Kategorie: Kurzmeldungen

  • Computerspiel trainiert Selbstkontrolle

    Selbstkontrolle lässt sich mithilfe eines Computerspiels trainieren. Zu dieser Erkenntnis sind Neurowissenschaftlerinnen und -wissenschaftler in Hamburg und Berlin im Rahmen einer Studie gekommen. Die Leitung der Studie lag bei Prof. Dr. Simone Kühn aus der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE). Ältere Menschen, bei denen die Selbstkontrolle typischerweise abnimmt, könnten diese Fähigkeit so systematisch verbessern. Diese Ergebnisse haben die Forscher in der Online-Ausgabe des internationalen Fachmagazins NeuroImage veröffentlicht.

    Wie die Wissenschaftler in ihrer Studie herausfanden, verstärkt das Training mithilfe eines speziellen Computerspiels die Struktur derjenigen Regionen im präfrontalen Kortex des Gehirns, denen Neurowissenschaftler die Fähigkeit der Inhibition zuschreiben. „Mit Inhibition ist die Fähigkeit gemeint, eine Handlung, die man eigentlich ausführen möchte oder die man bereits begonnen hat, doch noch abbrechen zu können. Die Fähigkeit zur Inhibition ist eine Grundlage für angepasstes oder angemessenes Verhalten und verhindert zum Beispiel, dass wir Impulsen wie dem Genuss von Zigaretten oder Alkohol nachgeben“, erklärt Prof. Kühn.

    Das Forscherteam trainierte im Rahmen der Studie 20 Frauen und Männer im Alter zwischen 62 und 78 Jahren zwei Monate lang mit einem selbst entwickelten spielerischen Computerprogramm. Die Teilnehmer dieser Trainingsgruppe mussten in dem Spiel täglich 15 Minuten lang unter Zeitdruck zwischen ‚erlaubten‘ und ‚verbotenen‘ Objekten unterscheiden. Nur die ‚erlaubten‘ Objekte durften sie von einem virtuellen Büfett nehmen und auf ihren Teller legen.

    An der Studie nahmen insgesamt 53 Frauen und Männer teil. Eine Probandengruppe absolvierte ein anderes Computer-Trainingsprogramm zur Verbesserung der allgemeinen geistigen Fähigkeiten (aktive Kontrollgruppe), eine dritte Gruppe hatte gar keine Aufgabe (passive Kontrollgruppe). Anschließend wurden die Inhibitionsfähigkeiten aller Teilnehmer getestet sowie Veränderungen der Hirnstruktur mittels struktureller Magnet-Resonanz-Tomografie (sMRT) untersucht. Im Ergebnis zeigte sich ausschließlich bei den Probanden der gezielten Trainingsgruppe eine signifikante Verbesserung der Inhibitionsfähigkeit. Darüber hinaus zeigte sich bei diesen Teilnehmern eine signifikante Zunahme der Dicke des Anteils der Hirnrinde (Kortex), der Inhibition steuert. Diese Hirnstrukturveränderung war umso ausgeprägter, je länger die Probanden das Computerprogramm gespielt hatten.

    In weiteren Studien soll nun überprüft werden, ob das Inhibitionstraining abhängige Patientinnen und Patienten dabei unterstützen kann, abstinent von Alkohol oder Nikotin zu bleiben.

    Bibliografische Angaben:
    Kühn S. et al. Taking control! Structural and behavioural plasticity in response to gamebased inhibition training in older adults. NeuroImage 156 (2017) 199–206
    http://dx.doi.org/10.1016/j.neuroimage.2017.05.026

    Pressestelle des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE), 14.06.2017

  • Ältere Drogenabhängige in Versorgungssystemen

    Der Paritätische Bayern hat in Kooperation mit Condrobs München, mudra Nürnberg und der Drogenhilfe Schwaben (Augsburg) den Leitfaden „Ältere Drogenabhängige in Versorgungssystemen“ veröffentlicht. Darin sind Erfahrungen und Erkenntnisse aus dem vom Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege geförderten Projekt „Netzwerk 40+ zur Entwicklung von bedarfsgerechten Maßnahmen zur Versorgung älterer drogenabhängiger Menschen“ zusammengestellt.

    Erkenntnisse über die Problemlagen ‚älter werdender Drogenabhängiger‘ sind noch recht ‚jung‘, da es erst durch (lebenserhaltende) Angebote der Drogenhilfe und Verbesserungen in der medizinischen Behandlung in den vergangenen zwei Jahrzehnten möglich wurde, dass langjährige Konsument/innen illegaler Substanzen heute älter werden. Die Lebenssituation vieler ‚Älterer‘ ist durch komplexe Problemlagen geprägt. Kein Versorgungssystem kann dieser Komplexität allein begegnen. Der Schlüssel für die Bewältigung dieser Herausforderung im Einzelfall liegt in der bereichsübergreifenden Kooperation. Dabei geht es um ein Verständnis für die jeweils andere Perspektive auf die Zielgruppe, um den Austausch von Wissen und um die Gestaltung von Übergängen zwischen den Versorgungsbereichen.

    Der Leitfaden soll die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Dienste aus Suchthilfe und Altenhilfe sowie aus weiteren Sozial- und Gesundheitsbereichen für das Thema sensibilisieren und sie in der Arbeit mit älteren Drogenabhängigen unterstützen. Chancen für die gemeinsame Gestaltung der Versorgung sollen genauso deutlich werden wie Hindernisse in der Umsetzung von Lösungen.

    Quellen: Website des Paritätischen Bayern, Leitfaden „Ältere Drogenabhängige“, 20.06.2017

  • Leitfaden Sozialrecht

    Seit einigen Jahren bearbeitet Rüdiger Lenski, Mitglied im Beirat des fdr+, seinen „Leitfaden Sozialrecht“, der alle Informationen zur Anwendung des Sozialrechts auf 245 Seiten bündelt. Jetzt ist die Ausgabe 2017 erschienen, die auch das am 01.01.2017 in Kraft getretene Bundesteilhabegesetz (BTHG) berücksichtigt. Dieses zur Fortbildung unverzichtbare Dokument steht als „Reader Sozialrecht“ zur freien Nutzung als Download bereit.

    Quelle: fdr-online.info #44, 19.06.2017

  • Problematischer Substanzkonsum und Vaterschaft

    Männer, die illegale Drogen konsumieren, werden als Elternteil und Erziehungsverantwortliche sowohl in Forschung und Fachliteratur als auch in der Praxis weitgehend ignoriert. Um diese Lücke zu schließen, haben die Landeskoordinierungsstelle Frauen und Sucht NRW, BELLA DONNA, und das Zentrum für Interdisziplinäre Suchtforschung der Universität Hamburg (ZIS) eine Studie zum Thema „Problematischer Substanzkonsum und Vaterschaft“ durchgeführt und nun den Abschlussbericht vorgelegt. Die Studie steht auf der Homepage von BELLA DONNA und auf der Homepage des BMG zum Download bereit. Eine Zusammenfassung der Ergebnisse wird im Folgenden aus dem Abschlussbericht zitiert:

    Das vorliegende Projekt zeigt eindrücklich die Ausblendung des Themas Vaterschaft in Drogenforschung und Hilfepraxis auf: Erziehung und Elternschaft werden weitgehend als Themen definiert, die ausschließlich für Frauen Relevanz zu haben scheinen – dies schlägt sich entsprechend deutlich in dem Fokus von Forschungsarbeiten und Hilfemaßnahmen nieder. Damit mangelt es nicht nur an Erkenntnissen, wie sich problematische Drogenkonsummuster auf Vaterschaft, Vaterrolle und Erziehungsverhalten sowie die Entwicklung von Kindern bzw. Töchtern und Söhnen auswirken, sondern es fehlen auch Erfahrungen dazu, welche Barrieren für betroffene Männer hinsichtlich der Übernahme der Vaterrolle bestehen und wie sie darin gestärkt werden können, welche Kompetenzen und Defizite sie mitbringen, wie sie in Erziehung einbezogen werden können und welche Rolle die Thematisierung von Vaterschaft im Hilfe- und Behandlungsprozess spielen kann. Damit fehlt auch die Grundlage für die Konzipierung von Hilfsangeboten für drogenkonsumierende Väter, die auf Verbesserungen von Erziehungsverhalten und -kompetenzen sowie damit zusammenhängende Aspekte abzielen. Darüber hinaus ist zu vermuten, dass gerade dieses Ausblenden der Vaterschaft von Männern mit einer Drogenproblematik und der entsprechende Mangel an evidenzbasierten Erkenntnissen zu einer weiteren Verstärkung des negativen Stereotyps von Drogenkonsumenten/-abhängigen als abwesende, verantwortungslose Väter und als Gefahr für das Wohl ihrer Kinder führt und damit eine Sichtweise begünstigt wird, die – im Sinne einer selbsterfüllenden Prophezeiung – den Ausschluss von Vätern aus dem Leben ihrer Kinder und aus familienbezogenen Hilfeprozessen festigt.

    Mit der vorliegenden Studie wurden diese Defizite aufgegriffen. Erstmals für Deutschland wurde die Perspektive von Mitarbeitenden des Hilfesystems, vor allem aber die Subjektperspektive von betroffenen Vätern mittels eines qualitativen Forschungsdesigns erfasst. Die Narrative der interviewten Väter eröffnen dabei eine differenzierte Sicht auf das Forschungsthema. Durchaus im Einklang mit internationalen Forschungsbefunden zeigen die Interviews einerseits auf, dass drogenabhängige Väter differenzierte Auffassungen darüber haben, was eine gute Vaterschaft ausmacht. Ihre Bilder eines guten Vaters speisen sich jedoch nicht selten aus der Abgrenzung gegenüber dem eigenen Vater und eigenen Kindheitserfahrungen – bei vielen lässt sich das Fehlen einer positiven Vaterfigur feststellen. Andererseits besteht oftmals eine deutliche Diskrepanz zwischen den Intentionen der Befragten, ein guter Vater zu sein, und ihrer Fähigkeit, den eigenen Anforderungen und Vaterbildern gerecht zu werden. Der Drogenkonsum erweist sich dabei für die Mehrheit als die größte Hürde, ihre eigenen Vorstellungen von Vaterschaft zu erfüllen. So decken sich die Berichte der Befragten darüber, welche Auswirkungen ihr Substanzkonsum auf das Erfüllen der Vaterrolle hat bzw. hatte, oftmals mit ihren Beschreibungen eines schlechten Vaters.

    Während insbesondere negative Auswirkungen des Drogenkonsums auf die Ausübung der Vaterrolle und das väterliche Engagement beschrieben werden, liefern die erhobenen Daten durchaus Hinweise dazu, dass die Befragten oftmals eine hohe Motivation aufweisen, ihre Vaterrolle besser auszufüllen. In diesem Sinne bietet Vaterschaft durchaus die Chance, als „Wendepunkt“ im Leben von drogenabhängigen Männern zu fungieren. Dies nicht nur hinsichtlich einer Reduzierung/Beendigung des Substanzkonsums, sondern auch hinsichtlich einer weiterführenden psychosozialen Stabilisierung.

    Angesichts dieser Befunde lässt sich schlussfolgern, dass drogenabhängige Männer, die Väter sind, von Angeboten und Programmen im Hilfesystem profitieren könnten, die nicht nur ihre Drogenproblematik, sondern vor allem auch ihr Vatersein und die damit zusammenhängenden Belastungen, Defizite aber auch Kompetenzen adressieren. Damit könnte auch dem in den Interviews häufig formulierten Wunsch an die Drogenhilfe nach einer Thematisierung von Vaterschaft gerecht werden. Mit der Unterstützung ihrer Bemühungen als Väter könnte eine verantwortungsvollere Vaterschaft gefördert werden, die letztlich sowohl für die betroffenen Männer als auch für ihre Kinder gewinnbringend sein könnte. Um die Entwicklung von Angeboten, deren Implementierung ebenso wie die Evaluation ihrer Wirksamkeit voranzubringen, bedarf es der klaren Anerkennung der Vaterrolle von drogenabhängigen Männern und eines entsprechenden Transfers in zukünftige Forschungsbemühungen und Behandlungsansätze.

    Quelle: Christiane Bernard, Martina Tödte, Sven Buth, Hermann Schlömer, Jens Kalke: Problematischer Substanzkonsum und Vaterschaft. Abschlussbericht, Essen und Hamburg 2016, S. 5 f.

  • Europäischer Drogenbericht 2017

    Die steigende Zahl der Todesfälle durch Überdosierung, die anhaltende Verfügbarkeit neuer psychoaktiver Substanzen und die zunehmenden Gesundheitsgefahren durch hochpotente synthetische Opioide zählen zu den Themen des „Europäischen Drogenberichts 2017. Trends und Entwicklungen“, den die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EMCDDA) in am 6. Juni in Brüssel vorgelegt hat. In ihrem jährlichen Überblick befasst sich die Agentur zudem mit den Anzeichen für eine steigende Verfügbarkeit von Kokain, den Entwicklungen im Bereich der Cannabispolitik und dem Substanzkonsum unter Schülern. Da die Drogenproblematik in Europa zunehmend von internationalen Entwicklungen beeinflusst wird, wurde die Analyse in einen globalen Kontext eingebettet. Die im Bericht vorgelegten Daten beziehen sich auf das Jahr 2015 bzw. das jeweils letzte Jahr, für das Daten verfügbar sind.

    Der Europäische Drogenbericht wird erstmals durch 30 Länderdrogenberichte mit Übersichten über die nationale Drogenproblematik (EU-28, Türkei und Norwegen) ergänzt. Diese von der EMCDDA in Zusammenarbeit mit den nationalen Reitox-Knotenpunkten erstellten Berichte beinhalten zahlreiche Grafiken und behandeln folgende Themen: Drogenkonsum und Probleme im Bereich der öffentlichen Gesundheit, Drogenpolitik und Gegenmaßnahmen sowie Drogenangebot. Jeder dieser Berichte enthält insbesondere eine Übersichtstabelle, in der die nationale Drogenproblematik in Zahlen zusammenfassend dargestellt wird und ein „EU-Dashboard“, das die Länderdaten in einen europäischen Kontext einbettet.

    Zahl der Todesfälle durch Überdosierung steigt das dritte Jahr in Folge

    Im Europäischen Drogenbericht 2017 (EDR) wird auf den besorgniserregenden Anstieg der Zahl der Todesfälle durch Überdosierung in Europa hingewiesen, der sich mittlerweile das dritte Jahr in Folge fortsetzt. In Europa (28 EU-Mitgliedstaaten, Türkei und Norwegen kam es im Jahr 2015 zu insgesamt 8.441 Todesfällen durch Überdosierung, die zumeist mit Heroin und anderen Opioiden in Verbindung stehen. Dies entspricht einem Anstieg um sechs Prozent gegenüber der im Jahr 2014 in diesen 30 Ländern ermittelten Zahl von schätzungsweise 7.950 Todesfällen. Die zunehmende Entwicklung betraf nahezu alle Altersgruppen. Ein Anstieg der Zahl der Todesfälle durch Überdosierung wurde im Jahr 2015 aus Deutschland, Litauen, den Niederlanden, Schweden, dem Vereinigten Königreich und der Türkei gemeldet. Zu den am stärksten gefährdeten Personengruppen zählen die 1,3 Millionen problematischen Opioidkonsumenten in Europa.

    In den toxikologischen Berichten werden regelmäßig auch Opioide genannt, die in der Substitutionsbehandlung eingesetzt werden – in erster Linie Methadon und Buprenorphin. Die jüngsten Daten belegen, dass in Dänemark, Irland, Frankreich und Kroatien mehr Todesfälle im Zusammenhang mit Methadon erfasst wurden als mit Heroin. Dies macht deutlich, dass in der klinischen Praxis Verfahren benötigt werden, die sicherstellen, dass Substitutions-Medikamente nicht abgezweigt werden.

    Zu den in Europa ergriffenen Maßnahmen zur Prävention von Überdosierungen zählen unter anderem überwachte Drogenkonsumräume und die Ausgabe von Naloxon (einem Arzneimittel, das im Falle einer Überdosierung die Wirkung des Opioids umkehrt) an Opioidkonsumenten sowie deren Freunde und Familienangehörige. Überwachte Drogenkonsumräume gibt es mittlerweile in sechs EU-Ländern (DK, DE, ES, FR, LU, NL) und Norwegen (insgesamt 78 Einrichtungen in diesen sieben Ländern). Programme zur Ausgabe von Naloxon werden gegenwärtig in neun EU-Ländern (DK, DE, EE, IE, ES, FR, IT, LT, UK) und Norwegen durchgeführt.

    Neue Drogen gelangen langsamer auf den Markt, die Verfügbarkeit bleibt jedoch insgesamt hoch

    Neue psychoaktive Substanzen (NPS/‚neue Drogen‘) stellen in Europa nach wie vor eine beachtliche Herausforderung für die öffentliche Gesundheit dar. Sie werden vom internationalen Drogenkontrollsystem nicht erfasst und schließen ein breites Spektrum synthetischer Substanzen ein, darunter Cannabinoide, Cathinone, Opioide und Benzodiazepine.

    Im Jahr 2016 wurden 66 neue psychoaktive Substanzen erstmals über das EU-Frühwarnsystem gemeldet – das entspricht einer Rate von mehr als einer Substanz pro Woche. Zwar weist diese Zahl darauf hin, dass sich das Tempo, mit dem neue Substanzen auf den Markt gebracht werden, verlangsamt – im Jahr 2015 wurden 98 Substanzen entdeckt –, jedoch ist die Gesamtzahl der derzeit verfügbaren Substanzen noch immer hoch. Ende 2016 überwachte die EMCDDA mehr als 620 neue psychoaktive Substanzen (gegenüber etwa 350 im Jahr 2013).

    Die Tatsache, dass neue Substanzen in Europa nun in größeren Abständen entdeckt werden, ist möglicherweise auf eine ganze Reihe von Faktoren zurückzuführen. So wurden in einigen Mitgliedstaaten mithilfe neuer Rechtsvorschriften (z. B. pauschale Verbote, Kontrolle generischer und analoger Substanzen) restriktivere rechtliche Rahmenbedingungen geschaffen, angesichts derer es für die Hersteller unter Umständen weniger reizvoll ist, sich auf ein ‚Katz-und-Maus-Spiel‘ mit den Regulierungsbehörden einzulassen und immer neue Substanzen zu entwickeln, um der Kontrolle stets einen Schritt voraus zu sein. Auch die Strafverfolgungs- und Kontrollmaßnahmen, die in China gegen die Labors eingeleitet wurden, in denen neue Substanzen hergestellt werden, könnten zu dieser Verlangsamung beigetragen haben.

    Im Jahr 2015 wurden über das EU-Frühwarnsystem fast 80.000 Sicherstellungen von neuen psychoaktiven Substanzen gemeldet. Synthetische Cannabinoide und synthetische Cathinone machten im Jahr 2015 gemeinsam mehr als 60 Prozent aller Sicherstellungen neuer Substanzen aus (mehr als 47.000). Im Juli 2016 wurde MDMB-CHMICA als erstes synthetisches Cannabinoid von der EMCDDA einer Risikobewertung unterzogen, nachdem über das EU-Frühwarnsystem schädliche Wirkungen (darunter etwa 30 Todesfälle) im Zusammenhang mit seinem Konsum gemeldet worden waren. Dies führte dazu, dass die Substanz im Februar 2017 europaweit Kontrollmaßnahmen unterworfen wurde.

    Gemeinsam mit dem Europäischen Drogenbericht 2017 wurde eine neue Analyse zum Thema hochriskanter Drogenkonsum und neue psychoaktive Drogen („High-risk drug use and new psychoactive substances“) vorgelegt, deren Schwerpunkt auf dem problematischen Konsum neuer psychoaktiver Substanzen in unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen liegt.

    Neue synthetische Opioide – hochpotent und eine zunehmende Gesundheitsgefahr

    In Europa ebenso wie in Nordamerika stellen hochpotente synthetische Opioide, welche die Wirkungen von Heroin und Morphin imitieren, eine wachsende Gesundheitsgefahr dar. Sie haben zwar nur einen geringen Marktanteil, jedoch gibt es immer mehr Berichte über das Aufkommen dieser Substanzen und die von ihnen verursachten Schäden, darunter auch über nicht tödliche Vergiftungen und Todesfälle. Zwischen 2009 und 2016 wurden in Europa 25 neue synthetische Opioide entdeckt (darunter 18 Fentanyle).

    Da für die Herstellung von vielen tausend Einzeldosen nur sehr geringe Mengen erforderlich sind, können neue synthetische Opioide problemlos versteckt und transportiert werden. Infolgedessen stellen diese Substanzen für die Drogenkontrollbehörden ein Problem und zugleich für die organisierte Kriminalität eine potenziell attraktive Ware dar. Sie liegen in unterschiedlichen Formen vor – zumeist als Pulver, Tabletten oder Kapseln –, wobei einige mittlerweile auch in flüssiger Form verfügbar sind und als Nasensprays verkauft werden.

    Fentanyle werden besonders aufmerksam beobachtet. Diese Substanzen sind außergewöhnlich potent – in vielen Fällen potenter als Heroin – und machten mehr als 60 Prozent der 600 Sicherstellungen neuer synthetischer Opioide aus, die 2015 gemeldet wurden. Alleine 2016 wurden acht neue Fentanyle erstmals über das EU-Frühwarnsystem gemeldet. Diese Substanzen sind mit einer erheblichen Vergiftungsgefahr verbunden und zwar nicht nur für die Konsumenten, sondern auch für all jene, bei denen es zu einer unbeabsichtigten Exposition (z. B. durch Hautkontakt oder Einatmen) kommen könnte, wie etwa die Mitarbeiter von Postdiensten, Zollbehörden und Rettungsdiensten.

    Anfang 2017 nahm die EMCDDA Risikobewertungen von zwei Fentanylen (Acryloylfentanyl und Furanylfentanyl) vor, nachdem mehr als 50 Todesfälle im Zusammenhang mit diesen Substanzen gemeldet worden waren. Für beide Substanzen wird gegenwärtig die Einführung von Kontrollmaßnahmen auf europäischer Ebene erwogen. Im Jahr 2016 gab die EMCDDA im Zusammenhang mit diesen und anderen neuen Fentanylen fünf Gesundheitswarnungen an ihr europaweites Netzwerk aus.

    Hinweise auf eine steigende Verfügbarkeit von Kokain

    Die in Europa am häufigsten konsumierten illegalen Stimulanzien sind Kokain, MDMA (in Tablettenform mitunter als ‚Ecstasy‘ bezeichnet) und Amphetamine (Amphetamin und Methamphetamin). Der Konsum von Kokain ist in den süd- und westeuropäischen Ländern höher – bedingt durch Einfuhrhäfen und Schmuggelrouten –, während in Nord- und Osteuropa der Konsum von Amphetaminen stärker verbreitet ist. Mit dem Aufkommen neuer Stimulanzien (z. B. Phenethylamine und Cathinone) ist der Markt für Stimulanzien in den letzten Jahren immer komplexer geworden.

    Die Daten aus Abwasseranalysen, von Sicherstellungen, Preisen und Reinheit lassen darauf schließen, dass die Verfügbarkeit von Kokain in Teilen Europas einmal mehr im Steigen begriffen ist. Sowohl die Zahl der Sicherstellungen als auch die sichergestellte Menge sind zwischen 2014 und 2015 gestiegen. Im Jahr 2015 wurden in der EU etwa 87.000 Sicherstellungen von Kokain gemeldet (gegenüber 76.000 im Jahr davor), bei denen 69,4 Tonnen dieser Droge beschlagnahmt wurden (gegenüber 51,5 Tonnen im Jahr davor). Analysen der kommunalen Abwässer auf Kokainrückstände (Studie auf städtischer Ebene) haben gezeigt, dass in den meisten der 13 Städte, aus denen Daten für den Zeitraum zwischen 2011 und 2016 verfügbar sind, längerfristig eine stabile oder steigende Tendenz zu beobachten ist. Von den 33 Städten, aus denen Daten für 2015 und 2016 vorliegen, meldeten 22 einen Anstieg und vier einen Rückgang der Kokainrückstände, während sieben eine gleichbleibende Tendenz verzeichneten.

    Etwa 17,5 Millionen erwachsene Europäer (zwischen 15 und 64 Jahren) haben mindestens einmal in ihrem Leben Kokain probiert. Darunter sind etwa 2,3 Millionen junge Erwachsene (zwischen 15 und 34 Jahren), die diese Droge in den zurückliegenden zwölf Monaten konsumiert haben. Den nationalen Erhebungen zufolge ist der Kokainkonsum seit 2014 im Wesentlichen stabil geblieben.

    Welche Auswirkungen haben die globalen Entwicklungen in der Cannabispolitik auf Europa?

    Die jüngsten Änderungen, die in Teilen Amerikas am Regulierungsrahmen für Cannabis vorgenommen wurden, wurden in Europa von politischen Entscheidungsträgern und der Öffentlichkeit mit Interesse verfolgt. Dem Bericht zufolge können „die relativen Kosten und Vorteile der verschiedenen Ansätze der Cannabispolitik […] erst beurteilt werden, wenn diesbezüglich tragfähige Evaluierungen vorliegen“. In den 28 EU-Mitgliedstaaten werden gegenwärtig im Hinblick auf die Regulierung und den Konsum von Cannabis die unterschiedlichsten Ansätze verfolgt. Die Bandbreite reicht dabei von restriktiven Modellen bis hin zur Tolerierung bestimmter Formen des Eigengebrauchs. Bislang hat sich jedoch in Europa (EU-28, Norwegen und Türkei) noch keine nationale Regierung für eine umfassende legale Regulierung des Marktes für den Freizeitkonsum von Cannabis ausgesprochen.

    Abgesehen von möglichen weiterreichenden Auswirkungen auf die Drogenpolitik stellt die Existenz kommerziell regulierter Cannabismärkte in einigen nichteuropäischen Ländern eine Triebkraft für Innovationen und Produktentwicklungen dar (z. B. bei Verdampfern, E-Liquids und essbaren Produkten), die sich letztlich auf die Konsummuster in Europa auswirken könnten. Angesichts dessen ist es dem Bericht zufolge umso wichtiger, diese Konsummuster zu beobachten und die möglichen gesundheitlichen Folgen etwaiger künftiger Veränderungen zu bewerten.

    Etwa 87,7 Millionen erwachsene Europäer (zwischen 15 und 64 Jahren) haben mindestens einmal in ihrem Leben Cannabis probiert. Darunter sind schätzungsweise 17,1 Millionen junge Europäer (zwischen 15 und 34 Jahren), die in den letzten zwölf Monaten Cannabis konsumiert haben. Etwa ein Prozent der europäischen Erwachsenen konsumiert täglich oder fast täglich Cannabis (d. h. sie haben die Droge an mindestens 20 Tagen des letzten Monats konsumiert). Die Ergebnisse der jüngsten Erhebungen zeigen, dass sich der Cannabiskonsum der letzten zwölf Monate in den einzelnen Ländern weiterhin unterschiedlich entwickelt hat. Cannabis wird nach wie vor mit Gesundheitsproblemen in Verbindung gebracht und ist in Europa (EU-28, Türkei und Norwegen) mittlerweile die Ursache für den Großteil (45 Prozent) der erstmaligen Behandlungsaufnahmen. Insgesamt ist die gemeldete Zahl der Personen, die erstmals wegen cannabisbedingter Probleme eine Behandlung aufnahmen, von 43.000 im Jahr 2006 auf 76.000 im Jahr 2015 gestiegen.

    Download Europäischer Drogenbericht 2017
    Download Länderbericht Deutschland 2017
    Reitox Jahresbericht für Deutschland 2016

    Pressestelle der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EMCDDA), 06.06.2017

  • Cannabis kehrt Alterungsprozesse im Gehirn um

    Mit zunehmendem Alter nimmt die Gedächtnisleistung ab. Cannabis kann diese Alterungsprozesse im Gehirn umkehren. Das zeigen Wissenschaftler der Universität Bonn mit ihren Kollegen der Hebrew University (Israel) an Mäusen. Alte Tiere konnten durch eine längere niedrig dosierte Behandlung mit einem Cannabis-Wirkstoff in den Zustand von zwei Monate jungen Mäusen zurückversetzt werden. Dies eröffnet zum Beispiel für die Behandlung von Demenzerkrankungen neue Optionen. Die Ergebnisse werden nun im Fachjournal „Nature Medicine“ vorgestellt.

    Wie jedes andere Organ altert auch unser Gehirn. In der Folge nimmt mit zunehmendem Alter auch die kognitive Leistungsfähigkeit ab. Dies bemerkt man beispielsweise dadurch, dass es schwerer wird, Neues zu erlernen oder mehreren Dingen gleichzeitig Aufmerksamkeit zu widmen. Dieser Prozess ist normal, kann aber auch Demenzerkrankungen befördern. Schon lange suchen Forscher nach Möglichkeiten, diesen Prozess zu verlangsamen oder gar umzukehren.

    Das ist Wissenschaftlern der Universität Bonn und der Hebrew Universität Jerusalem (Israel) bei Mäusen nun gelungen. Diese Tiere haben in der Natur nur eine relativ kurze Lebenszeit und zeigen bereits im Alter von zwölf Monaten starke kognitive Defizite. Die Forscher verabreichten Mäusen im Alter von zwei, zwölf oder 18 Monaten über einen Zeitraum von vier Wochen eine geringe Menge an THC, dem aktiven Inhaltsstoff der Hanfpflanze (Cannabis).

    Danach testeten sie das Lernvermögen und die Gedächtnisleistungen der Tiere – darunter zum Beispiel das Orientierungsvermögen und das Wiedererkennen von Artgenossen. Mäuse, die nur ein Placebo verabreicht bekamen, zeigten natürliche altersabhängige Lern- und Gedächtnisverluste. Die kognitiven Funktionen der mit Cannabis behandelten Tiere waren hingegen genauso gut wie die von zwei Monate alten Kontrolltieren. „Die Behandlung kehrte den Leistungsverlust der alten Tiere wieder komplett um“, berichtete Prof. Dr. Andreas Zimmer vom Institut für Molekulare Psychiatrie der Universität Bonn, Mitglied des Exzellenzclusters ImmunoSensation.

    Dieser Behandlungserfolg ist das Ergebnis jahrelanger akribischer Forschung. Zunächst haben die Wissenschaftler herausgefunden, dass das Gehirn viel schneller altert, wenn Mäuse keinen funktionsfähigen Rezeptor für THC besitzen. Bei diesen so genannten Cannabinoid 1 (CB1) Rezeptoren handelt es sich um Proteine, an die Substanzen andocken und dadurch eine Signalkette auslösen. CB1 ist auch der Grund für die berauschende Wirkung von THC in Cannabis-Produkten wie Haschisch oder Marihuana, die sich an den Rezeptor anlagern. THC ahmt die Wirkung von körpereigenen Cannabinoiden nach, die wichtige Funktionen im Gehirn erfüllen. „Mit steigendem Alter verringert sich die Menge der im Gehirn natürlich gebildeten Cannabinoide“, sagt Prof. Zimmer. „Wenn die Aktivität des Cannabinoidsystems abnimmt, dann finden wir ein rasches Altern des Gehirns.“

    Um herauszufinden, was die THC-Behandlung alter Mäuse genau bewirkt, untersuchten die Forscher das Gehirngewebe und die Genaktivität der behandelten Mäuse. Die Befunde waren überraschend: Die molekulare Signatur entsprach nicht mehr der von alten Tieren, sondern war vielmehr jungen Tieren sehr ähnlich. Auch die Zahl der Verknüpfungen der Nervenzellen im Gehirn nahm wieder zu, was eine wichtige Voraussetzung für das Lernvermögen ist. „Es sah so aus, als hätte die THC-Behandlung die molekulare Uhr wieder zurückgesetzt“, sagt Zimmer.

    Die Dosierung des verabreichten THC war so niedrig gewählt, dass eine Rauschwirkung bei den Mäusen ausgeschlossen war. Cannabisprodukte sind bereits als Medikamente zugelassen, zum Beispiel für die Schmerzbekämpfung. Die Forscher wollen im nächsten Schritt in einer klinischen Studie untersuchen, ob THC auch beim Menschen Alterungsprozesse des Gehirns umkehren und die kognitive Leistungsfähigkeit wieder steigern kann.

    Die nordrhein-westfälische Wissenschaftsministerin Svenja Schulze zeigte sich von der Studie begeistert: „Die Förderung erkenntnisgeleiteter Forschung ist unersetzlich, denn sie ist der Nährboden für alle Fragen in der Anwendung. Von der Maus zum Menschen ist es zwar ein weiter Weg, doch stimmt mich die Aussicht darauf, dass THC etwa zur Behandlung von Demenz eingesetzt werden könnte, außerordentlich positiv.“

    Publikation: A chronic low dose of delta9-tetrahydrocannabinol (THC) restores cognitive function in old mice, Nature Medicine, DOI: 10.1038/nm.4311

    Pressestelle der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, 08.05.2017

  • Hoher Alkoholkonsum auch im Alter verbreitet

    Ein problematischer Umgang mit Alkohol ist in Deutschland auch im höheren Erwachsenenalter verbreitet. Schätzungen gehen davon aus, dass 15 Prozent der über 60-Jährigen riskant Alkohol trinken und damit ihre Gesundheit auf vielfache Weise gefährden. Insgesamt rund 14.000 Menschen im Alter ab 60 Jahren mussten im Jahr 2015 aufgrund einer akuten Alkoholvergiftung im Krankenhaus behandelt werden. Vor dem Hintergrund dieser Zahlen hat die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) im Internetportal der Alkoholpräventionskampagne http://www.kenn-dein-limit.de die neue Rubrik „Für Ältere“ erstellt, in der sich Interessierte über einen verantwortungsvollen Umgang mit Alkohol im Alter informieren können.

    „Vielen älteren Menschen ist nicht bewusst, dass Alkohol bei ihnen stärker wirkt als im jüngeren Erwachsenenalter. Grund dafür ist unter anderem, dass bei Älteren der Alkohol in der Leber langsamer abgebaut wird und sich auch der Flüssigkeitshaushalt im Alter verändert“, betont Dr. Heidrun Thaiss, Leiterin der BZgA. „Darüber hinaus ist es mir wichtig, darauf hinzuweisen, dass bei einer Medikamenteneinnahme besondere Vorsicht im Umgang mit Alkohol geboten ist. Hier gilt daher: Im Zweifelsfall das Gespräch mit dem behandelnden Arzt beziehungsweise der Ärztin suchen.“

    Die neue Rubrik http://www.kenn-dein-limit.de/alkohol/im-alter informiert über die Risiken des Alkoholkonsums, die im Alter steigen. Neben einem erhöhten Risiko für Erkrankungen der Leber nimmt bei riskantem Alkoholkonsum auch das Krebsrisiko zu, insbesondere für Mund-, Rachen- und Speiseröhrenkrebs. Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Herzrhythmusstörungen und Bluthochdruck können ebenfalls die Folgen sein. Daher werden Menschen ab 65 Jahren niedrigere Werte für einen risikoarmen Alkoholkonsum empfohlen: Pro Tag maximal zehn Gramm Reinalkohol, also ein kleines Glas Wein (0,1 Liter) oder ein kleines Glas Bier (0,25 Liter) sind erlaubt, bei mindestens zwei Tagen Alkoholabstinenz in der Woche – so lautet die Empfehlung des National Institute on Alcohol Abuse and Alcoholism (NIAAA).

    Ein riskanter Umgang mit Alkohol kann beispielsweise durch veränderte Lebensbedingungen im höheren Alter bedingt sein. Gerade der Eintritt ins Rentenalter stellt für manche Menschen eine schwierige Zeit dar, Phasen mit depressiven Verstimmungen können häufiger werden – all das kann zu einem missbräuchlichen Alkoholkonsum und letztlich zur Sucht führen. Welches die Warnzeichen dafür sind und wie ältere Menschen dieser Entwicklung vorbeugen können, auch darüber informiert http://www.kenn-dein-limit.de/alkohol/im-alter.

    Pressestelle der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), 28.04.2017

  • Weniger Angst

    Wissenschaftler der Universität Basel konnten zeigen, dass LSD die Aktivität einer Hirnregion reduziert, die für die Verarbeitung von negativen Emotionen wie Angst von zentraler Bedeutung ist. Die Resultate könnten für die Behandlung von psychischen Erkrankungen wie Depression oder Angststörungen von Bedeutung sein. Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift „Translational Psychiatry“ veröffentlicht.

    Die Wirkungen von Halluzinogenen auf die Psyche sind vielfältig, unter anderem verändern sie Wahrnehmung, Zeiterleben, Denken und emotionales Erleben. Nach der Entdeckung des Lysergsäurediethylamid (LSD) durch den Basler Chemiker Albert Hofmann in den 40er Jahren des vergangenen Jahrhunderts war das Interesse an dieser Substanz insbesondere in der Psychiatrie groß. Man erhoffte sich beispielsweise Einblicke in die Entstehung von Halluzinationen und führte Studien zur Wirksamkeit bei Erkrankungen wie Depression oder Alkoholabhängigkeit durch. In den 60er Jahren wurde LSD weltweit für illegal erklärt und die medizinische Forschung kam zum Erliegen.

    Seit einigen Jahren ist das Interesse an der Erforschung von Halluzinogenen für medizinische Zwecke allerdings wieder erwacht. Psychoaktive Substanzen wie LSD könnten vor allem in der Kombination mit Psychotherapien eine Alternative zu herkömmlichen Medikamenten bieten. Heute ist bekannt, dass Halluzinogene an einen Rezeptor des Neurotransmitters Serotonin binden. Wie die Bewusstseinsveränderungen die Aktivität und Konnektivität des Gehirns beeinflusse, ist bisher allerdings nicht geklärt.

    Forschende der Universitären Psychiatrischen Kliniken (UPK) und der Abteilung für Pharmakologie und Toxikologie des Universitätsspitals Basel (USB) haben nun in einer aktuellen Studie die akute Wirkung von LSD auf das Gehirn untersucht. Hierzu wurde die Gehirnaktivität von zwanzig gesunden Personen nach Einnahme von 100 Mikrogramm LSD mittels funktioneller Kernspintomographie (fMRI) gemessen. Den Probanden wurden während des MRI Bilder von Gesichtern gezeigt, die verschiedene Gefühlslagen wie Wut, Freude oder Angst darstellten.

    Prof. Stefan Borgwardt und sein Team konnten zeigen, dass die Darstellung von Angst unter LSD zu einer deutlich niedrigeren Aktivität der Amygdala führt – eine Hirnregion, von der man annimmt, dass sie zentral für die Verarbeitung von Emotionen ist. Diese Beobachtung könnte einen Teil der Veränderungen im emotionalen Erleben erklären, die nach der Einnahme von Halluzinogenen auftreten.

    In einem zweiten Schritt haben die Forscher zusammen mit klinischen Pharmakologen des Universitätsspitals Basel untersucht, ob das durch LSD veränderte subjektive Erleben in Zusammenhang mit der Amgydala steht. Dies scheint der Fall zu sein: Je niedriger die LSD-induzierte Amygdala-Aktivität einer Person war, desto höher war der subjektive Drogeneffekt dieser Person.

    „Diese ‚entängstigende‘ Wirkung könnte einen wichtiger Faktor für positive therapeutische Effekte darstellen», erklärt Dr. Felix Müller, Erstautor der Studie. Die Basler Wissenschaftler gehen davon aus, dass Halluzinogene noch zahlreiche weitere Veränderungen der Hirnaktivitäten hervorrufen. Weitere Studien sollten diese besonders im Hinblick auf ihr therapeutisches Potenzial untersuchen.

    Originalbeitrag: Felix Mueller, Claudia Lenz, Patrick Dolder, Samuel Harder, Yasmin Schmid, Undine Lang, Matthias Liechti, Stefan Borgwardt: Acute effects of lysergic acid diethylamide (LSD) on amygdala activity during processing of fearful stimuli in healthy subjects. Translational Psychiatry (2017), doi: 10.1038/tp.2017.54

    Pressestelle der Universität Basel, 04.04.2017

  • Volltanken? Bitte nicht mit Alkohol!

    Wer mit Alkohol im Blut am Steuer oder auf dem Fahrrad sitzt, gefährdet sich und andere. Fast 17.000 Verletzte und 256 Tote durch Alkoholunfälle waren 2015 die traurige Bilanz. Und in öffentlichen Verkehrsmitteln sind alkoholisierte Fahrgäste mehr als nur ein Ärgernis: Sie stören die Mitreisenden, randalieren und werden oft aggressiv. Daher wirbt die diesjährige Aktionswoche Alkohol für eine sichere Fahrt – ohne Alkohol! Ihr Schwerpunktthema vom 13. bis zum 21. Mai 2017 lautet: „Kein Alkohol unterwegs!“.

    Etwa jeder 14. Verkehrstote ist gestorben, weil ein/e Verkehrsteilnehmer/in zu viel Alkohol getrunken hat. Alkoholunfälle verlaufen überdurchschnittlich schwer und verursachen viel Leid: Menschen sterben, Familien und Freundschaften werden belastet, Betroffene müssen sich mit körperlichen und seelischen Auswirkungen auseinandersetzen, ihr soziales Umfeld leidet mit. Doch Alkoholunfälle müssten nicht sein.

    Es sind vor allem junge Männer, die trotz Alkoholkonsum das Auto nicht stehen lassen. Sie gehen häufig aus und trinken Alkohol in Clubs, Kneipen oder auf Partys. Gleichzeitig überschätzen sie ihre Fahrtüchtigkeit und sind extrem risikobereit. Die Folge: Alkoholisierte Männer im Alter von 21 bis 25 Jahren sind mit Abstand am häufigsten an Unfällen mit Personenschäden beteiligt. Die Hälfte aller alkoholbedingten Unfälle geschehen am Wochenende, wenn die Straßen leer sind: abends, nachts oder am frühen Morgen – nach der Party oder dem Kneipenbesuch.

    Zur Partyzeit häufen sich auch die Vorfälle in Bahnen und Bussen. Enthemmte Fahrgäste, die in Bahnen feiern, sind unangenehm für die Mitreisenden. Die Rücksichtslosigkeit kann umschlagen in Aggression: Betrunkene Fahrgäste werden aufdringlich, gewalttätig oder randalieren. Allein im Jahr 2015 registrierte die Deutsche Bahn 12.500 Fälle von Körperverletzungen und rund 10.000 Delikte im Zusammenhang mit Vandalismus. Solche Vorfälle beeinträchtigen die Sicherheit aller Fahrgäste.

    Einige Städte wie z. B. Hamburg haben daher bereits ein allgemeines Alkoholverbot in öffentlichen Verkehrsmitteln eingeführt, und auch Fluggesellschaften müssen immer öfter und konsequenter auf alkoholisierte Passagiere reagieren. So stellt die International Air Transport Association fest, dass im Jahr 2015 knapp 11.000 Menschen an Bord randalierten. In 23 Prozent der Fälle spielten Alkohol oder andere Drogen eine Rolle.

    Gefährlicher Alkoholkonsum lässt sich drosseln. Ein wirksames Mittel sind Beschränkungen für den Verkauf. Deshalb fordert die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e.V. (DHS), den Alkoholverkauf nach 22 Uhr zu verbieten. „In allen Ländern, in denen Alkohol rund um die Uhr und an jeder Ecke verkauft wird, sind die Alkoholprobleme massiv. Das ganze Umfeld leidet“, sagt Dr. Raphael Gaßmann, Geschäftsführer der DHS. „Ein nächtliches Verkaufsverbot schränkt zumindest den spontanen Alkoholkonsum deutlich ein – und mit ihm Exzesse, die andere gefährden.“ Gerade Tankstellen sind ein Brennpunkt des Problemkonsums. Es gibt keinen vernünftigen Grund, Tankstellen einen Verkauf von Rausch- und Suchtmitteln zu erlauben. Kein Alkohol im Verkehr heißt auch: Kein Alkohol an der Tanke!

    Wie schnell man unter Alkoholeinfluss die Kontrolle verliert, können Bürgerinnen und Bürger während der Aktionswoche Alkohol vielerorts selbst mit Rauschbrillen und Fahrsimulatoren ausprobieren. Bei manch einem kann schon ein Glas Bier zu viel sein, denn bereits bei 0,2 Promille verlängert sich die Reaktionszeit und man wird risikobereiter.

    Daher fordert die diesjährige Aktionswoche Alkohol mit ihrem Schwerpunktthema dazu auf, im Verkehr gänzlich auf Alkohol zu verzichten: „Kein Alkohol unterwegs!“. Dies gilt vor allem und uneingeschränkt für das selbständige Führen eines Verkehrsmittels. Und auch im öffentlichen Personenverkehr macht ein Alkoholverzicht die Reise für alle Beteiligten angenehmer und sicherer.

    Innerhalb der Aktionswoche Alkohol finden tausende Veranstaltungen statt, in denen über die Risiken des Alkoholkonsums informiert wird. Veranstalter sind überwiegend Selbsthilfegruppen und Suchtberatungsstellen. Für den Schwerpunkt „Kein Alkohol unterwegs!“ kooperieren sie mit der Polizei, Zulassungsstellen, Kommunen und Verkehrsbetrieben. Als Dachverband unterstützt der Deutsche Verkehrssicherheitsrat den Schwerpunkt „Kein Alkohol unterwegs!“.

    Pressestelle der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen e.V. (DHS)

  • Rauschgiftlage und Zahlen der Drogentoten 2016

    Die Zahl der Drogentoten ist in Deutschland zum vierten Mal in Folge gestiegen. 2016 wurden 1.333 rauschgiftbedingte Todesfälle registriert. Das entspricht einem erneuten Anstieg um neun Prozent. Besonders hoch ist der Anstieg von Todesfällen im Zusammenhang mit dem Konsum von so genannten Neuen psychoaktiven Stoffen (NPS), die auch als „Legal Highs“ bezeichnet werden. 2016 wurden 98 Tote* erfasst, 2015 waren es 39. Dieser Anstieg zeigt, wie gefährlich diese Stoffe sind. Ein wichtiger Schritt bei der Bekämpfung der „Legal Highs“ wurde Ende 2016 mit dem in Kraft getretenen Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetz (NpSG), dessen Auswirkungen und Erfahrungen in den nächsten Jahren evaluiert werden, gemacht.

    Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marlene Mortler: „Dass die Drogentotenzahlen zum vierten Mal in Folge angestiegen sind, ist keine gute Nachricht. Wir brauchen noch umfassendere Hilfen für Abhängige und deren Angehörige. Vor allem aber müssen wir deutlich früher ansetzen. Prävention und Frühintervention lauten die Schlagworte. Jeder, der erstmalig mit einer verbotenen Substanz aufgegriffen wird, muss mit seinem Drogenkonsum konfrontiert werden und umgehend Beratung erhalten: Weder die Forderung nach einem Krieg gegen die Drogen hilft weiter noch der Ruf nach einer Legalisierung. Die echten Herausforderungen sind die immer größere Bandbreite verfügbarer Substanzen und der zunehmende Mischkonsum. Diesen Trends können wir nur mit einem breiten Fächer gesundheitspolitischer Maßnahmen begegnen. Und natürlich brauchen wir auch eine funktionierende Strafverfolgung, damit Drogen nicht an jeder Ecke zu haben sind.“

    Der nicht unerhebliche Anstieg der Rauschgiftdelikte in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS), die zahlreichen und großen Einzelsicherstellungen in Deutschland und Europa wie auch in den Herkunfts- und Transitländern belegen, dass Nachfrage und Verfügbarkeit der Drogen ungebrochen hoch sind. So wurden im vergangenen Jahr beispielsweise insgesamt 330 Kilogramm Heroin sichergestellt, was einer Zunahme der Gesamtsicherstellungsmenge von 57 Prozent entspricht. Ein weiterer Beleg für die Verfügbarkeit von Drogen ist die Zunahme von Anbauflächen für Heroin, Kokain und Marihuana. Ähnliches gilt für die synthetischen Drogen. Wurden diese früher noch in kleinen Laboren hergestellt, werden sie heute in professionellen Produktionsstätten mit umfangreichen Produktionskapazitäten erzeugt, Tendenz steigend.

    Der Präsident des Bundeskriminalamtes, Holger Münch: „Drogenhandel ist ein internationales Geschäft, weshalb auch die Polizei über Ländergrenzen hinweg zusammenarbeiten muss. Wir als BKA engagieren uns in verschiedenen europäischen Projekten, und in den Herkunfts- und Transitländern erfüllen unsere Verbindungsbeamten vor Ort eine wichtige Aufgabe bei der Bekämpfung der internationalen Rauschgiftkriminalität.“

    Der Internethandel macht Drogen leichter verfügbar. Es gibt Verkaufsplattformen im Darknet, aber auch im Clearnet, auf denen Drogen aller Art angeboten und oft per Post zum Besteller geschickt werden. In der Polizeilichen Kriminalstatistik wurden 2016 über 2.000 Rauschgiftfälle mit dem Tatmittel Internet registriert, was einer Zunahme von fünf Prozent entspricht. Es ist von einem weitaus größeren Dunkelfeld auszugehen. Die statistisch erfassten Fälle zu Rauschgifthandel im Internet zeigen lediglich eine Tendenz auf.

    Präsident Holger Münch dazu: „Rauschgifthandel im Internet nimmt immer weiter zu.  Online werden aber nicht nur Drogen, sondern auch andere inkriminierte Güter wie Kreditkartendaten oder Waffen gehandelt. Daher haben wir den Vertriebsweg Internet fest im Blick. Ermittler und Cyberexperten arbeiten bei der Bekämpfung von illegalen Handelsplattformen und den dahinterstehenden Tätern Hand in Hand. Um in diesem Bereich künftig noch besser aufgestellt zu sein, arbeiten wir derzeit an neuen Möglichkeiten, ‚Cybercops‘ zu gewinnen und auszubilden.“

    Ergänzende Zahlen und Informationen zur Rauschgiftlage können über die Webseite des BKA unter www.bka.de abgerufen werden.

    *2016 wurden erstmals im Zusammenhang mit NPS auch die Todeszahlen durch Synthetische Opioide (u.a. Fentanylderivate) alleine oder in Verbindung mit anderen Stoffen in den Bundesländern erhoben. Diese sind in den genannten 98 Toten enthalten. Betrachtet man, wie im Vorjahr, nur die Monovalenten/Polyvalenten Vergiftungen durch andere Substanzen als Opioide/Opiate, kommt man auf 76 Tote.

    Gemeinsame Pressemitteilung der Bundesdrogenbeauftragten und des Bundeskriminalamtes, 08.05.2017