Kategorie: Kurzmeldungen

  • 19. Deutscher Bundestag

    Rechtzeitig vor der Bundestagswahl am 24. September veröffentlicht der Fachverband Sucht e.V. (FVS) als Vorabdruck von SuchtAktuell „Fragen und Antworten zur Drogen- und Suchtpolitik der Parteien“. Befragt wurden hierfür ausschließlich die aktuell im Bundestag vertretenen Bundesparteien. Der FVS dankt insbesondere folgenden Personen, welche für ihre jeweilige Partei/en geantwortet haben

    • Emmi Zeulner, CDU/CSU
    • Burkhard Blienert, SPD
    • Dr. Harald Terpe, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
    • Frank Tempel, DIE LINKE

    Es zeigen sich hinsichtlich der Ausrichtung der bundesweit tätigen Parteien Gemeinsamkeiten (z. B. Bedeutung der Prävention), aber auch deutliche Unterschiede. So befürworten die Fraktionen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE – im Unterschied zur CDU/CSU – beispielsweise eine grundsätzliche Wende in der Drogenpolitik (s. Frage 1). Die SPD spricht sich für kommunale Modellprojekte zur regulierten Abgabe von Cannabis aus.

    Der FVS will an dieser Stelle die Ausführungen nicht kommentieren, sondern es den Leser/innen überlassen, diese zu bewerten. Wir können auf die Wahlen am 24. September 2017 gespannt sein, es wird sich danach zeigen, welche der dargelegten Positionen zur Drogen- und Suchtpolitik sich – auch im Rahmen der danach anstehenden Koalitionsvereinbarung – durchsetzen werden.

    Unabhängig von der zukünftigen politischen Konstellation befürwortet es der Fachverband Sucht e.V. (FVS) aber, wenn auch in der 19. Legislaturperiode des Deutschen Bundestags ein Nationaler Drogen- und Suchtrat eingerichtet wird, in dem Experten und Sachverständige aus den Bereichen Wissenschaft, Politik, Verwaltung, Selbsthilfe, Verbände und Einrichtungen der Suchthilfe/-behandlung und des Gesundheitswesens zusammenkommen. Dessen Arbeit hat sich in der Vergangenheit bereits als wertvolle Unterstützung der Arbeit der bisherigen Drogenbeauftragten der Bundesregierung erwiesen. Der FVS ist seinerseits gerne dazu bereit, auch in der 19. Legislaturperiode seine Expertise dort einzubringen und die Arbeit des/der zukünftigen Drogenbeauftragten entsprechend zu unterstützen.

    Der Vorabdruck von SuchtAktuell steht hier zum Download zur Verfügung.

    Dr. Volker Weissinger, Geschäftsführer Fachverband Sucht e.V., im August 2017

  • Medizinisches Cannabis – eine praxisbezogene Hilfestellung

    Die Bayerische Akademie für Sucht- und Gesundheitsfragen (BAS) ist eine interdisziplinäre Fachgesellschaft, die auf klinisch wie wissenschaftlich erfahrene Suchtmediziner zurückgreifen kann. Auf diese Weise versucht die BAS für Fragen aus der Praxis der Suchtherapie und Suchtprävention wissenschaftliche Antworten zu liefern und gegebenenfalls auch diese Fragen als Anregung für die Forschung zu vermitteln.

    Durch das Gesetz „Cannabis als Medizin“ vom 10.03.2017 und die damit einhergehenden Änderungen des Sozialgesetzbuches (SGB V) wie auch die Novellierung des BtMG wurden die gesetzlichen Rahmenbedingungen geschaffen, um Cannabis im Rahmen einer ärztlichen Therapie zu verordnen. Bereits zugelassene Fertigarzneimittel auf Cannabisbasis (Canemes® und Sativex®) bleiben verschreibungsfähig, ebenso wie zugelassene Ausgangsstoffe (Dronabinol) zur Herstellung von Rezepturen.

    Die Novellierung wurde begleitet durch viele Presseberichte, die Heilserwartungen weckten, die nicht gut gesichert sind. Die Ärzteschaft sieht sich einerseits intensiven Patientenwünschen gegenübergestellt und kann auf der anderen Seite nur auf eine begrenzte Datenlage zu Wirksamkeit und Risiken von Cannabis im Sinne von evidenzbasierten Forschungsergebnissen zurückgreifen. Nicht zuletzt ist auch hier, wie bei vielen Betäubungsmitteln, das Risiko einer iatrogenen Suchtentwicklung gegen den zu erwartenden Nutzen abzuwägen.

    Die BAS stellt deshalb – ergänzend zu den im Anhang aufgeführten Publikationen – die Handreichung „Medizinisches Cannabis – eine praxisbezogene Hilfestellung“ vor, in der die wichtigsten Fragen zur Verschreibung von medizinischem Cannabis unter Berücksichtigung suchtmedizinischer Erfahrung zusammengefasst werden sollen.

    Die Handreichung informiert über folgende Themenbereiche: gesetzlicher Rahmen, Hauptwirkstoffe des Cannabis und davon abgeleiteter Stoffe, Indikationen und Dosierung, Nutzen-Risiko-Abwägung, Kostenerstattung sowie Dokumentationsaufwand und Aufklärungspflicht.

    Quelle: Pogarell O., Fahrmbacher-Lutz C., Tretter F. & Erbas B.: Medizinisches Cannabis – eine praxisbezogene Hilfestellung. Informationspapier der Bayerischen Akademie für Sucht- und Gesundheitsfragen, 2017, Präambel S. 1.

  • Lungenkrebs durch Passivrauchen

    Passivraucher haben genau wie Raucher ein erhöhtes Risiko, an Lungenkrebs zu erkranken. Doch die Zahl der auf Passivrauchen zurückzuführenden Todesfälle an Lungenkrebs ist in den vergangenen 20 Jahren trotz einer allgemein alternden Bevölkerung gesunken. Das haben Wissenschaftler des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) in einer Studie ermittelt, die sie im International Journal of Public Health veröffentlicht haben. Als Vergleich diente eine Studie, die UKE-Studienleiter Prof. Dr. Heiko Becher bereits 1994 mit den damals aktuellen Zahlen durchgeführt hatte. Die Forscher gehen davon aus, dass der Rückgang auf den seitdem gestiegenen Schutz der Nichtraucher zurückzuführen ist.

    Im Jahr 2012 sind rund 47.000 Menschen an Lungenkrebs gestorben. Darunter waren etwa 41.000 Raucher und damit rund 6.000 Nichtraucher. Basierend auf diesen Zahlen haben die Wissenschaftler errechnet, dass 7,6 Prozent der männlichen und 4,7 Prozent der weiblichen Lungenkrebstodesfälle bei den Nichtrauchern auf Passivrauch zurückzuführen sind.

    „Nach unseren Schätzungen sind pro Jahr 167 Lungenkrebstodesfälle auf Passivrauchen zurückzuführen. Diese Zahl ist im Vergleich zum Jahr 1994 deutlich gesunken, damals waren es 400. Trotz der Alterung der Bevölkerung und einem daraus folgenden Anstieg der Krebstodesfälle insgesamt sind damit deutlich weniger Todesfälle an Lungenkrebs durch Passivrauchen als vor 20 Jahren zu beklagen. Dieser positive Trend sollte durch weitere Maßnahmen im Bereich des Nichtraucherschutzes gestärkt werden“, sagt Prof. Dr. Heiko Becher, Studienleiter und Direktor des Instituts für Medizinische Biometrie und Epidemiologie des UKE.

    Insgesamt waren im Jahr 2012 ein Viertel der nichtrauchenden Frauen und etwa 40 Prozent der nichtrauchenden Männer Passivrauch ausgesetzt. 1994, als in Deutschland zuletzt eine Risikobewertung von Passivrauchen durchgeführt wurde, waren noch etwa 60 Prozent der Männer und 70 Prozent der Frauen passivrauchexponiert, das heißt, sie waren durch den rauchenden Partner, am Arbeitsplatz oder in der Freizeit Zigarettenrauch ausgesetzt.

    Literatur:
    Becher H, Behlau M, Winkler V, Aigner A. Estimating lung cancer mortality attributable to second hand smoke exposure in Germany. International Journal of Public Health, 2017. http://rdcu.be/uAWl

    Pressestelle des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE), 31.07.2017

  • Drogen- und Suchtbericht 2017

    Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marlene Mortler, stellte am 18. August den Drogen- und Suchtbericht 2017 vor. Der jährlich erscheinende Bericht gibt eine umfassende Übersicht über die Aktivitäten der Bundesregierung im Drogen- und Suchtbereich.

    Die Drogenbeauftragte Marlene Mortler: „Der Drogen- und Suchtbericht 2017 macht deutlich, wie viel in dieser Legislaturperiode in der Drogen- und Suchtpolitik erreicht werden konnte. Ich denke dabei an das „Cannabis als Medizin“-Gesetz, das Verbot neuer psychoaktiver Stoffe, die Schockbilder auf Zigarettenverpackungen und die Novellierung des Substitutionsrechts. Ich kenne in Europa auch kein anderes Land, das so entschlossen auf die Herausforderung Crystal Meth reagiert hat wie Deutschland.“

    Klar sei aber, dass die Arbeit nicht weniger werde. Globale Trends stellten auch Deutschland vor neue Herausforderungen. Das beginne bei digitalen Angeboten, die zu einem Abrutschen in virtuelle Welten führen könnten, und reiche bis zur zunehmenden Zahl synthetischer Drogen auf dem Markt, die von vielen mit immer größerer Sorglosigkeit parallel konsumiert würden. Der diesjährige Bericht widmet dem Jahresschwerpunkt der Drogenbeauftragten „Kinder aus suchtbelasteten Familien“ ein Sonderkapitel.

    Mortler: „Suchtpolitik darf nicht bei den Suchtkranken selbst enden. Wir müssen uns viel mehr als bisher um die Kinder suchtkranker Menschen kümmern. Wenn wir die betroffenen Kinder nicht unterstützen, entwickelt ein Drittel von ihnen selbst eine Suchterkrankung und ein weiteres Drittel eine andere psychische Störung. Um Kindern Suchtkranker zu helfen, müssen alle ihre Hausaufgaben machen: Bund, Länder und Kommunen. Wir brauchen funktionierende Netzwerke und klare Ansprechpartner in den Städten und Gemeinden – und das nicht nur punktuell, sondern flächendeckend. Wir müssen die Länder gewinnen, den Aufbau dieser Strukturen finanziell zu unterstützen. Und der Bund muss die Frage beantworten, wie die Sozialsysteme zum Wohle dieser Kinder noch besser zusammenwirken können.“

    Der Drogen- und Suchtbericht führt außerdem die aktuellen Zahlen, Daten und Fakten rund um den Drogen- und Suchtmittelkonsum in Deutschland zusammen.

    „Besonders erfreulich sind die Trends beim Tabak- und Alkoholkonsum Jugendlicher. Die Bereitschaft Jugendlicher und Heranwachsender, Cannabis zu probieren, ist in den vergangenen Jahren dagegen gestiegen. Das ist auch deshalb so problematisch, weil der Wirkstoffgehalt von Cannabis heute etwa fünf Mal so hoch liegt wie noch vor 30 Jahren und deshalb die gesundheitlichen Auswirkungen gerade auf junge Menschen massiv gewachsen sind. Mir ist wichtig, dass wir der interessengetriebenen Verharmlosung von Cannabis in der nächsten Wahlperiode endlich die Fakten entgegensetzen – in den Schulen, in der betrieblichen Suchtprävention, überall da, wo junge Menschen sind. Hierfür werden wir in den kommenden Jahren einen Millionenbetrag in die Hand nehmen müssen“, so Mortler.

    Zum ersten Mal wird der Drogen- und Suchtbericht der Bundesregierung auch als so genanntes Flipbook erscheinen. In dieser multimedialen Version werden Texte und Grafiken durch Video- und Audiodateien ergänzt.

    Link zum Flipbook
    Download Drogen- und Suchtbericht 2017

    Pressestelle der Bundesdrogenbeauftragten, 18. August 2017

  • Lieber Smartphone als Fußball

    Sport ist nicht die liebste Freizeitbeschäftigung von Jugendlichen. Foto©Hochschule Heilbronn

    Jugendliche beschäftigen sich in ihrer Freizeit lieber mit Smartphone, Tablet und portablen Spielkonsolen als mit Sport: 10,3 Stunden Medienkonsum an Wochentagen und gar zwölf Stunden an den Wochenenden stehen 5,1 Stunden Sport pro Woche gegenüber. Das hat eine Studie zum Zusammenhang zwischen Mediennutzung und körperlicher Aktivität ergeben.

    Ein internationales Forscherteam hat dazu 391 Heranwachsende im Alter zwischen zehn und 14 Jahren in Tirol untersucht. Die Wissenschaftler haben einerseits den Body-Mass-Index (BMI) und die motorischen Fähigkeiten bestimmt, andererseits den Medienkonsum der Jugendlichen erfragt: Im Durchschnitt betätigten sich die Kinder und Jugendlichen an 4,4 Tagen der Woche sportlich. Sie waren durchschnittlich über einen Zeitraum von 5,1 Stunden aktiv. Professor Sebastian Kaiser-Jovy von der Hochschule Heilbronn kommentiert die Ergebnisse: „Als Teil eines zunehmend komplexen Freizeitverhaltens in der Jugend ist der Gebrauch von Medien ein bedeutender und bestimmender Faktor für die sportlichen Aktivitäten und die motorischen Leistungen.“ Zusammen mit seinen Kollegen Anja Scheu (Uni Mainz) und Prof. Dr. Klaus Greier (Uni Innsbruck) hat er die Studienergebnisse kürzlich in der renommierten „Wiener klinischen Wochenschrift – The Central European Journal of Medicine“ veröffentlicht.

    Wie sehr der Medienkonsum in Konkurrenz zu allen anderen Aktivitäten des täglichen Lebens tritt, zeigen die Erhebungsdaten: Im Durchschnitt verfügt jeder der Heranwachsenden über 5,6 der folgenden Geräte: Fernsehen, Mobiltelefon, Smartphone, Tablet, PC/Laptop, stationäre und portable Spielkonsolen, CD-Spieler, MP3-Player und Radio. 31,1 Prozent gaben an, sie könnten ohne Smartphone nicht leben. Die soziale Schicht spielt dabei keine Rolle. Die Anzahl der verfügbaren Medien ist ebenfalls unabhängig vom Alter, dem Schultyp oder dem sozialen Status der Familien. Sie ist auch unabhängig von einem möglichen Migrationshintergrund.

    Nahm man alle Medien in Betracht, so benutzten die Heranwachsenden die Geräte pro Tag im Durchschnitt 10,3 Stunden lang. Am Wochenende waren es bereits zwölf Stunden. Der Konsum von Medien mit Bildschirmen macht davon unter der Woche im Durchschnitt 8,2 Stunden aus, am Wochenende sind es 9,9 Stunden. Die Gesamtwerte waren bei den Jungen um 2,5 Stunden höher als bei den Mädchen.

    Starker Medienkonsum, ein hoher BMI-Wert und Migrationshintergrund korrelieren negativ mit sportlichen Aktivitäten und den motorischen Fähigkeiten. Allerdings bedingen sich die Faktoren gegenseitig und können sowohl Ursache als auch Nebeneffekt sein. Medienkonsum beeinflusst sportliche Aktivitäten bzw. motorische Fähigkeiten nicht per se. Es handelt sich eher um einen ‚Zeit-Killer‘ und ist damit Teil des komplexen Freizeitverhaltens bei Jugendlichen.

    Veröffentlichung:
    Kaiser-Jovy, S., Scheu, A. & Greier, K. (2017). Media use, sports activities, and motor fitness in childhood and adolescence. Wiener klinische Wochenschrift, 129(13-14), 464-471. https://doi.org/10.1007/s00508-017-1216-9

    Pressestelle der Hochschule Heilbronn, 11.08.2017

  • Arbeitslosigkeit

    Arbeitslosigkeit kann krank machen. Daten des aktuellen BKK-Gesundheitsreports belegen, dass stressbezogene Symptome, Depressionen, Angst und psychosomatische Beschwerden bei Arbeitslosen häufiger diagnostiziert werden als bei Berufstätigen. Trotz erfolgreicher Maßnahmen bestehen weiterhin Umsetzungsdefizite bei der Prävention und beruflichen Wiedereingliederung für Menschen mit psychischen Erkrankungen. Die Zusammenarbeit von Psychotherapeuten und Arbeitsvermittlung sollte daher verbessert werden.

    Studien belegen: Psychische Erkrankungen können das Risiko eines Arbeitsplatzverlustes erhöhen. Doch der umgekehrte Fall ist keine Seltenheit, wie Dr. Dietrich Munz, Präsident der Bundesärztekammer betont: „Durch die Arbeitslosigkeit können sich die psychischen Beschwerden dann verstärken oder die Arbeitslosigkeit kann psychische Beschwerden verursachen.“ Die Betroffenen befinden sich dann in einem Teufelskreis, aus dem sie ohne professionelle Unterstützung nicht mehr herausfinden.

    Für viele Betroffene ist der Verlust des Arbeitsplatzes eine schwere Belastung. Arbeit ist zeitstrukturierend, sinnstiftend, statusvermittelnd, sozialisierend sowie zielführend. Bei Verlust des Arbeitsplatzes kommen zu den finanziellen Sorgen Motivationsprobleme und Antriebsschwäche hinzu. Das Zusammenspiel dieser Komponenten erschwert oft die Arbeitssuche. Die wichtigste Präventionsmaßnahme ist die Vermittlung einer neuen Beschäftigung.

    Das Präventionsgesetzt hat die Rahmenbedingungen zur Förderung der psychischen Gesundheit von Arbeitslosen verbessert. In Modellprojekten wie „JobFit“ oder „AktivA“ werden Arbeitslose in Stressmanagement, Bewegung, Ernährung und sozialer Kompetenz geschult. Die Ergebnisse zeigen positive Effekte auf Gesundheit und Lebensqualität der Teilnehmer.

    Defizite gibt es laut Dr. Dietrich Munz noch bei der Kooperation zwischen Arbeitsvermittlern, Psychotherapeuten und Betriebsärzten. Mitarbeiter in Jobcentern sollten geschult werden, um besser auf die Bedürfnisse von Menschen mit psychischen Beschwerden eingehen zu können. Eine motivierende Ansprache ist unter Umständen hilfreicher als die Betonung der Mitwirkungspflicht. Der berufliche Wiedereinstieg ist für die Betroffenen meist anstrengend. Betriebsärzte und Psychotherapeuten können diesen erleichtern, indem sie beratend zur Seite stehen. Sie sollten daher stärker von Unternehmen einbezogen werden, um geeignete Maßnahmen für psychisch Erkrankte zu erarbeiten.

    Aus Angst vor Stigmatisierung verheimlichen viele Menschen ihre psychischen Probleme und suchen sich keine professionelle Hilfe. Unerlässlich ist daher eine bessere Aufklärung der Bevölkerung und Bekämpfung von Vorurteilen. Nur so können psychisch kranke Menschen eine bessere Chance auf Wiederbeschäftigung entsprechend ihrer Möglichkeiten erhalten.

    Mehr zum Thema „Arbeitslosigkeit und psychische Gesundheit“ lesen Sie im Beitrag von Dr. Dietrich Munz in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift „Arbeitsmedizin, Sozialmedizin und Umweltmedizin“ (ASU): https://www.asu-arbeitsmedizin.com

    Pressestelle der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin (DGAUM), 09.08.2017

  • Kinderschutz-Hotline

    Seit 1. Oktober 2016 fördert das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) das Projekt „Medizinische Kinderschutz-Hotline“ des Universitätsklinikums Ulm. Nach einer sechsmonatigen Vorbereitungsphase stand die „Medizinische Kinderschutz-Hotline“ zunächst seit April 2017 für Medizinerinnen und Mediziner in den Bundesländern Berlin, Brandenburg und Baden-Württemberg im Pilotbetrieb zur Verfügung. Am 1. Juli 2017 ist nunmehr der bundesweite reguläre Betrieb der Hotline gestartet.

    Die Hotline richtet sich an medizinisches Fachpersonal. Hierzu gehören Ärztinnen und Ärzte, Zahnärztinnen und Zahnärzte, (Kinder- und Jugendlichen-)Psychotherapeutinnen und -therapeuten sowie Pflegekräfte. Angehörige dieser Berufsgruppen können jetzt im ganzen Bundesgebiet und rund um die Uhr unter der Nummer 0800 19 210 00 bei Verdacht auf Misshandlung, Vernachlässigung oder sexuellen Missbrauch eine direkt verfügbare, kompetente, praxisnahe und kollegiale Beratung durch Ärztinnen und Ärzte mit speziellem Hintergrundwissen in Kinderschutzfragen erhalten.

    „Dem Gesundheitswesen kommt für den Kinderschutz eine Schlüsselfunktion zu“, macht Bundesfamilienministerin Dr. Katarina Barley deutlich. „Oft sind Ärztinnen und Ärzte die Ersten, zu denen ein akut misshandeltes oder vernachlässigtes Kind gebracht wird. Sie sind daher in besonderer Weise gefordert, im Sinne des Kinderschutzes zu handeln. Dafür brauchen sie Unterstützung und Handlungssicherheit.“

    Erste Erfahrungen aus dem Pilotbetrieb der Kinderschutz-Hotline zeigen, dass innerhalb des Gesundheitswesens Unsicherheiten beim Umgang mit Verdachtsfällen von Kindeswohlgefährdung bestehen. Gerade an der Schnittstelle zur Kinder- und Jugendhilfe erschweren unterschiedliche Fachsprachen und Herangehensweisen eine gute Zusammenarbeit im Sinne des Kindeswohls. Vor diesem Hintergrund bietet die Kinderschutzhotline eine spezifische Beratung an, beispielsweise bei Fragen wie: Was sind die gesetzlichen Vorgaben in Bezug auf Schweigepflicht und ärztliches Handeln? Welche Schritte kann oder muss ich in einem Kinderschutzfall einleiten? Wo gibt es Hilfe vor Ort?

    Die Beraterinnen und Berater an der Hotline durchlaufen zusätzlich zu ihrer medizinischen Aus- und Weiterbildung einen Kurs zur „insoweit erfahrenen Fachkraft“, der sich üblicherweise an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Jugendhilfe richtet. Den Beraterinnen und Beratern steht rund um die Uhr ein fachärztlicher Hintergrunddienst zur Verfügung. Das Angebot wird fortlaufend qualitätsgesichert begleitet und extern evaluiert.

    Anlässlich des Starts des Regelbetriebs der Kinderschutz-Hotline besuchte Bundesfamilienministerin Dr. Katarina Barley am 27. Juli 2017 den Berliner Standort des Projekts, das DRK-Klinikum Westend.

    Weitere Informationen: www.kinderschutzhotline.de

    Pressestelle des Bundesfamilienministeriums (BMFSFJ), 27.07.2017

  • Diagnostik der Internetsucht

    Seit Jahren ist eine zunehmende Zahl von Personen zu verzeichnen, die auf Grund ihres Internetnutzungsverhaltens Probleme in verschiedenen Lebensbereichen entwickeln sowie Symptome und Einschränkungen aufweisen, die für Suchterkrankungen typisch sind. Vor diesem Hintergrund wird die Existenz von internetbezogenen Störungen (auch Internetsucht) kaum noch bezweifelt. Stattdessen finden sich immer mehr Anlaufstellen, die Betroffenen Beratung oder Psychotherapie anbieten.

    Auch die wissenschaftliche Forschung hat seit der erstmaligen Beschreibung der „Internet Addiction“ vor annähernd 20 Jahren Fortschritte gemacht. Zahlreiche Prävalenzstudien geben über die Verbreitung des Störungsbildes in unterschiedlichen Bevölkerungsschichten Auskunft, experimentelle Studien untersuchen die neurowissenschaftlichen Korrelate, und erste klinische Studien überprüfen die Wirksamkeit unterschiedlicher Interventionsformen.

    Selbsteinschätzung durch Fragebogenverfahren

    Auch in der Diagnostik internetbezogener Störungen wurden zuletzt große Fortschritte erzielt. Mittlerweile stehen mehrere Fragebogenverfahren zur Verfügung, die auf der Basis von Selbstbeurteilungen eine erste Klassifikation des individuellen Nutzungsverhaltens ermöglichen. Besonders verbreitet sind in Deutschland die Compulsive Internet Use Scale (CIUS), der Internet Addiction Test (IAT) sowie die Skala zum Onlinesuchtverhalten (AICA-S bzw. OSV-S). Diese Instrumente wurden erfolgreich validiert und stehen jeweils auch als ökonomische Kurz-Screenings zur Verfügung.

    Die Entwicklung von AICA-SKI:IBS

    Demgegenüber sind klinische Beurteilungsinstrumente, die sich nicht auf die Selbsteinschätzung, sondern den klinischen Eindruck stützen, rar gesät. Bei der Diagnostik psychischer Störungen spielen Fragebogenverfahren zwar zweifellos eine wichtige Rolle, jedoch stützen sich klinische Diagnosen im Wesentlichen auf andere Informationsquellen. Einen wichtigen Zugang zur Bestimmung klinischer Störungen stellen seit jeher klinische Checklisten zur Fremdeinschätzung dar sowie strukturierte klinische Interviews, welche für die meisten psychischen Erkrankungen verfügbar sind. Für internetbezogene Störungen fehlten derartige Instrumente hingegen bislang, was zu Unsicherheiten in der klinisch diagnostischen Beurteilung führte.

    Um diese Lücke zu schließen, wurde durch Mitarbeiter der Ambulanz für Spielsucht der Klinik für Psychosomatische Medizin an der Universitätsmedizin Mainz nun ein solches Interview entwickelt. AICA-SKI:IBS (Strukturiertes Klinisches Interview zu Internetbezogenen Störungen) basiert auf den neun diagnostischen Kriterien, die im DSM-5 für die „Internet Gaming Disorder“ formuliert wurden. Der Aufbau ist übersichtlich gehalten und sieht eine strukturierte Exploration jedes einzelnen Kriteriums über vorformulierte Fragen und klare Beurteilungsregeln vor.

    Da sich der diagnostische Prozess bei internetbezogenen Störungen erfahrungsgemäß als anspruchsvoll erweist und individuelle Besonderheiten zu berücksichtigen sind, ermöglicht AICA-SKI:IBS bei der Diagnostik ein adaptives Vorgehen. Dies bedeutet, dass eine individuelle Anpassung des Interviews möglich ist und im Bedarfsfall auf ergänzende Fragen zur Exploration der Thematik zurückgegriffen werden kann, bis eine ausreichende diagnostische Sicherheit besteht.

    Einsatzmöglichkeiten und Versionen von AICA-SKI:IBS

    AICA-SKI:IBS ist das Produkt der langjährigen klinischen Erfahrung der Ambulanz für Spielsucht Mainz und wurde in einer Kurzversion (AICA-Checkliste) ebenfalls erfolgreich im Rahmen der klinischen Studie STICA eingesetzt. Somit eignet sich AICA-SKI:IBS nicht nur zur Erstdiagnostik, sondern kann ebenfalls zur Therapieplanung und zur Abbildung von Therapieverläufen (individuell und im Rahmen klinischer Studien) genutzt werden. Dementsprechend bietet sich ein Einsatz in unterschiedlichen Kontexten an, etwa in psychosozialen Beratungsstellen, Ambulanzen und Kliniken.

    Um AICA-SKI:IBS einem möglichst großen Personenkreis zugänglich zu machen, steht es Interessierten kostenfrei zur Verfügung. Aktuell kann es auf Anfrage über die Mailadresse AICA.diagnostik@uni-mainz.de oder als Download auf der Seite des Fachverbandes Medienabhängigkeit e.V. (www.fv-medienabhaengigkeit.de) bezogen werden.

    Dr. Kai W. Müller, Ambulanz für Spielsucht, Mainz, 10.08.2017

  • Info-Angebot für Migrant/innen zur medizinischen Reha

    Im Zeitraum September 2013 bis November 2016 wurde das Projekt „MiMi-Reha: Implementierung und Evaluation eines Info-Angebotes für MigrantInnen zur medizinischen Reha auf Basis der ‚MiMi-Kampagnentechnologie‘“ durchgeführt. Ziel des Forschungsprojekts war es, über muttersprachliche Info-Veranstaltungen mögliche Barrieren zur Reha-Antragstellung bei Migrantinnen und Migranten zu verringern. Basierend auf der bereits etablierten MiMi-Kampagnentechnologie aus dem Projekt „Mit Migranten für Migranten – Interkulturelle Gesundheit in Deutschland (MiMi)“ des Ethno-Medizinischen Zentrums Hannover wurden Migrant/innen als Mediatoren geschult, fremdsprachige Informationsmaterialien entwickelt und Info-Veranstaltungen durchgeführt.

    Die teilnehmenden Migrant/innnen bewerteten das muttersprachliche Info-Angebot durchweg positiv. So konnten z. B. Informationsdefizite zum rechtlichen (Reha-)Anspruch und dem Verfahren der Antragstellung reduziert werden. Entwickelt wurden folgende Broschüren:

    • Wegweiser Medizinische Rehabilitation (auf Deutsch, Englisch, Griechisch, Italienisch, Russisch, Serbokroatisch, Spanisch oder Türkisch)
    • Wegweiser Medizinische Rehabilitation (für Mediatoren und Multiplikatoren)
    • Praxisleitfaden Interkulturelle Kompetenz für die Reha-Beratung
    • Ausfüllhilfe für den Rehabilitationsantrag

    Die Broschüren können auf der Internetseite des Ethno-Medizinischen Zentrums e.V. unter der Rubrik „Reha“ als PDF-Datei heruntergeladen oder angefordert werden. Beim Download des „Wegweisers Medizinische Rehabilitation“ kann die gewünschte Sprache ausgewählt werden, nachdem man erst auf das deutsche Dokument und dann auf „Download PDF“ klickt.

    Das Projekt wurde von der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH; Prof. Dr. med. Christoph Gutenbrunner) und dem Ethno-Medizinischen Zentrum Hannover (EMZ; Ramazan Salman) in Kooperation mit der DRV Bund, der DRV Nord, der DRV Oldenburg-Bremen und der DRV Rheinland-Pfalz durchgeführt.

    Download Broschüren MiMi-Reha

    Download Abschlussbericht MiMi-Reha

    Redaktion KONTUREN, 02.08.2017

  • Nahtlosverfahren aus dem qualifizierten Entzug

    Alkohol-, drogen- oder von Medikamenten abhängige Menschen sollen künftig nach einem qualifizierten Entzug im Krankenhaus direkt in eine Einrichtung der ambulanten oder stationären Suchtrehabilitation verlegt werden, wenn dies medizinisch notwendig ist. Entsprechende Handlungsempfehlungen haben die Deutsche Krankenhausgesellschaft e.V. (DKG), die Deutsche Rentenversicherung Bund und der Verband der Ersatzkassen e.V. (vdek), der BKK Dachverband, der IKK e.V., die KNAPPSCHAFT und die Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau getroffen. Ziele des so genannten Nahtlosverfahrens: Durch eine effektive Organisation der Anschlussversorgung sollen die Behandlung Abhängigkeitskranker verbessert und die Versorgungsbereiche (Krankenhaus, Rehabilitation, Suchtberatungsstellen) enger miteinander verzahnt werden. Von dem ‚Nahtlosverfahren‘ profitieren Betroffene, die bei den beteiligten Krankenkassen und Rentenversicherungsträgern versichert sind. Die konkrete Umsetzung soll nun auf Landesebene durch die Vertragspartner (Krankenkassen, Rentenversicherungsträger, Krankenhäuser) zügig beschlossen werden.

    „Leider nehmen viele suchtkranke Menschen nach einem qualifizierten Entzug in einem Krankenhaus keine medizinische Rehabilitation in Anspruch oder treten bewilligte Rehabilitationsleistungen nicht an. Dies birgt das Risiko eines Rückfalls. Mit dem Nahtlosverfahren wollen wir die Inanspruchnahme in der Suchtrehabilitation steigern und den so genannten Drehtüreffekt im Krankenhaus möglichst vermeiden“, erklärt Ulrike Elsner, Vorstandsvorsitzende des vdek, der die Handlungsempfehlungen federführend für die anderen Verbände der Krankenkassen verhandelt hat.

    „Dreh- und Angelpunkt ist das Krankenhaus, das wie bisher den Reha-Antrag beim zuständigen Rehabilitationsträger (Rentenversicherung oder gesetzliche Krankenkasse) stellt sowie den ärztlichen Befund- und Sozialbericht erstellt. In Abstimmung mit den Rehabilitationsträgern und der aufnehmenden Reha-Einrichtung wird die nahtlose Verlegung vom Krankenhaus in die Suchteinrichtung organisiert. ‚Herzstück‘ des Nahtlosverfahrens ist die begleitete Anreise des Patienten durch einen Mitarbeiter der Suchteinrichtung oder einer Suchtberatungsstelle. Damit wollen wir erreichen, dass alle Patienten tatsächlich ‚ohne Umwege‘ in der Rehabilitation ankommen“, so Georg Baum, Hauptgeschäftsführer der DKG.

    „Mit den Handlungsempfehlungen haben wir in Zusammenarbeit mit den Suchtfachverbänden vereinbart, wie wir die Versorgung Abhängigkeitskranker organisieren und verbessern wollen. Die Empfehlungen enthalten Aussagen zur Leistungszuständigkeit, zur Mitwirkung der Krankenhäuser und weitere Details zum Nahtlosverfahren. Innerhalb von nur fünf Arbeitstagen sollen die Reha-Träger über den Rehabilitationsantrag entscheiden. Damit beschleunigen wir das Verfahren und verbessern die Versorgung der Versicherten. Gleichzeitig wollen wir erreichen, dass die Suchtkranken schneller als bisher in das Arbeitsleben integriert werden können“, so Brigitte Gross, Direktorin der Deutschen Rentenversicherung Bund.

    Die Handlungsempfehlungen können auf der Homepage der Deutschen Rentenversicherung sowie auf der Homepage des vdek heruntergeladen werden.

    Gemeinsame Pressemitteilung des Verbands der Ersatzkassen (vdek), der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), der Deutschen Rentenversicherung Bund, der IKK, der Knappschaft und der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG), 28.07.2017