Kategorie: Kurzmeldungen

  • Verhaltenssüchte

    Cover DGPPN PositionspapierSozialer Rückzug, Probleme am Arbeitsplatz, Depressionen und andere psychische Folgeerkrankungen: Verhaltenssüchte wie der exzessive Computer- und Internetgebrauch oder die Glücksspielsucht wirken sich oft schwerwiegend auf das Leben der Betroffenen aus. Renommierte Suchtexperten der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde e. V. (DGPPN) haben deshalb den aktuellen Wissensstand zu Prävention, Diagnostik und Therapie von Verhaltenssüchten in einem Eckpunktepapier neu bewertet und leiten daraus Handlungsempfehlungen für die Suchtpolitik ab.

    Eine Abhängigkeit muss nicht zwangsläufig an Substanzen wie Alkohol, Zigaretten oder Drogen geknüpft sein. Auch Verhaltensweisen können Menschen abhängig machen, zum Beispiel die exzessive Nutzung von Computer und Internet oder Glücksspielen. „Die betroffenen Menschen sind auf bestimmte Verhaltensweisen fixiert, sie verspüren den starken Drang, dem jeweiligen Reiz immer wieder zu folgen. Nach und nach nimmt die Verhaltenssucht so viel Raum in Anspruch, dass sie mit dem sozialen und beruflichen Leben kollidiert“, erklärt Prof. Karl Mann, Suchtexperte bei der DGPPN.

    In den vergangenen Jahren hat die Forschung Belege gefunden, welche für eine enge Verwandtschaft von Substanz- und Verhaltensabhängigkeiten sprechen. „Neue Bildgebungsstudien konnten nachweisen, dass beim pathologischen Glücksspiel ebenfalls funktionelle Veränderungen im Belohnungssystem des Gehirns zu beobachten sind. Gleichzeitig ließ sich auch eine erhöhte Reaktivität auf die mit dem Glücksspiel verbundenen positiven Reize zeigen – die gleichen Reaktionen sind auch bei einer Substanzabhängigkeit zu finden“, stellt Prof. Mann fest.

    Im Bereich der Computer- und Internetabhängigkeit ist die neurobiologische Befundlage noch weniger umfangreich. Allerdings deuten neue Studien auf eine große Ähnlichkeit zum pathologischen Glücksspiel in Hinblick auf Hirnfunktionen und Verhaltensänderungen hin. Die Betroffenen verhalten sich impulsiver, ihr Belohnungslernen ist verändert, und sie reagieren zum Beispiel weniger stark auf monetäre Verluste. Dabei sind beim exzessiven Computer- und Internetgebrauch verschiedene Nutzungsformen zu unterscheiden. Manche Betroffene geben sich suchthaft Computerspielen hin, andere sind übermäßig mit Internetaktivitäten wie Surfen oder Chatten beschäftigt.

    Die Suchtforschung konzentrierte sich über viele Jahre hinweg überwiegend auf die stoffgebundene Abhängigkeit. Aus Sicht der DGPPN ist nun eine verstärkte fachliche Beschäftigung mit Verhaltenssüchten unverzichtbar. „Auf Computerspiele und Internet können wir heute überall und rund um die Uhr zugreifen. Auch Glücksspiele sind durch die modernen Kommunikationsmittel so einfach zugänglich wie nie zuvor. Deshalb müssen Verhaltenssüchte stärker in den Fokus der Suchtpolitik rücken. Wir benötigen in Deutschland eine flächendeckende qualifizierte Beratungsstruktur mit nachhaltigen Angeboten für Forschung, Praxis und Prävention. Ohne gezielte öffentliche Förderung wird dies nicht möglich sein“, sagt Prof. Karl Mann.

    Gerade für die Prävention bietet das Suchtmodell dieser Störungen nach Einschätzung der DGPPN besonders aussichtsreiche Möglichkeiten, beispielsweise durch die Einführung von effizienten Kontrollmechanismen. So werden in Bezug auf das pathologische Glücksspiel der Ausbau der Sperr- und Selbstlimitierungssysteme oder ein Verbot von Glücksspielwerbung bei Sportveranstaltungen diskutiert. Bei Computerspielen mit Suchtpotenzial ist zum Beispiel eine Alterseinstufung zu prüfen.

    Pressestelle der DGPPN, 16.03.2016

    Cover Memorandum DG_SuchtZu einer ähnlichen Einschätzung von Computer- und Internetabhängigkeit kommt die Deutsche Gesellschaft für Suchtforschung und Suchttherapie (DG-Sucht). In ihrem im Dezember 2015 veröffentlichten „Memorandum Internetbezogene Störungen“ legt sie ihre Auffassung zu folgenden Punkten dar: Definition und Klassifikation, Prävalenz, Risikofaktoren, Prävention und Behandlung. Des Weiteren formuliert sie Ziele für verschiedene Handlungsbereiche: Ziele für die Versorgung und Behandlung, Ziele für die zukünftige Forschung sowie Ziele für politische Maßnahmen.

    Redaktion KONTUREN online, 12.07.2016

  • Wirksamkeit von Gruppenpsychotherapie für Suchtpatienten

    Das Institut für Psychosoziale Medizin und Psychotherapie des Universitätsklinikums Jena untersucht gemeinsam mit Wissenschaftlern der Università degli Studi di Palermo die Wirksamkeit von Gruppenpsychotherapien. Der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) unterstützt diese Kooperation im Rahmen seines Programms „Hochschuldialog mit Südeuropa“. Dieses Programm ist auf Projekte mit Bezug zu aktuellen politischen und gesellschaftlichen Fragestellungen ausgerichtet, um den gesellschaftspolitischen Dialog zwischen den von der Wirtschaftskrise besonders stark betroffenen südeuropäischen Ländern und Deutschland zu fördern.

    Inhalt der auf etwa ein Jahr angelegten thüringisch-sizilianischen Kooperation sind systematische Übersichtsarbeiten und Metaanalysen zur Wirkung von Gruppenpsychotherapie bei substanzinduzierten Störungen. „Wir wissen, dass Substanzmissbrauch und Suchtverhalten sehr häufig als Reflexion prekärer Lebensverhältnisse auftreten. Unter welchen Bedingungen hier Psychotherapie in der Gruppe als vergleichsweise kostengünstige Therapieform erfolgreich eingesetzt werden kann, ist in diesem Zusammenhang eine Frage mit hoher Relevanz“, so Institutsdirektor Prof. Dr. Bernhard Strauß zum Projektansatz. Im Mai weilten die Kooperationspartner aus Palermo zu einem ersten Arbeitstreffen in Jena. Dabei vermittelten die Jenaer Psychologinnen PD Dr. Jenny Rosendahl und Dominique Schwartze in einem mehrtägigen Workshop die methodischen Grundlagen für die Erstellung und Durchführung einer Metaanalyse.

    Prof. Strauß: „Nach einer ersten Sichtung gehen wir von 50 bis 100 Studien von ausreichender Qualität zu diesem Thema aus, die in die Analyse einzubeziehen sind.“ Mit der Erfassung und Bewertung der vorhandenen Studien wird die Projektarbeit an den Reviews in den kommenden Monaten in den beiden Orten fortgesetzt, ehe im Herbst ein weiteres Arbeitstreffen in Palermo erfolgen wird.

    Pressestelle des Universitätsklinikums Jena, 31.05.2016

  • Frühe traumatische Erlebnisse

    Verhaltensweisen, die durch frühe traumatische Erlebnisse verursacht werden, sind reversibel. Bild: Lukas von Ziegler, UZH
    Verhaltensweisen, die durch frühe traumatische Erlebnisse verursacht werden, sind reversibel. Bild: Lukas von Ziegler, UZH

    Verhaltensweisen, die durch frühe traumatische Erlebnisse verursacht werden, sind reversibel. Forschende der Universität Zürich und ETH Zürich konnten zeigen, dass bei Mäusen eine anregende Umgebung traumabedingte Symptome rückgängig machen kann. Damit gelang erstmals der Nachweis, dass positive Umweltfaktoren Verhaltensänderungen korrigieren können, die sonst an die Nachkommen vererbt würden. Verantwortlich dafür ist die epigenetische Steuerung des Glucocorticoid-Rezeptors.

    Traumatische Erlebnisse in der Kindheit erhöhen das Risiko, später im Leben Verhaltensauffälligkeiten oder psychische Krankheiten zu entwickeln. Ebenso bekannt ist, dass negative Folgen eines Traumas auch bei den Kindern von Betroffenen auftreten können, auch wenn diese selbst keinen solchen Stress erfahren haben. Frühkindlicher Stress kann aber auch dazu führen, dass Betroffene später mit schwierigen Situationen besser umgehen können. Auch diese Fähigkeit wird auf die Nachfolgegenerationen vererbt. Dies hat Isabelle Mansuy, Professorin für Neuroepigenetik der Universität und der ETH Zürich, an Untersuchungen mit Mäusen unlängst herausgefunden.

    Mansuys Forscherteam zeigt erstmals, dass stressbedingte Verhaltensänderungen bei Mäusen reversibel sind. Leben männliche Mäuse, die während ihrer frühen Kindheit Stress ausgesetzt waren, im Erwachsenenalter unter angenehmen Bedingungen, normalisiert sich sowohl ihr Verhalten wie auch das ihrer Nachkommen. „Lange nach den eigentlichen traumatischen Erlebnissen führt die Haltung in einer abwechslungsreichen Umgebung dazu, dass die Verhaltenssymptome bei erwachsenen Tieren rückgängig gemacht und nicht mehr an den Nachwuchs vererbt werden“, fasst Isabelle Mansuy die neuen Erkenntnisse zusammen.

    Indem sie die Jungtiere in unregelmäßigen Abständen von ihren Müttern trennten, setzten die Erstautorin Katharina Gapp und ihre Kollegen neugeborene Mäusemännchen traumatischem Stress aus. In der Folge verhielten sich die Männchen sowie ihre männlichen Nachkommen in Stresssituationen deutlich anders als die Kontrolltiere, beispielsweise hinsichtlich ihrer natürlichen Scheu vor hellem Licht oder bei komplexen, sich dauernd ändernden Aufgaben, etwa um bei Durst eine Ration Wasser zu erhalten.

    Auf molekularer Ebene äußern sich diese Verhaltensänderungen in einem erhöhten Level des Glucocorticoid-Rezeptors im Hippocampus – einer für kognitive Prozesse essenziellen Hirnregion, die mitverantwortlich ist, um Stressreaktionen stillzulegen. Grund dafür ist eine veränderte epigenetische Regulierung des Gens für den Rezeptor, der Stresshormone wie Cortison bindet. Die Aktivität dieses Gens wird normalerweise durch kleine chemische Verbindungen (Methylgruppen), die an bestimmten Stellen der DNA-Sequenz angeheftet sind, herabgesetzt. Traumatische Erlebnisse führen dazu, dass mehrere der „dämpfenden“ Methylgruppen von den genetischen Steuersequenzen entfernt werden. Dadurch erhöht sich die Genaktivität und der Glucocorticoid-Rezeptor wird vermehrt produziert.

    Diese modifizierte epigenetische Steuerung zeigt sich nicht nur in den Zellen des Hippocampus traumatisierter Jungtiere, sondern auch in den Keimzellen ihrer Väter. Die Wissenschaftler gehen daher davon aus, dass veränderte DNA-Methylgruppenmuster via Spermien an die Jungen weitergegeben werden. Isabelle Mansuy und ihr Team konnten nun nachweisen, dass die Auswirkungen frühkindlicher Traumata durch eine stressarme, abwechslungsreiche Umwelt im Erwachsenenalter korrigiert werden können. Zugleich verhindert das korrigierte Methylierungsmuster, dass die Symptome an den Nachwuchs vererbt werden.

    „Bisher war einzig bei pharmakologischen Medikamenten bekannt, dass sie epigenetische Veränderungen, die das Verhalten beeinflussen, korrigieren können. Nun wissen wir, dass dies auch durch Umweltanpassungen wie abwechslungsreiche Lebensbedingungen möglich ist“, unterstreicht Isabelle Mansuy. Die Forscher vermuten, dass es sich bei dieser reversiblen epigenetischen Vererbung um einen universellen Mechanismus handelt, der auch für die Übertragung anderer Eigenschaften auf die Nachkommen mitverantwortlich ist, beispielsweise Stoffwechselstörungen aufgrund von Mangelernährung oder durch hormonaktive Substanzen ausgelöste Krankheiten.

    Literatur:
    Katharina Gapp, Johannes Bohacek, Jonas Grossmann, Andrea M. Brunner, Francesca Manuella, Paolo Nanni, Isabelle M. Mansuy. Potential of Environmental Enrichment to Prevent Transgenerational Effects of Paternal Trauma. Neuropsychopharmacology. June 9, 2016. DOI: 10.1038/npp.2016.87

    Pressestelle der Universität Zürich, 23.06.2016

  • Bundeswettbewerb Kommunale Suchtprävention

    Alle Preisträgerinnen und Preisträger des Bundeswettbewerbs „Innovative Suchtprävention vor Ort“. Foto@Difu
    Alle Preisträgerinnen und Preisträger des Bundeswettbewerbs „Innovative Suchtprävention vor Ort“. Foto@Difu

    Beim siebten Bundeswettbewerb „Vorbildliche Strategien zur kommunalen Suchtprävention“ wurden am 22. Juni 2016 im Rahmen einer feierlichen Preisverleihung in der Vertretung des Saarlandes in Berlin elf Städte, Gemeinden und Landkreise für ihre vorbildlichen Aktivitäten zur innovativen Suchtprävention ausgezeichnet. Die Preisverleihung erfolgte durch Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe, die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marlene Mortler, die Leiterin der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, Dr. med. Heidrun Thaiss und Gernot Kiefer, Vorstand des GKV-Spitzenverbandes.

    Mit der Preisübergabe fand der siebte Bundeswettbewerb sein erfolgreiches Ende. Insgesamt 68 Beiträge wurden bei dem vom Deutschen Institut für Urbanistik (Difu) inhaltlich und organisatorisch betreuten und von den kommunalen Spitzenverbänden und dem GKV-Spitzenverband unterstützten Wettbewerb eingereicht. Diese hohe Zahl der Wettbewerbsbeiträge und die insgesamt beeindruckenden Aktivitäten in der innovativen Suchtprävention vor Ort werden anderen Kommunen ganz sicher einen Anreiz zur Nachahmung geben.

    Prof. Dipl.-Ing. Martin zur Nedden, Geschäftsführer und wissenschaftlicher Direktor des Deutschen Instituts für Urbanistik (Difu), lobt die prämierten Beiträge: „Mit dem Fokus auf ‚innovativ‘ war ein hoher Anspruch verbunden, den die Kommunen in ausgezeichneter Art und Weise erfüllt haben. Es ist ermutigend zu sehen, mit welcher Bandbreite an Projekten und Maßnahmen Kommunen sich innovativ und kreativ in der Suchtprävention engagieren. Besonders freut mich, dass immer mehr und neue Partner für die suchtpräventiven Aktivitäten gewonnen werden können. Die so wichtige Vernetzung in der suchtpräventiven Arbeit auf der kommunalen Ebene schreitet sichtbar voran.“

    Eine Jury aus Wissenschaft und Praxis ermittelte aus den Wettbewerbsbeiträgen die elf Preisträger. Für die prämierten Wettbewerbsbeiträge stellte die BZgA ein Preisgeld in Höhe von insgesamt 60.000 Euro zur Verfügung. Zusätzlich wurde vom GKV-Spitzenverband ein Sonderpreis zum Thema „Mitwirkung von Krankenkassen bei innovativen kommunalen Aktivitäten zur Suchtprävention“ in Höhe von 10.000 Euro ausgelobt.

    Wettbewerbsdokumentation_CoverUm die eingereichten Beiträge der Öffentlichkeit zugänglich zu machen und auf diese Weise zur Nachahmung anzuregen, sind die Ergebnisse des Wettbewerbs in einer Dokumentation dargestellt und veröffentlicht. Diese steht zum Download bereit oder kann kostenfrei bestellt werden. Alle Informationen finden sich unter: www.kommunale-suchtpraevention.de

    Die Preisträger sind:

    Kreisfreie Städte:
    Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg von Berlin (10.000 Euro)
    Freie Hansestadt Bremen (6.000 Euro)
    Stadt Dessau-Roßlau (4.000 Euro)

    Kreisangehörige Städte und Gemeinden:
    Gemeinde St. Leon-Rot (10.000 Euro)
    Ortsgemeinde Insheim (6.000 Euro)

    Landkreise:
    Kreis Offenbach (10.000 Euro)
    Landkreis Neustadt a.d. Waldnaab, Landkreis Tirschenreuth und Stadt Weiden i.d. Oberpfalz (6.000 Euro)
    Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald (4.000 Euro)
    Landkreis Görlitz (4.000 Euro)

    Sonderpreis der Krankenkassen:
    Freie und Hansestadt Hamburg (5.000 Euro)
    Neckar-Odenwald-Kreis (5.000 Euro)

    Pressestelle des Deutschen Instituts für Urbanistik, 23.06.2016

  • Zum Welt-Drogentag am 26. Juni 2016

    Die Zahl der Drogentoten ist 2015 wieder gestiegen, zum dritten Mal in Folge. Die öffentliche Betroffenheit darüber ist groß. Dennoch werden Menschen, die von illegalen Drogen abhängig sind, immer noch gebrandmarkt, und ihre Abhängigkeit wird nicht als Krankheit verstanden. Drogenkonsumenten in Haft leiden besonders darunter, da sie vielfach keine angemessene Behandlung erhalten. Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) e.V. spricht sich dafür aus, Substitutionsprogramme für drogenabhängige Menschen in Haft umfassend und bundesweit einzusetzen.

    Im vergangenen Jahr starben 1.226 Menschen in Deutschland an den Folgen ihres Drogenkonsums. Damit steigt die Zahl der Drogentoten seit drei Jahren an und hat sich seit 2012 um 282 Todesfälle (29,8 Prozent) erhöht. Bei den meisten Todesfällen war Heroinkonsum die Ursache. In Deutschland weisen rund 56.000 bis 169.000 Menschen riskante Konsummuster im Zusammenhang mit Opiaten auf.[i] Insgesamt ist der Konsum der „harten“ Drogen Heroin, Kokain und Crack jedoch rückläufig.

    Größeren Zulauf hingegen finden synthetische Drogen: Amphetamin und Ecstasy (MDMA) sowie in einigen Bundesländern Crystal Meth (Metamphetamin). Dazu kommen neue psychoaktive Stoffe (NPS). Diese Substanzen ahmen die Wirkung illegaler Drogen nach. Es handelt sich bei NPS um chemische Verbindungen mit häufig wechselnden Zusammensetzungen, die als Duftsäckchen, Badesalze oder Kräutermischungen angeboten werden (so genannte Legal Highs, Herbal Highs, Badesalzdrogen oder Research Chemicals). Weder zu ihren Wirkweisen noch zu ihren Kurz- und Langzeitfolgen gibt es gesicherte Erkenntnisse.

    Immer noch werden die Konsumenten harter Drogen danach beurteilt, dass ihr Suchtmittel illegal ist. Die Weltgesundheitsorganisation sieht in der Drogenabhängigkeit jedoch eine Krankheit und das deutsche Sozialrecht spricht von einer vorübergehenden seelischen Behinderung. Drogenabhängige leiden also an einer behandlungswürdigen Erkrankung. Bei vielen Drogenabhängigen handelt es sich um Menschen mit schwerwiegenden psychischen Problemen, die Ursache ihres Drogenkonsums sein können. Dies wird oft übersehen. Und ihnen, die besonders darauf angewiesen sind, bleiben in der Haft häufig anerkannte medizinische Behandlungen versagt. Dazu gehört in erster Linie der Zugang zu einer Substitutionstherapie, die Gesundheitsgefahren durch Überdosierung verringert und Beschaffungskriminalität unnötig macht.

    Diese Behandlung wird den Inhaftierten oftmals nicht gewährt oder bereits substituierte Drogenkonsumenten können die Behandlung nach ihrer Inhaftierung nicht fortsetzen. Drogenabhängige benötigen aber im Vollzug ganz besonders ein auf sie zugeschnittenes Angebot psychosozialer und medizinischer Maßnahmen. Auch Spritzentauschprogramme verringern die Ansteckungsgefahr mit Infektionskrankheiten (Hepatitis, HIV), werden in deutschen Haftanstalten aber kaum umgesetzt.

    Drogenabhängigkeit ist eine anerkannte Erkrankung, kein moralisches Fehlverhalten. Drogenkonsumenten haben in jeder Lebenssituation das Recht auf angemessene Behandlung und die Wahrung ihrer Menschenrechte. Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e.V. fordert daher für alle Drogenkonsumenten in Haft:

    • Anerkennung des Anspruchs auf eine angemessene medizinische Behandlung,
    • bundesweite Gewährleistung des Zugangs zu Substitutionsprogrammen,
    • Verringerung der Gesundheitsrisiken durch Zugang zu Spritzentauschprogrammen,
    • Teilhabe auch für suchtkranke Inhaftierte an vollzugsinternen Möglichkeiten (Schule, Ausbildung, Aktivierungsangebote). Dazu bedarf es meist Vollzugslockerungen, von denen Suchtkranke häufig ausgeschlossen sind,
    • enge Begleitung im Übergang und Vernetzung mit Angeboten der Suchthilfe und der Straffälligenhilfe.

    Pressestelle der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen, 23.06.2016

  • Regulierung des Cannabismarktes: Von A (Anchorage) bis Z (Zürich)

    ZobelMarthaler_Bericht_Regulierung_Cannabismarkt_v3_neu.pdfVorstöße, um den Cannabismarkt zu legalisieren und zu regulieren, nehmen weltweit zu. In vier US-Bundesstaaten sowie in Uruguay sind entsprechende Gesetze bereits in Kraft, und der Trend dürfte sich 2017 in den USA und in Kanada fortsetzen. Daneben existieren weiterhin das holländische Toleranzmodell mit seinen Coffeeshops und die Konsumenten-Vereinigungen in Spanien. In der Schweiz sollen demnächst Projekte diskutiert werden, die den Zugang zu Cannabis zum Thema haben. Mit einem neuen Bericht verschafft Sucht Schweiz einen Überblick über die Entwicklungstendenzen in Amerika, Europa und der Schweiz und zieht ein erstes Fazit.

    Das freie Marktmodell der USA hat gezeigt, dass es den Schwarzmarkt weitgehend aushebeln, Arbeitsplätze schaffen und Steuereinnahmen generieren kann. Bislang ergeben Umfragen, dass die Bevölkerung dieses Modell weiterhin zu stützen scheint. Doch hat die Umsetzung zu einer Diversifizierung der Cannabisprodukte und zu einer Zunahme des Konsums und der Probleme geführt, unter anderem bei den Minderjährigen in Colorado. Es mobilisieren sich zudem Interessengruppen, um die geltenden einschränkenden Marktregulierungen wie Steuern, Konsumverbot im öffentlichen Raum und Werbeverbote zu bekämpfen. Damit ergibt sich eine Situation, die mit derjenigen des Alkohols vergleichbar ist: ein gewinnorientiertes Modell, das sich zu wenig um die öffentliche Gesundheit kümmert.

    Das uruguayische Modell orientiert sich stärker an gesundheitspolitischen Kriterien. Es bietet den Konsumierenden unterschiedliche Beschaffungsmöglichkeiten an: Eigenanbau, Konsumenten-Clubs und der Verkauf in Apotheken. Dabei verschafft sich der Staat einen ständigen Überblick über das Angebot und schränkt die Mengen ein. Das Modell der spanischen Konsumenten-Vereinigungen (Cannabis Social Clubs) bietet größere Chancen zu einer Konsensfindung, weil damit kein freier Markt geschaffen wird und Nichtkonsumierende keinen Marktzugang erhalten. Doch wird diese Lösung von der spanischen Zentralregierung abgelehnt. Seit kurzem interessieren sich aber einige Regionen für eine entsprechende Regulierung.

    Die Erkenntnisse zum Funktionieren und zu den Auswirkungen der neuen Regulierungsmodelle für den Cannabismarkt sind noch äußerst gering. Noch sind auch nicht alle möglichen Alternativen bekannt – ebenso wenig ihre Folgen, etwa die Auswirkung auf den Alkohol- und Tabakkonsum. Doch bald schon werden neue Resultate und Vergleichsmöglichkeiten aus Oregon und Alaska hinzukommen sowie später aus anderen amerikanischen Bundesstaaten, falls diese Ende 2016 einer Legalisierung von Cannabis zustimmen. Auch wird interessant sein, ob Kanada ein Modell entwickelt, in dem gesundheitspolitische Interessen eine bessere Berücksichtigung finden.

    In der Schweiz haben fünf Städte und zwei Kantone eine Arbeitsgruppe gebildet, um Projekte für die regulierte Abgabe von Cannabis zu entwerfen. Diese Projekte sollen in einem Bewilligungsantrag an das Bundesamt für Gesundheit zusammengefasst werden. Angedacht werden Ansätze mit einer engen therapeutischen Begleitung für Personen, die Cannabis zu medizinischen Zwecken konsumieren, und solche, die einen problematischen Umgang damit haben. Auch andere Konsumierende könnten über Clubs oder in Apotheken an Cannabis gelangen. Diese Vorhaben sind für eine sehr begrenzte Anzahl Konsumierender geplant.

    Die Legalisierung und Marktregulierung von Cannabis als Gesamtgesellschaft zu diskutieren und zu erarbeiten, stellt einen gesellschaftlichen Lernprozess dar. Sucht Schweiz trägt dazu mit einem ergänzten und aktualisierten Bericht zur Regulierung des Cannabismarktes bei, der erstmals im März 2014 erschienen ist. Der auf Deutsch und Französisch vorliegende Bericht „Neue Entwicklungen in der Regulierung des Cannabismarktes: Von A (Anchorage) bis Z (Zürich)“ liefert einen umfassenden Blick auf die Regulierungsmodelle weltweit und auf deren jüngste Entwicklung. Zudem beleuchtet er die Auswirkungen der Regulierung.

    Bibliographische Angaben und Download:
    Zobel, F., Marthaler, M. (2016): Neue Entwicklungen in der Regulierung des Cannabismarktes: Von A (Anchorage) bis Z (Zürich) , 3. aktualisierte Auflage des Berichts „Von den Rocky Mountains bis zu den Alpen“, Lausanne, Sucht Schweiz.

    Pressestelle von Sucht Schweiz, 14.06.2016

  • IT-Budgets wachsen, Sicherheitslücken bleiben

    IT-Report Sozialwirtschaft 2016Die Digitalisierung ist auf dem Vormarsch, und soziale Einrichtungen investieren kräftig in Informationstechnologie. Zu diesem Ergebnis kommt die neue Ausgabe des jährlich von der Arbeitsstelle für Sozialinformatik an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt (KU) herausgegebenen „IT-Report für die Sozialwirtschaft“. Demnach stiegen die IT-Budgets der Träger mit über 100 Mitarbeitern in den letzten fünf Jahren um rund 50 Prozent. Der Anteil der IT-Aufwendungen am Gesamtumsatz der Einrichtungen beträgt heute im Durchschnitt 1,5 Prozent. Investieren wollen die Organisationen vor allem in Fachsoftware für Klientenverwaltung, Dokumentation und Dienstplanung.

    Gleichzeitig professionalisiert sich die IT-Nutzung. So werden heute vermehrt moderne Server-Technologien eingesetzt und eigene Stellen für IT-Verantwortliche geschaffen. Entwicklungsbedarf gibt es jedoch noch bei den Mobiltechnologien: Erst 16 Prozent aller Endgeräte sind Smartphones und Tablets, der Rest besteht meist noch aus stationären PCs, der Anteil an Notebooks steigt nur moderat.

    Ein Befund des IT-Reports gibt Anlass zur Sorge: „Trotz der aktuell prekären Sicherheitslage im IT-Bereich finden sich in der Branche kaum Anstrengungen, vermehrt in die Sicherheit der Daten von Klienten und Mitarbeitern zu investieren“, warnen die Autoren Prof. Helmut Kreidenweis und Prof. Dr. Dietmar Wolff. Mehr als Drittel der befragten Organisationen verfüge nach den vorliegenden Daten über kein IT-Sicherheitskonzept und schule ihre Mitarbeiter nie bzw. nur einmalig bei Einstellung zu Themen des Datenschutzes. Lediglich ein Viertel lasse die IT von unabhängiger Seite auf Sicherheitslücken testen – vor drei Jahren waren dies noch 35 Prozent. Zudem bleiben die Anteile an den IT-Budgets, die für Gefahrenabwehr aufgewendet werden, seit Jahren konstant. „Bewusstsein und Sensibilität zur Bedeutung von IT und IT-Sicherheit im Unternehmen ist im Vorstand nicht ausreichend entwickelt“ – so der Originalton eines Befragungsteilnehmers.

    Neben der Nutzerseite befragt der IT-Report regelmäßig auch die Anbieter von Branchensoftware für die Sozialwirtschaft. Sie zeigen sich hinsichtlich der weiteren Marktentwicklung optimistisch und freuen sich über steigende Umsätze. Treiber sind dabei vor allem neue bundesweite Vorhaben wie das neue Strukturmodell Pflegedokumentation, das Zweite Pflegestärkungsgesetz (PSG II) oder das Bundesteilhabegesetz. Mobile Lösungen sowie Cloud-Angebote werden langsam, aber kontinuierlich ausgebaut und den Markttrends angepasst. Investieren wollen die Firmen vor allem in erweiterte Programmfunktionen und die Nutzerfreundlichkeit ihrer Software. Eine Übersicht am Ende des Reports enthält die Kontaktdaten der befragten Unternehmen, ihre Anwender- und Umsatzzahlen sowie Informationen zu ihrem Software-Angebot.

    Der IT-Report für die Sozialwirtschaft 2015 kann zum Preis von 68,– Euro inkl. Versand bezogen werden. Kontakt: christine.vetter@ku.de. Weitere Informationen finden sich hier: http://www.sozialinformatik.de/it-report/

    Pressestelle der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt, 08.06.2016

  • Gesellschaft ist zunehmend polarisiert, Bereitschaft zu Gewalt steigt

    Decker-2630-v02.inddDie politische Einstellung der deutschen Bevölkerung ist polarisiert. Während eine deutliche Mehrheit der Gesellschaft rechtsextremes Denken und auch Gewalt zum Teil strikt ablehnt und Vertrauen in demokratische Institutionen hat, sind Menschen mit rechtsextremer Einstellung immer mehr bereit, zur Durchsetzung ihrer Interessen Gewalt anzuwenden. Dies ist eines der zentralen Ergebnisse der Studie „Die enthemmte Mitte“, die PD Dr. Oliver Decker und Prof. Dr. Elmar Brähler vom Kompetenzzentrum für Rechtsextremismus- und Demokratieforschung der Universität Leipzig in Kooperation mit der Heinrich Böll-, der Otto Brenner- und der Rosa Luxemburg-Stiftung durchgeführt haben. Die Wissenschaftler befragten bundesweit 2.420 Menschen (West: 1.917, Ost: 503) zu den Themen Befürwortung einer rechtsautoritären Diktatur, Ausländerfeindlichkeit, Antisemitismus, Sozialdarwinismus, Chauvinismus und Verharmlosung des Nationalsozialismus. Sie gliederten die Antworten in sechs soziologische Milieus.

    „Es gibt zwar keine Zunahme rechtsextremer Einstellungen, aber im Vergleich zur Studie vor zwei Jahren befürworten Gruppen, die rechtsextrem eingestellt sind, stärker Gewalt als Mittel der Interessensdurchsetzung“, sagt Decker. Zudem habe bei diesen Gruppen das Vertrauen in gesellschaftspolitische Einrichtungen wie die Polizei oder Parteien deutlich nachgelassen. „Sie fühlen sich vom politischen System nicht repräsentiert“, erläutert er. Als Erfolg der Zivilgesellschaft könne man es dagegen ansehen, dass in demokratischen Milieus Gewalt deutlich stärker abgelehnt wird als 2014. „Beides steht in Deutschland nebeneinander: Wir haben Menschen, die sich aktiv um Flüchtlinge bemühen, und es gibt Menschen, die Flüchtlinge aktiv ablehnen“, sagt der Studienleiter. Damit habe eine deutliche Polarisierung und Radikalisierung stattgefunden.

    Die Radikalisierung zeigt sich auch bei der Einstellung zu bestimmten gesellschaftlichen Gruppen. „Die Ablehnung von Muslimen, Sinti und Roma, Asylsuchenden und Homosexuellen hat noch einmal deutlich zugenommen“, konstatiert Brähler. 49,6 Prozent der Befragten sagten zum Beispiel, Sinti und Roma sollten aus den Innenstädten verbannt werden. 2014 waren 47,1 Prozent dieser Meinung. 40,1 Prozent erklärten, es sei ekelhaft, wenn sich Homosexuelle in der Öffentlichkeit küssten (2011: 25,3 Prozent). Und 50 Prozent gaben an, sich durch die vielen Muslime manchmal wie ein Fremder im eigenen Land zu fühlen. 2014 waren dies noch 43 Prozent. „Die gesellschaftlichen und rechtlichen Entwicklungen der letzten Jahre in Deutschland – wie etwa das liberalere Staatsbürgerrecht – werden nicht von allen Teilen der Bevölkerung getragen“, erklärt der Leipziger Sozialpsychologe.

    Sichtbar wird diese Einstellung bei Anhängern von Pegida, die Decker als „neurechte Bewegung“ sieht. „Wer Pegida befürwortet, ist zumeist rechtsextrem und islamfeindlich eingestellt und sieht sich umgeben von verschwörerischen, dunklen Mächten“, sagt er. Alter, Bildungsabschluss oder Haushaltseinkommen spielten dabei keine Rolle. Zu Tage bringt die Leipziger Studie auch, dass die Wähler der Alternative für Deutschland (AfD) nicht als von der Partei verführte Menschen gelten können. 84,8 Prozent der AfD-Wähler gaben beispielsweise an, Probleme zu haben, wenn sich Sinti und Roma in ihrer Nachbarschaft aufhalten. 89 Prozent meinten, Sinti und Roma neigen zur Kriminalität. „Die meisten AfD-Wähler teilen eine menschenfeindliche Einstellung“, sagt Brähler. Auch in der Gruppe der Nicht-Wähler sind diese Vorurteile sehr verbreitet. „Das Potenzial für rechtsextreme oder rechtspopulistische Parteien ist noch größer, als es die Wahlergebnisse bislang zeigen“, sagt er.

    Die Unterschiede in der rechtsextremen Einstellung zwischen Ost- und Westdeutschland sind der Studie zufolge nicht so groß. Als ausländerfeindlich gelten im Osten 22,7 Prozent der Befragten, 19,8 Prozent im Westen (bundesweit 20,4 Prozent). Allerdings unterscheiden sich die Ergebnisse Ost und West je nach Altersgruppe, besonders bei den zwischen 14- und 30-Jährigen. Im Osten sind 23,7 Prozent dieser Altersgruppe ausländerfeindlich, im Westen nur 13,7 Prozent. „Das ist gefährlich, Einstellungen können latent sein oder manifest geäußert werden, aber sie bleiben über die Zeit stabil“, sagt Decker. Wer jetzt rechtsextreme Ansichten habe, werde diese noch einige Jahre vertreten. Zudem sei ein Großteil der jungen Menschen bereit, Gewalt anzuwenden.

    Für die „Mitte“-Studie der Universität Leipzig werden seit 2002 alle zwei Jahre bevölkerungsrepräsentative Befragungen durchgeführt. Es gibt keine vergleichbare Langzeituntersuchung zur politischen Einstellung in Deutschland. Weitere Informationen: https://www.kredo.uni-leipzig.de/start/

    Bibliographische Angaben und Link zum Verlag:
    Oliver Decker, Johannes Kiess, Elmar Brähler (Hg.): Die enthemmte Mitte. Autoritäre und rechtsextreme Einstellung in Deutschland. Die Leipziger „Mitte“-Studie 2016, Gießen: Psychosozial-Verlag 2016

    Pressestelle der Universität Leipzig, 15.06.2016

  • Neues Psych-Entgeltsystem

    Cover PsychVVG_Gemeinsame_Stellungnahme_FINALInkonsistente Formulierungen, widersprüchliche Bestimmungen und lückenhafte Regelungen gefährden die Ziele des PsychVVG. In einer gemeinsamen Stellungnahme identifizieren die wissenschaftlichen Fachgesellschaften und Verbände aus den Bereichen Psychiatrie, Psychosomatik sowie Kinder- und Jugendpsychiatrie gravierende Probleme in dem vom Bundesgesundheitsministerium vorgelegten Gesetzesentwurf. Sie fordern deshalb umfassende Änderungen und Erweiterungen.

    Die wissenschaftlichen Fachgesellschaften und Verbände üben nicht nur Kritik am Referentenentwurf eines Gesetzes zur Weiterentwicklung der Versorgung und Vergütung für psychiatrische und psychosomatische Leistungen (PsychVVG). In der gemeinsamen Stellungnahme begrüßen sie die Grundausrichtung des neuen Vergütungs- und Versorgungssystems und sehen einen Teil ihrer Forderungen erfüllt. „Doch in der Ausgestaltung bleibt das PsychVVG in seiner jetzigen Form insgesamt hinter unseren Erwartungen zurück. Wir haben eine Reihe von Problembereichen festgestellt, bei welchen das Bundesgesundheitsministerium zwingend nachbessern muss, damit das Gesetz zu keiner Verschlechterung der Versorgungslage führt“, stellt der zukünftige Präsident der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde e. V. (DGPPN), Prof. Arno Deister aus Itzehoe, fest.

    Die Stellungnahme geht im Detail auf sechs zentrale Aspekte ein. Zum Beispiel kritisieren die Fachgesellschaften und Verbände, dass der Gesetzesentwurf die besonderen Bedürfnisse von Menschen mit psychischen Erkrankungen noch nicht ausreichend berücksichtigt. Erheblichen Bedarf für Nachbesserungen machen sie auch in Bezug auf die Trennung von Budget- und Preissystem und die Sicherstellung der Finanzierung der erforderlichen Personalressourcen aus. „Wichtig ist zudem, dass der Gesetzgeber die Definition und Umsetzung stationsäquivalenter Leistungen besser regelt. Die Möglichkeit, dass Krankenhäuser zukünftig stationsäquivalente Leistungen außerhalb der Stationen erbringen können, ist zwar begrüßenswert. Doch die Regelungen dazu sind noch nicht klar genug und müssen dringend konkretisiert werden. Neben diesen grundsätzlichen Problemen sind im Gesetzesentwurf aus Sicht der DGPPN viele weitere Änderungen notwendig. Wir haben dem Bundesgesundheitsministerium deshalb eine ergänzende Stellungnahme übergeben, in der wir die einzelnen Gesetzesartikel im Detail kommentieren“, so DGPPN-Präsidentin Dr. Iris Hauth aus Berlin. Die Fachgesellschaft will den Gesetzesprozess weiter kritisch begleiten.

    Gemeinsame Stellungnahme der wissenschaftlichen Fachgesellschaften und Verbände
    Ergänzende Stellungnahme der DGPPN

    Pressestelle der DGPPN, 15.06.2016

  • Angehörige von Suchtkranken

    Das Forschungsprojekt „Belastungen und Perspektiven Angehöriger Suchtkranker“ (BEPAS) am Zentrum für Integrative Psychiatrie (ZIP) in Lübeck untersucht die Belastungssituation von Angehörigen Suchtkranker. Negative Auswirkungen von Suchterkrankungen auf die Gesundheit von Angehörigen wurden in verschiedenen Studien konsistent belegt. Dennoch ist der Forschungsstand zu Belastungen, Ressourcen und Versorgungsbedarfen in Deutschland unzureichend. Das Projekt BEPAS soll diese Forschungslücken schließen und dazu beitragen, die Versorgungssituation Angehöriger langfristig zu verbessern.

    Für dieses Projekt suchen die Forscher noch Teilnehmer/innen, die in ihrem persönlichen Umfeld einen suchtkranken Angehörigen (Alkohol, Medikamente, Drogen oder Glücksspiel) haben und bereit sind, im Rahmen der Studie von ihren Erfahrungen zu berichten. Teilnahmevoraussetzung ist, dass die Suchtproblematik auch noch innerhalb der letzten zwölf Monate bestand und nicht schon länger zurückliegt. Sollte in den vergangenen zwölf Monaten ein Rückfall bei ansonsten bereits länger zurückliegender Abstinenz stattgefunden haben, so ist eine Teilnahme ebenfalls möglich und hilfreich.

    Die Vorgehensweise besteht aus einem vertiefenden Interview, in dem die Forscher mit den Angehörigen über ihre Belastungen und Bedarfe sprechen. Das Interview dauert maximal zwei Stunden und bietet Raum, von den persönlichen Erfahrungen zu berichten. Die Gespräche finden nach Wunsch bei den Interviewpartnern zu Hause oder an der Universität zu Lübeck statt. Bei weiter entfernten Wohnorten können die Interviews in nahe gelegenen Kooperationseinrichtungen stattfinden. Alle Interviews werden zwecks Auswertung mit einem Tonband aufgenommen. Im Anschluss an das Gespräch werden die Teilnehmer/innen gebeten, einen Fragebogen auszufüllen, der sich ergänzend mit dem Thema befasst.

    Die Teilnahme an der Studie ist selbstverständlich freiwillig und kann jederzeit ohne Nennung von Gründen beendet werden. Außerdem werden die Daten anonymisiert, d. h., die Teilnehmer/innen können nicht mehr anhand der Daten identifiziert werden. Es werden dabei alle gesetzlichen Bestimmungen zum Datenschutz berücksichtigt. Wer Interesse oder Fragen bezüglich einer Studienteilnahme hat, ist herzlich eingeladen, sich an das Forscherteam zu wenden. Ein Informationsblatt finden Sie hier.

    Dr. Gallus Bischof
    Tel. 0451/50 04 860
    gallus.bischof@uksh.de

    Dipl.-Psych. Johannes Berndt
    Tel. 0451/50 05 139
    johannes.berndt@uksh.de

    Redaktion KONTUREN online, 09.06.2016