Kategorie: Kurzmeldungen

  • Entwicklung von Süchten im Jugendalter

    Warum konsumieren einige Jugendliche exzessiv Drogen, während andere dem Drogenkonsum widerstehen können? Wissenschaftler des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) haben durch Messungen der Hirnaktivität von Jugendlichen verschiedene Merkmale gefunden, die die Entstehung von Suchterkrankungen bei Jugendlichen begünstigen könnten. Die Studie basiert auf Daten der europaweiten Stichprobe IMAGEN. Die Ergebnisse der Studie veröffentlichten die UKE-Wissenschaftler nun mit US-Kollegen im renommierten Fachmagazin Nature Communications.

    „Unsere Ergebnisse belegen, dass eine unterdurchschnittliche Aktivierbarkeit des Belohnungssystems im Gehirn und eine geringere Funktion der präfrontalen Kontrollareale des Gehirns einen späteren problematischen Drogenkonsum begünstigen“, sagt Prof. Dr. Christian Büchel, Leiter des Instituts für Systemische Neurowissenschaften des UKE. Zudem konnten die Wissenschaftler zeigen, dass auch andere Gehirnareale bei den betroffenen Jugendlichen im Alter von 14 Jahren einen Entwicklungsrückstand hatten. „Durch unsere Untersuchung haben wir die Chance, frühzeitig – im Alter von 14 Jahren – diejenigen Jugendlichen zu identifizieren, die besonders gefährdet sind, mit 16 Jahren einen problematischen Drogenkonsum zu entwickeln“, sagt Prof. Büchel.

    Vor Beginn der Studie war bereits bekannt, dass Jugendliche mit problematischem Drogenkonsum einen Hang zur Abenteuerlust haben. Das Team um Prof. Büchel untersuchte daher Daten von Jugendlichen aus der europaweiten Studie IMAGEN, bei denen die Abenteuerlust im Alter von 14 Jahren besonders deutlich ausgeprägt war. Bei der Auswertung der Messdaten der Hirnaktivitäten fanden die Wissenschaftler die möglichen Merkmale, die auf einen problematischen Umgang mit Alkohol, Tabak und Cannabis im Alter von 16 Jahren hinweisen könnten.

    Die von den Hamburger Neurowissenschaftlern verwendeten Daten stammen aus der so genannten IMAGEN-Stichprobe. Das 2007 von der EU initiierte und in Deutschland mit Mitteln des Bundesforschungsministeriums (BMBF) im Rahmen des Projektes AERIAL weitergeführte Forschungsvorhaben ist die erste und weltweit größte Längsschnittstudie, die der Entwicklung von Süchten im Jugendalter auf den Grund geht. In die Studie wurden bislang 2.000 Mädchen und Jungen im Alter von 14 Jahren aufgenommen. Sie stammen aus Großbritannien, Irland, Frankreich und Deutschland. Allein 250 Jugendliche kommen aus Hamburg und werden vom Team um Prof. Büchel betreut. Alle teilnehmenden Jugendlichen wurden mit jeweils 14 und 16 Jahren intensiv befragt, psychologischen Tests unterzogen und genetisch untersucht. Mithilfe der funktionellen Kernspintomographie (fMRT) wurden zudem ihre Hirnaktivitäten aufgezeichnet. 2017, wenn viele der Jugendlichen schon 20 und 21 Jahre alt sind, beginnt die dritte Nachuntersuchungsphase.

    Literatur:
    Büchel, C. et al., Blunted ventral striatal responses to anticipated rewards foreshadow problematic drug use in novelty-seeking adolescents, Nat. Commun. 8, 14140 (2017)

    Pressestelle des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf, 22.02.2017

  • Playbook zum Thema Tabakbekämpfung

    Tabakkonsum ist ein außerordentliches Problem, das außergewöhnliche Maßnahmen erfordert. Die Europäische Region der Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat in den letzten Jahrzehnten erhebliche Fortschritte bei der Bekämpfung des Tabakkonsums erzielt, namentlich durch die Verabschiedung des Rahmenübereinkommens der WHO zur Eindämmung des Tabakgebrauchs (FCTC) und die Ausarbeitung eines Fahrplans mit Maßnahmen, der 2015 von den Gesundheitsministern der Länder der Region unterzeichnet wurde. Trotz dieser Verpflichtungen und der erzielten Fortschritte ist die Eindämmung des Tabakgebrauchs nach wie vor eine schwierige und komplexe Aufgabe.

    Die Tabakindustrie und ihre Verbündeten widersetzen sich hartnäckig jeglichen effektiven Maßnahmen zur Eindämmung des Tabakkonsums, und ihre Anstrengungen und Strategien zur Unterminierung des politischen Prozesses werden immer energischer und raffinierter. Um die von der Tabakindustrie verbreiteten Mythen zu widerlegen, benötigt die Politik klare Fakten und fundierte Argumente. Doch bisher gibt es noch keine einheitliche Anlaufstelle für all jene Informationen, die es den Regierungen und Gesundheitsbehörden ermöglichen, eine wirksame Antwort auf die Machenschaften der Tabakindustrie zu geben. Vor diesem Hintergrund hat das WHO-Regionalbüro für Europa das Playbook zum Thema Tabakbekämpfung entwickelt.

    Das Playbook ist ein leicht zugängliches Online-Tool, das die von der Tabakindustrie verbreiteten Mythen, die oft als Fakten dargestellt werden, widerlegen soll. Es soll für die Politik und die Allgemeinheit die Fakten über den Tabakkonsum zusammenstellen. Der Inhalt des Playbooks spiegelt die Herausforderungen wider, denen die Verantwortlichen im Kampf gegen den Tabakkonsum bei der Umsetzung der einzelnen Artikel des Rahmenübereinkommens gegenüberstehen, und umfasst die von ihnen herausgearbeiteten Argumente für eine erfolgreiche Bekämpfung des Vorgehens der Tabakindustrie.

    Das Playbook ist als lebendige Informationsquelle gedacht, die auf der Grundlage von Rückmeldungen regelmäßig aktualisiert und um neue Argumente erweitert wird. Dabei werden auch neue Entwicklungen bei den Strategien der Tabakindustrie berücksichtigt. Alle Verantwortlichen im Bereich der Tabakbekämpfung sind aufgefordert, zum Erfolg des Playbooks beizutragen, indem sie auch weiterhin Argumente und Konzepte beisteuern und von ihren Erfahrungen mit der Nutzung des Playbooks berichten. Beiträge können an folgende E-Mail-Adresse gesandt werden: eurotobaccofree@who.int

    Die Gesundheitsministerien und die anderen Akteure im Bereich der Tabakbekämpfung streben entschlossen ein gemeinsames Ziel an: eine Europäische Region frei von tabakbedingten Erkrankungen und Todesfällen. Es besteht die Hoffnung, dass das Playbook sich als wertvolle Informationsquelle für den Erfahrungs- und Praxisaustausch im Hinblick auf die Bekämpfung der Taktik der Tabakindustrie erweisen und dass dies die Bemühungen zur Bekämpfung des Tabakkonsums in der gesamten Europäischen Region beflügeln wird.

    Das Playbook wurde vom Gesundheitsministerium der Russischen Föderation im Rahmen des Projekts zur Prävention und Bekämpfung nichtübertragbarer Krankheiten finanziert.

    Quelle: Website der WHO, Regionalbüro für Europa, 12.01.2017

  • Forschungs- und Versorgungsprojekt OASIS

    Vielen Internetabhängigen fällt es schwer, das Haus zu verlassen, oder sie wissen nicht, wo sie Hilfe bekommen können. Mit dem Forschungs- und Versorgungsprojekt OASIS (Online-Ambulanz-Service für Internetsüchtige und deren Angehörige) sollen Betroffene dort erreicht und abgeholt werden, wo ihre Sucht entstanden ist, nämlich im Netz. Bei Bedarf werden sie in eine entsprechende Behandlungseinrichtung in ihrer Nähe vermittelt.

    Das mit dem Zentrum für Telematik im Gesundheitswesen (ZTG) entwickelte Online-Angebot umfasst zunächst eine ausführliche Untersuchung und Diagnosestellung unter Einsatz von psychologischen Fragebögen und einer Webcam-basierten  Online-Sprechstunde. In einer zweiten Online-Sprechstunde werden Betroffene und Angehörige hinsichtlich allgemeiner und spezifischer Behandlungsmöglichkeiten vor Ort beraten, und die Veränderungs- und Therapiemotivation der Betroffenen soll gestärkt werden.

    Der Online-Ambulanz-Service für Internetsüchtige richtet sich an Erwachsene ab 18 Jahren in ganz Deutschland, die vermuten unter einer Internetabhängigkeit zu leiden. Für Angehörige von Betroffenen ab 14 Jahren bietet das OASIS-Projekt ebenfalls eine Unterstützung an. Mit Hilfe eines unverbindlichen und anonymen Selbsttests (www.onlinesucht-ambulanz.de) bekommen die Betroffenen bzw. Angehörigen eine erste Einschätzung, ob eine behandlungsbedürftige Abhängigkeit bestehen könnte. Falls sich daraus der Verdacht auf eine abhängige Internetnutzung ergibt, werden die Personen dazu eingeladen, das ausführliche Beratungsangebot auf der Online-Plattform zu nutzen.

    Das OASIS-Projekt wird vom Bundesministerium für Gesundheit gefördert und ist ein Angebot des LWL-Universitätsklinikums für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie an der Ruhr-Universität Bochum.

    Online-Ambulanz-Service für Internetsüchtige, 3. Februar 2017

  • Vergessenen Kindern eine Stimme geben

    Vom 12. bis 18. Februar 2017 findet die achte bundesweite Aktionswoche für Kinder aus Suchtfamilien statt. Das Aufwachsen mit suchtkranken Eltern bedeutet eine schwere Gesundheitsbelastung, von der schätzungsweise jedes sechste Kind in Deutschland betroffen ist. Der aktuelle Drogenbericht der Bundesregierung stellt fest, dass für Kinder aus suchtbelasteten Familien „flächendeckende Hilfe im Rahmen einer Regelversorgung notwendig“ ist. Mit ca. 200 Angeboten für schätzungsweise 2,65 Millionen betroffene Kinder kann hiervon in Deutschland nicht die Rede sein. Hauptgrund für diese unzureichende Versorgungssituation ist die Tatsache, dass Hilfen für die Kinder bis heute eben nicht Teil einer Regelversorgung sind, weil es hierfür keine gesetzlichen Grundlagen gibt.

    Kinder aus Suchtfamilien sind die größte bekannte Risikogruppe für eine eigene Suchterkrankung und lebenslang hochgefährdet für psychische Krankheiten sowie soziale Störungen. Die Schädigungen, die durch das Aufwachsen mit suchtkranken Eltern entstehen, führen bei den Kindern zu deutlich erhöhten Gesundheitskosten. Das damit verbundene menschliche Leid der ‚vergessenen Kinder‘ ist mit Geld nicht zu ermessen.

    Derzeit berät die Bundesregierung über die Reform des Sozialgesetzbuches VIII, in dem die Kinder- und Jugendhilfe geregelt ist. Wir fordern in diesem Zusammenhang die Bundesregierung und den Bundestag anlässlich der Aktionswoche für Kinder aus Suchtfamilien auf, die gesetzlichen Grundlagen zu schaffen, dass Kinder suchtkranker Eltern ebenso wie Kinder psychisch kranker Eltern einen Rechtsanspruch auf präventive Hilfen sowie Therapie erhalten. Diese Hilfen müssen auskömmlich finanziert sein und flächendeckend in allen Bundesländern als Regelangebot zur Verfügung gestellt werden. Um diese Forderung zu unterstreichen, veranstalten vom 12. bis 18. Februar 2017 zahlreiche Einrichtungen, Initiativen, Projekte und die Verbände der Sucht-Selbsthilfe anlässlich der Aktionswoche wieder Veranstaltungen zum Thema Kinder aus Suchtfamilien. Bundesweit werden die Veranstaltungen der Aktionswoche in vielen Städten und Gemeinden Wissen vermitteln, Hoffnung verbreiten und betroffenen Familien und den Kindern Wege zu Hilfe und Genesung weisen.

    Die Fort- und Weiterbildungsangebote im Rahmen der Aktionswoche zielen insbesondere auf Kindergärten, Schulen, Jugendeinrichtungen, Gesundheitssystem, Jugendhilfe und Suchthilfe. Denn diese Einrichtungen sind in besonderer Weise geeignet, die Kinder so zu unterstützen, dass sie sich trotz Widrigkeiten relativ gesund entwickeln können. Alle Informationen zu den Veranstaltungen und Tipps, wie jedermann und jedefrau an der Aktionswoche teilnehmen kann, finden sich auf der Website www.coa-aktionswoche.de.

    Die Aktionswoche läuft parallel zur Children of Alcoholics Week in den USA und in Großbritannien. Sie steht in Deutschland unter der Schirmherrschaft der Schauspielerin Katrin Sass. Die Aktionswoche wird unterstützt von der BARMER und ist ein Gemeinschaftsprojekt von NACOA Deutschland e. V., Berlin, Kunst gegen Sucht e. V., Düsseldorf, und Such(t)- und Wendepunkt e. V., Hamburg. Kontakt: info@coa-aktionswoche.de

    NACOA Deutschland e. V., 17.01.2017

  • LSD verändert Bedeutungszuschreibung

    Forschende der Universität Zürich (UZH) haben herausgefunden, wie sich unter LSD die Wahrnehmung von Bedeutung im Gehirn verändert. Für die veränderte Wahrnehmung sind die Serotonin 2A-Rezeptoren verantwortlich. Diese Erkenntnis hilft, neue Pharmakotherapien für psychiatrische Krankheiten wie Depressionen, Abhängigkeitserkrankungen oder Phobien zu entwickeln.

    Menschen nehmen alltägliche Dinge und Erlebnisse unterschiedlich wahr und messen beispielsweise Musikstücken unterschiedliche Bedeutung zu. Bei psychiatrischen Krankheiten ist diese Wahrnehmung oft verändert. Für Patienten mit Abhängigkeitserkrankungen beispielsweise sind Drogenreize bedeutungsvoller als für nichtabhängige Personen. Oder Patienten mit Phobien nehmen die Dinge oder Situationen, die ihnen Angst machen, im Unterschied zu gesunden Personen mit überhöhter Bedeutung wahr. Eine verstärkte negative Bewertung des Selbst ist auch bei depressiven Patienten charakteristisch. Wie diese so genannte persönliche Relevanz im Gehirn entsteht und welche neuropharmakologischen Mechanismen ihr zugrunde liegen, war bisher nicht bekannt.

    Forschende der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik, Psychiatrische Universitätsklinik Zürich zeigen nun, dass LSD diesen Prozess durch die Stimulation des Serotonin 2A-Rezeptors, einem der 14 verschieden Serotonin-Rezeptoren im Gehirn, beeinflusst. Studienteilnehmer mussten vor Studienbeginn 30 Musikstücke als persönlich wichtig und bedeutend oder als persönlich unbedeutend kategorisieren. Im anschließenden Versuch veränderte LSD gegenüber einem Scheinmedikament die Bedeutungszuschreibung: „Vorher als unbedeutend klassifizierte Musikstücke wurden unter LSD plötzlich zu persönlich bedeutenden Musikstücken“, erklärt Katrin Preller, die zusammen mit Prof. Franz Vollenweider und dem Forschungsteam Neuropsychopharmakologie und Brain Imaging die Studie durchführt.

    Zu solch überhöhten oder übertriebenen Bedeutungszuschreibungen bezogen auf Erlebnisse und Umweltreize kommt es bei verschiedenen psychiatrischen Erkrankungen. Ein kohärentes Selbst dagegen hängt von einem funktionierenden Netzwerk von so genannten kortikalen Mittelhirnstrukturen ab, wie neuere Studien zeigen. Bei verschiedenen psychiatrischen Erkrankungen ist demnach dieses Netzwerk gestört. „LSD scheint nun genau auf dieses Netzwerk einzuwirken und das Bedeutungserleben zu beeinflussen“, erläutert Katrin Preller.

    Die Wissenschaftler konnten auch mithilfe funktioneller Magnetresonanz-Tomographie (fMRT) zeigen, dass Studienteilnehmer nach der Einnahme von LSD vorher nicht relevanten Reizen mehr Bedeutung zumaßen. Wurde hingegen vor der Einnahme von LSD der Serotonin 2A-Rezeptor pharmakologisch blockiert, wurden auch alle weiteren durch LSD ausgelösten psychischen Veränderungen normalisiert. „Dies war sehr überraschend, denn aus Studien mit Tieren ging hervor, dass LSD auch weitere Rezeptoren wie das Dopamin D2-System stimuliert“, sagt Preller. Von diesem nahm man bisher an, dass es für die durch LSD ausgelöste Euphorie verantwortlich sein dürfte. Ebenso ging man davon aus, dass verschiedene Rezeptorsysteme an der Entstehung von Bedeutungserleben beteiligt sind. Die Ergebnisse der aktuellen Studie weisen aber deutlich auf die Schlüsselrolle des Serotonin 2A-Rezeptors hin sowohl für das subjektive Erleben unter LSD wie auch für die mittels fMRT objektivierten Veränderungen der Hirnaktivität.

    Diese Beobachtung gibt Aufschluss, wie LSD neuropharmakologisch im Gehirn wirkt und insbesondere wie die Pharmakologie von Bedeutungswahrnehmung funktioniert. Während der Serotonin 2A-Rezeptor dafür zuständig zu sein scheint, neue Bedeutung zu generieren, könnte das Dopamin-System die Relevanz von Reizen regeln, die wir generell als wichtig erachten. Diese Ergebnisse könnten Betroffenen von psychiatrischen Krankheiten zugutekommen, die durch veränderte Bedeutungswahrnehmung gekennzeichnet sind wie Depressionen, Phobien und Abhängigkeitserkrankungen.

    Bibliografische Angaben:
    Katrin H. Preller, Marcus Herdener, Thomas Pokorny, Amanda Planzer, Rainer Kraehenmann, Philipp Stämpfli, Matthias E. Liechti, Erich Seifritz, Franz X. Vollenweider. The fabric of meaning and subjective effects in LSD-induced states depend on serotonin 2A receptor activation. Current Biology, 16. Januar 2017. Doi: 10.1016/j.cub.2016.12.030

    Pressestelle der Universität Zürich, 26.01.2017

  • Cannabis als Medizin

    Der Bundestag hat am 19. Januar einstimmig in 2./3. Lesung das Gesetz zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher und anderer Vorschriften beschlossen.

    Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe: „Schwerkranke Menschen müssen bestmöglich versorgt werden. Dazu gehört, dass die Kosten für Cannabis als Medizin für Schwerkranke von ihrer Krankenkasse übernommen werden, wenn ihnen nicht anders wirksam geholfen werden kann. Das ist auch ein weiterer Schritt zur Verbesserung der Palliativversorgung. Außerdem wird es eine Begleiterhebung geben, um den medizinischen Nutzen genau zu erfassen.“

    Parlamentarische Staatssekretärin Ingrid Fischbach: „Bei schweren Erkrankungen wie chronischen Schmerzen oder Multipler Sklerose kann Cannabis als Medizin helfen, Symptome zu lindern. Deshalb ist es nur folgerichtig, dass künftig Patientinnen und Patienten Cannabis in Arzneimittelqualität durch die gesetzliche Krankenversicherung erstattet bekommen können, wenn es medizinisch angezeigt ist. Die Genehmigungsfrist durch die Krankenkasse soll bei Patientinnen und Patienten, die Leistungen im Rahmen der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung erhalten, höchstens drei Tage betragen. Dadurch wird eine schnelle und unbürokratische Hilfe gewährleistet.“

    Drogenbeauftragte der Bundesregierung Marlene Mortler: „Das heute vom Bundestag beschlossene Gesetz, Cannabis in medizinischer Form an schwerstkranke Patienten auf Rezept abgeben zu können, bedeutet für viele Betroffene eine Entlastung. Wem Cannabis wirklich hilft, der soll Cannabis nun auch bekommen können, in qualitätsgesicherter Form und mit einer Übernahme der Kosten durch die Krankenkassen. Die Möglichkeit, Medizinalcannabis in der ärztlichen Praxis einsetzen zu können, ist ein großer Schritt und steht für eine moderne und differenzierte Gesundheitspolitik.“

    Cannabisarzneimittel sollen als Therapiealternative bei Patientinnen und Patienten im Einzelfall bei schwerwiegenden Erkrankungen eingesetzt werden können, wenn nach begründeter Einschätzung des behandelnden Arztes eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome zu erwarten ist. Dies kann zum Beispiel in der Schmerztherapie, bei bestimmten chronischen Erkrankungen oder bei schwerer Appetitlosigkeit und Übelkeit der Fall sein.

    Mit Änderungen im Fünften Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) wird die Erstattungsfähigkeit von Arzneimitteln auf Cannabisbasis in der gesetzlichen Krankenversicherung erweitert, die bislang grundsätzlich auf zugelassene Fertigarzneimittel im jeweils zugelassenen Anwendungsgebiet begrenzt war. Insbesondere wird eine Erstattungsmöglichkeit von Cannabis in Form getrockneter Blüten für schwerkranke Menschen geschaffen. Um weitere Erkenntnisse über die Wirkung von Cannabis zu gewinnen, wird eine Begleiterhebung durchgeführt. Dazu übermitteln Ärzte und Ärztinnen ohnehin vorliegende Daten – zum Beispiel zur Diagnose, Therapie, Dosis und Nebenwirkungen – anonymisiert an das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Mit der Erhebung sollen auch Informationen zum langfristigen Gebrauch von Cannabis zu medizinischen Zwecken gesammelt werden.

    Zukünftig soll in Deutschland zudem ein staatlich überwachter Anbau von Cannabis zu medizinischen Zwecken erfolgen können. Die damit verbundenen Aufgaben werden – unter Beachtung der völkerrechtlich bindenden Vorgaben des Einheits-Übereinkommens der Vereinten Nationen von 1961 über Suchtstoffe – dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) übertragen (staatliche „Cannabisagentur“). Bis durch die Cannabisagentur ein staatlich kontrollierter Anbau in Deutschland umgesetzt werden kann, soll die Versorgung mit Medizinalcannabis über Importe gedeckt werden. Das Gesetz ist im Bundesrat nicht zustimmungspflichtig und soll im März 2017 in Kraft treten.

    Weitere Informationen finden Sie unter: www.bundesgesundheitsministerium.de/Cannabis-als-Medizin

    Pressestelle des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG), 19.01.2017

  • Cannabiskonsum

    Am 23. und 24. Januar berichten verschiedene Online-Medien zum Cannabis- und Drogenkonsum unter Schülern. „Es ist ein erschreckender Trend: Auf den Schulhöfen der Bundesrepublik werden immer mehr Drogen konsumiert“, so wörtlich in der Einleitung eines Artikels auf der Internetseite der WELT. Im Folgenden wird für unterschiedliche Bundesländer eine Verdopplung bis Verdreifachung der Drogendelikte zwischen 2011 und 2015 angeführt, um die angeblichen Ausmaße des Konsumtrends zu beschreiben. Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e.V. weist darauf hin, dass Statistiken über Drogendelikte nicht geeignet sind, Auskunft über das Ausmaß der Verbreitung von Cannabis- und Drogenkonsum unter Schülern wiederzugeben. Sie enthalten ausschließlich Auskünfte, in welchem Umfang die Ermittlungsbehörden an Schulen solche Straftaten aufdeckten. Das Bundeskriminalamt informiert auf seiner Homepage, dass es sich bei Drogendelikten um Kontrolldelikte handelt: „Kontrolldelikt bedeutet, je intensiver die behördliche Überprüfungen, desto mehr Fälle werden aufgedeckt.“

    Gesicherte Zahlen über die Veränderung des Konsums bei 12- bis 17-Jährigen werden von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) regelmäßig in der Drogenaffinitätsstudie erhoben. Der dort verzeichnete Anstieg fällt glücklicherweise weit geringer aus als „eine Verdopplung oder Verdreifachung“. Zwischen 2011 und 2015 stieg die Zahl der Befragten, die in den zurückliegenden 30 Tagen mindestens einmal konsumierten von 1,9 Prozent auf 2,2 Prozent an. Mindestens einmal im zurückliegenden Jahr konsumierten 4,6 Prozent der Befragten Cannabis im Jahr 2011; diese Zahl stieg bis 2015 auf 7,3 Prozent an. Auch der Konsum anderer Drogen außer Cannabis stieg im fraglichen Zeitraum an, jedoch ebenfalls in deutlich geringerem Ausmaß als die ermittelten Delikte (siehe Tabelle).

    Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS), 24.01.2017

  • Wie Alkoholmissbrauch den Herzmuskel schädigt

    Ein schwaches Herz ist nicht mehr in der Lage, ausreichend Blut durch den Körper zu pumpen. In Deutschland leiden schätzungsweise 1,8 Millionen Menschen unter einer Herzschwäche. Bei einem Fünftel der Betroffenen ohne Herzinfarkt in der Vorgeschichte ist Alkoholmissbrauch die Ursache der Herzschwäche. Eine Forschergruppe des Zentrums für Kardiologie der Universitätsmedizin Mainz konnte zeigen, wie Ethanol die Produktion von Sauerstoffradikalen mit verheerenden Folgen begünstigt. Denn Sauerstoffradikale beeinträchtigen die Funktion der Mitochondrien als ‚Kraftwerke‘ der Zellen und Energieversorger für den Herzmuskel. Es kommt zu einem Absterben der Herzmuskelzellen und einer irreparablen Schädigung des Herzmuskels. Die Ergebnisse dieser Forschung wurden im renommierten Journal „Scientific Reports“ veröffentlicht.

    Dass regelmäßiger Alkoholkonsum zu einer Schädigung des Herzmuskels und schließlich zu einer Herzmuskelschwäche – der alkoholischen Kardiomyopathie – führen kann, ist nicht neu. Obwohl vermutet wurde, dass Stoffwechselprodukte des Trinkalkohols Ethanol eine wichtige Rolle in der Entstehung der alkoholischen Kardiomyopathie spielen, blieb jedoch der genaue Entstehungsmechanismus bis zuletzt ungeklärt.

    Wissenschaftlern aus der Arbeitsgruppe des Mainzer Kardiologen Prof. Dr. Philip Wenzel ist es nun gelungen, diesen Mechanismus erstmalig genau zu beschreiben. Sie wiesen nach, dass in den Herzmuskelzellen Ethanol durch das Abbauprodukt Acetaldehyd – über die Aktivierung eines bestimmten Enzyms (NADPH-Oxidase, NOX2) – zu einer vermehrten Produktion von Sauerstoffradikalen führt. „Wir konnten zeigen, dass diese Sauerstoffradikale wiederum die Funktion der Mitochondrien als ‚Kraftwerke‘ der Zelle stören. Damit können die Mitochondrien ihrer wichtigsten Aufgabe, Energie in den Herzmuskelzellen bereitzustellen, nicht nachkommen“, erklärt Wenzel. Durch das Fehlen von chemischer Energie, so eine zentrale Erkenntnis der Studie, wird zunächst die Fähigkeit der Herzmuskelzellen zum Zusammenziehen beeinträchtigt. Im weiteren Verlauf sterben die Zellen ab und werden durch Narbengewebe ersetzt. Es kommt zur irreparablen Schädigung des Herzmuskels und somit zur chronischen Herzinsuffizienz.

    „Wir hoffen, dass wir durch Aufdeckung dieser Mechanismen der alkoholischen Herzmuskelschädigung die Aufklärung und Therapie von Patienten mit übermäßigem Alkoholkonsum verbessern können“, so Dr. Moritz Brandt, der Erstautor der Studie.

    Pressestelle der Johannes Gutenberg Universität Mainz, 17.11.2016

  • Kein Dach über dem Kopf

    In Deutschland beginnen Straßenkarrieren von Jugendlichen im Durchschnitt im Alter von 16 Jahren. Rund 40 Prozent von ihnen sind Mädchen. Häufig fliehen die Jugendlichen von zu Hause wegen großer Probleme in ihrer Familie. Unterschlupf finden sie dann meist bei Freunden. Zu diesen Ergebnissen kommt eine neue Studie des Deutschen Jugendinstituts e. V., für die rund 300 Jugendliche in Berlin, Hamburg und Köln befragt wurden.

    „Genaue Daten dazu, wie viele Jugendliche in Deutschland auf der Straße leben, existieren nicht, da der vielfach verwendete Begriff ‚Straßenkinder‘ nicht einheitlich definiert und die Zielgruppe schwer erreichbar, oft sogar gänzlich unsichtbar ist“, berichtet Carolin Hoch, die das Projekt „Straßenjugendliche in Deutschland – eine Erhebung zum Ausmaß des Problems“ betreut. Die Soziologin verwendet in ihrer Studie den Begriff „Straßenjugendliche“ und meint damit sowohl Minderjährige als auch junge Volljährige von bis zu 25 Jahren, die entweder obdach- oder wohnungslos sind. Die meisten Straßenkarrieren beginnen, wenn die Jugendlichen bereits 16 Jahre alt sind. „Nur einige der Befragten gaben an, den ersten Kontakt mit der Straße schon vor dem 15. Lebensjahr gehabt zu haben“, so Hoch. Ein Großteil der Jugendlichen war bereits volljährig.

    Gleichzeitig fällt auf, dass die Unterstützung des Jugendamts meist mit Eintritt der Volljährigkeit endet, wodurch das Risiko wächst, dass gefährdete Jugendliche gänzlich und unbemerkt aus den Hilfestrukturen herausfallen.

    Die Straßenepisoden dauerten, bezogen auf den Befragungszeitraum von zwei Jahren, bei den befragten Jugendlichen durchschnittlich ein Jahr und verstetigen sich, je älter die Jugendlichen werden. Ein Viertel der befragten Jugendlichen war obdachlos, das heißt, sie lebten und schliefen tatsächlich auf der Straße. Die große Mehrzahl der Jugendlichen hat bei Freunden Unterschlupf gefunden. Die meisten Jugendlichen haben weiterhin Kontakt zum Elternhaus, obwohl zumeist familiäre Gründe als Auslöser für das Leben auf der Straße angegeben werden.

    Bezüglich der Wohnsituation zeigen sich Unterschiede in der Nutzung von Hilfestrukturen. Wohnungslose Jugendliche nutzen vor allem Beratungsangebote und haben mit zunehmendem Alter Kontakt zum Jobcenter. Überlebenshilfen hingegen werden verstärkt von obdachlosen Jugendlichen genutzt, deren Situation sich deutlich dramatischer gestaltet.

    Die Mehrzahl der befragten Jugendlichen verfügt über einen Hauptschulabschluss (ca. 42 Prozent); etwa gleichviele der Befragten haben keinen Schulabschluss oder einen Realschulabschluss (jeweils rund 30 Prozent). Die Straßenjugendlichen sind in der Regel von akuter Armut bedroht. Je älter die Befragten sind, desto häufiger erhalten sie staatliche Unterstützung. Jüngere sind eher auf Betteln und die Unterstützung durch Privatpersonen angewiesen. Der Blick in die Zukunft ist dennoch optimistisch: 76 Prozent der Befragten glauben, dass sich ihre Wohnsituation in den nächsten zwölf Monaten deutlich verbessern wird.

    Für die quantitative Studie wurden rund 300 Jugendliche, die aktuell auf der Straße leben, und ehemalige Straßenjugendliche in persönlichen Interviews befragt. Da es außerordentlich schwierig ist, direkten Kontakt zu obdachlosen Straßenjugendlichen zu bekommen, erfolgte der Zugang zu den Jugendlichen zumeist über typische Anlaufstellen für junge Menschen ohne festen Wohnsitz, wodurch die Ergebnisse verzerrt sein können, da ‚unsichtbare‘ Betroffene, die keine Hilfen in Anspruch nehmen, nicht in die Erhebung eingebunden werden konnten.

    An die Befragung der Straßenjugendlichen schließt sich eine Befragung von Fachkräften kommunaler und freier Träger an, über die eine detailliertere Erfassung der Anzahl betroffener Jugendlicher erfolgen soll. Der Abschlussbericht erscheint im Frühjahr 2017.

    Publikation:
    Carolin Hoch (2016): Straßenjugendliche in Deutschland – eine Erhebung zum Ausmaß des Phänomens. Zwischenbericht – zentrale Ergebnisse der 1. Projektphase, München.
    Download

    Pressestelle des Deutschen Jugendinstituts, 11.01.2017

  • Hilfe für Crystal konsumierende Mütter

    Folie 1Dank der fachübergreifenden Zusammenarbeit von drei Kliniken des Universitätsklinikums Carl Gustav Dresden steigen die Chancen drogenabhängiger Mütter – im Mittelpunkt steht der Konsum von Crystal –, während bzw. nach der Schwangerschaft aus der Sucht aussteigen zu können. Die Initiative „Mama, denk an mich“ verbessert die Aussichten, dass die Neugeborenen weiter von ihren Müttern betreut werden können. In den ersten zehn Monaten des neuen Angebots ließ sich die Rate der ins ursprüngliche Zuhause entlassenen Babys von einem Drittel auf zwei Drittel erhöhen. Initiatoren und Ansprechpartner sind Mitarbeiter der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe sowie der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie.

    „Unser Ziel ist es, mehr von Sucht betroffenen Familien die Chance zu geben, komplett zu bleiben“, sagt Prof. Reinhardt Berner, Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin. Er spricht auch im Namen von zwei weiteren Direktoren, deren Kliniken Kontakt zu drogenabhängigen Müttern haben. Das Klinikteam von Prof. Berner ist immer dann gefragt, wenn ein Neugeborenes aufgrund der Sucht der Mutter behandelt werden muss – das ist der späteste Moment, an dem eine Abhängigkeit zu Tage tritt. Oft aber zeigt sich das Problem bereits den Frauenärzten, die die Schwangeren betreuen. Doch es gibt eine Dunkelziffer, denn die betroffenen Frauen scheuen sich, ihr Suchtproblem zu offenbaren. Grund dafür ist neben dem Schamgefühl die Angst, ihr Kind nicht behalten zu dürfen. Deshalb setzt die fachübergreifende Initiative „Mama denk an mich“ darauf, Vertrauen zu schaffen und den Abhängigen eine konkrete Perspektive zu bieten.

    Erster Anlaufpunkt dieser Mütter sind häufig niedergelassene Gynäkologen. Um diese Fachärzte zu entlasten und den Patientinnen sowie den ungeborenen Kindern eine möglichst umfassende ärztliche Betreuung in der Schwangerschaft anzubieten, hat die Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe am Dresdner Uniklinikum eine Spezialsprechstunde eingerichtet. Hier wird den abhängigen Müttern die Zeit eingeräumt, die notwendig ist, um alle Fragen in dieser schwierigen Situation zu klären und die auch aus medizinischer Sicht bestmöglichen Lösungen zu finden. „Mit unserem Angebot, über das wir unsere niedergelassenen Fachkollegen informiert haben, wollen wir den Frauen ohne jede Vorverurteilung helfen, dass sie und ihre Babys gesund durch die Schwangerschaft kommen“, sagt Dr. Katharina Nitzsche. Die Oberärztin der Geburtshilfe an der Uni-Frauenklinik ist für die Spezialsprechstunde verantwortlich. „Wir verstehen uns dabei auch als Tor zu weiteren Betreuungsangeboten, die den Frauen im Rahmen unserer Initiative am Uniklinikum offenstehen“, so die Oberärztin weiter.

    „Ein Kind zu erwarten und Mutter zu werden, ist ein guter Anlass, sein Leben zu ändern“, sagt PD Dr. Jörg Reichert. Der Psychologe leitet den im Fachbereich Neonatologie der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin angesiedelten psychologisch-sozialmedizinischen Versorgungsbereich, kurz „FamilieNetz“, der seit mittlerweile acht Jahren vor allem Eltern zu früh oder krank geborener Kinder betreut. Angesichts der Zunahme von Kindern, die infolge des Crystal-Konsums ihrer Mütter am Klinikum behandelt werden müssen, sah das Team um PD Dr. Reichert Handlungsbedarf für innovative Angebote einer fachübergreifenden Betreuung der abhängigen Mütter.

    Die Initiative nutzt die Tatsache, dass die Schwangeren bzw. frisch entbundenen Mütter mit ihren Neugeborenen regelmäßig im Universitäts-Kinder-Frauenzentrum ambulant oder stationär behandelt werden. Damit befinden sich die Betroffenen in unmittelbarer Nachbarschaft zur Ambulanz für Suchterkrankungen der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie. Diese Klinik bietet den Müttern im Rahmen des Klinikaufenthalts ihrer Kinder erste Therapiesitzungen an, um den Weg aus der Abhängigkeit zu finden. „Das ist unsere beste Chance, wenn wir junge Frauen und deren Familien von der Sucht wegführen wollen“, sagt Prof. Ulrich Zimmermann, Arzt und Suchtforscher am Dresdner Uniklinikum.

    Die Ergebnisse der ersten zehn Projektmonate zeigen, dass diese besondere Form der Betreuung erfolgversprechend ist: Erfahrungsgemäß entscheiden die zuständigen Jugendämter in zwei Dritteln der Fälle, dass das Kind nach der Krankenhausbehandlung nicht in den Haushalt der Eltern entlassen werden kann, sondern in eine Pflegefamilie kommt. Bei den insgesamt 20 Müttern, die bisher das Angebot der fachübergreifenden Betreuung am Dresdner Uniklinikum wahrgenommen haben, drehte sich das Verhältnis um: Hier konnte in zwei Dritteln der Fälle das Kind in der eigenen Familie bleiben. „Wir nehmen die Frauen als Mütter und nicht als Süchtige an“, betont PD Dr. Reichert und hofft, dass es durch diese Haltung und den bisherigen Erfolg des Projekts für die Frauen attraktiv wird, sich der Sucht zu stellen.

    Wie erfolgreich das Projekt „Mama denk´ an mich“ langfristig ist, soll in einer Studie untersucht werden, die alle betreuten Familien einschließt und deren weiteren Lebenswege untersucht. „Der finanzielle Aufwand für die Koordinatorin des Projekts und seine wissenschaftliche Begleitung wird derzeit noch aus Drittmitteln bestritten,“ so Prof. Mario Rüdiger, Leiter des Fachbereichs Neonatologie der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, „Um diesen besonderen Betreuungspfad über die Grenzen des Großraums Dresden ausrollen zu können, bedarf es neben dem Beweis für die Wirksamkeit weiterer Projektpartner und Unterstützer.

    Kontakt für Betroffene:
    Klinik für Kinder- und Jugendmedizin
    FamilieNetz – Initiative „Mama, denk an mich“
    Heike Menz
    Tel. 0351 458 66 33
    mama.dam@ukdd.de

    Pressestelle des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus Dresden, 29.11.2016