Kategorie: Kurzmeldungen

  • Lübecker Memorandum zur Zukunft der Suchtkrankenversorgung

    Das „Lübecker Memorandum zur Zukunft der Suchtkrankenversorgung“ ist das Resultat eines intensiven Austauschs von Expertinnen und Experten. Kern für die vorliegenden Empfehlungen sind die Ergebnisse einer Zukunftswerkstatt, die im Januar 2016 in Lübeck unter der Federführung der DG-Sucht und der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universität zu Lübeck mit Finanzierung des Bundesministeriums für Gesundheit stattfand. Das Memorandum gibt die entscheidenden Impulse aus der Zukunftswerkstatt als Destillat wieder. Dargestellt werden die bedeutsamsten Themenfelder, die erarbeitet wurden, Visionen einer Verbesserung des Suchthilfesystems sowie Empfehlungen für eine Umgestaltung. Das Memorandum beinhaltet keine konkreten Lösungswege. Diese sollen partizipativ durch eine modifizierte und erweiterte Expertinnen- und Expertengruppe erarbeitet werden.

    Im vorliegenden Memorandum wurden folgende Arbeitsfelder und zugehörige Zukunftsvisionen erarbeitet:

    1. Verbesserung von Schnittstellen und Vernetzung
    Vision „Nahtlose und zugeschnittene Hilfen“

    Menschen mit Suchterkrankungen werden in allen wichtigen Bereichen des Lebens erkannt und erhalten die für sie geeignete Hilfe, die von Frühintervention über Beratung und Therapie bis hin zu kontinuierlicher Betreuung reicht und Angebote der Selbsthilfe einschließt. Bereiche der medizinischen und psychosozialen Versorgung sind mit der Suchthilfe vernetzt und bieten gemeinschaftlich nahtlose Hilfe an. Die Finanzierung ist vereinfacht und gesichert.

    2. Prävention und Gesundheitsförderung
    Vision „Frühzeitige, umfassende und wirksame Prävention“

    Präventionsstrategien beinhalten eine frühzeitige und lebensweltorientierte Berücksichtigung von problematischen Gesundheits-Verhaltensweisen. Sucht, schädlicher und riskanter Konsum haben hier eine Schlüsselstellung. Es werden über den gesamten Lebensverlauf Hilfen zur Verbesserung des Gesundheitsverhaltens angeboten.

    3. Stigma, Betroffenen- und Zielgruppenorientierung
    Vision „Vorurteilfreies Klima und fördernde Grundhaltung“

    Die Stigmatisierung ist wirksam reduziert. Sucht, schädlicher und riskanter Konsum werden wertfrei als optimier- und veränderbare Verhaltensweisen angesehen. Der Umgang mit Betroffenen ist geprägt von Partnerschaftlichkeit, Akzeptanz, Mitgefühl und motivierender Förderung.

    4. Evidenzbasierung, Finanzierung und Qualifizierung
    Vision „Freier Zugang zu einem Spektrum wirksamer Hilfen“

    Es ist gesichert, dass die bestwirksamen Behandlungsformen qualifiziert angeboten werden. Die Betroffenen werden durch eine unabhängige Beratung darin unterstützt, selbstbestimmt daraus die für ihre spezifische Problematik passende Wahl zu treffen.

    Das „Lübecker Memorandum zur Zukunft der Suchtkrankenversorgung“ finden Sie hier.

    Quellen: Website der DG-Sucht, Lübecker Memorandum, 06.04.2017

  • Raucherparadies Deutschland

    Deutschland unternimmt viel zu wenig, um das Rauchen einzudämmen und das Nichtrauchen zu fördern. Deshalb landet die Bundesrepublik im europäischen Vergleich der Maßnahmen zur Eindämmung des Tabakkonsums zum zweiten Mal in Folge auf dem vorletzten Platz, nur gefolgt von Österreich. Dies zeigt eine aktuelle Befragung in 35 europäischen Staaten, die „Tabakkontrollskala 2016“, die am 23. März bei der siebten Europäischen Tabakkontrollkonferenz in Porto vorgestellt wurde.

    Deutschland ist das einzige Land in der EU, das noch uneingeschränkt Außenwerbung für Tabakprodukte erlaubt, und hat zudem seit 2010 keinerlei Maßnahmen ergriffen, um das Rauchen zu verringern. Lediglich die europäische Tabakproduktrichtlinie wurde im Jahr 2016 – wie es für alle EU-Mitgliedstaaten Pflicht ist – in nationales Recht umgesetzt. Andere Länder hingegen, allen voran Großbritannien und Nordirland, haben in den letzten Jahren immer wieder neue Regelungen eingeführt. Aktuelle Beispiele dafür sind eine standardisierte Verpackung für Tabakerzeugnisse oder ein Rauchverbot im Auto, wenn Kinder mitfahren.

    „Dieses Ranking zeigt überdeutlich den großen Handlungsbedarf, der in Deutschland in der Tabakkontrolle besteht“, sagt Dr. Ute Mons, Leiterin der Stabsstelle Krebsprävention und des WHO-Kollaborationszentrums für Tabakkontrolle am Deutschen Krebsforschungszentrum. „Ein besonders frappierendes Beispiel ist das längst überfällige Außenwerbeverbot. Es ist allerhöchste Zeit, den seit nunmehr fast einem Jahr vorliegenden und immer wieder verzögerten Gesetzentwurf für ein Verbot der Tabakaußenwerbung umzusetzen“, so Mons bei der siebten Europäischen Tabakkontrollkonferenz (European Conference on Tobacco or Health) in Porto.

    Die Tabakkontrollskala quantifiziert und bewertet für die einzelnen Länder die Einführung von sechs Maßnahmen zur Verringerung des Rauchens in der Bevölkerung. Diese Maßnahmen sind von der Weltbank als wirksam eingestuft worden und sollten im Rahmen einer umfassenden Tabakpräventionsstrategie eingeführt werden. Dazu gehören Tabaksteuererhöhungen, rauchfreie öffentliche Räume, Aufklärungskampagnen, ein umfassendes Tabakwerbeverbot, Warnhinweise auf Tabakverpackungen und die Unterstützung beim Rauchstopp. Deutschland erreicht lediglich für Rauchverbote im öffentlichen Raum sowie für die Einführung der neuen Warnhinweise gerade einmal die Hälfte der möglichen Punkte, bei allen anderen Kriterien liegt es darunter.

    Aufsteigen im Ranking kann ein Land, wenn es seit der letzten Erfassung neue Maßnahmen ergriffen hat. Deutschland hat in dieser Hinsicht in den letzten Jahren wenig geleistet und bietet daher der Tabakindustrie im europäischen Vergleich geradezu paradiesische Verhältnisse – mit gravierenden Folgen: Jedes Jahr sterben rund 121.000 Menschen an den Gesundheitsschäden, die das Rauchen verursacht.

    Ute Mons, die sich dafür einsetzt, dass Deutschland wirksame Tabakpräventionsmaßnahmen zum Schutz der Gesundheit der Bürger umsetzt, wurde bei der Europäischen Tabakkontrollkonferenz für ihre wissenschaftlichen und gesundheitspolitischen Leistungen mit einem der von der Association of the European Cancer Leagues (ECL) gestifteten Young Professional Awards ausgezeichnet.

    Die Tabakkontrollskala kann heruntergeladen werden unter: www.tobaccocontrolscale.org

    Pressestelle des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ), 23.03.2017

  • Substitutionsbehandlung von Drogenabhängigen

    Das Bundeskabinett hat am 15. März 2017 die Dritte Verordnung zur Änderung der Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung (BtMVV) beschlossen. Die BtMVV regelt die zentralen Ziele der ärztlichen Substitutionstherapie von Menschen, die durch den Gebrauch illegaler Drogen abhängig geworden sind. Die betäubungsmittelrechtlichen Vorgaben an die Substitutionstherapie sind insgesamt darauf ausgerichtet, den Beteiligten zu einem Leben ohne Drogen zu verhelfen. Derzeit befinden sich über 77.000 Menschen mit einer Abhängigkeit von illegalen Drogen in einer Substitutionsbehandlung.

    Mit der Neuregelung werden folgende bislang in der BtMVV geregelte Punkte in die Richtlinienkompetenz der Bundesärztekammer überführt:

    • Voraussetzungen für die Einleitung und Fortführung der Therapie
    • der Umgang mit dem Gebrauch weiterer legaler oder illegaler Substanzen während einer Substitutionstherapie (Beikonsum)
    • das Verschreiben des Substitutionsmittels zur eigenverantwortlichen Einnahme durch Patientinnen und Patienten, die einen gefestigten Umgang mit ihrem Suchtverhalten haben
    • die Entscheidung über die Erforderlichkeit einer zusätzlichen psychosozialen Betreuung

    Der Grundsatz, dass Substitutionsmittel nur zum unmittelbaren Verbrauch überlassen werden, also nur im Beisein von Fachpersonal eingenommen werden dürfen, bleibt auch in Zukunft erhalten. Die bisherige Ausnahme einer Verschreibung des Substitutionsmittels an gefestigte Patientinnen und Patienten zur eigenverantwortlichen Einnahme (Take-Home-Verschreibungen) wird fortentwickelt. In begründeten Einzelfällen dürfen Substitutionsärztinnen und -ärzte ein Mittel künftig für den Bedarf von bis zu 30 Tagen (statt grundsätzlich bis zu sieben Tagen) auch bei Inlandsaufenthalten verschreiben. Das erleichtert sowohl die Arbeit der Ärztinnen und Ärzte als auch den Weg der Substitutionspatienten in ein selbstbestimmtes Leben.

    Um die wohnortnahe Versorgung der Betroffenen zu verbessern, wird zudem der Katalog der Einrichtungen, die Substitutionsmittel an Betroffene ausgeben dürfen, ausgeweitet. Hierzu zählen künftig etwa Rehabilitationseinrichtungen, Gesundheitsämter, Alten- und Pflegeheime sowie Hospize.

    Die Vorschriften zur Sicherheit und Kontrolle des Betäubungsmittelverkehrs, die im Rahmen einer Substitutionstherapie unverzichtbar sind, werden dagegen in der BtMVV fortgeführt.

    Die Neuregelungen zielen auch darauf ab, mehr Ärztinnen und Ärzte für die Beteiligung an der Substitutionsbehandlung zu gewinnen und damit die Versorgung der Substitutionspatientinnen und -patienten, vor allem im ländlichen Raum, zu verbessern. Mit der BtMVV werden die vor über 20 Jahren erlassenen betäubungsmittelrechtlichen Vorschriften zur Therapie von Patientinnen und Patienten mit einer Abhängigkeit etwa von Heroin weiterentwickelt. Maßgeblich hierfür sind aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse und praktische Versorgungserfordernisse.

    Die Verordnung bedarf der Zustimmung des Bundesrates.

    Weitere Informationen unter: www.bundesgesundheitsministerium.de
    Download Dritte Verordnung zur Änderung der Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung (SubstitutionOpioidabhängiger)

    Pressestellen des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) und der Bundesdrogenbeauftragten, 15. März 2017

  • Kurzfilm zur Aktionswoche Alkohol 2017


    Die Aktionswoche Alkohol findet alle zwei Jahre statt und wird in diesem Jahr bereits zum sechsten Mal aufgelegt. Dabei haben sich bereits Zehntausende beteiligt und an einer oder mehrerer der vielen Veranstaltungen teilgenommen. Um auch in der Zukunft möglichst viele Menschen für die Aktionswoche begeistern zu können und sie noch bekannter zu machen, wurde ein Kurzfilm entwickelt: Was die Aktionswoche ist, warum sie sinnvoll ist und wer wie mitmachen kann – all das wird in dem neuen Video zur Aktionswoche Alkohol erklärt. Der Film wurde mit freundlicher Unterstützung des Bundesverbandes für stationäre Suchtkrankenhilfe e. V. und der Diakonie Deutschland – Evangelischer Bundesverband realisiert. Die Botschaft des Films lautet „Machen Sie mit und seien Sie dabei!“

    Auch Sie dürfen das Erklärvideo gerne für Ihre Öffentlichkeitsarbeit verwenden, um über die Aktionswoche Alkohol zu informieren und für Ihre Veranstaltung(en) zu werben. Sie finden das Video hier und auf dem YouTube-Kanal der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS).

    Die Aktionswoche Alkohol ist auch auf Facebook vertreten. Auf www.facebook.com/aktionswochealkohol können sich Veranstalter und Interessierte zusätzlich über Neuigkeiten zur Aktionswoche informieren sowie Fragen und Kommentare zum Thema Alkohol posten.

    Quelle: Website der Aktionswoche Alkohol, 10.03.2017

  • Gutachten „Neue elektronische Medien und Suchtverhalten“

    Das Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB) beauftragte im Jahre 2015 ein interdisziplinäres wissenschaftliches Team (Klaus Wölfling, Matthias Brand, Nicole Krämer, Sabine Löber, Astrid Müller, Bert te Wildt) mit der Erstellung eines Gutachtens („Neue elektronische Medien und Suchtverhalten“). Gegenstand des Gutachtens war die Sichtung und Aufbereitung des aktuellen Kenntnisstands über mögliche negative Folgen, die mit der Nutzung neuer Medien in Zusammenhang stehen. Insbesondere bestand der Auftrag darin, die vorliegende Vielfalt der wichtigsten wissenschaftlichen und klinischen Studien zum Thema Internetsucht systematisch zu sondieren und eine Einschätzung darüber zu geben, inwieweit hier von einer konkreten Gesundheitsgefährdung auszugehen ist. Basierend auf den Inhalten dieses mehrere hundert Seiten umfassenden Gutachtens, wurde von den Mitarbeitern des TAB (Autoren: Michaela Evers-Wölk, Michael Opielka, Matthias Sonk, 2016) eine zusammenfassende Stellungnahme ausgefertigt, welche wesentliche Inhalte des Originalgutachtens enthält.

    Aus dieser Zusammenfassung geht hervor, dass es eine ausreichende empirische Evidenz dafür gibt, dass Internetsucht nicht nur ein existierendes Phänomen ist, sondern es auch mit teils gravierenden negativen Effekten auf die psychische und vermutlich auch physische Gesundheit in Zusammenhang steht. Weiter geht hervor, dass davon auszugehen ist, dass Internetsucht als Überbegriff aufzufassen ist und eine entsprechende feinkörnigere Bestimmung des Subtyps notwendig erscheint. Hier wird auf grundsätzlichen weiteren Forschungsbedarf hingewiesen, gleichzeitig jedoch betont, dass ein Suchtverhalten insbesondere hinsichtlich der Nutzung von (Online-)Computerspielen, Online-Pornographie, Online-Einkaufsplattformen und Online-Glücksspielen gut dokumentiert ist. Insbesondere neurowissenschaftliche Studien bestätigen die Nähe der Internetsucht zu anderen Abhängigkeitserkrankungen, wobei gleichwohl davon auszugehen ist, dass exzessive Nutzungsmuster auch ein sekundärer Ausdruck einer anderen psychischen Problematik sein können.

    Das Gutachten beinhaltet nicht wirklich neue Erkenntnisse, ist jedoch vor dem Hintergrund seiner gesundheitspolitischen Bedeutung nicht zu unterschätzen. Hier erscheinen insbesondere die dem Gutachten angeschlossenen Empfehlungen, die seitens des interdisziplinären Teams ausgesprochen wurden, von Relevanz. Konkret beinhalten diese:

    • eine Intensivierung der wissenschaftlichen Forschung zur Internetsucht, insbesondere die Durchführung klinischer Studien zur Bestimmung der Wirksamkeit von Interventionsmaßnahmen, sowie zur Identifikation von Risikofaktoren für Internetsucht,
    • eine deutliche Verbesserung der Versorgungssituation von Betroffenen und deren Angehörigen,
    • eine möglichst großflächige Implementierung von Maßnahmen der Prävention und Frühintervention sowie deren systematische Evaluation und
    • die klare Forderung, Internetsucht als eigenständiges Störungsbild anzuerkennen und somit für Betroffene eine Versorgungssicherheit zu schaffen.

    Die auf dem Gutachten basierende Stellungnahme ist frei zugänglich und kann auf der Website des TAB als PDF-Dokument in einer Lang- und einer Kompaktfassung abgerufen werden. Eine Veröffentlichung der wesentlichen Inhalte des Originalgutachtens ist seitens der Autoren ebenfalls geplant.

    Fachverband Medienabhängigkeit, Newsletter 3/2017, 14.03.2017

  • Cannabis als Medizin

    Mit dem bevorstehenden Inkrafttreten des Gesetzes „Cannabis als Medizin“ wird im Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) eine Cannabisagentur eingerichtet. Die Cannabisagentur wird den Anbau von Cannabis zu medizinischen Zwecken in Deutschland steuern und kontrollieren. Unmittelbar nach ihrer Einrichtung wird die Cannabisagentur ein EU-weites Ausschreibungsverfahren starten und anschließend Aufträge zum Anbau an geeignete Unternehmen vergeben. Ziel ist es, die Versorgung schwerkranker Patientinnen und Patienten künftig mit in Deutschland angebautem Cannabis in pharmazeutischer Qualität sicherzustellen.

    Die Cannabisagentur wird als neues Fachgebiet in der Abteilung „Besondere Therapierichtungen“ im BfArM eingerichtet. Weitere Aufgaben werden bei der Bundesopiumstelle im BfArM angesiedelt. Darunter auch eine Begleiterhebung, um weitere Erkenntnisse über die Wirkung von Cannabis als Medizin zu gewinnen. Wie bisher wird die Bundesopiumstelle außerdem die Importe von Cannabis überwachen, mit denen die Versorgung der Patientinnen und Patienten sichergestellt wird, solange noch keine Ernte in Deutschland erfolgen kann. Das BfArM geht davon aus, dass im Jahr 2019 Cannabis aus dem Anbau in Deutschland zur Verfügung stehen wird, da der Anbau unter den betäubungs- und arzneimittelrechtlichen Vorgaben erst umgesetzt werden muss. Der Import von Cannabis wird auch über diesen Zeitpunkt hinaus möglich sein. Derzeit wird Cannabis zu medizinischen Zwecken aus den Niederlanden und Kanada importiert. Grundsätzlich kann Cannabis aus jedem Land importiert werden, das den Anbau von Cannabis zu medizinischen Zwecken unter staatlicher Kontrolle durchführt und das Cannabis in Arzneimittelqualität anbieten kann.

    Cannabis wird ausschließlich zu medizinischen Zwecken angebaut werden. Es handelt sich also um ein Arzneimittel. Dieses Cannabis muss daher alle arznei- und betäubungsmittelrechtlichen Anforderungen erfüllen. Es wird nur solches Cannabis verwendet werden, das entsprechend der Vorgaben der „Guten Praxis für die Sammlung und den Anbau von Arzneipflanzen“ (Good Agricultural and Collection Practice, GACP) angebaut wurde und die Vorgaben der relevanten Monografien und Leitlinien erfüllt.

    Wenn der Anbau in Deutschland erfolgt, wird die Cannabisagentur die Ernte in Besitz nehmen und die Auslieferung an Apotheken zur Versorgung von Patientinnen und Patienten steuern. Der Anbau erfolgt jedoch nicht im BfArM oder durch das BfArM selbst, sondern durch Unternehmen, die im Ausschreibungsverfahren ausgewählt und von der Cannabisagentur beauftragt werden. Die Ernte wird nicht ins BfArM transportiert, nicht dort gelagert und auch nicht von dort aus weiterverteilt. Diese Schritte werden räumlich bei den jeweiligen Anbaubetrieben bzw. weiteren beauftragten Unternehmen angesiedelt sein. Nach den Vorgaben im Einheitsübereinkommen muss die Cannabisagentur das Cannabis aufkaufen. Die Cannabisagentur wird dann einen Herstellerabgabepreis festlegen und das Cannabis an Hersteller von Cannabisarzneimitteln, Großhändler oder Apotheken verkaufen. Dabei darf das BfArM keine Gewinne oder Überschüsse erzielen. Bei der Preisbildung werden jedoch die beim BfArM anfallenden Personal- und Sachkosten berücksichtigt. Auf den tatsächlichen Abgabepreis in der Apotheke hat das BfArM jedoch keinen Einfluss. Die Vertriebswege von Herstellern und Händlern werden den gesetzlichen Regelungen entsprechen und sind daher mit den Regelungen beim Vertrieb anderer betäubungsmittelhaltiger Arzneimittel identisch.

    Mit Blick auf zu erwartende und benötigte Verbrauchs- und Erntemengen wird sich das BfArM in der Ausschreibung festlegen. Der exakte künftige Mengenbedarf kann derzeit jedoch nur geschätzt werden. Bisher hatten etwa 1.000 Patientinnen und Patienten eine Ausnahmeerlaubnis zum Erwerb von Cannabis zu medizinischen Zwecken. Bei einem durchschnittlichen Tagesbedarf von einem Gramm pro Person würden 365 Kilogramm pro Jahr benötigt, um alleine diese Patientinnen und Patienten kontinuierlich über die Verordnung von Cannabis zu versorgen. Für die Zukunft wird genau zu beobachten sein, wie sich das Verschreibungsverhalten entwickelt und inwieweit Cannabis für Patientinnen und Patienten eine adäquate Behandlungsform darstellt. Grundsätzlich soll der Zugang zu Cannabisarzneimitteln nur für solche Patientinnen und Patienten offenstehen, die mit anderen verfügbaren Arzneimitteln nicht zufriedenstellend therapiert werden können.

    Durch Inkrafttreten des beschlossenen Änderungsgesetzes wird die Verschreibungsfähigkeit für weitere Cannabisarzneimittel hergestellt. Ärztinnen und Ärzte können künftig auch Medizinal-Cannabisblüten oder Cannabisextrakt in pharmazeutischer Qualität auf einem Betäubungsmittelrezept verschreiben. Dabei müssen sie arznei- und betäubungsmittelrechtliche Vorgaben einhalten. Neben den neuen Regelungen bleiben die bisherigen Therapie- und Verschreibungsmöglichkeiten für die Fertigarzneimittel Sativex® und Canemes® sowie das Rezepturarzneimittel Dronabinol bestehen.

    Das BfArM wird nicht zur Therapie selbst oder zu den Anwendungsgebieten von Cannabisarzneimitteln beraten. Wie bei anderen Arzneimitteln auch, gibt das BfArM keine Therapieempfehlungen. Die Abgabe der entsprechenden Arzneimittel an die Patientinnen und Patienten wird nach Vorlage des Betäubungsmittelrezepts in der Apotheke erfolgen. Das bisherige Erlaubnisverfahren nach § 3 Absatz 2 BtMG zum Erwerb von Medizinal-Cannabis zum Zweck der ärztlich begleiteten Selbsttherapie wird dann entfallen.

    Einzelne Patientinnen und Patienten werden künftig Medizinal-Cannabisblüten oder Cannabisextrakt erhalten. Cannabisblüten bestehen aus den blühenden, getrockneten Triebspitzen der weiblichen Pflanze von Cannabis sativa L. (Cannabaceae). Die zwei hauptsächlich an der Wirkung von Cannabis beteiligten Inhaltsstoffe heißen Delta-9-Tetrahydrocannabinol und Cannabidiol. Der Gehalt an Delta-9-Tetrahydrocannabinol und Cannabidiol variiert je nach Sorte. Ein Cannabisextrakt wird aus Cannabisblüten unter Verwendung eines Auszugsmittels in pharmazeutischer Qualität hergestellt. Ein Extrakt enthält einen bestimmten Gehalt von Delta-9-Tetrahydrocannabinol und wird in der Apotheke zu einer üblichen Arzneimittel-Darreichungsform, wie beispielsweise Kapseln oder Tropflösung, für die Einnahme durch die Patientinnen und Patienten verarbeitet.

    Zur Anwendung von Cannabisblüten und nicht zugelassenen Cannabisextrakten liegen bislang nur begrenzte Informationen zu Wirksamkeit und Sicherheit vor. Trotz zahlreicher Veröffentlichungen ist die Menge der tatsächlich auswertbaren wissenschaftlichen Daten derzeit noch gering. Daher kommt der Begleiterhebung, die künftig in der Bundesopiumstelle durchgeführt wird, eine besondere Bedeutung zu. Ärztinnen und Ärzte melden dazu dem BfArM anonymisierte Daten zur Therapie mit Cannabisarzneimitteln, die über fünf Jahre gesammelt und dann ausgewertet werden. Diese Daten werden im Anschluss eine grundsätzliche Einschätzung zulassen, ob die Anwendung von Cannabisarzneimitteln in nicht zugelassenen Indikationen mehr Chancen als Risiken beinhaltet. Sie können damit Grundlage sein für die weitere klinische Forschung mit Cannabisarzneimitteln mit dem Ziel, langfristig die Zulassung von Fertigarzneimitteln auf Cannabisbasis zu erreichen.

    Pressestelle des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), 03.03.2017

  • Smartphone-gestützte Therapie bei Magersucht

    Wissenschaftler der Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie der Universitätsmedizin Mainz untersuchen, ob sich die Essstörung Magersucht mit Hilfe der Smartphone-App „Jourvie Research“ besser behandeln lässt. Die vom Sozialunternehmen Jourvie entwickelte App soll es Betroffenen leichter machen, ihr Essverhalten und die damit verbundenen Gefühle zu protokollieren. Geraten sie in eine psychische Krise, bietet ihnen die App Tipps, um diese zu überwinden und nicht mit gestörtem Essverhalten zu reagieren. Aktuell suchen die Wissenschaftler noch betroffene Mädchen zwischen 12 und 19 Jahren, die unter der auch als Magersucht bezeichneten Essstörung Anorexia nervosa leiden und an der Studie teilnehmen möchten. Interessierte aus Mainz und den umliegenden Regionen wenden sich bitte an den Initiator und Leiter der Studie, Dipl.-Psych. David Kolar, Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie der Universitätsmedizin Mainz (E-Mail an david.kolar@unimedizin-mainz.de).

    Immer mehr Kinder und Jugendliche leiden unter Symptomen von Essstörungen. In Deutschland sind es laut Robert-Koch-Institut etwa 2,3 Millionen. Betroffen sind vor allem Mädchen in der Pubertät, aber auch bei Jungen im Kindesalter ist der Wunsch abzunehmen immer weiter verbreitet. Essstörungen nehmen unter den kinder- und jugendpsychiatrischen Störungen eine besondere Stellung ein, da sie schwierig zu behandeln sind. Häufig führt die Erkrankung zu schwerwiegenden körperliche Schäden und nicht selten sogar zum Tod. Zu den Essstörungen zählt die Magersucht, auch Anorexia nervosa genannt. Sie stellt eine schwere psychische Erkrankung dar und ist vielfach mit einer schlechten Prognose verbunden. Besonders das starke Untergewicht der Betroffenen und das stete Risiko einer weiteren Gewichtsabnahme gefährdet ihre Gesundheit. Ambulante Therapieplätze sind allerdings rar: Wartezeiten von weit mehr als drei Monaten sind die Regel.

    Hilfe verspricht eine speziell entwickelte Smartphone-App. Die vom Sozialunternehmen „Jourvie“ entwickelte App „Jourvie Research“ dient den Magersüchtigen als Tool, um digital und diskret zu notieren und zu speichern, was sie wann und mit welchem Gefühl gegessen haben. Diese Essprotokolle tragen dazu bei, bestimmte Denkmuster und wiederkehrende Verhaltensmuster im Zusammenhang mit der Nahrungsaufnahme besser erkennen zu können. Weitere hilfreiche Funktion der App: Sie unterstützt ihre NutzerInnen in Krisenfällen. Geraten die Erkrankten in eine Situation, auf die sie tendenziell mit gestörtem Essverhalten reagieren würden, schlägt ihnen die App alternative Handlungen vor, beispielsweise Musik hören, lesen oder sich an etwas Schönes erinnern. Ziel ist es, dass die Magersüchtigen ihr Gewicht erhöhen oder es zumindest halten. Es gilt, ein lebensbedrohliches Ausmaß der Essstörung abzuwenden.

    Ob der Einsatz dieser Smartphone-Applikation tatsächlich zu einer Stabilisierung des Gewichts führen kann, das erforschen Wissenschaftler seit 2016 in der randomisiert-kontrollierten SELTIAN-Studie. Sie wird an der Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie der Universitätsmedizin Mainz, der Kinder- und Jugendpsychiatrie der Charité – Universitätsmedizin Berlin und dem Johanniter-Zentrum für Kinder- und Jugendpsychiatrie Neuwied durchgeführt. Der Abschluss der ersten Pilotstudie ist für Ende 2017 geplant. Bis dahin suchen die Wissenschaftler an allen beteiligten Studienorten allerdings noch Teilnehmerinnen – und zwar konkret untergewichtige Mädchen im Alter zwischen 12 und 19 Jahren, bei denen der Verdacht oder sogar die bestätigte Diagnose einer Anorexia nervosa besteht und die noch auf ihren ambulanten Therapieplatz warten müssen. Interessierte können sich an die unten angegebenen Kontaktpersonen wenden.

    Im Rahmen der SELTIAN-Studie erhalten die Teilnehmerinnen die Möglichkeit, bereits während der Wartezeit dem Fortschreiten ihrer Erkrankung mit professioneller Hilfe entgegen wirken zu können. Mit den Teilnehmerinnen der einen Gruppe führen Psychologen zum einen alle zwei Wochen psychiatrische Einzelgespräche durch. Darin besprechen sie mit den Betroffenen deren Essprotokolle. In der App-Version, die in der Studie eingesetzt wird, werden die Protokolle nach jedem Ausfüllen automatisch an den Therapeuten verschickt, so dass dieser bereits vor dem Gesprächstermin vollen Einblick in die aktuellen Themen der Patientin erhält. Darüber hinaus entwickeln sie gemeinsam mit den Magersüchtigen individuelle Strategien zur Gewichtsstabilisierung sowie neue Lösungen für schwierige Situationen, und sie analysieren die Erfolge und Misserfolge bei deren Umsetzung.

    „In der Therapie besprochene Problemlösungen sind in einer Krise schnell vergessen. Was wäre, wenn eine Smartphone-App die Patienten genau dann an ihre Strategien erinnert?“, so der Mainzer Diplom-Psychologe David Kolar, der die Studie konzipiert hat. „In Krisen kann die App die magersüchtigen Mädchen dann auf ihre eigenen Strategien aufmerksam machen. Wir vermuten, dass die Therapie dadurch effektiver wirkt.“ Deshalb erhalten die Probandinnen der einen Patientengruppe zusätzlich zu den Gesprächen auch noch Unterstützung durch die Smartphone-App. In der Kontrollgruppe der Studie kommt das digitale Hilfsmittel nicht zum Einsatz. „Ab einem bestimmten Punkt der Gewichtsabnahme bedürfen die Magersüchtigen einer stationären Behandlung. Wenn es auch dank der App gelänge, deren Anzahl zu verringern, wäre das sowohl aus Sicht der Betroffenen als auch aus Sicht des Gesundheitssystems sehr zu begrüßen“, betont Kolar.

    „Bislang füllten die Betroffenen ihre Essprotokolle meist mit Papier und Stift aus. Doch diese analoge Protokollmethode ist nicht sonderlich praktisch und diskret. Smartphone-Apps bieten die großartige Chance, Daten im Alltag der Patienten direkt erfassen zu können“, erklärt Professor Dr. Michael Huss, Direktor der Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie der Universitätsmedizin Mainz. „Mit Hilfe der Jourvie-App ist es möglich, eingenommene Mahlzeiten und die damit verbundenen Gefühle auf praktische und moderne Art zu protokollieren: Das Handy ist ohnehin immer dabei und niemand kann sehen, welche Funktion der Nutzer gerade verwendet.“

    „Jourvie hat deutschlandweit schon tausende von Patienten unterstützt. Mit Hilfe der Studie wollen wir erfahren, wie sehr wir zu einer erfolgreichen Therapie beitragen können. Dieses Wissen wollen wir für die weitere Entwicklung unserer App nutzen”, betont Ekaterina Karabasheva, Geschäftsführerin des gemeinnützigen Unternehmens Jourvie gUG Berlin, das hinter dem Jourvie-Projekt steht. Daher stellte es eine angepasste Version der App für die SELTIAN-Studie zur Verfügung.

    Weitere Informationen:
    Kolar et al. (2016). Bridging the Gap: Smartphone-based Support between Sessions for Adolescent Outpatients with Anorexia Nervosa – A Randomized Controlled Trial Protocol. EUROPEAN EATING DISORDERS REVIEW 24(4): E21-E21. Meeting Abstract: 34. ; DOI: 10.1002/erv.2456

    Kontakte und Anmeldung zur Studienteilnahme:

    Pressestelle der Universitätsmedizin Mainz, 03.03.2017

  • Ältere suchtkranke Menschen begleiten und behandeln

    Wie können ältere suchtkranke Menschen so gut wie möglich begleitet und behandelt werden? Diese Frage beschäftigt heute viele Fachkräfte täglich – in der Altenhilfe und der Suchthilfe gleichermaßen. Dennoch wird der riskante oder abhängige Konsum von Alkohol, Tabak oder Medikamenten in nicht wenigen Einrichtungen als Randthema betrachtet. Dabei können die Folgen, beispielsweise von übermäßigem Alkoholkonsum, schwerwiegend sein: von erhöhter Sturzgefahr und abnehmenden geistigen Fähigkeiten bis hin zu Organschädigungen und einer Wirkungsverzerrung von Medikamenten.

    Um den Bedürfnissen der Betroffenen gerecht zu werden, sind sowohl die Suchthilfe als auch die Altenhilfe auf sensibilisierte, gut ausgebildete und engagierte Mitarbeitende angewiesen. Und mehr als das: Zwischen beiden Arbeitsfeldern ist ein Austausch notwendig. Die Fachbereiche müssen nicht einfach nur voneinander wissen, sie müssen voneinander lernen. Experten des Gesamtverbands für Suchthilfe e. V. – Fachverband der Diakonie Deutschland (GVS) und des Deutschen Evangelischen Verbands für Altenarbeit und Pflege e. V. (DEVAP) haben eine Broschüre erarbeitet, um insbesondere die Zusammenarbeit zwischen Suchthilfe und Altenhilfe anzuregen. Ein besonderer Fokus liegt auf dem Aspekt der Teilhabe. Die Handlungsorientierung steht als Download im PDF-Format sowie im EPUP-Format (als E-Book) zur Verfügung.

    Angebote für entsprechende Qualifizierungen und Fortbildungen können auf dem Portal www.sucht.org/qualifizierungalterundsucht abgerufen werden. Weitere praktische Info-Quellen finden sich im Heft.

    Gesamtverband für Suchthilfe e. V. – Fachverband der Diakonie Deutschland (GVS), 15.02.2017

  • Von der Heroinabhängigkeit zum Alkoholproblem

    Rund 3.000 Heroinabhängige erhalten zurzeit im Kanton Zürich Opioide wie Methadon, Buprenorphin oder Morphin im Rahmen einer Therapie. Die Zahl dieser so genannten Substitutionsbehandlungen ist seit ihrer Einführung in den 1990er Jahren konstant geblieben. Langzeittherapien mit Methadon oder anderen Opioiden reduzieren den Konsum illegaler Drogen unter heroinabhängigen Patienten nachweislich. Obwohl der Beginn einer solchen Behandlung auch zu einem reduzierten Alkoholkonsum führt, trinken heute mehr Patienten häufiger Alkohol als in zurückliegenden Jahrzehnten. Dies belegt eine neue Langzeitstudie von Forschern der Psychiatrischen Universitätsklinik und der Universität Zürich.

    Die Studie umfasst Daten von annähernd 9.000 heroinabhängigen Patientinnen und Patienten. Die im Kanton Zürich wohnhaften Personen wurden zwischen 1998 und 2014 in einer Substitutionstherapie behandelt. Die Patienten konsumierten bereits ab Therapiestart nachhaltig weniger Heroin oder Kokain – und auch etwas weniger Alkohol. Über die 17 Jahre dauernde Studienperiode verringerte sich zudem der Anteil an Patienten, die häufig (mindestens fünf Tage die Woche) Heroin konsumierten um mehr als die Hälfte: von 14,4 auf 6 Prozent. Der Anteil häufiger Kokainkonsumenten sank von 8,5 auf 4,9 Prozent. Die Resultate belegen zudem, dass die Abnahme des Heroinkonsums mit einer verbesserten sozialen Situation der Patienten einherging.

    „Hingegen hat der Alkoholkonsum während des Untersuchungszeitraums zugenommen“, sagt Marcus Herdener, Studienleiter und Chefarzt an der Psychiatrischen Universitätsklinik. Gegen Ende der Studienperiode trank nahezu jeder vierte Patient (22,5 Prozent) häufig Alkohol. „Es scheint einem allgemeinen Trend zu entsprechen, dass in dieser Patientengruppe mehr Alkohol getrunken wird“, so Marcus Herdener. Da bei Opioidabhängigen auch Leberinfektionen wie Hepatitis B und C weit verbreitet sind, gefährdet der häufige Alkohohlkonsum die Gesundheit dieser immer älter werdenden Patienten stark.

    Laut anderen Studien sterben immer mehr opioidabhängige Personen an Lebererkrankungen. Die Ergebnisse der Zürcher Studie sind von Bedeutung, denn „sie zeigen uns, dass bezüglich des häufigen Alkoholkonsums noch großer therapeutischer Handlungsbedarf besteht“, schließt Marcus Herdener.

    Literatur:
    Marcus Herdener, Kenneth M. Dürsteler, Erich Seifritz, and Carlos Nordt. Changes in substance use in patients receiving opioid substitution therapy and resulting clinical challenges: a 17-year treatment case register analysis. Lancet Psychiatry. February 28, 2017. DOI: 10.1016/S2215-0366(17)30080-9

    Pressestelle der Universität Zürich, 01.03.2017

  • Erklärvideo für Geflüchtete

    Die Hessische Landesstelle für Suchtfragen e. V. (HLS) hat im Auftrag des Hessischen Ministeriums für Soziales und Integration (HMSI) ein Erklärvideo für Flüchtlinge entwickelt. Es thematisiert Gefährdungen durch Alkoholkonsum bei Geflüchteten und ist ab sofort in den Sprachen Deutsch, Englisch, Arabisch, Dari und Tigrinya (Amtssprache in Eritrea) auf der Homepage der HLS (www.hls-online.org) verfügbar.

    Gerade jüngere männliche Flüchtlinge versuchen manchmal, den Alltag mit dem Konsum von Alkohol zu überbrücken. Allerdings sind viele von ihnen aufgrund ihrer Herkunft nicht an den Konsum von Alkohol gewöhnt. Dies kann bei den Betroffenen zu Gesundheitsgefährdungen und aufgrund des Verhaltens im alkoholisierten Zustand zu Unmut in ihrer Umgebung führen.

    Der Hessische Gesundheitsminister Stefan Grüttner betont, dass „wir alle gemeinsam in unseren Bemühungen nicht nachlassen dürfen, speziell junge Menschen vor den Gefahren von Alkoholmissbrauch zu warnen. Das Thema Alkohol geht uns alle an – wir alle müssen Verantwortung für einen maßvollen Alkoholkonsum übernehmen und weiter für die Problematik eines riskanten Konsums sensibilisieren.“

    „Das Erklärvideo in verschiedenen Sprachen (u. a. Arabisch, Dari, Englisch) verdeutlicht in zwei Minuten die Risiken des Alkoholkonsums. Weiterhin gibt es Hinweise zu Informationsmöglichkeiten und Unterstützungsangeboten. In einfacher Sprache gehalten und mit animierten Bildern umgesetzt, fördert es die Sensibilität und Aufmerksamkeit für das Thema“, so Wolfgang Schmidt-Rosengarten, Geschäftsführer der Hessischen Landesstelle für Suchtfragen, bei der Vorstellung des Videos.

    „Vor dem Hintergrund, dass die geflüchteten Menschen fast alle über Smartphones verfügen, haben wir uns dazu entschlossen, die Botschaften nicht auf traditionellem Wege über Flyer zu kommunizieren, sondern über das Medium Erklärvideo“, erläutert Schmidt-Rosengarten.

    Das mit Mitteln des Hessischen Ministeriums für Soziales und Integration finanzierte Video steht auf der Homepage der HLS (www.hls-online.org) zum Download bereit. Alle Organisationen, die mit geflüchteten Menschen arbeiten, sind eingeladen, das Video herunterzuladen und es in ihrem Bereich zu verbreiten. Auf YouTube ist das Video ebenfalls in allen Sprachvarianten eingestellt.

    Hessische Landesstelle für Suchtfragen (HLS), 17.02.2017