Schlagwort: Substanzungebundene Störungen

  • Exzessive Nutzung sozialer Netzwerkseiten

    Exzessive Nutzung sozialer Netzwerkseiten

    Soziale Netzwerkseiten mit den unterschiedlichsten Schwerpunktsetzungen sind schon seit Anfang der 2000er Jahre fester Bestandteil des Internets. Im Gegensatz zu Online-Computerspielen oder Online-Pornografie ist der Name nicht selbsterklärend hinsichtlich der Art und Weise, worin das Angebot der Sozialen Netzwerke besteht und wie dieses genutzt wird. Für Behandler:innen und Forscher:innen, die sich mit dem pathologischen Potenzial bestimmter Online-Aktivitäten und -Angebote auseinandersetzen, dem Phänomen der sog. Internetnutzungsstörungen, stellt sich die Frage, ob es auch ein Suchtverhalten im Umgang mit Sozialen Netzwerken gibt, und wenn ja, wie sich dieses darstellt und woraus es sich speist.

    Der vorliegende Beitrag hat zum Ziel, die wichtigsten Fragen rund um Soziale Netzwerke zu beantworten, exemplarisch empirische Hintergründe zu einigen Effekten dieser Netzwerke darzustellen und sich speziell mit der Frage nach dem Suchtpotenzial und dem klinischen Umgang mit der Soziale-Netzwerke-Nutzungsstörung zu befassen.

    Allgemeines zu Sozialen Netzwerkseiten

    Was versteht man unter Sozialen Netzwerken? Oft wird die Nutzung von Sozialen Netzwerken mit jener von Online-Messengern gleichgesetzt. Das ist jedoch nicht korrekt. Im Gegensatz zu den sehr einfachen Messengerdiensten erlaubt die Aktivität in Sozialen Netzwerken nicht lediglich die Text- oder Bild-Kommunikation mit vorhandenen Kontakten. Die Möglichkeiten des Austauschs reichen hier wesentlich weiter. Wichtige Merkmale Sozialer Netzwerke sind:

    • die Möglichkeit, ein beliebig detailreiches eigenes Profil zu erstellen und …
    • … dieses fortwährend zu erweitern oder zu modifizieren.
    • eigene Beiträge (Posts) der gesamten Community oder nur einem Teil davon zu präsentieren, wobei diese Beiträge …
    • … nicht textbasiert sein müssen, sondern etwa Bilder oder Audiodateien etc. sein können, oder eine Kombination daraus.
    • über Verlinkungen auch mit Usern in Kontakt zu treten bzw. sich zu vernetzen, die man außerhalb des Netzwerkes nie kennengelernt hat …
    • … und deren Profile und Beiträge man somit betrachten, begleiten und bewerten (z. B. Likes) kann, und welche wiederum …
    • … das eigene Profil und die eigenen Beiträge betrachten, begleiten und bewerten (Likes, aber auch Dislikes) können.

    Diese Aufstellung beinhaltet nur die wesentlichsten und allgemeinsten Strukturmerkmale von Sozialen Netzwerken, denn natürlich unterscheiden sich unterschiedliche Anbieter wie TikTok, Instagram oder Facebook in ihrer Produktpalette und damit auch in den Optionen, welche den Usern zur Verfügung stehen. Trotzdem wird schon bei dieser knappen Auflistung ein bisschen klarer, dass das Kommunizieren in Sozialen Netzwerken eben nicht das moderne Äquivalent zum vormaligen Telefonat ist oder zum Versenden einer SMS. Soziale Netzwerke sind von ihrem Aufbau und der ihnen innewohnenden Dynamik her wesentlich komplexer und gehen weit über einen bilateralen kommunikativen Austausch hinaus. Aus dieser Komplexität heraus ergeben sich für die User spezielle Effekte, welche in dieser Form eben nicht bei einem Telefonat oder einer SMS oder einer Messenger-Kurznachricht auftreten.

    Suchtartige Nutzung Sozialer Netzwerke: die unerkannte Störung

    Warum tun sich viele Menschen, die in der klinischen Versorgung oder der ambulanten Suchthilfe arbeiten, eher schwer damit, die Soziale-Netzwerke-Nutzungsstörung als eine Variante von Internetnutzungsstörungen wahrzunehmen? Vermutlich liegt es an der Häufigkeit des Auftretens. Patienten und bisweilen auch Patientinnen mit einer suchtartigen Nutzung von Online-Computerspielen, auch Online-Pornografie oder Online-Einkaufsseiten, begegnen Mitarbeitenden in der Suchthilfe in ihrer praktischen Arbeit häufig, wohingegen Personen mit einer suchtartigen Nutzung Sozialer Netzwerke noch immer eine Ausnahme unter den Personen, die das Hilfesystem in Anspruch nehmen, darstellen. Es fehlt demnach an klinischen Erfahrungswerten und an direkten Patientenkontakten.

    Im Gegensatz zu den fehlenden Zahlen aus der Versorgung wissen wir aus epidemiologischen Studien, dass

    • erstens in der Allgemeinbevölkerung Soziale-Netzwerke-Nutzungsstörungen mit durchaus hoher Prävalenz auftreten (z. B. Paschke et al., 2021),
    • zweitens Menschen, welche die Kriterien dieser Störung erfüllen, ähnlich belastet sind wie Personen mit anderen Internetnutzungsstörungen und
    • drittens insbesondere Mädchen und Frauen zu den von einer Soziale-Netzwerke-Nutzungsstörungen Betroffenen zählen (z. B. Müller et al., 2016; Scherer et al., 2021).

    Ähnliches geht aus Studien an klinischen Stichproben hervor. Hier zeigt sich, dass gerade Mädchen und Frauen, die wegen anderer psychischer Erkrankungen in ambulanter oder stationärer Behandlung sind, mit ca. 17 Prozent äußerst häufig eine komorbide Internetnutzungsstörung aufweisen, häufig im Zusammenhang mit der Nutzung Sozialer Netzwerke. Ungünstig ist, dass diese Begleiterkrankung nur in den seltensten Fällen diagnostisch festgestellt wird und damit auch kein Teil des Behandlungsplans wird. Sie bleibt also in vielen Fällen unbehandelt (Scherer et al., 2021).

    Was sagen uns diese Zahlen? Sie sprechen dafür, dass es die suchtartige Nutzung Sozialer Netzwerke gibt und diese auch mit einem Krankheitswert einhergeht. Dementsprechend ist die Soziale-Netzwerke-Nutzungsstörung als eine Erscheinungsform aus dem Spektrum der Online-Verhaltenssüchte bzw. Internetnutzungsstörungen aufzufassen. Diese Auffassung wird auch in einem Positionspapier zur Vereinheitlichung der Bezeichnungen für Verhaltenssüchte (Rumpf et al., 2021) vertreten. Hier wird argumentiert, dass die Soziale-Netzwerke-Nutzungsstörung vergleichbare diagnostische Kriterien aufweist wie die Störung durch Computerspielen und dementsprechend in der ICD-11-Kategorie „andere spezifische Verhaltenssüchte“ verschlüsselt werden soll.

    Konkret bedeutet dies, dass wir es auch bei der Soziale-Netzwerke-Nutzungsstörung mit drei diagnostischen Kernmerkmalen zu tun haben:

    1. eine verminderte Kontrolle über Häufigkeit und zeitlichen Umfang der Nutzung,
    2. eine Priorisierung des Nutzungsverhaltens vor anderen, essenziellen Lebensbereichen und persönlichen Interessen sowie
    3. die Fortführung der Nutzung trotz damit einhergehender negativer Konsequenzen.

    Zu diagnostischen Zwecken stehen mittlerweile diverse Screeningverfahren zur Verfügung. Verbreitet ist hier beispielsweise die Social Media Disorder Scale (Van den Eijnden, Lemmens & Valkenburg, 2016) oder die speziell für Jugendliche konzipierte Social Media Disorder Scale for Adolescents (SOMEDIS-A), welche es auch als Fremdbeurteilungsinstrument gibt (SOMEDIS-P). Für die weiterführende klinische Beurteilung steht das adaptive „Strukturierte klinische Interview für Internetbezogene Störungen“ (AICA-SKI:IBS; Müller & Wölfling, 2017) zur Verfügung.

    Ergebnisse aus dem Projekt IBS femme

    Die Zahlen verdeutlichen jedoch ebenso, dass wir es in der klinischen Versorgung mit einer hohen Dunkelziffer von Personen, insbesondere Frauen, mit einer nicht diagnostizierten und entsprechend unbehandelten Soziale-Netzwerke-Nutzungsstörung zu tun haben. Wie schon gesagt, ist es noch immer äußerst selten, dass sich Patientinnen im spezifischen Versorgungssystem (z. B. Suchthilfe, Spezialambulanzen) eigeninitiativ vorstellen. Die Gründe dafür sind vielfältig und wurden in dem vom Bundesgesundheitsministerium geförderten Projekt IBS femme erstmals systematisch untersucht. Im Projekt zeigte sich:

    1. Mädchen und Frauen mit Soziale-Netzwerke-Nutzungsstörung fallen ihrem direkten sozialen Umfeld deutlich seltener als erkrankt auf als Personen mit anderen Internetnutzungsstörungen. Im Gegensatz zu z. B. Patienten mit einer Computerspielstörung ziehen sie sich nicht physisch so stark zurück, sie bleiben präsent, auch wenn sie ihren Mitmenschen vielleicht zerstreuter, unaufmerksamer und weniger zugewandt als früher vorkommen mögen. Dieser Eindruck führt aber seltener zur Sorge im sozialen Umfeld, sondern erweckt eher Unmut. (Muss sie denn die ganze Zeit auf ihr Smartphone starren? Wir unterhalten uns doch gerade.“) Dadurch, dass das soziale Umfeld „ahnungslos“ bleibt, fällt ein wesentlicher Faktor weg, der Abhängigkeitskranke sonst dazu motiviert, sich Hilfe zu suchen.
    2. Mädchen und Frauen mit Soziale-Netzwerke-Nutzungsstörung nehmen zwar wahr, dass sie sich weniger leistungsfähig, weniger motiviert, weniger interessiert, emotional unausgeglichener und freudloser fühlen als früher; sie nehmen auch wahr, dass sie vergleichsweise hohe Nutzungszeiten haben. Allerdings werden die Symptome nur selten mit dem gesteigerten Nutzungsverhalten in einem Zusammenhang gesehen. Anders ausgedrückt: Die Symptomwahrnehmung bei Mädchen und Frauen ist zwar gegeben, jedoch stellen sie keinen Zusammenhang mit einem etwaigen Suchtverhalten her. Diejenigen Frauen, die sich wegen der assoziierten Symptome (Freudlosigkeit, Interessenlosigkeit, abnehmendes psychosoziales Funktionsniveau etc.) psychosoziale oder psychotherapeutische Hilfe suchen, suchen diese also nicht im Suchthilfesystem und thematisieren die Nutzungsproblematik dementsprechend auch nicht in der psychotherapeutischen Behandlung.
    3. Gleichzeitig fehlt auch auf der Seite der Behandelnden in der Regel eine systematische Exploration oder gar Diagnostik einer etwaig begleitend auftretenden Soziale-Netzwerke-Nutzungsstörung. Wenn überhaupt, fällt die Internetnutzungsstörung indirekt auf, etwa dadurch, dass in der Beratung oder Behandlung ab einem gewissen Punkt die Fortschritte ausbleiben, sodann die Ursachenforschung angegangen wird und nun die exzessiven Nutzungszeiten bzw. das Suchtverhalten aufgedeckt werden.

    Suchtartige Nutzung Sozialer Netzwerke: Perspektiven für die Versorgung

    Beschäftigt man sich mit der Thematik etwas näher, wird immer deutlicher, dass die Soziale-Netzwerke-Nutzungsstörung ein gesundheitsrelevantes Thema darstellt, absolut vergleichbar mit der mittlerweile anerkannten und auch klinisch zunehmend besser erforschten und versorgten Störung durch Computerspielen. Umso wichtiger ist es, dass die Versorgungssysteme sich der suchtartigen Nutzung Sozialer Netzwerke verstärkt annehmen. Erste Lehren können aus dem Projekt IBS femme gezogen werden, welches derzeit in Form des Folgeprojekts IBS femme*INTERV als Kooperation zwischen der Ambulanz für Spielsucht der Universitätsmedizin Mainz und dem Fachverband Medienabhängigkeit e.V. dank einer erneuten Förderung des Bundesministeriums für Gesundheit fortgeführt wird.

    Aus dem Projekt IBS femme geht hervor, dass es besonders wichtig ist, Behandlerinnen und Behandler jenseits des Suchthilfesystems oder der Spezialisierung auf Verhaltenssüchte für die Thematik zu sensibilisieren und mit entsprechenden diagnostischen Mitteln auszustatten. Eine Sensibilisierung sollte gleichsam für Angehörige Betroffener erfolgen, gleichzeitig aber auch die Betroffenen selbst adressieren. Deshalb werden im Rahmen des Projekts IBS femme*INTERV derzeit verschiedene Social Media-Kampagnen ausgearbeitet, die auf die Thematik der Soziale-Netzwerke-Nutzungsstörung aufmerksam machen und Betroffenen den Zugang zum Hilfesystem erleichtern sollen.

    Auf Grund der fehlenden klinischen Erfahrungswerte stellt sich die Frage nach angemessenen Versorgungsansätzen für Personen mit einer Soziale-Netzwerke-Nutzungsstörung. Diesbezüglich sind derzeit positive Entwicklungen zu beobachten, die für mehr Klarheit sorgen könnten:

    S1-Leitlinie Diagnostik und Therapie Internetbezogener Störungen

    Zum einen wurde im März 2020 die S1-Leitlinie Diagnostik und Therapie Internetbezogener Störungen bei der Arbeitsgemeinschaft Wissenschaftlich Medizinischer Fachgesellschaften (AWMF) angemeldet und seitdem in einem ausführlichen Prozess ausgearbeitet. Die Leitlinie beinhaltet auch die Soziale-Netzwerke-Nutzungsstörung, was bedeutet, dass klinisch relevantes Wissen aus der verfügbaren empirischen Literatur zusammengetragen, gesichtet und für die Praxis aufbereitet wurde. Die Leitlinie hat den Zweck, Fachleuten aus der Praxis eine beraterische bzw. therapeutische Richtschnur an die Hand zu geben und Interventionsansätze vorzuschlagen, welche nachweislich mit den besten Erfolgsaussichten eingesetzt werden können. Die Arbeiten an der Leitlinie sind derzeit noch nicht abgeschlossen, jedoch zeigt sich speziell für die Soziale-Netzwerke-Nutzungsstörung, dass ähnlich wie bei anderen Formen internetsüchtigen Verhaltens verhaltenstherapeutische Ansätze (z. B. das STICA-Programm, vgl. Wölfling et al., 2019; Wölfling, Beutel, Bengesser & Müller, 2022) empfohlen werden und dass auch (teilabstinenzorientierte) Kurzzeitinterventionen mit guten Effekten einhergehen können, was eine erste Verbesserung der Symptome betrifft. Die Fertigstellung der Leitlinie ist noch für 2023 vorgesehen. Sie kann dann frei abgerufen werden auf der Webseite der AWMF.

    Das Beratungsprogramm „PSY-Social Workout“

    Zum anderen wurde im Rahmen des Projekts IBS femme*INTERV ein spezifischer Beratungsleitfaden entwickelt. Dieser stellt eine Zusammenführung aus bereits in IBS femme identifizierten Spezifika bei einer Soziale-Netzwerke-Nutzungsstörung, Erkenntnissen aus der AWMF-Leitlinie und bewährten Methoden aus dem STICA-Programm (Wölfling et al., 2022) dar. Das so entwickelte Beratungsprogramm „PSY-Social Workout“ umfasst zwei vorgeschaltete diagnostische Einheiten, an welche sich zehn Interventionseinheiten anschließen. Acht Wochen nach dem letzten Kontakt erfolgt eine Booster-Session.

    In der Interventionsphase besteht das Programm aus Psychoedukation, Erarbeitung eines individuellen Störungsmodells nach dem InPrIS-Ansatz (Müller & Wölfling, 2017), Abstinenzexperimenten, dem Aufbau alternativer Verhaltensweisen, schematherapeutischen Elementen und Bestandteilen der Well-Being-Therapie sowie ergänzenden neurokognitiven Trainingsansätzen.

    Wichtige übergeordnete Merkmale des Programms PSY-Social Workout sind:

    • Es soll möglichst niedrigschwellig sein, d. h., es sieht zwar Abstinenzpläne vor, jedoch ist die Abstinenz von der Nutzung Sozialer Netzwerke nicht das erklärte Ziel der Intervention. Das Programm umfasst nur wenige Sitzungen und soll positive Veränderungen vor allem anstoßen und ggf. den Weg in eine weiterführende Behandlung erleichtern. Zudem soll das Programm nach erfolgreicher Evaluation auch als Selbsthilfemanual zur Verfügung gestellt werden.
    • Das Programm PSY-Social Workout soll größtmögliche Flexibilität bieten, d. h., es kann im Einzel- wie auch im Gruppensetting durchgeführt werden, im direkten Kontakt wie auch als videobasierte Beratung. Ebenso ist ein Einsatz begleitend zu einer laufenden Beratung oder Behandlung wegen anderer psychischer Erkrankungen möglich (z. B. als ergänzende Bausteine).

    Demnach handelt es sich bei PSY-Social Workout eher um ein sog. Empowerment-Programm als um eine psychotherapeutische Behandlung. Dies soll den Kreis derjenigen, die das Programm einsetzen wollen, erweitern und somit möglichst viele Anlaufstellen für Betroffene generieren. Derzeit werden umfassende Schulungsmaterialien (Leitfaden inklusive Arbeitsblätter sowie kurze Video-Tutorials) konzipiert, welche u. a. auf der Webseite des Fachverbands Medienabhängigkeit e.V. ab Herbst 2023 verfügbar sein werden. Interessierte, die sich an der Durchführung des Programms in der Praxis beteiligen wollen, können über info@fv-medienabhaengigkeit.de sehr gerne Voranmeldungen senden.

    Kontakt:

    Dr. Kai W. Müller
    Diplom-Psychologe, Wissenschaftlicher Mitarbeiter – Forschung & Diagnostik
    Grüsser Sinopoli-Ambulanz für Spielsucht
    Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie
    Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz
    muellka(at)uni-mainz.de

    Angaben zu den Autor:innen:

    Dr. Kai W. Müller, (1) Ambulanz für Spielsucht an der Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie der Universitätsmedizin Mainz, (2) Fachverband Medienabhängigkeit e.V.
    Lisa Mader, Ambulanz für Spielsucht an der Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie der Universitätsmedizin Mainz
    Kristin Schneider, (1) Caritasberatungsstelle „Lost in Space“, (2) Fachverband Medienabhängigkeit e.V.

    Literatur:
    • Müller, K.W., Dreier, M., Duven, E., Giralt, S., Beutel, M.E. & Wölfling, K. (2016). A hidden type of Internet Addiction? Intense and addictive use of social networking sites in adolescents. Computers in Human Behavior, 55, 172-177
    • Müller, K.W. & Wölfling, K. (2017). Pathologischer Mediengebrauch und Internetsucht. Stuttgart: Kohlhammer
    • Müller, K.W. & Wölfling, K. (2017). AICA-SKI:IBS. Strukturiertes klinisches Interview zu Internetbezogenen Störungen (1. Aufl.), Ambulanz für Spielsucht an der Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Universitätsmedizin Mainz
    • Paschke, K., Austermann, M.I. & Thomasius, R. (2021). ICD-11-based assessment of social media use disorder in adolescents: Development and validation of the Social Media Use Disorder Scale for Adolescents. Frontiers in Psychiatry, 12, 661483
    • Paschke, K., Austermann, M.I. & Thomasius, R. (2022). International Classification of Diseases-11-based external assessment of social media use disorder in adolescents: Development and validation of the Social Media Use Disorder Scale for Parents. Cyberpsychology, Behavior, and Social Networking, 25(8), 518-526
    • Rumpf, H.J., Batra, A., Bischof, A., Hoch, E., Lindenberg, K., Mann, K., Montag, C., Müller, A., Müller, K.W., Rehbein, F., Stark, R., te Wildt, B., Thomasius, R., Wölfling, K. & Brand, M. (2021). Vereinheitlichung der Bezeichnungen für Verhaltenssüchte. Sucht, 67(4), 181–185
    • Scherer, L., Mader, L., Wölfling, K., Beutel, M.E., Dieris-Hirche, J. & Müller, K.W. (2021). Nicht diagnostizierte internetbezogene Störungen im psychotherapeutischen Versorgungssystem: Prävalenz und geschlechtsspezifische Besonderheiten. Psychiatrische Praxis, 48(08), 423-429
    • Van den Eijnden, R.J., Lemmens, J.S. & Valkenburg, P.M. (2016). The social media disorder scale. Computers in human behavior, 61, 478-487
    • Wölfling, K. & Müller, K.W., Dreier, M., Ruckes, C., Deuster, O., Batra, A., Mann, K., Musalek, M., Schuster, A., Lemenager, T., Hanke, S. & Beutel, M.E. (2019). Efficacy of Short-term Treatment of Internet and Computer game Addiction (STICA): A multicenter randomized controlled trial. JAMA Psychiatry, 76(10), 1018-1025
    • Wölfling, K., Beutel, M.E., Bengesser, I. & Müller, K.W. (2022). Computerspiel- und Internetsucht – Ein kognitiv-behaviorales Behandlungsmanual, 2. Auflage. Stuttgart: Kohlhammer 
  • Der Staatsvertrag zur Neuregulierung des Glücksspielwesens in Deutschland

    Der Staatsvertrag zur Neuregulierung des Glücksspielwesens in Deutschland

    Dr. Kai W. Müller

    Unter der Bezeichnung „Störung durch Glücksspielen“ wird die unkontrollierte und zu negativen Folgeerscheinungen führende Nutzung von unterschiedlichen Glücksspielangeboten erstmals als eine Variante einer substanzungebundenen Abhängigkeitserkrankung (Verhaltenssucht) im ICD-11 (International Classification of Diseases, Weltgesundheitsorganisation, 2019) aufgeführt. Die Definition des Störungsbildes richtet sich somit nach den gängigen Kriterien von Abhängigkeitserkrankungen allgemein. Als diagnostisches Gerüst gelten die Kriterien der Priorisierung der Glücksspielnutzung vor anderen Lebensbereichen und Aktivitäten, eine verminderte Kontrolle über Art und Umfang der Glücksspielteilnahme und deren Fortführung trotz damit in Zusammenhang stehender negativer Konsequenzen.

    Besagte negative Konsequenzen können sich auf alle Lebensbereiche Betroffener beziehen, wie aus zahlreichen epidemiologischen und klinischen Studien bekannt ist (z. B. PAGE-Studie, 2011). Dazu gehören beispielsweise finanzielle Probleme, die durch ein immer risikoreicheres und intensiviertes Spielverhalten in oftmals ganz erheblicher Form auftreten. Ebenso gehen nachhaltige Schwierigkeiten in der Lebensführung und ausgeprägte soziale Konflikte mit der Erkrankung einher. Daneben ergeben sich auch Folgen für die psychische, aber auch körperliche Gesundheit: Unter Betroffenen sind psychopathologische Symptome (wie etwa erhöhte Stressbelastung und depressive Symptome) und psychische Begleiterkrankungen (hier etwa erhöhte Komorbidität für Angststörungen, affektive Störungen und Persönlichkeitsstörungen) im Vergleich zur gesunden Allgemeinbevölkerung um ein Vielfaches erhöht, und auch Zusammenhänge mit einem erhöhten Risiko für kardiovaskuläre Krankheiten scheinen mittlerweile gesichert (vgl. z. B. Müller & Wölfling, 2019).

    Der Glücksspielstaatsvertrag: Glücksspielen in geordneten Bahnen

    Aus dieser knappen Ausführung wird ersichtlich, dass es sich bei Glücksspielen eben nicht um reine Unterhaltungsprodukte handelt, sondern sich aus ihrer Nutzung ernste Beeinträchtigungen ergeben können, zumindest wenn die bewusste Kontrolle über das Spielverhalten verloren gegangen ist. Dementsprechend existiert in Deutschland ein weites Netz an unterschiedlichen Anlaufstellen für Betroffene, welches Selbsthilfe, niederschwellige Beratungsangebote, ambulante Psychotherapien und stationäre Rehabilitationsmaßnahmen sowie Nachsorgeangebote umfasst. Hier finden Menschen Hilfe, die bereits eine problematische oder auch suchtartige Glücksspielnutzung entwickelt haben. Die Versorgung bereits Betroffener ist natürlich wichtig, der Vorbeugung von neuen Erkrankungsfällen muss jedoch eine ebenso hohe Bedeutung beigemessen werden. Ein wesentlicher Baustein hierzu ist im so genannten Glücksspielstaatsvertrag (Staatsvertrag zum Glücksspielwesen in Deutschland; GlüStV) zu sehen, in welchem bundeseinheitliche Regularien für das Betreiben und die Nutzung von Glücksspielen in Deutschland festgehalten werden. Die erste Fassung des Glücksspielstaatsvertrags trat bereits im Jahre 2008 in Kraft, es folgten verschiedene Novellierungen, bis schließlich der „Staatsvertrag zur Neuregulierung des Glücksspielwesens in Deutschland“ (GlüStV 2021) ratifiziert wurde und nun zum 1.7.2021 offiziell in Kraft treten wird.

    Der Grundgedanke des ursprünglichen Glücksspielstaatsvertrags bestand darin, verbindliche Rahmenbedingungen zu definieren, die das Betreiben und die Nutzung von Glücksspielen ermöglichen. Schon die erste Fassung des GlüStV berücksichtigte Fragen nach der Verhältnis- und Verhaltensprävention einer Störung durch Glücksspielen. Hierunter fallen beispielsweise die Regulierung der Angebotsdichte (Anzahl von zulässigen Spielbetrieben) und die Möglichkeit, eine Sperrung der Teilnahme am Spielbetrieb zu veranlassen. Mit der nun verabschiedeten Neuregulierung gehen im Vergleich zu den vorherigen Fassungen teils erhebliche Änderungen einher, deren Bedeutung speziell für den Spielerschutz im Folgenden umrissen und hinsichtlich ihrer Relevanz und potenziellen Auswirkungen kommentiert werden soll.

    Der Status des Internetglücksspiels

    Eine sehr wesentliche Veränderung bezieht sich auf den zuvor wenig regulierten Markt der internetbasierten Glücksspiele. Mit der zunehmenden Verbreitung des Internets geht schon seit vielen Jahren der Trend einher, dass sich auch das virtuelle Glücksspiel stark ausdifferenziert hat. So sind es längt nicht mehr nur Pokerportale und Sportwetten, die im virtuellen Raum zugänglich sind, sondern komplette virtuelle Casinos und Automatenspiele erweitern das Angebot. Die Neufassung des Glücksspielstaatsvertrags sieht nun vor, diesen Markt explizit zu berücksichtigen. Dies ist gleichbedeutend mit einer Zulassung von Online-Automatenspielen und berechtigt die Bundesländer auch dazu, Konzessionen für Online-Casinos zu vergeben. Da jene internetbasierten Glücksspielangebote natürlich unabhängig vom Glücksspielstaatsvertrag bereits im Internet verfügbar waren, wird durch diese Entscheidung das faktische Angebot an Glücksspielformen zwar nicht wirklich größer, es könnte aber präsenter und somit auch für weitere Zielgruppen interessant werden, die sich vorher aus dieser „Grauzone“ herausgehalten haben. Diese Neuregelung hat also nicht zur Folge, dass es mehr Glücksspiele geben wird, wohl aber, dass nun mehr legale Formen zur Verfügung stehen.

    Diese grundlegende Änderung ist aus suchtpsychologischer Sicht hoch relevant. Bei internetbasierten Glücksspielen, allen voran Online-Casinos und Online-Automatenspiele, handelt es sich um Varianten von Glücksspielen, die mit erhöhten Raten an Kontrollverlust und entsprechend hohen finanziellen Verlusten einherzugehen scheinen. In vielen Beratungsstellen und klinischen Versorgungseinrichtungen lässt sich eine steigende Anzahl von Betroffenen feststellen, die vornehmlich internetbasierte Glücksspiele suchtartig nutzen. Auch höhere finanzielle Verluste bei einer Präferenz für Internetglücksspiele wurden und werden immer wieder berichtet. Zumindest um den letzten Aspekt aufzufangen, sieht der neue Glücksspielstaatsvertrag die Einrichtung einer Art zentralen Registers, der so genannten Limitdatei, vor. Hintergrund für diese Datei ist, dass es bei der Teilnahme an Internetglücksspielen ein finanzielles Limit geben soll, welches sich auf die Höchstsumme von 1.000 Euro Einsatz pro Monat beläuft. Auch wenn für einen nicht unerheblichen Teil der Spielenden diese Summe bereits mehr als ausreichend sein dürfte, um sich bei gegebenem Kontrollverlust und anderen Symptomen einer suchtartigen Nutzung in ernsthafte finanzielle Nöte zu bringen, ist diese begrenzende Maßnahme doch grundsätzlich zu begrüßen.

    Der Stellenwert der Selbstsperre

    Eine weitere wesentliche Neuregelung betrifft das Instrument der Spielersperre. Die Möglichkeit, sich selbst von der Teilnahme an Glücksspielen ausschließen zu können (Selbstsperre), stellt ein ganz zentrales Element des Spielerschutzes dar. Diese Möglichkeit war bereits in den früheren Fassungen des Glücksspielstaatsvertrags gegeben, jedoch wurde sie nun um entscheidende Aspekte erweitert. Das neu definierte Spielersperrsystem sieht vor, dass eine Sperre spielformübergreifend erwirkt wird. Personen, die für sich eine Gefährdung erkannt haben, können im Falle einer erwirkten Sperre also beispielsweise nicht mehr nur in Spielbanken keine Glücksspiele mehr tätigen, sondern sind automatisch auch von Spielhallen, Sportwetten und allen Formen internetbasierter Glücksspiele ausgeschlossen.

    Technisch ermöglicht wird dies über eine so genannte zentrale Spielersperrdatei, für welche sich natürlich datenschutzrechtliche Fragen stellen. Inhaltlich ist der Schritt zu begrüßen, eine Sperre nicht wie zuvor nur auf einzelne Spielformen oder gar örtliche Spielstätten zu begrenzen. Ein „Drift“ gefährdeter Personen zu anderen Glücksspielformen ist hierdurch deutlich unwahrscheinlicher als zuvor. Kritisch zu bewerten ist hingegen die Neuregelung hinsichtlich einer Aufhebung der Sperre. Laut Glücksspielstaatsvertrag sind nunmehr keine besonderen Nachweise wie etwa psychologische Gutachten erforderlich, um eine Sperre zu beenden. Begründet wird dieser Umstand damit, dass subjektive Hürden für die Beantragung eine Sperre gesenkt werden sollen und dass darüber hinaus Personen, welche Gutachten über eine etwaige Spielsuchtgefährdung ausstellen, vor möglichen Regressansprüchen geschützt werden sollen.

    Grundsätzlich stellt eine externe Einschätzung des Gefährdungspotenzials einer Person eine schwierige Herausforderung dar. Eine bereits bestehende Störung durch Glücksspielen kann natürlich anhand der diagnostischen Kriterien von geschultem Fachpersonal zuverlässig beurteilt werden; eine prognostische Einschätzung im Vorfeld des Vollbildes der Erkrankung (beispielsweise in einem Frühstadium) hingegen ist äußerst anspruchsvoll. Nach Einschätzung des Autors ist dennoch zu bemängeln, dass eine Aufhebung der Sperre fortan ohne externe Einschätzung möglich sein wird. Trotz der oben angeführten Schwierigkeiten der Prognose kann eine externe Beurteilung hilfreich sein, und sei es lediglich, dass sie potenziell gefährdeten Personen die Chance zu einer Reflexion der Beweggründe für ihren Wunsch nach einer Entsperrung bietet.

    Ausblick

    Schließlich wurde im Glücksspielstaatsvertrag auch beschlossen, eine „Gemeinsame Glücksspielbehörde der Länder“ zu installieren, deren Sitz in Sachsen-Anhalt liegen wird. Als Anstalt des öffentlichen Rechts wird dieser Einrichtung die Aufsicht über die Einhaltung der im Glücksspielstaatsvertrag aufgeführten Regularien obliegen. Auch wird sie dafür zuständig sein, Forschungsaufträge zu vergeben, welche die Auswirkungen der nun beschlossenen Rahmenbedingungen des Glücksspielens auf den Markt und die Bevölkerung betreffen. Dies wird nötig sein, denn bei allem Positiven, was den neuen Glücksspielstaatsvertrag fraglos kennzeichnet, gibt es doch einige Punkte, deren Sinnhaftigkeit sich erst noch bewähren muss. Nur eine unabhängige und objektive Forschung kann perspektivisch zur Klärung dieser Unwägbarkeiten beitragen.

    Kontakt:

    Dr. Kai W. Müller
    kai.mueller@unimedizin-mainz.de

    Angaben zum Autor:

    Dr. Kai W. Müller, Dipl.-Psychologe, ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bereich Forschung & Diagnostik an der Grüsser Sinopoli-Ambulanz für Spielsucht, Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität, Mainz.

    Literatur:
    • Meyer, C., Rumpf, H. J., Kreuzer, A., de Brito, S., Glorius, S., Jeske, C., Kastirke, N., Porz, S., Schön, D., Westram, A., Klinger, D., Goeze, C., Bischof, G. & John, U. (2011). Pathologisches Glücksspielen und Epidemiologie (PAGE): Entstehung, Komorbidität, Remission und Behandlung, Greifswald & Lübeck
    • Müller, K.W. & Wölfling, K. (2020). Glücksspielstörung. Stuttgart, Kohlhammer
  • „In einer Spirale nach oben“

    „In einer Spirale nach oben“

    Kurzinterventionen sind Maßnahmen zur Gesundheitsförderung oder Prävention und eignen sich bspw. bei riskantem Konsumverhalten oder ungesunden Verhaltensweisen. Das motivierende Interventionsangebot Spirale Nach Oben (kurz: SNO) bei glücksspielbezogenen Problemen zielt auf eine Verbesserung des Gesundheitszustandes und der individuellen Lebenslage. Es begleitet Glücksspielende beim Prozess der Verhaltensänderung, indem Ressourcen aktiviert werden, Problembewältigung gefördert und zum veränderten Handeln motiviert wird (vgl. NLS 2020; Majuntke 2013; Meyer & Bachmann 2017).

    Suchthilfeeinrichtungen verfolgen das Ziel, Menschen mit suchtbezogenen Problemen bei der Bewältigung ihrer gesundheitlichen Problemlagen zu unterstützen und auch Hilfe für deren Angehörige anzubieten. Betroffene werden von Fachkräften bei der Veränderung ihres Konsumverhaltens hin zu gesundheitsförderlichem Verhalten begleitet. Um Menschen mit glücksspielbezogenen Problemen fachlich beraten zu können, muss also die Frage gestellt werden, wie Menschen eine nachhaltige und für sie bedeutsame Veränderung erreichen. Eine Verhaltensänderung zu erwirken, ist oft kein leichter Prozess. Bei Suchterkrankungen gilt dies als besonders schwer, da zu Grunde liegende psychische Probleme oft schon länger bestehen und das schambesetzte Verhalten die Inanspruchnahme von Hilfe erschwert (vgl. NLS 2014; Meyer & Bachmann 2017; Hayer 2012; Wöhr & Wuketich 2019; Inglin & Gmel 2011).

    Pathologisches Glücksspielen zählt seit 1980 zu den Störungen der Impulskontrolle und ist seit 2001 von deutschen Kostenträgern als rehabilitationsbedürftige Erkrankung anerkannt. Als eigenständige Verhaltenssucht ist die Spielsucht jedoch erst seit 2013 in der neuen Fassung des DSM-5 kategorisiert (DSM-5, USA). Auch in der ICD-11, die am 1. Januar 2022 in Kraft treten soll, wird die Störung durch Glücksspielen als Verhaltenssucht eingeordnet. Auf neurologischer Ebene lassen sich bspw. Störungen des Belohnungssystems erkennen, die dazu führen können, dass das Verlangen nach dem Suchtmittel stärker ist als die Initiative zur Verhaltensänderung. Glücksspielen erzeugt vergleichbare Effekte wie der Konsum von Substanzen, weshalb gerade Kinder und Jugendliche gefährdet sind, eine Suchterkrankung zu entwickeln (vgl. Hayer 2012; BZgA 2018). Doch wie kann Einfluss auf das Verhalten genommen und dieses nachhaltig verändert werden? Diskutiert werden bspw. der Einfluss von Selbstreflexion und Selbstkontrolle sowie Selbstwirksamkeit und Veränderungsmotivation (vgl. Meyer & Bachmann 2017; Stetter 2000; Kushnir et al. 2016; NLS 2014; BZgA 2018).

    „Spielen macht seit Menschengedenken Alt und Jung Spaß und gehört zum menschlichen Verhaltensmuster. Wenn wir an kleine Kinder denken, verbinden wir Spielen mit Lernen und leuchtenden Augen. Bei Erwachsenen stellen wir uns fröhliche Runden mit Gesellschaftsspielen vor. Spielen heißt aber auch, Geld auf einen unkalkulierbaren Sieg in Spielhallen, Spielbanken, Lotterien und Internet zu setzen. […] Insbesondere gilt es, Jugendliche vor dem Abrutschen in glücksspielsüchtiges Verhalten zu bewahren sowie Menschen mit einem problematischen Glücksspielverhalten frühzeitig Hilfen anzubieten“ (NLS 2010: 4).

    Glücksspielsuchthilfe in Niedersachsen

    Im Mittelpunkt der niedersächsischen (Gesundheits-)Politik stehen auch die Prävention und Beratung bei Glücksspielsucht. Die niedersächsische Glücksspielsuchthilfe wird landesweit durch die Niedersächsische Landesstelle für Suchtfragen (NLS) koordiniert. Das Land Niedersachen fördert seit 2008 den Ausbau der glücksspielsuchtspezifischen Prävention in der Region und unterstützt deren Weiterentwicklung. In enger Zusammenarbeit mit der NLS werden Präventionsansätze, Beratungsangebote und Interventionen gezielt für Risikogruppen konzipiert und fortgeschrieben. Um den spezifischen Bedürfnissen der betroffenen Personen sowie ihrer Angehörigen begegnen zu können, hält das Landesprojekt regionale Beratungsangebote an 24 Projektstandorten und speziell ausgebildete Glücksspielsuchtfachkräfte bereit (vgl. NLS 2013/2014; Majuntke 2013). Diese Beratungsangebote wie auch das Interventionsangebot „Spirale Nach Oben“ wurden speziell für den Glücksspielsuchtbereich angepasst. Die verpflichtenden Schulungen bzw. Fortbildungen der Fachkräfte erfolgen überregional und werden durch die NLS fachlich begleitet (vgl. NLS 2013/2014).

    Einen wichtigen Faktor in der Prävention und Behandlung von glücksspielbezogenen Problemen stellt die personelle Verstärkung der Suchthilfe dar. Durch die Fachkräfte, welche seitens der NLS ausgebildet wurden, konnten im Rahmen des Landesprojektes die präventiven und beratenden Aufgabenfelder verstärkt werden. Diese Aufgabenfelder verfolgen das Ziel der Vermeidung und der Abwehr glücksspielbezogener Suchtgefahren auf universeller und regionaler Ebene. Um dieses Ziel zu erreichen, führen die Fachkräfte sowohl kurzfristig angelegte, informationsorientierte als auch längerfristig angelegte, problemorientierte Beratungsarbeit durch (vgl. NLS 2014; Majuntke 2013; NGlüSpG §1 Abs. 5). Diese Beratungsarbeit ist angelehnt an den klientenzentrierten Beratungsprozess. Bei diesem werden durch Reflexion, Spiegelung und motivierende Gesprächsführung individuelle Lösungen und Bewältigungsmöglichkeiten entwickelt. Ggf. erfolgt die Weitervermittlung in eine spezialisierte Rehabilitationsmaßnahme (ambulant/stationär) und eine anschließende Betreuung zur Stabilisierung und Sicherung des Therapieerfolges (vgl. NLS 2014; Prochaska & DiClemente 1982; Majuntke 2013).

    Das für den Glücksspielbereich adaptierte Interventionsprogramm „Spirale Nach Oben“ (SNO) zur Reduzierung des problematischen Spielverhaltens dient den Fachkräften dabei als Arbeitshilfe. Diese Arbeitshilfe ist eine Adaption eines Manuals aus dem Hartdrogenbereich. Das ursprüngliche Kurzinterventionsprogramm „In einer Spirale nach oben. Mehr Selbstkontrolle über Drogengebrauch“ wurde in Deutschland und in anderen europäischen Ländern bereits in der Praxis erprobt und wissenschaftlich begleitet (vgl. NLS 2014; Majuntke 2013; Amsterdam Institute for Addiction Research, AIAR 2005). Die Arbeitshilfe SNO kommt in präventiven Arbeitsfeldern zur Erreichung eines reflektierten, veränderten Spielverhaltens zum Einsatz. In Therapie und Beratung wird sie in unterschiedlichen Settings eingesetzt, z. B. prozessbegleitend oder informativ ergänzend im Einzel-, Paar- oder Gruppengespräch (vgl. NLS 2014; Majuntke 2013; NGlüSpG §1 Abs. 5).

    Methodische Grundlagen der Arbeitshilfe „In einer Spirale nach oben“

    Das Interventionsprogramm wurde 2013 unter dem Titel „In einer Spirale nach oben – der Einstieg in den Ausstieg aus problematischem Glücksspielverhalten“ veröffentlicht (vgl. NLS 2013). Im Beratungskontext eingesetzt, werden kleine Veränderungen als Handlungsmöglichkeiten dargestellt, anhand derer der Weg zu mehr Selbstkontrolle und einem reduzierten Konsum aufgezeigt wird. Gezielte Fragen und praktische Lösungsansätze sollen eine aktive Auseinandersetzung mit dem (Spiel-)Verhalten bewirken. Die Arbeitshilfe unterstützt in zehn Schritten die Veränderung hin zu mehr spielfreier Lebensqualität. Fortschritte können gezielt erreicht werden: Sie zeigen sich in Absichtsbildung, Vorbereitung und Aktion. Das Programm SNO begleitet verschiedene Veränderungsstadien, so kann z. B. ein besseres Problemverständnis erlangt oder das Erkennen von Frühwarnsignalen unterstützt werden. Das Thema Glücksspielen wird schrittweise anhand von Beispielen und Arbeitsblättern thematisiert, z. B. werden alternative Beschäftigungen oder Strategien des Geldmanagements erarbeitet. Aufgabenstellungen sollen die Beurteilung und Reflexion des eigenen Spielverhaltens ermöglichen (vgl. NLS 2020; Prochaska & DiClemente 1992; Majuntke 2013).

    SNO basiert auf dem transtheoretischen Modell der Verhaltensänderung nach Prochaska und DiClemente. Bei diesem Modell verläuft die Veränderung in Stadien, in denen es von der Bildung einer Absicht bis zur eigentlichen Veränderung kommt. Die Verhaltensänderung wird strategisch durch Beratung begleitet, die sich zugleich am Tempo und der jeweiligen Phase der betroffenen Person orientiert und dadurch eine optimale Begleitung und prozessorientierte Unterstützung bietet (vgl. Prochaska & DiClemente 1982; Uhl & Lutz 2020; Maurischat 2001; Kushnir et al. 2016).

    Das transtheoretische Modell stellt die Verhaltensänderung als mehrstufigen Lernprozess dar. Oft müssen Veränderungsphasen mehrmals durchlaufen werden, bis sich das Erlernte verfestigt hat. Unterschieden wird zwischen Stufen, Prozessen und Ebenen der Veränderung: Das spiralförmige Durchlaufen der fünf bzw. sechs Veränderungsstufen, beschreibt die motivationalen Zustände. Die Prozesse können dabei in Schleifen ablaufen, bspw. durch Rückfälle auf eine niedrigere Stufe, die zum Lernprozess dazugehören. Unterschiedliche Stufen und Prozesse werden auf verschiedenen Ebenen der Veränderung wirksam, z. B. auf interpersoneller Ebene durch die Reduzierung von Konflikten oder auf der Ebene des Suchtverhaltens durch Reduktion der Spielhäufigkeit. Die Stufen, die im Verlauf der Verhaltensveränderung durchlaufen werden, finden sich als einzelne Schritten in der Arbeitshilfe wieder (vgl. Tab. 1).

    Tab. 1: Eigene Darstellung der Schritte der Arbeitshilfe SNO nach dem transtheoretischen Modell (vgl. Maurischat 2001; Majuntke 2013; NLS 2013; Prochaska & DiClemente 1982; Uhl & Lutz 2020)

    (Selbsthilfe-)Manuale verfolgen das allgemeine Ziel, in leichtverständlicher Weise spezifisches Wissen weiterzugeben und/oder Kompetenzen im Umgang mit (Bewältigungs-)Techniken zu vermitteln. Die Arbeitshilfe SNO bietet Ansätze zur Einschätzung, Beeinflussung und Stabilisierung des Spielverhaltens. Erste Reduktionsziele werden eigenverantwortlich erreicht, wodurch sich die Person wieder selbstwirksam erlebt. Die Arbeitshilfe SNO bietet mit einem zieloffenen Ansatz die Möglichkeit, einen niedrigschwelligen Zugang zu schaffen und somit auch jene Personen anzusprechen, die durch abstinenzorientierte Konzepte nicht erreicht werden. Dabei geht sie auf die Vielfältigkeit der Problemfelder von Glücksspielabhängigkeit ein. Die motivierenden Aspekte der Intervention bereiten den Weg zur Reduktion und zu mehr Selbstkontrolle über das eigene Spielverhalten. Die Betroffenen werden dabei unterstützt, selbstbestimmt gesundheitsförderlich zu handeln sowie Tempo und Umfang des Reduktionsbestrebens erfolgreich selbst zu bestimmen (vgl. NLS 2020; Meyer & Bachmann 2017.; Majuntke 2013; NLS 2014/2020).

    Konzept von SNO im Beratungskontext:

    • Krankheitseinsicht, Selbstreflexion und Absichtsbildung werden gefördert und können gesprächsbegleitend verfestigt werden.
    • Tempo und Ziele werden durch die betroffene Person selbst vorgegeben.
    • Verwendung von Arbeitsblättern ermöglicht die Dokumentation von Erfolgen und visualisieren den Fortschritt.
    • Aufbau der Arbeitshilfe strukturiert das Gespräch und den Beratungsprozess.
    • Aufgabenstellung und Hausaufgaben begleiten durch den spielfreien Alltag und unterstützen die Vorbereitung.
    • Keine Erzeugung von äußerem Druck oder Bevormundung bei der betroffenen Person durch Ergebnisoffenheit und kleine Schritte.
    • Akzeptanz, Respekt und Selbstbestimmung werden gefördert.

    Aktualisierung der Arbeitshilfe SNO

    Im Zeitraum von 2015 bis 2020 wurde die Arbeitshilfe evaluiert und bearbeitet. Unter Leitung von Prof. Dr. Knut Tielking führte die Hochschule Emden/Leer, Fachbereich Soziale Arbeit und Gesundheit, in enger Zusammenarbeit mit der NLS und mit Fachkräften der niedersächsischen Glücksspielsuchthilfe eine Untersuchung durch. Im Projektzeitraum wurden Arbeitsweise, Einsatzfelder und Verwendungsform der Arbeitshilfe untersucht sowie bisherige Erfahrungen ausgewertet. Nachfolgend wurde das Interventionsangebot weiterentwickelt und zielgruppenorientiert angepasst. Erfahrungen aus der Beratungspraxis und wissenschaftliche Erkenntnisse gingen in die Überarbeitung ein. Design, (An-)Sprache und Inhalt der Arbeitshilfe wurden verändert und Themenbereiche spezifisch für Glücksspielsucht mit Beispielen und Vorlagen angepasst. Auch wurden sprachliche Anpassungen vorgenommen, um einer Stigmatisierung von Glücksspielenden entgegenzuwirken. Negative Attribute wie ein Mangel an Selbstkontrolle, moralische Schwäche oder Impulsivität erschweren nicht nur den Betroffenen den Zugang zu Hilfeangeboten, sondern stellen auch Therapiehindernisse dar. Mitunter können entsprechende Stigmata zum Ausschluss von verschiedenen Versorgungsangeboten, vor allem von strikt abstinenzorientierten Einrichtungsangeboten, führen (vgl. Wöhr & Wuketich 2019; Goffman 1986; Orford & McCartney 1990; Inglin & Gmel 2011; Grunfeld et al. 2004; NLS 2013).

    Die aktuelle Fassung der Arbeitshilfe SNO kann über die NLS kostenlos als Download bezogen werden: http://www.nls-online.de/shop/index.php/online-shop/glückspielsucht/gluecksspielsucht-spirale-detail.html

    Ausblick

    Interventionsmaßnahmen wie das Angebot SNO der niedersächsischen Glücksspielsuchthilfe zielen auf die gesundheitsförderliche Verhaltensänderung. Das Programm SNO begleitet den beratenden Prozess angepasst an die Ziele, Änderungsbereitschaft und Motivation der jeweiligen Person. Der Programmaufbau ist einfach und bietet Ansätze für die motivierende Gesprächsführung und eine individualisierte Rückmeldung. Fachkundige Personen mit Bezug zum Thema Glücksspielsucht ohne suchtspezifische Ausbildung können die Umsetzung der Intervention schnell erlernen und in verschiedenen Settings (Suchthilfe- und Bildungseinrichtungen etc.) einsetzen. Damit können sie frühzeitig für die Risiken und Gefahren sensibilisieren und zur Inanspruchnahme weiterführender Hilfen motivieren. Die Wirksamkeit motivierender Kurzinterventionen zeigt sich bei vielen Präventionsmaßnahmen zum gesundheitsgefährdenden Substanzkonsum, wie z. B. Tabak-, Drogen- oder Alkoholkonsum bei Jugendlichen (vgl. Reis et al. 2009; Majuntke 2013; Stolle et al. 2013; Wurdak et al. 2016).

    Das Kurzinterventionsangebot SNO setzt bei der Reduktion von Widerständen, Stigmatisierung und fremdbestimmter Zielsetzung an. Wie auch einige der anderen Gesundheitsprogramme (z. B. gegen Bewegungsmangel oder zur Stressbewältigung) soll das niedrigschwellige Angebot für weniger Abwehr bei der reflexiven Auseinandersetzung mit dem problematischen Verhalten sorgen. Schriftliche Informationen, wie auch einfache Maßnahmen (Kurzberatung, Feedback usw.) bewirken zudem eine erste Auseinandersetzung mit dem eigenen Konsumverhalten. Kurzinterventionen bieten neben einer ersten Hilfe zur Selbstexploration vor allem Chancen für einen frühzeitigen Zugang von Menschen mit einem Gesundheitsproblem in die (suchtspezifische) Gesundheitsversorgung. Dies ist ein wichtiger Ansatzpunkt, denn eine Inanspruchnahme suchtspezifischer Hilfeangebote durch Risikokonsumierende ist eher gering und noch seltener frühzeitig.

    Die landes- und bundesweite Förderung solcher suchtspezifischen und gesundheitsförderlichen Interventionsangebote wie das Programm SNO ist bedeutsam für die erfolgreiche Prävention und frühzeitige Behandlung von Glücksspielsuchtproblemen. Gesundheitspolitische Bemühungen sollten daher die glücksspielbezogene Suchthilfe und Forschung bei den neuen Herausforderungen unterstützen, um die Bevölkerung effektiv vor den Gefahren und Risiken, auch von illegalem und simuliertem Glücksspiel, zu schützen (vgl. Majuntke 2013; NLS 2014; Stolle et al. 2013; Wurdak et al. 2016; Fleckenstein et al. 2019).

    Kontakt:

    Meike Panknin-Rah
    Fachbereich Soziale Arbeit und Gesundheit
    Hochschule Emden/Leer
    Constantiaplatz 4
    26723 Emden
    meike.panknin-rah@hs-emden-leer.de

    Angaben zu den Autor*innen:

    Prof. Dr. Knut Tielking ist Professor für Soziale Arbeit mit dem Schwerpunkt Sucht- und Drogenhilfe an der Hochschule Emden/Leer, Fachbereich Soziale Arbeit und Gesundheit. Er ist Leiter des Forschungsprojektes „Bedeutung der Selbstkontrolle für die Reduzierung des eigenen Glücksspielverhaltens – Untersuchung am Beispiel des Manuals ‚In einer Spirale nach oben – der Einstieg in den Ausstieg aus problematischem Glücksspielverhalten‘“ (2015–2020). Christina Diekhof und Meike Panknin-Rah sind wissenschaftliche Mitarbeiterinnen am Fachbereich Soziale Arbeit und Gesundheit an der Hochschule Emden/Leer.

    Literatur:
    • Amsterdam Institute for Addiction Research (AIAR) (2004): In einer Spirale nach oben. Wege zur mehr Selbstkontrolle und reduziertem Drogenkonsum. Stiftung Sirop: Amsterdam.
    • Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) (2018): Glücksspielverhalten und Glücksspielsucht in Deutschland 2017. Ergebnisbericht. Technical report. Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung: Köln.
    • Fleckenstein, M./ Heer, M./ Leiberg, S./ Gex-Fabry, J./ Lüddeckens, T. (2019): Leistungssensible Suchttherapie: Vorstellung und Wirksamkeitsprüfung einer neuer Kurzintervention. Suchttherapie 20. 68-75.
    • Goffman, E. (1986): Stigma. Notes on the management of spoiled identity. Simon and Schuster: New York.
    • Grunfeld, R./ Zangenneh, M./ Grundfeld, A. (2004): Stigmatization Dialogue: Deconstruction and Content Analysis. INTERNATIONAL JOURNAL OF MENTAL HEALTH & ADDICTION, 1.Jg., Heft 2, 1–14.
    • Hayer T. (2012): Jugendliche und Glücksspielbezogene Probleme. In: Becker T. (Hrsg.). Schriftenreihe zur Glücksspielforschung. Peter Lang-Verlag. o. O.
    • Inglin, S./ Gmel, G. (2011): Beliefs about and attitudes toward gambling in French-speaking Switzerland. Journal of gambling studies, 27. Jg., Heft 2, 299–316.
    • Kushnir, V./ Godinho, A./ Hodgins, D./ Hendershot, C./ Cunningham, J. (2016): Motivation to quit or reduce gambling: Associations between Self-Determination Theory and the Transtheoretical Model of Change. In: J Addict Dis. 2016;35(1):58-65.
    • Maurischat, C. (2001): Erfassung der „Stage of Change“ im Transtheoretischen Modell Procháskas – eine Bestandsaufnahme. Psychologisches Institut, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. Internetquelle: https://www.psychologie.uni-freiburg.de/forschung/fobe-files/154.pdf. Abgerufen am: 14.06.2020.
    • Majuntke, I. (2013): In einer Spirale nach oben. Einstieg in den Ausstieg aus problematischem Glücksspielverhalten. Internetquelle: http://www.gluecksspielsucht.de/files/19_majuntke_fags_2013.pdf. Abgerufen am 12.06.2020.
    • Meyer, G./ Bachmann M. (2017): Spielsucht. Ursachen, Therapie und Prävention von glücksspielbezogenem Suchtverhalten. Springer Verlag GmbH, Berlin.
    • Niedersächsische Landesstelle für Suchtfragen (NLS) (2010): Gemeinsam gegen Glücksspielsucht. Zwischenbericht zum Projekt „Glücksspielsucht in Niedersachsen – Prävention und Beratung“. Hannover. Internetquelle: https://nls-online.de/home16/images/nls/Gl%C3%BCcksspiel/Gemeinsam_gegen_Gluecksspielsucht.pdf. Abgerufen am: 02.06.2020.
    • Niedersächsische Landesstelle für Suchtfragen (NLS 2013): In einer Spirale nach oben. Arbeitshilfe zur Reduktion des eigenen Glücksspielverhaltens. 1. Auflage. Internetquelle: http://nls-online.de/home16/images/nls/Glücksspiel/Spirale_nach_oben_Internet.pdf. Abgerufen am: 02.06.2020.
    • Niedersächsische Landesstelle für Suchtfragen (NLS) (2014): Konzept zur Prävention und Beratung von Glücksspielsucht in Niedersachsen – Fortschreibung 2014. Internetquelle: https://nls-online.de/home16/index.php/downloads/cat_view/35-gluecksspielsuchtpraevention. Abgerufen am 01.06.2020.
    • Niedersächsische Landesstelle für Suchtfragen (NLS) (2016): Jahresbericht. NLS, Hannover
    • Niedersächsische Landesstelle für Suchtfragen (NLS) (2020): In einer Spirale nach oben. Auf dem Weg zu einem anderen Glücksspielverhalten. Internetquelle: https://nls-online.de/shop/index.php/online-shop/gl%C3%BCckspielsucht/gluecksspielsucht-spirale-detail.html Abgerufen am 01.07.2020.
    • Orford, J./ McCartney, J. (1990): Is excessive gambling seen as a form of dependence? Evidence from the community and the clinic. Journal of gambling studies, 6. Jg., Heft 2, 139–152.
    • Prochaska, J. & DiClemente, C. (1982). Transtheoretical therapy: Toward a more integrative model of change. Psychotherapy: Theory, Research & Practice19 (3), 276–288.
    • Reis, O./ Papke, M./ Haessler, F. (2009): Ergebnisse eines Projektes zur kombinierten Prävention jugendlichen Rauschtrinkens. Sucht, 55, 347–356.
    • Stetter, F. (2000): Psychotherapie von Suchterkrankungen. In: Psychotherapeut 45:141–152 Springer-Verlag.
    • Stolle, M./ Sack, P.M./ Broening, S./ Baldus, C./Thomasius, R. (2013): Brief Intervention in alcohol intoxicated adolescent – a follow-up study in an access-to-care sample. Journal of Alcoholism & Drug Dependence, 1, 106. DOI:10.4172/2329-6488.1000106. Abgerufen am 01.06.2020.
    • Uhl, M./ Lutz, W. (2020): „Transtheoretisches Modell“ in: Wirtz, M.A. (Hrsg.): Dorsch – Lexikon der Psychologie. Internetquelle: https://portal.hogrefe.com/dorsch/transtheoretisches-modell-1/. Abgerufen am 24.06.2020.
    • Wöhr, A./ Wuketich, M. (2019): Stigmatisierung von Glücksspielern als Zuschreibungsprozess. In Wöhr, A./ Wuketich, M. (Hrsg.) (2019): Multidisziplinäre Betrachtung des vielschichtigen Phänomens Glücksspiel. Festschrift zu Ehren des 65. Geburtstags von Prof. Dr. Tilman Becker. Springer VS: Wiesbaden.
    • Wurdak, M./ Wolstein, J./ Kuntsche, M. (2016): Effectiveness of a drinking-motive-tailored emergency-room intervention among adolescents admitted to hospital due to acute alcohol intoxication – A randomized controlled trial. Preventive Medicine Reports, 3, 83–89.
  • Always on?!

    Always on?!

    Dr. Klaus Wölfling
    Dr. Klaus Wölfling
    Dr. Kai W. Müller
    Dr. Kai W. Müller
    Prof. Manfred Beutel
    Prof. Dr. Manfred E. Beutel
    Jun.-Prof. Dr. Leonard Reinecke. Foto: Richard Lemke

     

     

     

     

    Die zunehmende Verbreitung des Internets und insbesondere die hohe Nutzungsrate bei Jugendlichen (JIM-Studie, 2015) hat in den letzten Jahren zu einem intensiven gesellschaftlichen sowie wissenschaftlichen Diskurs geführt. Im Zentrum steht die Frage nach den Folgen der Digitalisierung. Da sich die Nutzung ‚neuer‘ Medien in annähernd allen Gesellschaftsschichten mit einer beispiellosen Geschwindigkeit vollzieht, fehlen weitestgehend Vergleichsmöglichkeiten in Bezug auf die positiven wie auch negativen Auswirkungen auf gesellschaftlicher und individueller Ebene. Aktuelle Statistiken weisen aus, dass das Internet unter Kindern und Jugendlichen einen besonders hohen Stellenwert einnimmt und internetbasierte Aktivitäten wie etwa Chats und weitere Kommunikationsplattformen, aber auch Online-Computerspiele und Unterhaltungsportale einen integralen Bestandteil im Leben und Aufwachsen dieser Generation darstellen (JIM-Studie, 2015). Diese Generation wird auch als „Digital Natives“ (deutsch: Digitale Eingeborene) bezeichnet.

    Mehr noch als in erwachsenen Bevölkerungsschichten ist hier ein Spannungsfeld zu beobachten, in welchem einerseits Befürwortung der Internetnutzung, andererseits Bedenken hinsichtlich möglicher nachteiliger Effekte auf die Entwicklung der Kinder und Jugendlichen aufeinandertreffen. Während theoretisch zu erwarten ist, dass beide Positionen in gewissem Maße zutreffen, muss aus empirischer Sicht festgehalten werden, dass derzeit lediglich eine dünne und damit insgesamt wenig belastbare Datengrundlage existiert, welche die mittel- und langfristigen Folgen der Digitalisierung unseres Lebens abbilden könnte. So bleiben wichtige Fragen vorerst ungeklärt, wie etwa die Auswirkung der Digitalisierung auf die Entwicklung der sozioemotionalen Kompetenz oder die Fähigkeit, internetbasierte Fertigkeiten auf andere Lebensbereiche übertragen zu können. Eine besondere Rolle nimmt die Frage ein, welche Auswirkungen eine intensive bis exzessive Mediennutzung auf die psychische Gesundheit hat.

    „Nur eine Phase?“ – und weitere offene Fragen

    Ein viel diskutierter und eindeutiger Nachteil, den die Digitalisierung gebracht hat, ist das Auftreten eines neuen Störungsbildes. Die im Jahr 2013 erfolgte Aufnahme der „Internet Gaming Disorder“ in das Klassifikationssystem für psychische Störungen (DSM-5) als Forschungsdiagnose zeugt davon, dass mit der Verbreitung des Internets auch vorher unbekannte gesundheitsrelevante Auswirkungen der Mediennutzung festzustellen sind (APA, 2013). Aktuelle querschnittliche Erhebungen konnten zeigen, dass ein nicht zu vernachlässigender Anteil der deutschen Allgemeinbevölkerung und gerade auch der Jugendlichen computerspiel- oder internetsüchtiges Verhalten aufweist und hierüber teils dramatische Einschränkungen der psychischen Gesundheit hinnehmen muss. Jedoch stellt sich die Frage nach der zeitlichen Stabilität suchtartiger Internetnutzung: Handelt es sich bei dem Verhalten eher um ein fokussiertes Interesse und damit nur um eine ‚Phase‘? Oder ist das Medienverhalten tatsächlich eine Sucht und bedarf externer, professionaler Hilfe? Außerdem stellt sich die Frage nach den Entstehungsbedingungen einer exzessiven Nutzung: Welche Risikofaktoren begünstigen einen suchtartigen Medienkonsum und welche Faktoren wirken – vielleicht trotz einer intensiven Nutzung – schützend?

    Während seit etwa zehn Jahren eine Zunahme von Querschnittstudien – teilweise auch in Form von repräsentativen Erhebungen – zu verzeichnen ist und somit die oben stehenden Fragen zum Teil schon in den Fokus wissenschaftlichen Interesses gerückt sind, stellen Längsschnitterhebungen noch immer eine Seltenheit dar. Dies ist ungünstig, da Querschnitterhebungen zwar wichtige Erkenntnisse zum Thema erlauben, konkrete Aussagen über die kausalen Zusammenhänge bestimmter Merkmale jedoch nur über längsschnittliche Forschungsmethoden getroffen werden können.

    Viele Jugendliche durchlaufen Phasen mit gesteigertem Interesse an bestimmten Themen. Hierbei handelt es sich um ein aus entwicklungspsychologischer Sicht ganz normales Phänomen, welches für die Autonomieentwicklung in dieser Phase sogar notwendig ist. Diese Phasen können spontan enden oder von neuen Phasen abgelöst werden. Auch von risikoreichem Verhalten wie etwa dem Rauschmittelkonsum ist bekannt, dass sich Konsummuster aus dem Jugendalter keineswegs zwangsläufig im Erwachsenenalter fortsetzen müssen, sondern ebenfalls einer spontanen Remission unterliegen können (Moffitt, 1993). Analog könnte es sich mit dem problematischen bzw. suchtartigen Mediengebrauch verhalten, d. h. es könnte sich hierbei lediglich um eine temporäre Erscheinung in der Entwicklung handeln.

    Viele Studien zur Internetsucht beschränken sich auf eine einmalige Erhebung des Phänomens, also auf eine Abbildung der Situation im Hier und Jetzt. Um den Verlauf bzw. die zeitliche Stabilität abzubilden, sind solche Studiendesigns demnach ungeeignet. Lediglich Längsschnitterhebungen, die ein und dasselbe Phänomen bei denselben Personen zu mehreren unterschiedlichen Zeitpunkten erfassen, können Aufschluss über wichtige Zusammenhänge und tiefere Einblicke in die Thematik geben. Solche Studien werden aufgrund des damit verbundenen enormen Aufwands jedoch zum einen selten durchgeführt, und zum anderen sind sie häufig methodisch nicht einwandfrei. So stellt sich etwa immer wieder das Problem, dass die untersuchte Kohorte nicht über den zeitlichen Verlauf gehalten werden kann, was bisweilen in Stichprobenreduktionen auf zum Teil deutlich unter 50 Prozent resultiert. Aus diesen Gründen ist die Forschungsliteratur zur zeitlichen Stabilität suchtartiger Internet- und Computerspielnutzung, aber auch zu anderen Langzeiteffekten der Mediennutzung durch Jugendliche deutlich unterrepräsentiert. Der bisherige Stand der Forschung soll nachstehend kurz zusammengefasst werden.

    Befunde bisheriger Längsschnittstudien

    Forscher untersuchten im Jahr 2014 rund 3.000 Schüler in Taiwan im Alter zwischen 15 und 17 Jahren über einen Zeitraum von zwölf Monaten bezüglich der Stabilität internetsüchtigen Verhaltens (Chang, Chiu, Lee, Chen & Miao, 2014). Es wurde festgestellt, dass rund 66 Prozent der anfänglich als internetsüchtig diagnostizierten Jugendlichen auch noch bei der (abschließenden) zweiten Messung die diagnostischen Kriterien für eine Internetsucht erfüllten. Positiv hervorzuheben ist die methodische Stärke der Studie: So wurde auf einen gut etablierten Fragebogen zurückgegriffen (CIAS, Chen Internet Addiction Scale; Chen, Weng & Su, 2003) und eine hohe Haltequote der Studienteilnehmer erzielt: 77 Prozent der Schüler nahmen zu beiden Messzeitpunkten teil. Eine weitere Untersuchung aus dem asiatischen Raum fand über einen Zeitraum von drei Jahren statt (Yu & Shek, 2013). Von den 3.300 jugendlichen Befragten nahmen noch 80 Prozent zum letzten Zeitpunkt an der Befragung teil. Der Anteil der Jugendlichen mit Internetsucht erwies sich hier als annähernd stabil: Während zum ersten Zeitpunkt 26 Prozent die Kriterien einer Internetsucht erfüllten, belief sich der Anteil zum Zeitpunkt der letzten Befragung noch auf 23 Prozent.

    Speziell zur Computerspielsucht führten Gentile und Kollegen (2011) eine Studie an 3.000 Jugendlichen aus Asien durch. Ihre Ergebnisse deuten ebenfalls auf eine hohe Stabilität des Problemverhaltens hin. 84 Prozent der zu Beginn als suchtartige Spieler eingeschätzten Jugendlichen zeigten auch noch nach zwei Jahren das gleiche Problemverhalten. Methodisch zu bemängeln ist jedoch die Verwendung eines bislang nicht anerkannten Fragebogens zur Klassifikation der Computerspielsucht.

    Interessanterweise kommen Längsschnittstudien mit europäischen Teilnehmern zu abweichenden Ergebnissen und legen eher den Schluss einer mittleren bis schwachen zeitlichen Stabilität des suchtartigen Verhaltens nahe. Lemmens, Valkenburg und Peter (2011) berichten für eine kleine Stichprobe von 851 Jugendlichen über einen Zeitraum von sechs Monaten geringe Stabilitäten der Diagnose Computerspielsucht. Sie zeigten jedoch gleichzeitig auf, dass eine suchtartige Computerspielnutzung eine zumindest exzessive (also zeitlich ausufernde) Computerspielnutzung sechs Monate später voraussagte. Das Problemverhalten remittierte also nicht vollständig.

    Eine erste Untersuchung basierend auf einer repräsentativen Bevölkerungsstichprobe in Deutschland nahmen Scharkow, Festl und Quandt (2014) an 4.500 regelmäßigen Computerspielern vor. Hier zeigte ein Prozent der Befragten über den gesamten Zeitraum von zwei Jahren ein problematisches Computerspielverhalten, wohingegen es bei drei Prozent zu einer Veränderung hin zu einem unauffälligen Computerspielverhalten kam. Obgleich dieser Studie eine wichtige Pionierrolle für den deutschen Sprachraum zukommt, lassen sich doch methodische Unzulänglichkeiten finden. Diese betreffen insbesondere die geringe Haltequote der Stichprobe (lediglich 902 der initial 4.500 Teilnehmer konnten zwei Jahre später nachbefragt werden).

    In den oben berichteten Untersuchungsergebnissen wird eine erhebliche Heterogenität deutlich. Daraus lässt sich ein Bedarf an methodisch hochwertigen Studien mit mehreren Messzeitpunkten, ausreichender und kohortenspezifischer Teilnehmerzahl zu allen Messzeitpunkten und zuverlässigen Instrumenten zur Messung der Internetsucht ableiten.

    Schutz- und Risikofaktoren

    Insbesondere erscheint es relevant, in solchen langfristig angelegten Untersuchungen Faktoren ausfindig zu machen, die zu einer Stabilität der Problematik beitragen können oder diese gar bedingen. Erkenntnisse über schützende Faktoren, die zu einer Verbesserung der suchtartigen Mediennutzung beitragen, sind vor allem für die Ableitung präventiver Strategien, aber auch für Interventionsprogramme wichtig. Gerade in dieser Hinsicht mangelt es derzeit noch an aussagekräftigen Forschungsbefunden. Ob sich eine verstärkte Mediennutzung nachteilig auf bestimmte Gruppen von Adoleszenten, die beispielsweise eine spezifische Vulnerabilität mitbringen, auswirkt und welche Einflüsse hierzu beitragen, muss von daher eine wesentliche Aufgabenstellung der modernen Forschung sein. Einen theoretischen Ausgangspunkt für die Formulierung zielgerichteter Hypothesen bietet die inzwischen reichhaltige Literatur aus Querschnittserhebungen.

    Wenngleich die Anzahl jener Studien, die sich gezielt mit der Frage nach Schutz- und Risikofaktoren befassen, noch überschaubar ist, deuten einzelne Befunde doch darauf hin, dass das Auftreten einer Internetsucht unter bestimmten Voraussetzungen wahrscheinlicher ist. Ähnlich wie bei anderen psychischen Erkrankungen und Abhängigkeitsphänomenen legt die Forschung einen Zusammenhang zwischen bestimmten Persönlichkeitsdimensionen und Internetsucht nahe. Demnach ist in erhöhtem Neurotizismus, niedriger Gewissenhaftigkeit oder verminderter Extraversion zumindest ein Korrelat internetsüchtigen Verhaltens zu sehen und möglicherweise sogar ein kausaler Faktor, der die Krankheitsentstehung direkt beeinflusst (vgl. z. B. Müller et al., 2014; Kuss et al., 2014; Braun et al., 2015; für eine Übersicht vgl. Müller, 2013). Hiervon ausgehend kann angenommen werden, dass möglicherweise das Gefühl von einer bedrohlichen Welt voller potenzieller Stressoren zu einer stärkeren Hinwendung zum Internet führt. In dieser als sicher und berechenbar erlebten Online-Welt kann der Jugendliche Belastungen entfliehen und erlebt eine erhöhte Selbstwirksamkeit (Müller, 2013). Im Umkehrschluss ist gleichzeitig anzunehmen, dass es bestimmte Umstände gibt, die eine Remission des exzessiven oder gar suchtartigen Nutzungsverhaltens begünstigen – und eben dieser Punkt ist es, über den es zum aktuellen Zeitpunkt noch so gut wie keine Erkenntnisse gibt. Wissen über diese Thematik würde entscheidende Vorteile mit sich bringen. Im Sinne der positiven Psychologie wäre es etwa möglich, ressourcenfördernd bzw. -aktivierend zu arbeiten und bestehende Präventionskonzepte um entsprechende Module zu ergänzen.

    Einen Versuch, Schutz- und Risikofaktoren bei der Entwicklung von unauffälligem, problematischem und suchtartigem Internetverhalten zu eruieren, nahm die Forschergruppe um Dreier im Jahr 2012 vor. In ihrer international angelegten qualitativen Studie wurden Tiefeninterviews mit Jugendlichen durchgeführt, welche ein intensives bis exzessives Internetnutzungsverhalten aufwiesen. Die Forscher stellten in dieser spezifischen Stichprobe adaptive sowie maladaptive Strategien im Umgang mit dem Internet fest: Zu den identifizierten adaptiven Strategien zählten Kompetenzen wie etwa die Priorisierung von Offline-Aktivitäten als gezielter Ausgleich zum Online-Verhalten sowie angewandtes Verhaltensmonitoring, um die Onlinenutzungszeiten nicht entgleiten zu lassen. Demgegenüber ließen sich maladaptive Strategien identifizieren wie das gezielte Umgehen elterlicher Kontrolle und die Bagatellisierung des exzessiven Verhaltens.

    Verschiedene Nutzertypen

    Anhand der Befragung von Dreier et. al (2012) konnten vier unterschiedliche Nutzertypen ausgemacht werden: „Stuck online“, „Juggling it all“, „Coming full cycle“ und „Killing boredom“. Jugendliche des Typs Stuck online zeigten einen exzessiven Internetkonsum, vernachlässigten wichtige Alltagsaktivitäten (Schule, Freunde, Pflichten) und schafften es nicht aus eigener Kraft, den Internetkonsum zu reduzieren. Die exzessive Nutzung zeigte bei diesen Jugendlichen bereits negative Konsequenzen wie beispielsweise Schlafstörungen. Als Risikofaktoren für diesen Typ wurden defizitäre soziale Fertigkeiten genannt, die teilweise auf erlebte Enttäuschungen in sozialen Interaktionen, aber auch auf Mobbingerlebnisse zurückgeführt werden können. Der Typ Juggling it all zeigt eine Balance zwischen Online- und Offline-Aktivitäten. In beiden ‚Welten‘ zeigen sich Jugendliche dieses Typs sehr präsent, was – negativ betrachtet – zu einem vollen Zeitplan und Stress führen kann. Als protektiven Faktor wiesen diese Jugendliche ein hohes Maß an sozialer Kompetenz auf, die sich darin äußerte, dass die Jugendlichen einen qualitativen Unterschied zwischen Offline- und Online-Kommunikation machen. Gleichzeitig nehmen die Online-Aktivitäten Bezug zur Offline-Welt (z. B. Jugendlicher mit vielen Freunden, der viel Aktivität auf sozialen Netzwerken aufweist). Jugendliche des Typs Coming full cycle zeigten ein exzessives Nutzungsverhalten, konnten jedoch durch Selbstregulierungsprozesse eine progressive und adaptive Veränderung in ihrem Verhalten erzielen. Bei diesen Jugendlichen handelte es sich lediglich um eine ‚Phase‘ exzessiver Nutzung, die sich ohne externe Hilfe wieder legte. Der Typ Killing boredom empfindet die Offline-Welt als langweilig, und ihm fehlt es an alternativen Aktivitäten, die ihn interessieren. Die Internetnutzung ist ein Zeitfüller und eine automatisierte Reaktion auf Langeweile. Dieser Typ zeigt wenig Eigeninitiative in der aktiven Exploration von Verhaltensalternativen und hat begrenzte soziale Fähigkeiten.

    Zusammenfassend scheint die Befundlage zu Risiko- und protektiven Faktoren hinsichtlich der Entwicklung einer Internetsucht überschaubar. Insbesondere an ganzheitlichen und langfristigen Betrachtungen fehlt es bislang. Die Durchführung weiterer methodisch einwandfreier Längsschnittstudien ist in diesem recht neuen Themengebiet bedeutsam, um Präventionskonzepte und Strategien der Frühintervention an die Bedürfnisse der Jugendlichen anpassen zu können.

    Die intensive Nutzung internetbasierter Anwendungen durch Jugendliche zeigt, dass in vielerlei Hinsicht von einem Wandel im Freizeit- und Kommunikationsverhalten auszugehen ist, der auf keinen Fall automatisch mit einem Krankheitswert gleichzusetzen ist. Im Gegenteil existieren empirische Befunde, die der Nutzung moderner Medien mancherlei positive Effekte bescheinigen (z. B. Greitemeyer, 2011). Bei allen nachteiligen Konsequenzen, die eine manifeste Internetsucht nach sich zieht, sollte also nicht außer Acht gelassen werden, dass internetsüchtiges Verhalten mit einer Prävalenz zwischen zwei und vier Prozent in Europa deutlich seltener ist als die problematische Internetnutzung.

    Die Studie „Always on – Mediennutzungsverhalten im Verlauf“

    Eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe aus Vertreter/innen der Fachdisziplinen Psychologie, Kommunikationswissenschaft, Medizin und Medienpädagogik hat sich zum Ziel gesetzt, die oben genannten offenen Punkte näher zu beleuchten. In der vom Forschungsschwerpunkt Medienkonvergenz der Johannes Gutenberg-Universität finanzierten Studie „Always on – Mediennutzungsverhalten im Verlauf“ wird eine repräsentative Stichprobe von 2.500 Jugendlichen im Alter zwischen zwölf und 15 Jahren aus Rheinland-Pfalz schriftlich befragt. Das innovative Moment der Erhebung stellt die Begleitung der Jugendlichen über zwei Jahre hinweg dar. Es wird angestrebt, die Teilnehmer zu insgesamt drei Messzeitpunkten (2015, 2016 und 2017) zu denselben Themen zu befragen und somit Aussagen über individuelle Verläufe in der Mediennutzung treffen zu können. Ebenso soll es möglich werden, Rückschlüsse auf die Kausalität der gefundenen Zusammenhänge zu ziehen. Bei der inhaltlichen Konzeption der Befragung wurde Wert darauf gelegt, dass die Fragestellungen nicht explorativ, sondern theoriegeleitet sind und eine entwicklungspsychologische Perspektive eingenommen wird. Zentrale Inhalte des Projekts betreffen:

    • Art und Umfang des Mediennutzungsverhaltens
    • Subjektive und objektive Beeinflussbarkeit durch Medieninhalte
    • Häufigkeit und Effekte von „Digital Stress“
    • Veränderung von Peer-Kontakten durch die Nutzung sozialer Netzwerke
    • Effekte auf die Persönlichkeitsentwicklung durch unterschiedlich intensive Mediennutzung
    • Prävalenz, Inzidenz (= Häufigkeit der Neuerkrankungen), Stabilität und Remission von Internetsucht
    • Belastung durch psychosoziale Symptome in unterschiedlichen Nutzergruppen

    In der Erhebung kommen ausschließlich gut etablierte Erhebungsinstrumente zum Einsatz, welche vor dem Hintergrund eines ganzheitlichen Ansatzes zusammengestellt wurden. Hierüber sollen die Effekte der Mediennutzung möglichst breit erfasst werden, sodass sich Raum für die Identifikation sowohl von positiven als auch negativen Effekten bietet. Die Studie ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt auf insgesamt 24 Monate angelegt, jedoch wird angestrebt, die rekrutierte Kohorte über den genannten Zeitraum hinaus beizubehalten und im Idealfall auch den Übergang von der Adoleszenz in das junge Erwachsenenalter abbilden zu können.

    Kontakt:

    Dr. Kai W. Müller
    Grüsser-Sinopoli-Ambulanz für Spielsucht
    Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie
    Unversitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz
    Untere Zahlbacher Straße 8
    55131 Mainz
    muellka@uni-mainz.de / kai.mueller@unimedizin-mainz.de

    Angaben zu den Autoren:

    Die Dipl.-Psychologen Dr. Klaus Wölfling, Dr. Kai W. Müller und Prof. Dr. Manfred E. Beutel forschen und arbeiten an der Grüsser-Sinopoli-Ambulanz für Spielsucht, Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie der Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Dr. Leonard Reinecke ist Juniorprofessor am Institut für Publizistik der Johannes Gutenberg-Universität Mainz.

    Literatur:
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  • Psychotherapie bei Internetsucht

    Psychotherapie bei Internetsucht

    Michael Dreier
    Michael Dreier
    Dr. Klaus Wölfling
    Prof. Manfred Beutel
    Kai W. Müller

     

     

     

     

    Seit 2013 findet sich die so genannte Internet Gaming Disorder (zu Deutsch: Internetspielsucht, auch: Computerspielsucht), eine häufige Variante internetsüchtigen Verhaltens, als vorläufige Diagnose im Anhang der fünften Auflage des Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (DSM-5; APA, 2013). Die American Psychiatric Association (APA) reagierte damit auf die stetig anwachsende Zahl wissenschaftlicher Literatur, welche Internetsucht im Allgemeinen und Computerspielsucht im Speziellen als ernstzunehmendes Gesundheitsproblem darstellt. Auf der Grundlage aktueller Prävalenzschätzungen ist davon auszugehen, dass in Deutschland zwischen ein und zwei Prozent der Allgemeinbevölkerung unter Internetsucht leiden, wobei die Prävalenzraten unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit bis zu vier Prozent nochmals höher zu beziffern sind (vgl. z. B. Müller et al., 2014a,b; Rumpf et al., 2013).

    Internetsucht und Psychotherapieforschung

    Das Problemverhalten selbst ist aktuell nosologisch noch nicht endgültig klassifiziert. Jedoch deuten insbesondere neurowissenschaftliche Befunde darauf hin, dass ähnlich wie beim Pathologischen Glücksspiel von deutlichen Parallelen zu Substanzabhängigkeiten ausgegangen werden kann (Thalemann, Wölfling & Grüsser, 2007; Ko et al., 2013) und viele Kliniker und Forscher deshalb das Störungsbild als substanzungebundene Abhängigkeitserkrankung bzw. Verhaltenssucht auffassen. Auch auf diagnostischer Ebene wird die Ähnlichkeit zu anderen Abhängigkeitserkrankungen unterstrichen. Dies zeigen die von der APA definierten diagnostischen Kriterien für Computerspielsucht: Craving, Kontrollverlust, Toleranzentwicklung, Fortführung des Konsums trotz negativer Konsequenzen, Interessensverlust, Täuschung von Angehörigen oder Therapeuten, die Gefährdung relevanter Lebensbereiche, Emotionsregulation und Erleben entzugsähnlicher Symptome bei Konsumverhinderung.

    Internationale Studien ebenso wie Erhebungen im deutschen Suchthilfesystem zeigen, dass Internet- und Computerspielsucht mit einer deutlich erhöhten psychosozialen Symptombelastung und komorbiden Erkrankungen einhergeht. Insbesondere depressive Verstimmungen, erhöhte Ängstlichkeit und Stressbelastung sowie ein schlechteres allgemeines psychosoziales Funktionsniveau treten in Verbindung mit Internetsucht auf (vgl. z. B. Wölfling et al., 2013; Yang et al., 2008).

    Aus der aktuell fehlenden Anerkennung der Internetsucht als Störungsbild ergibt sich, dass derzeit nur sehr wenige Erkenntnisse zur Wirksamkeit und Wirkungsweise (psycho-)therapeutischer Verfahren vorliegen. In einer Evaluation bisher vorliegender Psychotherapiestudien zur Internetsucht stellen King und Kollegen (King, Delfabbro & Griffiths, 2011) entsprechend fest, dass keine der von der Autorengruppe analysierten acht Interventionsstudien den umfassenden Qualitätsstandards klinischer Studien entspricht. Identifizierte Mängel betreffen hier z. B.:

    • Fehlende Definition von Ein- und Ausschlusskriterien für den Einschluss in die Studien
    • Keine ausreichende inhaltliche Beschreibung des Interventionsprogramms
    • Unzureichende Qualität der statistischen Analysen zur Bestimmung der Therapieeffekte
    • Unangemessener methodischer Zugang zur Hypothesentestung (z. B. Fehlen von Kontrollgruppen)

    Trotz des Mangels an standardisierten Behandlungsmanualen ergibt sich aus verschiedenen publizierten Arbeiten jedoch eine Schnittmenge verschiedener Verhaltensdomänen, die in der Therapie aufgegriffen werden. Dazu gehören Maßnahmen wie eine Problemanalyse des Internetnutzungsverhaltens, Abstinenzfokussierung, die Aneignung von Strategien der Kontrolle des Konsums sowie von Motivationstechniken, das Erarbeiten von Tagesstruktur bzw. Online-Zeitmanagement und die Verbesserung sozialer Beziehungen bzw. die Verbesserung der Partnerschaftlichkeit (vgl. King et al., 2011).

    Als positiv ist zu bewerten ist zudem, dass mittlerweile eine erste Meta-Analyse bisheriger Psychotherapiestudien zur Internetsucht veröffentlicht wurde (Winkler et al., 2013). Natürlich sind die Ergebnisse dieser ersten wichtigen Analyse immer vor dem Hintergrund der von King und Kollegen (2011) dokumentierten Schwächen bisheriger Studien zu bewerten, jedoch erlaubt sie eine erste Abschätzung der Wirksamkeit verschiedener Therapiemethoden. In die Studie von Winkler und Kollegen (2013) flossen insgesamt 16 klinische Studien zur Internetsucht aus verschiedenen Kulturkreisen, hauptsächlich jedoch Asien, ein, welche eine Patientenzahl von insgesamt 670 Personen beinhalteten. Die angewandten Interventionsformen bestanden in der überwiegenden Anzahl aus multimodalen Therapieprogrammen mit einem Schwerpunkt auf kognitiv-behavioralen Ansätzen. Zusätzlich wurden drei psychopharmakologische Studien berücksichtigt. Die Autoren verzeichneten unterschiedliche Effektstärken je nach Art der angewandten Intervention. Kognitiv-behaviorale Ansätze waren in Bezug auf die Reduktion der Onlinezeiten und der Symptome der Internetsucht anderen psychotherapeutischen Verfahren überlegen. Die Effektstärken für die kognitive Verhaltenstherapie variierten hier auf einem hohen Niveau zwischen d=0.84 und 2.13, was auf eine gute bis sehr gute Wirksamkeit hindeutet.

    Im Vergleich zwischen der Verhaltenstherapie und der Psychopharmakotherapie ergaben sich keine signifikanten Wirkunterschiede. Die medikamentöse Behandlung der Internetsucht (insbesondere basierend auf selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmern und Methylphenidat) erwies sich mit Effektstärken zwischen d=0.28 und 2.23 ebenfalls als wirksam. Auch hinsichtlich der Wirkung auf assoziierte Problemlagen und psychosoziale Symptome (z. B. depressive Verstimmung) ging die kognitive Verhaltenstherapie mit den höchsten Effektstärken einher.

    Die Analyse der Drop-Out-Quoten ergab, dass fast 20 Prozent der Patienten die Behandlung vorzeitig beendeten. Zusätzlich wurde eine – jedoch auf Grund der geringen Datenmenge als vorläufig anzusehende – Analyse einzelner Wirkfaktoren vorgenommen. Hier erwies sich, dass von höheren Therapieeffekten bei weiblichen und älteren Patienten auszugehen ist. Ein therapeutisches Einzelsetting erwies sich der Gruppentherapie als moderat überlegen.

    Insgesamt deuten die Daten dieser ersten übergreifenden Analyse darauf hin, dass psychotherapeutische und psychopharmakologische Interventionen bei Internetsucht eine gute Wirksamkeit aufweisen, wobei nochmals der vorläufige Charakter der präsentierten Daten unterstrichen werden muss. Ungeklärt bleibt hingegen, inwieweit die erzielten Therapieeffekte über das unmittelbare Setting hinaus zeitliche Stabilität aufweisen. Daneben lassen sich auch noch keine Aussagen darüber treffen, inwieweit die gefundenen Effekte gleichermaßen auf unterschiedliche Formen internetsüchtigen Verhaltens (z. B. Computerspielsucht, Onlinesexsucht, suchtartige Nutzung von sozialen Netzwerken) generalisiert werden können.

    Studie zur Behandlungswirksamkeit im deutschen Sprachraum

    Pilotstudie der Ambulanz für Spielsucht

    Im Jahre 2014 wurde von Wölfling, Beutel, Dreier und Müller eine deutsche Studie zur Behandlungswirksamkeit unter Einschluss von 37 männlichen Patienten mit Internetsucht im ambulanten Setting veröffentlicht. Nach Beendigung des manualisierten und standardisierten Therapieprogramms der Arbeitsgruppe um Wölfling (2012) schlossen 26 Patienten die verhaltenstherapeutische Intervention mit positivem Ergebnis ab. 89 Prozent dieser Patienten, die die Therapie regulär beendet hatten, wiesen in der Abschlussmessung ein unauffälliges Internetnutzungsverhalten auf (d. h. die Symptome der Internetsucht waren nicht mehr vorhanden), was in den meisten Fällen eine Abstinenz von der zuvor suchtartig genutzten Internetanwendung beinhaltete. Zudem zeigte sich eine signifikante Verminderung der zuvor beobachteten zusätzlichen psychopathologischen Symptombelastung im SCL-90R. Es handelt sich hierbei um ein Inventar, welches psychische Symptome und Stressbelastungen abbilden kann. Insbesondere in den Bereichen Depressivität, Angstsymptome, Unsicherheit im Sozialkontakt und Zwanghaftigkeit waren hohe Effektstärken zu verzeichnen, d. h. die jeweiligen Symptome waren nach Beendigung der Therapie signifikant zurückgegangen. Insgesamt elf Patienten brachen die Therapie vorzeitig ab, was einer Drop-Out-Quote von 29 Prozent entspricht.

    Multicenter-Studie zur Behandlungswirksamkeit im deutschen Sprachraum

    Um für den deutschen Sprachraum eine erste Abschätzung der Wirksamkeit eines standardisierten verhaltenstherapeutischen Behandlungsmanuals zu dokumentieren und die im vorigen Abschnitt vorgestellten Daten aus der Pilotstudie in größerem Umfang zu erhärten, führt die Ambulanz für Spielsucht der Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie der Universitätsmedizin Mainz derzeit im Zusammenschluss mit drei weiteren Zentren (Zentralinstitut für Seelische Gesundheit Mannheim, Universitätsmedizin Tübingen, Anton Proksch Institut Wien) eine klinische Studie durch.

    Bei dem von der DFG und dem BMBF geförderten Projekt STICA (Short-term Treatment of Internet and Computer game Addiction) handelt es sich um die Weiterführung der oben genannten Pilotstudie im Rahmen einer multizentrischen randomisierten klinischen Kontrollstudie (RCT). Mit dieser Studie sollen Wirksamkeit und Wirkmechanismen der an der Ambulanz für Spielsucht entwickelten verhaltenstherapeutischen Behandlung für Computerspiel- und Internetsucht überprüft werden (Wölfling et al., 2012). Insgesamt sollen 192 Patienten mit Internet- und Computerspielsucht behandelt werden. Zielgruppe für das Behandlungskonzept sind Männer im Alter von 17 bis 55 Jahren. Das Studiendesign für STICA orientiert sich am Verhaltenssuchtansatz von Computerspiel- und Internetsucht in ihren unterschiedlichen Manifestationen. So ist Internetsucht als Sammelbezeichnung zu verstehen und beinhaltet eine Vielzahl verschiedener Aktivitäten im Internet, die von Betroffenen unkontrolliert bzw. exzessiv ausgeübt werden. Ihre Haupterscheinungsformen beziehen sich auf Computer- bzw. Online-Spiele (z. B. Browsergames, Online-Rollenspiele), die Nutzung von sozialen Netzwerken und Chats, das Surfen auf Erotikseiten, die Teilnahme an Online-Glücksspielen (z. B. Poker, Online-Casinos), das Ansehen und Sammeln von Videos bzw. Filmen (z. B. Streaming-Angebote), ausuferndes Einkaufen (z. B. Online-Auktionen) oder das ziellose Recherchieren und Sammeln von Informationen (z. B. Online-Informationsplattformen oder Lexika).

    In den beteiligten Studienzentren werden die Patienten zufällig entweder der Therapiegruppe oder der Wartekontrollgruppe zugeordnet. Mit dem Vergleich dieser beiden Gruppen soll die Wirksamkeit der speziellen verhaltenstherapeutischen Kurzzeitintervention geprüft werden. Die Behandlung besteht aus 15 Gruppensitzungen (wöchentlich je 100 Minuten), welche unten näher beschrieben werden, und acht Einzelsitzungen (alle 14 Tage 50 Minuten). Acht Patienten stellen die Ideale Gruppengröße dar. Letztendlich erhalten alle in die Studie eingeschlossenen Patienten die Behandlung – für die Wartegruppe beginnt die Therapie jedoch erst nach einer Wartezeit von vier Monaten.  Das genaue Vorgehen bei der Studiendurchführung kann Abbildung 1 entnommen werden (Jäger et al., 2012).

    Abb. 1: STICA Studiendesign
    Abb. 1: STICA Studiendesign

    Ein störungsspezifisches Therapieprogramm bei Internetsucht

    Struktur der Gruppensitzungen

    Bevor die einzelnen Phasen der Therapie skizziert werden, soll vorab  die Struktur der Sitzungen an sich beschrieben werden: Die Gruppensitzungen beinhalten eine Begrüßung und einen Rückblick auf die Ereignisse der letzten Sitzung. Anschließend berichten die Patienten in einer Abstinenzrunde den Verlauf der letzten Woche. Während der Patientenberichte soll der Therapeut/die Therapeutin positive Veränderungen verstärken, Rückfälle und negative Ereignisse werden direkt in der Gruppe besprochen. Zur nachhaltigen Zielerreichung ist eine Ressourcenaktivierung notwendig, welche der Therapeut/die Therapeutin nach den Bedürfnissen der Patienten entwickeln und anwenden muss. Die jeweiligen sitzungsspezifischen Gruppenthemen werden mit ca. 50 Minuten veranschlagt. Sie bestehen aus einer Einführung sowie der Erarbeitung des Themas anhand von Diskussionen, Arbeitsblättern und Übungen. Offene Fragen werden jeweils in der gemeinsamen Zusammenfassung geklärt. Der Therapeut/die Therapeutin entlässt die Gruppenmitglieder, nachdem er/sie einen Ausblick auf die nächste Sitzung gegeben hat.

    Aufbau des Therapiemanuals

    Die folgende Beschreibung basiert auf dem Therapiemanual von Wölfling und Kollegen (2012). Die verhaltenstherapeutische Kurzzeitintervention ist in drei Phasen unterteilt: 1) Psychoedukation und Motivation, 2) Intervention und 3) Transfer und Stabilisierungsphase.

    Die erste Phase (Psychoedukation und Motivation) umfasst die ersten drei Sitzungen und thematisiert eine individuelle störungsspezifische Psychoedukation, vermittelt ein individuelles bio-psychosoziales Erklärungsmodell für die Entstehung von Internetsucht, klärt bzw. fördert die Motivation für eine dauerhafte Verhaltensveränderung (u. a. Abstinenz von der suchtartig genutzten Internetaktivität) und definiert zusammen mit den Patienten weiterführende Therapieziele.

    Die zweite Phase (Intervention) erstreckt sich von Sitzung 4 bis 11 und erarbeitet basierend auf Wochenprotokollen eine Problem- und Verhaltensanalyse nach dem Prinzip des SORCK-Schemas (Stimulus, Organismus, Reaktion, C/Konsequenz, Kontingenz). Es werden funktionale Bewältigungsstrategien im Bereich alternativer Freizeit- bzw. Lebensgestaltung vermittelt, und es soll ein alternativer Umgang mit Emotionen und Stress erlernt werden. Essenzieller Teil dieser Therapiephase ist die Steigerung des Selbstwertes. Diese erfolgt im ständigen Abgleich zur individuellen Biographie anhand spezifischer Problemsituationen mit Selbstwertrelevanz. Darüber hinaus wird mit den Patienten eine angeleitete Exposition mit Reaktionsverhinderung durchgeführt (s. u. bei Sitzung 8).

    Die dritte Phase (Transfer und Stabilisierung) vermittelt in Sitzung 12 bis 15 Maßnahmen für die Rückfallprophylaxe, erstellt einen Notfallplan, reflektiert den Therapieerfolg und durch die Abstinenz eingetretene Veränderungen.

    Inhalte ausgewählter Sitzungen

    In Ergänzung zum bereits dargestellten Ablauf der einzelnen Phasen werden nun ausgewählte Sitzungen näher erläutert.

    Sitzung 1 beinhaltet das Kennenlernen, das Unterzeichnen eines Therapievertrages und das schriftliche Fixieren von Therapiezielen. Nachdem ein Überblick über das Therapieprogramm gegeben wurde, kommt es zur Vereinbarung eines Abstinenzversuches und zur Festlegung einzelner Therapieziele. Unterstützend werden Arbeitsblätter für Wochenprotokolle ausgehändigt, anhand derer die Patienten Situationen aufzeichnen sollen, in denen es in jüngster Vergangenheit zu Spielverlangen gekommen ist. Hier wird vermerkt, welche Emotionen, Kognitionen, körperliche Empfindungen und konsequenten Handlungen bzw. Konsequenzen sich daraus für den Patienten ergaben. Einige Sitzungen, wie beispielsweise die erste Sitzung, bergen „Stolpersteine“ und methodische Schwierigkeiten, auf die es zu achten gilt. So ist es besonders wichtig, dass es nicht zu einer Ausgrenzung Einzelner (beispielsweise Patienten mit bereits initiierter Abstinenz vs. noch stark in der Nutzung verhafteter Patienten) oder einem Ungleichgewicht zwischen den Redeanteilen der Gruppenteilnehmer kommt.

    Aufgabe des Therapeuten/der Therapeutin ist es, auf Einwände und Bedenken der Teilnehmer hinsichtlich eines Abstinenzversuches würdigend einzugehen und diese dennoch gleichzeitig kritisch zu hinterfragen (Prinzip des geschmeidigen Widerstandes). Die zunächst mündlich formulierten und erörterten Ziele sollten realistisch und im konkreten individuellen Fall umsetzbar sein. Es zeigt sich bei der Einführung der Wochenprotokolle, dass es Patienten stellenweise schwer fällt, die Differenzierung zwischen Situationen, Gedanken und Gefühlen vorzunehmen. Hier können Elemente aus Emotionsdiskriminations-Trainings von Nutzen sein.

    Sitzung 6 hat die Entwicklung eines individuellen SORCK-Schemas (Stimulus, Organismus, Reaktion, C/Konsequenz, Kontingenz) zum Thema. Während der Abstinenzrunde werden wieder positive Veränderungen zur Vorwoche aufgegriffen. Es schließt sich die Erarbeitung des individuellen Störungsmodells an. Dabei werden Zusammenhänge zwischen internalen und/oder externalen Risikosituationen, suchtspezifischen Grundannahmen und automatischen Gedanken, die das Verlangen auslösen können, anhand eines Arbeitsblattes zur Mikroanalyse inhaltlich vertieft (individuelles SORCK-Modell).

    In Sitzung 8 werden die Patienten ohne Vorankündigung von Bildreizen bezüglich ihres jeweiligen Störungsbildes empfangen, die sie selbst gewählt und vorab zur Verfügung gestellt haben. Dies kann beispielsweise ein Avatar sein oder eine typische Situation, die Nutzungsverlangen auslöst (z. B. der eigene hochgerüstete PC). Es handelt sich hierbei um eine Exposition mit Reaktionsverhinderung. Die Gruppensitzung startet wieder mit einer Abstinenzrunde, welche positive Veränderungen zur Vorwoche aufgreift und verstärken soll. Der Therapeut/die Therapeutin hat die Aufgabe, mit den Patienten die Emotionen und Kognitionen zu verbalisieren und zu analysieren, die durch den Expositionsstimulus hervorgerufen wurden. Gleichzeitig ist es unerlässlich, den Grad des ausgelösten Nutzungsverlangens zu quantifizieren (auf einer Skala von 0/kein Verlangen bis 100/maximales Verlangen) und dieses im Verlauf der Stunde zu einem merklichen Absinken zu bringen. Positive Gefühle, Kompetenzerwartung und Lernerfahrungen, die auf der Erfahrung basieren, dem Spieldruck nicht nachgegangen zu sein, sind als wichtige Ergebnisse dieser Sitzung anzustreben. Das Expositionsrational wird durch den Einsatz von Notfallkärtchen und konkreten individuellen Handlungsanweisungen in Verführungssituationen abgerundet. Die Gruppe betrachtet gemeinsam den Verlauf des Expositionstrainings aus einer Meta-Perspektive. Hierbei sollte die biographische Einordnung als vertiefende Verarbeitung der Exposition (z. B. Verfassen eines Abschiedsbriefes an den Avatar) mit einbezogen werden. Das Aufgreifen der Erfahrungen in der Exposition und deren therapeutische Nachbearbeitung sollten in anschließenden Einzelsitzungen auf individueller Ebene erfolgen. Typische Schwierigkeiten dieser Sitzung sind das Verständnis des Konfrontationsrationals und v. a. die Gefahr eines gesteigerten Verlangens, welches zu einer erhöhten Rückfallgefährdung beitragen kann.

    In Sitzung 10 und 11 wird ein Modell zur Entwicklung der eigenen Medienaffinität erarbeitet. Die Abstinenzrunde verstärkt wieder positive Veränderungen und greift potenzielle Rückfälle auf. Zielstellung für die Patienten ist es, Zusammenhänge zwischen Lebensereignissen, Lebenszufriedenheit und ihrer Mediennutzung zu erarbeiten und die identifizierten Entwicklungsverläufe in der Gruppe zu besprechen.

    Nach Beendigung der letzten Gruppensitzung folgt eine Zeit von sechs Wochen, in welcher in der Regel kein therapeutischer Kontakt erfolgt. Nach Ablauf dieser Frist werden alle Gruppenteilnehmer zu einer sog. Booster-Session eingeladen, in welcher besprochen wird, inwiefern die Integration der in der Therapie erlernten Techniken in die Lebensumwelt des Patienten gelungen ist und wo unter Umständen Nachbesserungsbedarf besteht.

    Kontakt:

    Michael Dreier
    Ambulanz für Spielsucht
    Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie
    Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz
    Untere Zahlbacher Straße 8
    55131 Mainz
    Michael.Dreier@uni-mainz.de
    www.unimedizin-mainz.de

    Angaben zu den Autoren:

    Die Dipl.-Psychologen Dr. Klaus Wölfling, Kai W. Müller und Prof. Dr. Manfred E. Beutel​​​ und der Dipl.-Soziologe Michael Dreier forschen und arbeiten an der Grüsser-Sinopoli-Ambulanz für Spielsucht, Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie der Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz.

    Literatur:

    • American Psychiatric Association (2013). Diagnostic and statistical manual of mental disorders. 5th ed. Arlington: American Psychiatric Association.
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