale/psychiatrische Betreuung benötigt, in die Zuständigkeit des Arztes im Rahmen der richtlinienkonformen Behandlung gegeben und damit einer juristischen Bewertung entzogen.

    Dem Ziel einer flexibleren Versorgung der Patienten entsprechend wurden u. a. die Möglichkeiten der externen Vergabe von Substitutionsmitteln erweitert, die Überbrückung der Wochenendversorgung mittels Z-Rezepten verlängert, eine großzügigere Verordnung von Take Home Dosen über sieben Tage hinaus für Einzelfälle erlaubt, die Kombination von Sichtbezug und Take Home in der Apotheke auf der Verordnung ermöglicht und die Konsiliarbehandlung für nicht in Suchtmedizin ausgebildete Ärzte auf bis zu zehn Patienten erweitert.

    Die Änderung der BtMVV ist in ihrer Struktur auf breitere Kooperation mit anderen Berufsgruppen angelegt. Es ist vor allem Aufgabe der Ärzte, diese Kooperationen zu schaffen, zu strukturieren und zu leiten. Aus diesem Grunde wird auch für die externe Verabreichung von Substitutionsmitteln verlangt, dass der Arzt eine (schriftliche oder elektronische) Vereinbarung mit seinen externen Partnern trifft.

    Die Änderung der BtMVV sorgt für nicht unerheblichen Mehraufwand in den Apotheken, ohne dass bis zum heutigen Tage eine entsprechende Honorierung bundesweit erfolgt ist. Die Apothekerschaft hat trotzdem zugestimmt, um hier einen Beitrag zur Versorgung dieser Patienten zu leisten. Die Forderung nach angemessener Honorierung ist damit umso dringender.

    Die psychosozialen Beratungsstellen, die in der Vergangenheit unverzichtbarer Partner in der Substitution waren, wenngleich ihre Finanzierung nicht in die Zuständigkeit der Krankenkassen gefallen ist, müssen in der Zukunft eine neue Verbindlichkeit für diese Betreuung finden. Die Tatsache, dass ihre Einbeziehung nicht mehr zwingend im Gesetz gefordert wird, darf keineswegs von den Kostenträgern dahingehend umgemünzt werden, dass dort weniger/kein Bedarf besteht.

    Die Reform der BtMVV war nicht zuletzt auch getragen von dem Wunsch, mehr Ärzte für diese Behandlung zu motivieren und diese Behandlung mehr Patienten zugängig zu machen. Es liegt jetzt an allen Beteiligten, allen voran der Ärzteschaft, das Gesetz mit Leben zu füllen und die Möglichkeiten zum Wohl der Patienten auszuschöpfen.

    Quelle: Bayerische Akademie für Sucht- und Gesundheitsfragen (BAS), Leitfaden für Ärzte zur substitutionsgestützten Behandlung Opiatabhängiger. 4. vollständig überarbeitete Auflage, 2018, S. 4-5

  • Kurzfilm zu psychischen Symptomen nach Flucht

    „Flucht und Migration“ heißt der Kurzfilm des Max-Planck-Instituts für Psychiatrie (MPI), der mit Hilfe von Bildern zeigt, dass Schlafstörungen, Grübeln oder auch körperliche Beschwerden wie Kopfschmerzen oder Atemnot Symptome einer psychischen Erkrankung sein können. „Der Film soll Betroffene entlasten und ermutigen, sich Hilfe zu suchen“, erläutert der Direktor der Klinik am MPI, Martin Keck.

    Psychische und körperliche Symptome müssen aber nicht unbedingt langfristig in eine psychiatrische Erkrankung münden. Sie können als nachvollziehbare Reaktion auf das Erlebte auch ohne Behandlung mit der Zeit abklingen. Auch das möchte der Film klar machen.

    Der zwei Minuten lange Film liegt in sieben Sprachen vor: Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch, Arabisch, Dari und Kurdisch (Kurmandschi), in Vorbereitung sind Pashto, Tigrinya und Somali. Er kann hier angesehen und heruntergeladen werden: http://bit.ly/2FDTj14. „Flucht und Migration“ soll weitergeleitet werden, um möglichst viele Geflüchtete sowie ihre Helfer zu erreichen.

    Der Film ist im Rahmen des Projektes RefPsych entstanden. Das MPI bietet Geflüchteten, Helfern und Interessierten darin Informationen zu psychischen Erkrankungen nach Flucht und Migration. Weitere Informationen: http://www.psych.mpg.de/refpsych

    Pressestelle des Max-Planck-Instituts für Psychiatrie, 28.02.2018

  • Immer mehr psychische Störungen bei jungen Menschen

    Der aktuelle Barmer-Arztreport 2018 ist alarmierend: Vor allem junge Menschen leiden verstärkt an psychischen Störungen wie Depressionen und Ängsten. Auch bei Studierenden, die bislang als weitgehend ‚gesunde‘ Gruppe galten, sei inzwischen mehr als jeder sechste betroffen, Tendenz steigend. Ein mögliches Rezept sind evidenzbasierte Online-Therapien, die den stärker digitalisierten Lebenswelten junger Menschen entgegenkommen. Ein anderes ist die Systemische Therapie – das erste Psychotherapieverfahren, dem das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG) Wirksamkeit attestiert hat, vor allem auch bei Ängsten und Depressionen.

    „Es ist erschreckend, dass immer mehr junge Menschen von psychischen Auffälligkeiten betroffen sind“, kommentiert Dr. Björn Enno Hermans, Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Systemische Therapie, Beratung und Familientherapie (DGSF) den aktuellen Report der Krankenkasse. Umso wichtiger sei es nun, angemessene und wirksame Hilfen anzubieten. „Wir wissen aus Studien, dass jungen Menschen ihre realen Lebenswelten genauso wichtig sind wie die digitalen. Die Systemische Therapie bezieht die sozialen Lebenswelten, etwa Familie und Freunde, in die Therapie mit ein. Sie ist damit ein sehr wirksames Psychotherapieverfahren, das endlich auch von den gesetzlichen Krankenkassen finanziert werden sollte.“

    Das IQWiG hat im vergangenen Sommer sein Prüfverfahren „Systemische Therapie bei Erwachsenen als Psychotherapieverfahren“ abgeschlossen. Nun muss der Gemeinsame Bundesausschuss entscheiden, ob künftig auch Systemische Therapie – neben Verhaltenstherapie und tiefenpsychologisch fundierter oder analytischer Psychotherapie – in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen aufgenommen wird.

    Pressestelle der Deutschen Gesellschaft für Systemische Therapie, Beratung und Familientherapie (DGSF), 23.02.2018