Schlagwort: Suchtforschung

  • Sucht bei Kindern und Jugendlichen

    Wie kann verhindert werden, dass Kinder und Jugendliche Suchtverhalten entwickeln? Und wie kann die therapeutische Versorgung von Kindern und Jugendlichen mit Suchtstörungen verbessert werden? Antworten auf diese Fragen wollen Psychologen, Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendpsychiater in einem neuen Forschungsverbund finden, der vom Deutschen Zentrum für Suchtfragen im Kindes- und Jugendalter (DZSKJ) des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) geleitet wird. Der Startschuss für das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit 3,6 Millionen Euro geförderten Vorhaben erfolgte am 1. Dezember.

    „Suchtstörungen tragen maßgeblich zur Krankheitslast in entwickelten Gesellschaften bei und stellen ein erhebliches Entwicklungsrisiko für Kinder und Jugendliche dar“, erklärt Prof. Dr. Rainer Thomasius, Ärztlicher Leiter des DZSKJ und Koordinator des neuen Projekts. Trotz wissenschaftlicher Fortschritte im Verständnis über die Entstehung von Suchtstörungen seien die Effekte von Prävention und Behandlung der Suchtstörungen vergleichsweise gering. „Notwendig sind deshalb wirkungsvolle, an neuen Erkenntnissen orientierte Interventionsmaßnahmen.“ Konkrete Ziele des Forschungsvorhabens sind die Entwicklung kindgerechter Versorgungsansätze für psychische Störungen, die Erforschung prägender Einflüsse auf die Gesundheit und die jeweilige Krankheit sowie die Entwicklung von Risikogruppen-bezogenen Präventionsansätzen.

    Das Verbundprojekt mit dem Namen „IMAC-Mind“* wird vom BMBF im Rahmen der „Förderinitiative Gesund – ein Leben lang“ für vier Jahre mit insgesamt 3,6 Millionen Euro gefördert, knapp 1,1 Millionen Euro davon gehen ans DZSKJ. Beteiligt sind sieben Institute: neben dem UKE das Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim, die Uniklinik Erlangen-Nürnberg, die Katholische Hochschule Köln, die Universitätsmedizin Rostock, die Uni Bochum sowie das Institut für Therapieforschung in München. Die Fäden des Gesamtprojekts laufen in Hamburg zusammen: „Wir freuen uns und sind stolz, dieses wichtige Projekt zu koordinieren“, sagt Prof. Thomasius. „Und es zeigt auch, welch bedeutsame Rolle das DZSKJ bei Suchtfragen im Kindes- und Jugendalter innehat.“ Das Wissenschaftler-Team will jetzt zielgruppenspezifische und entwicklungsangepasste Interventionen sowohl für Jugendliche mit ersten psychopathologischen Symptomen als auch für stationär behandelte Jugendliche mit Substanzgebrauchsstörungen entwickeln. Ein weiteres im UKE angesiedeltes Teilprojekt hat die Aufgabe, die Forschungsarbeiten aller Teilprojekte methodisch und statistisch zu begleiten. Dies erfolgt im Institut für Medizinische Biometrie und Epidemiologie.

    Weitere Projekte zur Alkoholprävention bei Kindern und Jugendlichen, an denen das DZSKJ beteiligt ist, sind das internationale, von der Europäischen Kommission unterstützte Vorhaben „Localize it!“, der vom BMBF-geförderte Forschungsverbund „Pro-HEAD“ und ein von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) unterstütztes Projekt, das sich mit Gesundheitsförderungs- und Präventionsansätzen bei Kindern aus suchtbelasteten Familien befasst.

    * IMAC-Mind: Improving Mental Health and Reducing Addiction in Childhood and Adolescence through Mindfulness: Mechanisms, Prevention and Treatment; auf Deutsch: Verbesserung der psychischen Gesundheit und Verringerung von Suchtgefahr im Kindes- und Jugendalter durch Achtsamkeit: Mechanismen, Prävention und Behandlung

    Pressestelle des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE), 30.11.2017

  • Arbeitsmotivation in der Rehabilitation

    Arbeitsmotivation in der Rehabilitation

    Dr. Jens Hinrichs
    Andrea Christoffer
    Univ.-Prof Dr. Dr. Gereon Heuft
    Dr. Rolf Fiedler

     

     

     

     

    Im Text wird aus Gründen der besseren Lesbarkeit überwiegend die männliche Form verwendet, Frauen sind damit eingeschlossen.

    Was sind die Gründe dafür, dass sich Menschen im Arbeitsleben engagieren, Weiterbildungen besuchen, einen außergewöhnlichen Einsatz zeigen oder sich ständig für Sonderaufgaben oder Überstunden melden, während andere einfach ihr „Soll“ auf der Arbeit verrichten, Arbeit vermeiden oder gar nach Möglichkeiten suchen, aus dem Erwerbsleben auszusteigen bzw. nicht mehr zurückzukehren? Das Erfordernis der Existenzsicherung durch ein Einkommen ist sicherlich ein wichtiger Einflussfaktor, dennoch engagiert sich jeder Einzelne bei der Arbeit unterschiedlich. Hier rücken die persönlichen Motive und Einstellungen in den Vordergrund, die Menschen zu Leistungen im Arbeitsleben bewegen.

    Erwerbslosigkeit geht häufig mit einer Verlangsamung des Lebensrhythmus einher und führt zu einer nachteiligen Auflösung von Zeit- und Alltagsstruktur, so dass Betroffene Probleme bekommen, in der verbleibenden Zeit ihre Aufgaben zu bewältigen (Kastner et al. 2005). Eine erfolgreiche Reintegration von lange arbeitsunfähigen Rehabilitanden kann oftmals entlastend auf die dahinterliegende Symptomatik wirken (Bengel et al. 2003). Arbeit erfüllt somit unterschiedliche Funktionen: Sie strukturiert den Lebensablauf, sorgt für soziale Kontakte, befriedigt ein allgemeines Bedürfnis nach Beschäftigung, beeinflusst das Selbstwerterleben und Wohlbefinden positiv und kann identitäts- und im Idealfall auch sinnstiftend sein. Daher liefert die berufliche Integration die günstigsten Perspektiven, langfristig und effizient die Auswirkungen von Krankheit und Behinderung positiv zu beeinflussen.

    Dies unterstreicht die Wichtigkeit rehabilitativer Bemühungen, die Krankheitsfolgen so weit zu minimieren, dass die Wiederherstellung und der Erhalt der Erwerbsfähigkeit gesichert werden können. Bei dem Ziel, eine Ein- oder Wiedereingliederung in das Erwerbsleben zu erreichen, müssen auch berufliche Perspektiven, Einstellungen zur Arbeit und die Arbeitsmotivation berücksichtigt werden.

    Aus diesem Zusammenhang sind die Entwicklung des Assessments zur Diagnostik von Arbeitsmotivation (DIAMO) und das Gruppentraining zur Förderung arbeitsbezogener Motivation (ZAZO) hervorgegangen. Die Entwicklung dieser Instrumente war ein langjähriger, durch die Gesellschaft für Rehabilitationswissenschaften e.V. Nordrhein-Westfalen geförderter Forschungsschwerpunkt an der Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie am Universitätsklinikum Münster.

    Arbeitsmotivation

    Der Begriff Motivation stellt in der wissenschaftlichen Psychologie eines der zentralen Konzepte zur Erklärung, Vorhersage und Beeinflussung des Erlebens und Verhaltens von Menschen dar. Motivation determiniert das Handeln und gibt Antworten auf die Frage, warum eine Person sich gegenwärtig so und nicht anders verhält. Nach Lewin (1936) resultiert Motivation aus einem dynamischen Prozess aus dem Wechselspiel zwischen subjektiv wahrgenommenen inneren Zuständen (Motive, Antrieb, Bedürfnisse, Wünsche, Streben) und situativen Einflussfaktoren (äußere Anreize, Normen, Werte). Als motivationales Resultat dieses Wechselspiels werden Richtung, Intensität und Ausdauer des Handelns definiert. Somit soll das psychologische Konzept der Motivation Antworten auf die Fragen geben:

    • Warum habe ich dieses oder jenes Ziel ausgesucht?
    • Warum nähere ich mich dem Ziel (oder entferne mich von ihm)?
    • Wie schnell erreiche ich ein Ziel?

    Hier unterscheidet man zwischen personenseitigen (intrinsisch) und situativen (extrinsisch) motivationalen Einflussfaktoren. Intrinsische Motivation ist unabhängig von situativen Faktoren, d. h., jemand handelt aus eigenem Antrieb, z. B. weil eine bestimmte Tätigkeit Spaß macht, und nicht etwa, weil man die Ergebnisfolgen oder einen bestimmten äußeren Anreiz, z. B. Geld, Prestige oder Anerkennung, erreichen will (Rheinberg et al. 2012).

    Was allgemein zur Motivation gesagt werden kann, trifft ebenso auf Arbeitsmotivation zu. Dabei geht es konkret um den Kontext Arbeit und Beruf und somit um einen definierten Zielbereich. Im Kontext der Erwerbsarbeit stehen häufig fremdgesetzte Ziele und Anforderungen (z. B. Unternehmensziele, Arbeit zur Existenzsicherung) im Vordergrund, die wiederum mit persönlichen Zielen und Bedürfnissen (z. B. leistungsgerechte Bezahlung, Anerkennung) korrespondieren können. Somit liegt hier ein komplexeres Wechselspiel aus persönlichen Motiven, eigenen und fremdgesetzten Zielen vor, auf das gleichzeitig auch verschiedene soziale Faktoren wie Normen, Status oder regionale Arbeitsmarkt- und Wirtschaftslage Einfluss nehmen. Letztlich wird jede einzelne Person in ihrem individuellen Arbeitsverhalten von den unterschiedlichsten Gründen beeinflusst. Arbeitsmotivation ist somit ein außerordentlich komplexer Forschungsgegenstand.

    Diagnostik von Arbeitsmotivation (DIAMO)

    Der DIAMO-Fragebogen erfasst arbeitsbezogene Motive, Einstellungen und personengebundene Verhaltensmuster in der Selbstauskunft (Fiedler et al. 2005; Ranft et al. 2009). Der DIAMO beinhaltet die Konzepte Motivationales Selbstbild, Motivationale Handlungsentwürfe und Motivationale Passung. Den drei zentralen Konzepten sind zehn Skalen (Themenbereiche) mit insgesamt 57 Items zugeordnet. Die Antworten ermöglichen es, einen differenzierten Einblick in die arbeitsbezogene Motivationsstruktur von Rehabilitanden zu gewinnen. So können Stärken und Schwächen identifiziert und als diagnostische Ansatzpunkte für ggf. notwendige motivationale Interventionen oder Beratungen zur Motivationsförderung genutzt werden (Abb. 1).

    Abb. 1: Konzepte, Merkmale und Dimensionen des DIAMO-Fragebogens

    Das Motivationale Selbstbild erfasst personenseitige Aspekte, Dispositionen und Einstellungen zur Arbeit. Hierzu gehören  z. B.: das Neugiermotiv, das die Personen dazu anhält, Neues zu entdecken und durch explorierendes Verhalten sich neues Wissen anzueignen, das Anschlussmotiv, bei dem die sozialen Verbindungen und Kontakte zu den Kollegen im Vordergrund stehen, oder auch die Misserfolgsvermeidung, die motivationshemmende Aspekte erfasst. Die Motivationalen Handlungsentwürfe erfassen annähernde und vermeidende Verhaltensweisen, z. B. den Einsatz aktiver Problemlösungsstrategien und Merkmale wie „Anpacken“ und „Auf die Dinge Zugehen“ oder Verhaltensweisen wie Abwarten, Resignieren und Vermeiden. Das Konzept der Motivationalen Passung richtet den Fokus auf individuelle Erfahrungen und die subjektive Bewertung der Arbeitssituation am letzten bzw. aktuellen Arbeitsplatz. Die Fragen dienen primär einem Screening, um z. B. festzustellen, ob eine Passung zwischen den Bedürfnissen eines Rehabilitanden und den tatsächlichen Bedingungen am Arbeitsplatz vorliegt bzw. vorlag.

    Interpretation der DIAMO-Ergebnisse

    Für die Gesamtauswertung des DIAMO empfiehlt sich die Betrachtung der Skalenprofile, die sich auf das Motivationale Selbstbild und die Motivationalen Handlungsentwürfe beziehen. Die Ergebnisse werden mit clusteranalytisch gewonnenen Normprofilen verglichen, die ein Normal- und ein Risikoprofil unterscheiden.

    Das Normalprofil zeigt hohe Werte auf den motivationsförderlichen Skalen Einstellung zur Arbeit, Neugiermotiv, Einflussmotiv, Anschlussmotiv und Ziel-Aktivität sowie niedrige Werte bei den motivationshemmenden Skalen Misserfolgsvermeidung und Ziel-Inhibition. Das Risikoprofil zeigt hingegen niedrigere Werte auf den motivationsförderlichen Skalen und hohe Werte auf den motivationshemmenden Skalen. Für das Normal- und das Risikoprofil liegen Vergleichsdaten aus der medizinischen Rehabilitation (ohne Sucht) und auch aus der stationären Rehabilitation von Abhängigkeitserkrankten vor. Letztere wurden im Rahmen einer vor kurzem gemeinsam mit dem Deutschen Orden Ordenswerke Weyarn und dem MZG Bad Lippspringe durchgeführten DIAMO-Sucht-Studie erhoben (Christoffer et al. 2016).

    Im Folgenden sind exemplarisch zwei Profilverläufe aus der DIAMO-Sucht-Studie für den Bereich Motivationale Handlungsentwürfe (Annäherung vs. Vermeidung) gegenübergestellt. Die Abb. 2 zeigt einen Studienteilnehmer mit einem Ergebnisverlauf, der eher dem Normalprofil (grüne Punkte) entspricht. In der Selbstbeurteilung ist er im Arbeitsverhalten eher aktiv und aufgeschlossen und zeigt nur geringe Vermeidungstendenzen. Hier ist als Therapeut anzunehmen, dass sich der Rehabilitand in der Arbeitstherapie eher engagiert und motiviert zeigen wird.

    Abb. 2: Beispiel eines Rehabilitanden aus der DIAMO-Sucht-Studie mit hohem Annäherungs- und geringem Vermeidungsverhalten im Vergleich mit Normal- und Risikoprofil

    Im Gegensatz hierzu zeigt die Abb. 3 eine motivationshemmende Ausprägung, die dem Risikoprofil entspricht bzw. dieses noch unterschreitet (rote Punkte). Dieser Studienteilnehmer schätzt sich sehr gering zielaktiviert ein, was darauf hindeutet, dass er wenig Engagement und Aktivität zeigen wird, um seine Ziele zu erreichen. Ebenfalls erreicht er signifikant höhere Werte bei Ziel-Inhibition, was deutlich auf Resignation und Vermeidungsverhalten hinweist. Er wirkt also eher wie ein Mensch, der sich nicht (mehr) aktiv in Arbeit einbringt und sich aus dem Arbeitskontext zurückgezogen hat. Hier stellt sich als Therapeut die Frage, ob und mit welchen Zielen dieser Rehabilitand eigentlich noch verbunden ist.

    Abb. 3: Beispiel eines Rehabilitanden aus der DIAMO-Sucht-Studie mit geringem Annäherungs- und hohem Vermeidungsverhalten im Vergleich mit Normal- und

    An diesen kurzen Beispielen soll deutlich werden, dass ein Profilverlauf an sich informativ ist, da er einen Teil der arbeitsbezogenen motivationalen Selbstbeurteilung des Rehabilitanden darstellt und schon die motivationalen Grundtendenzen wie Vermeidungs- und Annäherungsmotivation sichtbar macht. Gleichzeitig werden aber im therapeutischen Kontext weitere Fragen mit Klärungsbedarf aufgeworfen.

    Implikationen für die therapeutische Beratung

    Der DIAMO-Fragebogen (57 Items) und eine Auswertungshilfe sind im Internet (www.zazo-i.de) frei zugänglich. Aufgrund seiner relativen Kürze, der vorhandenen Vergleichsprofile und Interpretationshilfen ist er in der Praxis ökonomisch einsetzbar (Durchführung und Auswertung ca. 15 Minuten). Bei der Bewertung der DIAMO-Ergebnisse eines Klienten ist es sinnvoll, die gewonnenen Informationen aus der Selbstbeurteilung mit der Einschätzung der Behandler in Beziehung zu setzen. Der Berater/Therapeut kann bezüglich der Motivationslage der Klienten entweder zu einer übereinstimmenden oder aber aufgrund von Beobachtungen während der Behandlung auch zu einer unterschiedlichen Einschätzung kommen. Der Abgleich kann als eine Orientierung für weiterführende, ressourcenorientierte Interventionen im Behandlungssetting bzw. für den Prozess der beruflichen Eingliederung genutzt werden (Tab. 1 und 2; in Anlehnung an Flückiger & Wüsten 2015).

    Tab. 1: Motivationsförderliche Skalen: Neugier, Anschluss, Einfluss, Arbeitseinstellung, Ziel-Aktivität
    Tab. 2: Motivationshemmende Skalen: Misserfolgsvermeidung, Ziel-Inhibition

    Bestehen zwischen Fremd- und Selbstbeurteilung seitens Therapeut und Rehabilitand kongruente Einschätzungen, kann dies in der Arbeitstherapie offen zurückgemeldet und bestärkt bzw. bei ungünstiger Motivlage (z. B. hohes Vermeidungsverhalten) validiert werden. Bestehen Abweichungen in der Fremd- und Selbsteinschätzung, z. B. wenn sich ein Rehabilitand als stark anschlussmotiviert erlebt, jedoch auf den Arbeitstherapeuten zurückgezogen und in der Gruppe isoliert wirkt, besteht hier ein Einstiegsfenster, um mit dem Rehabilitanden über das Thema Arbeit und Arbeitsumfeld (Motivationale Passung) ins Gespräch zu kommen. Diese Rückmeldeprozesse haben ressourcenaktivierende Elemente, da Stärken des Rehabilitanden gespiegelt werden und mögliche Schwierigkeiten thematisiert und ggf. problemlöseorientiert angegangen werden können.

    Die im Rahmen der DIAMO-Sucht-Studie befragten Klinikmitarbeiter schätzten auch die grafische Aufbereitung der Ergebnisse als eine praktikable Möglichkeit ein, um die individuellen Angaben im DIAMO-Fragebogen schnell und verständlich an den Rehabilitanden zurückzumelden. Als besonders förderlich wurde u. a. angemerkt, dass auffällige Werte auf den ersten Blick erkennbar waren und als Ansatzpunkte dafür dienten, die arbeitsbezogenen Motivlagen mit den Patienten zu besprechen.

    In der Evaluationsstudie zeigten ca. 30 Prozent der antwortenden Rehabilitanden eine erhöhte arbeitsbezogene Vermeidungsmotivation. Die Ursachen hierfür können vielfältig sein (z. B. schlechte Erfahrungen mit Kollegen und Vorgesetzten, geringe Gratifikation, hohe Arbeitsbelastung, Krankheit usw.), was aber trotzdem die Frage aufwirft, wie verbunden sich diese Gruppe noch mit ihren derzeitigen beruflichen Zielen fühlt. Bekannt ist, dass fehlende Zielverbundenheit (Commitment) dazu führt, dass die Zielverfolgung nach Misserfolg schneller aufgegeben wird und in ein Vermeidungsverhalten führen kann (Brunstein 1995). Auf Grundlage dieser Beobachtungen im DIAMO wurde das Motivationstraining Zielanalyse und Zieloperationalisierung, kurz: ZAZO entwickelt, um persönliche arbeitsbezogene Ziele systematisch mit Rehabilitanden zu klären und ggf. neue Ziele zu entwickeln (Abb. 4).

    Abb. 4: Konzeptioneller Ansatzpunkt des ZAZO-Gruppentrainings

    Das ZAZO-Gruppentraining

    Das Motivationstraining ZAZO stellt ein ressourcenorientiertes Gruppentraining dar, das die Klärung individueller berufsbezogener Ziele und die Unterstützung zur Umsetzung dieser Ziele anstrebt (Fiedler et al. 2011).

    Das ZAZO-Gruppentraining basiert auf vier interaktiven und aufeinander aufbauenden Modulen zu je ca. 90 bis 100 Minuten. Die aus der Praxis bewährte Gruppengröße für einen Trainer liegt zwischen sechs und acht Teilnehmern. In der praktischen Durchführung haben sich jeweils zwei Sitzungen pro Woche etabliert, jedoch lässt sich das Training inhaltlich wie auch zeitlich variabel kürzen oder aufteilen.

    Die Teilnehmer werden während des Trainings zu einer multidimensionalen Bearbeitung und Auseinandersetzung mit ihren persönlich gesetzten arbeitsbezogenen Zielen angeleitet. Das Training zielt auf die Generierung neuer beruflicher Perspektiven und Anliegen ab und fördert motivationale und volitionale (Wille zur Umsetzung) Kompetenzen, so dass eine berufliche Reintegration realistischer wird (Abb. 5). Durch die Vermittlung von Strategien zur Zielverfolgung und Zielbindung wird ein konstruktiver Umgang mit Hürden und Schwierigkeiten auf dem Weg zur Zielerreichung ermöglicht. Die konkrete Zielanalyse steigert die Motivation, die Ziele, die mit einem höheren Wohlbefinden und einer besseren Lebenszufriedenheit verknüpft sind, umzusetzen.

    Abb. 5: Ablauf des ZAZO-Gruppentrainings

    Folgende Inhalte werden im Training vermittelt und bearbeitet:

    • Entwicklung berufsbezogener Wünsche und Anliegen,
    • Setzen von Zielen,
    • Aufbau von Commitment (Selbstverpflichtung) und Zielverfolgungsstrategien,
    • Umgang mit Hindernissen,
    • Ablösen von unrealistischen Zielen,
    • Erkennen von Zielkonflikten,
    • Entwerfen von Zielhierarchien und
    • Adaption an die positiven und ggf. negativen Zielkonsequenzen.

    Zusätzlich erhalten die Teilnehmer Schulungsmaterial, welches sie bei der Durchführung anleitet und zur aktiven Mitarbeit anregt, welches zur Protokollierung der persönlichen Zielstrukturen dient und später zum Nachschlagen genutzt werden kann.

    In der Überprüfung der Wirksamkeit konnte gezeigt werden, dass das Training die berufliche Motivation fördert und insbesondere die subjektive Prognose der Erwerbsfähigkeit verbessert (Hanna et al. 2010). Rehabilitanden aus der psychosomatischen und orthopädischen Rehabilitation wurden direkt nach dem Training und nach sechs Monaten befragt, wie sie den Mehrwert der ZAZO-Maßnahme einschätzten und ob sie die im Training entwickelten Ziele noch verfolgten bzw. bereits umgesetzt hätten (Hinrichs et al. 2014). Circa 60 Prozent der Teilnehmer konnten klarere berufsbezogene Zielvorstellungen im Training entwickeln, und etwa 65 Prozent der Teilnehmer stimmten dem Nutzen des ZAZO-Trainings eher bzw. voll zu (Abb. 6).

    Abb. 6: Einschätzung der ZAZO-Teilnehmer direkt nach dem Training (N=174)

    Nach sechs Monaten berichteten etwa 30 Prozent der antwortenden ZAZO-Teilnehmer, dass sie ihre Ziele aus dem Training vollständig und etwa 40 Prozent, dass sie ihre Ziele teilweise realisiert hätten. Circa 70 Prozent der Teilnehmer verfolgten nach eigenen Angaben weiterhin ihre gesetzten Ziele (Abb. 7).

    Abb. 7: Einschätzung der ZAZO-Teilnehmer nach sechs Monaten (N=75)

    Fazit

    Es besteht Einigkeit darüber, dass im rehabilitativen Kontext die Auseinandersetzung mit Arbeitsmotivation ein wichtiger Baustein in der Arbeitstherapie ist. Durch eine geeignete Diagnostik lassen sich hemmende und förderliche Motivlagen identifizieren, die in der Behandlung gezielt ressourcenaktivierend genutzt oder problemlöseorientiert bearbeitet werden können. Zu bedenken ist aber, dass Arbeitsmotivation zwar eine wichtige Voraussetzung dafür ist, dass Rehabilitanden sich mit arbeits- und berufsbezogenen Themen auseinandersetzen, sie entscheidet jedoch aufgrund ihrer Komplexität und Abhängigkeit von psychosozialen und sozialmedizinischen Faktoren nicht alleine darüber, ob ein Rehabilitand erfolgreich in Arbeit kommt. Es ist wichtig, die Förderung von Arbeitsmotivation nicht als isolierte Maßnahme zu verstehen, sondern immer in das gesamte arbeitstherapeutische Behandlungskonzept zu integrieren.

    Aufgrund der positiven Ergebnisse in den Evaluationsstudien zum ZAZO-Training werden von der  Arbeitsgruppe, die ZAZO entwickelt hat, auch nach Abschluss der Projektförderphase weiterhin train-the-trainer-Workshops zu den Themen Diagnostik und Förderung von Arbeitsmotivation angeboten.

    Sobald der Geist auf ein Ziel gerichtet ist, kommt ihm vieles entgegen.
    J. W. von Goethe

    Kontakt und Angaben zu den Autoren:

    Dr. rer. medic. Jens Hinrichs, Dipl.-Psych.
    Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie
    Universitätsklinikum Münster
    Domagkstr. 22
    48149 Münster
    jens.hinrichs@ukmuenster.de
    http://psychosomatik.klinikum.uni-muenster.de
    http://zazo-i.de

    Dr. Jens Hinrichs (*1972) schloss 2005 das Studium der Psychologie mit dem Schwerpunkt Arbeits- und Organisationspsychologie an der Universität Osnabrück ab. Seit 2007 arbeitet er als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie, Universitätsklinikum Münster. Er promovierte zum Thema berufsspezifischer Belastungen von Polizeibeamten in NRW. In der Rehabilitationsforschung liegen seine Schwerpunkte in den Bereichen Arbeitsmotivation und Ressourcen sowie in der Entwicklung von Workshops zur Förderung der Ressourcenorientierung von Mitarbeitern und Rehabilitanden im Behandlungsprozess.

    Andrea Christoffer, Dipl.-Psych.
    Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie
    Universitätsklinikum Münster
    Domagkstr. 22
    48149 Münster
    andrea.christoffer@ukmuenster.de
    http://psychosomatik.klinikum.uni-muenster.de

    Andrea Christoffer (*1987) schloss 2013 das Diplomstudium der Psychologie mit dem Schwerpunkt Klinische Psychologie an der Universität Osnabrück ab. Seitdem befindet sie sich in der fünfjährigen berufsbegleitenden Weiterbildung zur Psychologischen Psychotherapeutin an der Universität Osnabrück. Seit 2013 ist sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie des Universitätsklinikums Münster tätig. Sie arbeitet im Kontext rehabilitationswissenschaftlicher Forschungsprojekte zu den Themen der Diagnostik von Arbeitsmotivation und der Förderung ressourcenaktivierender Behandlungsmethoden im Reha-Kontext.

    Univ.-Prof. Dr. Dr. med. Gereon Heuft
    Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie
    Universitätsklinikum Münster
    Domagkstr. 22
    48149 Münster
    gereon.heuft@ukmuenster.de
    http://psychosomatik.klinikum.uni-muenster.de

    Univ.-Prof. Dr. med. Dr. theol. Gereon Heuft (*1954) ist Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Facharzt für Neurologie und Psychiatrie sowie Psychoanalytiker (Lehr- und Kontrollanalytiker der DGPT). Seit 1999 Lehrstuhlinhaber für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie an der Medizinischen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster sowie ärztlicher Direktor der Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie am Universitätsklinikum Münster. Er ist der ärztliche Vorsitzende des Wissenschaftlichen Beirates Psychotherapie (WBP) Bundesärztekammer/Bundespsychotherapeutenkammer, Schriftleiter der „Zeitschrift für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie“ sowie in zahlreichen weiteren wissenschaftlichen und berufspolitischen Funktionen. Forschungsschwerpunkte sind die Gerontopsychosomatik und Alterspsychotherapie, die Rehabilitationsforschung und die Psychotraumatologie.

    Dr. rer. medic. Rolf G. Fiedler, Dipl.-Psych.
    Psychologischer Psychotherapeut
    Psychotherapeutische Praxis
    Marktstraße 15
    48607 Ochtrup
    www.therapier.bar

    Dr. Rolf G. Fiedler (*1967) war wissenschaftlicher Mitarbeiter, Promovend und postdoktoral an der Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie am Universitätsklinikum Münster, 2002 bis 2008 angestellt; 2009 bis heute als Honorarkraft. 2006 bis 2011 Tätigkeit in der LWL-Klinik Münster im psychologischen Dienst der Suchtambulanz. 2011 bis 2016 im psychologischen Dienst bei Mediant GGZ, Enschede (Niederlanden), am Centrum voor Ontwikkelingsstoornissen (COS Twente), Schwerpunkt Begleitung, Coaching und Psychotherapie von Menschen mit AD(H)S und Autismus-Spektrum-Störungen. Seit Anfang 2017 ist er in eigener psychotherapeutischer Privatpraxis tätig (www.therapier.bar). Berufs- und Heilerlaubnis (BIG-Registrierung) als Psychotherapeut und Gesundheitspsychologe (www.bigregister.nl). Approbation als Psychologischer Psychotherapeut mit Fachkunde in Verhaltenstherapie, eingetragen im Arztregister der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (www.kvwl.de).

    Literatur:
    • Bengel J, Beutel M, Broda M, Haag G, Härter M, Lucius-Hoene G, Muthny FA, Potreck-Rose F, Stegie R, Weis J (2003). Chronische Erkrankungen, psychische Belastungen und Krankheitsbewältigung – Herausforderungen an eine psychosoziale Versorgung in der Medizin. Psychother Psych Med.; 53: 83-93.
    • Brunstein, JC (1995). Motivation nach Mißerfolg – Die Bedeutung von Commitment und Substitution. Göttingen: Hogrefe.
    • Christoffer A, Fiedler R, Heuft G; Reimer A, v. Einsiedel R, Hinrichs J (2016). Diagnostik von Arbeitsmotivation: Eine indikationsspezifische Validierung des DIAMO-Fragebogens im Bereich der Rehabilitation von Abhängigkeitserkrankten. 25. Rehabilitationswissenschaftliches Kolloquium: 29.02.-02.03.2013 in Aachen. DRV-Schriften, Bd. 109, S. 60-61.
    • Fiedler RG, Ranft A, Schubmann C, Heuft G, Greitemann B (2005). Diagnostik von Arbeitsmotivation in der Rehabilitation – Vorstellung und Befunde zur faktoriellen Struktur neuer Konzepte. Psychother Psych Med, 55, 476-482.
    • Fiedler RG, Hanna R, Hinrichs J, Heuft G. (2011). Förderung beruflicher Motivation – Ein Trainingsprogramm für die Rehabilitation. Weinheim: Beltz.
    • Flückiger C, Wüsten G (2015). Ressourcenaktivierung. Ein Manual für Psychotherapie, Coaching und Beratung. Bern: Huber.
    • Hanna R, Fiedler RG, Dietrich H, Greitemann B, Heuft G. (2010). Zielanalyse und Zieloperationalisierung (ZAZO): Evaluation eines Gruppentrainings zur Förderung beruflicher Motivation. Psychother Psych Med, 60:316-325.
    • Hinrichs J, Fiedler RG, Hawener I, Greitemann B, Heuft G (2014). Förderung beruflicher Motivation: Das ZAZO-Gruppentraining in der Routineversorgung der medizinischen Rehabilitation. Ergebnisse aus der Implementierungsstudie. 23. Rehabilitationswissenschaftliches Kolloquium: 10.03.-12.03.2014 in Karlsruhe. DRV-Schriften, Bd. 103, S. 226-228.
    • Kastner M, Hagemann T, Kliesch G (2005). Arbeitslosigkeit und Gesundheit – Arbeitsmarktintegrative Gesundheitsförderung. Lengerich: Pabst Science Publishers.
    • Lewin K (1936). Principles of topological psychology. New York: McGraw-Hill.
    • Ranft A, Fiedler RG, Greitemann B, Heuft G (2009). Optimierung und Konstruktvalidierung des Diagnostikinstruments für Arbeitsmotivation (DIAMO). Psychotherapie, Psychosomatik, Medizinische Psychologie, 59, 21-30.
    • Rheinberg F, Vollmeyer R (2012). Motivation (8. Auflage). Stuttgart: Kohlhammer.

    Titelfoto©Wolfgang Weidig

  • Der Kerndatensatz 3.0

    Der Kerndatensatz 3.0

    Dr. Raphael Gaßmann

    Seit dem 1. Januar 2017 gilt bundesweit der komplett überarbeitete „Deutsche Kerndatensatz zur Dokumentation im Bereich der Suchtkrankenhilfe (KDS)“. Der Kerndatensatz ist das Instrument zur einheitlichen Datenerhebung in Einrichtungen der ambulanten und stationären Suchthilfe. Nach zehnjähriger Laufzeit seines Vorgängers hat der DHS-Vorstand nunmehr diesen neuen Erhebungsstandard veröffentlicht. Da ihm auch die Bundesländer zustimmten, ist er nunmehr ‚amtlich‘.

    Während der vergangenen drei Jahre wurde der bisherige Kerndatensatz von Vertreter/innen aus Verbänden, Praxis und Wissenschaft in jedem Detail überprüft. Zu diesem Prozess haben auch viele Nutzer/innen durch eine große Zahl von Hinweisen beigetragen. Rund drei Jahre lang diskutierten die Mitglieder des Fachausschusses Statistik der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen e. V. (DHS) zusammen mit externen Expert/innen weit mehr als 100 Anregungen und Überarbeitungshinweise. Das Ziel war ein neuer Kerndatensatz, der die Erfahrungen und Entwicklungen der vergangenen zehn Jahre berücksichtigt und dennoch so knapp wie möglich bleibt. Dabei wurde Wert auf eine praxisgerechte Handhabung und die möglichst hohe Aussagekraft der erhaltenen Auskünfte gelegt.

    Historie

    Die erste Version des KDS entstand 1998/99 mit der Absicht, die Arbeit in Einrichtungen der Suchthilfe nach einem festgeschriebenen Kriterienkatalog zu erfassen. Auf diese Weise sollte einerseits die aktuelle Situation der Beratung, Betreuung und Behandlung von Menschen mit Suchtproblemen einheitlich dargestellt werden. Andererseits sollten die erhobenen Daten eine Einschätzung des Bedarfs an Therapieangeboten und -kapazitäten ermöglichen. Und schließlich sollten Behandlungserfolge zuverlässig erfasst werden, um daraus Rückschlüsse auf Therapieziele und -möglichkeiten zu ziehen.

    Im Jahr 2006 erschien der überarbeitete, 2. Deutsche Kerndatensatz zur Dokumentation in der Suchtkrankenhilfe mit den Modulen Klient, Einrichtung und Katamnese. Er stellte eine umfassende Aktualisierung und Präzisierung des Deutschen Kerndatensatzes von 1998 dar und galt, wie bei seiner Einführung angekündigt, für die Dauer von zehn Jahren.

    Für die neueste Version „KDS 3.0“ wurden nun sämtliche Abfragen überprüft und aktualisiert, so dass eine zeitgemäße Beschreibung des Leistungsspektrums der Suchthilfepraxis für Menschen mit Abhängigkeitsstörungen möglich ist: etwa auf Einrichtungs-, Verbands-, Länder- oder Bundesebene. Und auch die neue Version des KDS soll für zehn Jahre gelten. In diesem Jahrzehnt können zwar – wie schon bislang – Aktualisierungen der Erläuterungen im Manual erfolgen, die Item-Liste aber bleibt unverändert. Überarbeitungen des Manuals sind künftig durch die Versionsnummer noch deutlicher kenntlich: von 3.1 bis 3.x.

    Nutzen der erhobenen Daten

    Eine wichtige Aufgabe des KDS besteht auch künftig in den einrichtungs- und verbandsbezogenen Auswertungen. Auf diese Weise können die beteiligten Institutionen der Suchthilfe die Ausrichtung und Effekte ihrer therapeutischen Arbeit besser beurteilen und damit auch steuern. Zudem erhalten sie höchst relevante Daten etwa für Verhandlungen mit Kostenträgern.

    Der neue KDS 3.0 sorgt außerdem für eine bessere Vergleichbarkeit von Konsummustern, Behandlungsmöglichkeiten und -erfordernissen auf europäischer Ebene. Dazu wurden seine Abfragen mit dem europäischen Kerndatensatz abgeglichen. Die erhobenen Daten werden jährlich an die Europäische Drogenbeobachtungsstelle in Lissabon gesandt und dort auch für internationale Studien genutzt.

    Auf nationaler Ebene fließen die Ergebnisse der Erhebungen in die Deutsche Suchthilfestatistik ein, deren jährlicher Bericht seit 2007 soziodemografische Daten zu Klienten, Diagnosen, Daten zu Behandlungsbeginn, -verlauf und -ende sowie Veränderungen in diesen Bereichen aufzeigt. Die Deutsche Suchthilfestatistik ist im bundesweiten wie auch im internationalen Vergleich eine der umfangreichsten und differenziertesten Statistiken im Gesundheits- und Sozialwesen.

    Der KDS 3.0 steht sämtlichen Anbietern entsprechender Dokumentationssoftware zur Verfügung. Und beinah alle haben ihn bereits in ihre Software integriert. Die DHS wünscht allen Anwender/innen einen angenehmen Umgang mit dem KDS 3.0 und aussagekräftige Erkenntnisse.

    Kontakt:

    Dr. Raphael Gaßmann
    Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e. V.
    Westenwall 4
    02381/90 15 15
    59065 Hamm
    gassmann@dhs.de
    www.dhs.de

    Angaben zum Autor:

    Dr. Raphael Gaßmann ist Geschäftsführer der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen e. V. (DHS) in Hamm.

  • Zeit der Berichte

    Zeit der Berichte

    Prolog

    Jost Leune
    Jost Leune

    Das Jahr 2016 ist für die Suchthilfe bislang kein gutes. Es setzt sich fort, was wir schon in den Vorjahren beobachten mussten: Die Prävention hangelt sich von Projekt zu Projekt, die ambulante Suchthilfe verhungert wegen ihrer immer kleineren Budgets, in der medizinischen Rehabilitation fallen die Fallzahlen, die Teilhabe für langzeitarbeitslose Suchtkranke ist kompliziert, ineffektiv und bürokratisch, und die Sorgen mit der Nachsorge bleiben. Das Frühjahr 2016 ist die Zeit der Berichte. Die Jahresberichte der Suchthilfeträger beschreiben diese wachsenden Schwierigkeiten eindrucksvoll und beschreiben dennoch eindrucksvolle Leistungen. Auch die Institutionen berichten.

    Jahrbuch Sucht 2016: 278 Seiten geballte Information

    Den Reigen eröffnete am 3. Mai die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen mit dem Jahrbuch Sucht 2016. Im Rahmen einer Pressekonferenz wurde das seit über einem halben Jahrhundert bewährte Nachschlagewerk präsentiert. Es liefert 25 Seiten „Daten, Zahlen und Fakten“ und ausführliche Beiträge zu Suchtstoffen, Suchtformen und ihren Auswirkungen, zum Beispiel im Straßenverkehr. 278 Seiten geballte Information, und dennoch bleibt ein schales Gefühl zurück: Im Jahr 2016 fehlt das Kapitel über die „Versorgung Suchtkranker“. Das ist irritierend, da doch die DHS als Zusammenschluss der Suchtkranke versorgenden Träger Herausgeberin des Jahrbuchs ist und die bemerkenswerte Analyse „Suchthilfe und Versorgungssituation in Deutschland“ erst im vergangenen Jahr online gestellt wurde.

    Europäischer Drogenbericht 2016: Grafik satt und voller Fakten

    Am 31. Mai hatte die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EMCDDA) ihren Auftritt. Sie stellte den Europäischen Drogenbericht vor. Er ist, nach Aussage von Dimitris Avramopoulos, Europäischer Kommissar für Migration, Inneres und Bürgerschaft, für europäische Entscheidungsträger ein hilfreiches Instrument für die Gestaltung von politischen Strategien und Maßnahmen zur Drogenbekämpfung. Nach einer vorangestellten Zusammenfassung beschreibt der Bericht in drei Kapiteln Drogenangebot und Markt, Prävalenz und Trends des Drogenkonsums sowie drogenbedingte Schädigungen und diesbezügliche Maßnahmen. Zehn Seiten mit Tabellen über Länderdaten runden das Angebot ab. Eine überwältigende Vielfalt von bunten Karten, Grafiken und Schmuckelementen lassen den Text fast schon in den Hintergrund treten, obwohl man ihn nicht unterschätzen sollte: Da steckt richtig viel Wissen drin! Wer sich die Zeit nicht nehmen will, den Bericht durchzuarbeiten, kann auch die Presseinformation zum Drogenbericht lesen.

    3. Alternativer Drogen- und Suchtbericht 2016: Das Forum der Forderungen

    Wieder eine Pressekonferenz, diesmal am 6. Juni: Der 3. Alternative Drogen- und Suchtbericht 2016 wird vorgestellt. Kernforderung: Eine andere Drogenpolitik und ein anderer Umgang mit Drogen. Das ist bei den Herausgebern akzept e. V. Bundesverband für akzeptierende Drogenarbeit und humane Drogenpolitik, Deutsche AIDS-Hilfe e. V. und JES Bundesverband e. V. keine besondere Überraschung. Die Forderungen werden untermauert auf 280 Seiten Text in vier Kapiteln: Es geht um alternative Drogenpolitik, um Risikokonstruktionen in Drogenforschung und -politik, um Verbraucher*innenschutz und Prävention und um die weitere Entwicklung der Drogenhilfe. In 37 Beiträgen entwerfen 55 Autoren*innen ihre Visionen einer anderen Drogenpolitik in Deutschland, die auch schon mal verwirren können – Seite 29: Kritik an Repräsentativbefragungen, Seite 78: Interpretation von Repräsentativbefragungen. Mindestens die Hälfte der Autoren*innen stammt aus dem akademischen Bereich, andere sind Journalisten*innen, und eine deutliche Minderheit stammt aus der Praxis der akzeptierenden Drogenarbeit, also der Suchthilfe. Das ist kein Zufall, denn die Herausgeber haben vor der Veröffentlichung einen Aufruf zur Einreichung von Beiträgen gemacht. Da kann es leicht passieren, dass Mitteilungsbedürfnis über Praxisbezug dominiert. Anregungen, politisch anders zu handeln, bietet der Bericht in Hülle und Fülle und auch einige sehr bemerkenswerte Beiträge, wie zum Beispiel den über „Hochglanz und Elend der Tabakkontrolle in Deutschland“ (zählt man alle Maßnahmen zur Verhaltens- und Verhältnisprävention zusammen, landet Deutschland auf dem vorletzten Platz bei der Tabakkontrolle in Europa), über „Synthetische Cannabinoide“ (ein praxisorientierter Erfahrungsbericht!) oder über „11 Jahre SGB II/Hartz IV – Auswirkungen auf die Beschäftigungssituation suchtmittelabhängiger Menschen“ (der trotz guter statistischer Daten leider kaum Hinweise gibt, wie das Problem „Teilhabe an Arbeit“ für Suchtkranke zu lösen sei).

    Drogen- und Suchtbericht 2016 der Drogenbeauftragten: Vor allem bunt

    Die Drogenbeauftragte folgte am 9. Juni. Unter dem Motto „Mehr Achtsamkeit für unsere Gesundheit schaffen!“ wandte sie sich an die Presse, um ihren Drogen- und Suchtbericht 2016 zu präsentieren. Und es sind sogar zwei Berichte geworden. Der eine heißt „Drogen- und Suchtbericht“ und der andere ganz prosaisch „Anhang“. Im ersten finden sich fünf Kapitel zu den Themen „Suchtstoffe und Suchtformen“, „Schwerpunktthemen der Drogenbeauftragten“, „Suchtstoffübergreifende Prävention, Beratung und Behandlung“, „Gesetzliche Regelungen und Rahmenbedingungen“ und „Internationales“. Der Anhang zeigt, nach Mortlers Anmerkungen im Vorwort, „wie vielfältig die Drogen- und Suchtpolitik insgesamt ist“, indem er „eine Auswahl aktueller Projekte aus den Bundesländern, aus Vereinen und Verbänden“ enthält. Im Vorwort bemerkt die Drogenbeauftragte ferner, sie sei stolz darauf, den „Bericht in moderner, komprimierter und kurzweiliger Form präsentieren zu können“. Modern? Ja. Komprimiert? Und wie. Aber kurzweilig? Sucht- und Drogenprobleme sind nicht kurzweilig. Sie sind langwierig, dramatisch und existenzbedrohend.

    Dieser Bericht ist eine bunte Aneinanderreihung von Fakten und Projektberichten und bietet eine unübersehbare Vielfalt. „Managing Diversity“ ist das Gebot der Stunde, aber hier wird die Vielfalt nicht organisiert, sondern willkürlich aneinandergereiht. Es ist und bleibt nicht nachvollziehbar, nach welchen Kriterien die eingereichten Beiträge zur Veröffentlichung ausgewählt wurden. Während die Verfasser*innen 22 Seiten mit dem Kapitel „Prävention“ füllen, umfasst das Kapitel zu Beratung und Behandlung zwei (!) Seiten Text. Darin fehlen Alkoholabhängige fast komplett, in Details werden stets die Konsumenten*innen illegaler Drogen, und davon vor allem Cannabiskonsumenten*innen, genannt.

    Dem Versorgungssystem, das nach dem Jahresbericht der Deutschen Suchthilfestatistik für das Jahr 2014 341.963 ambulante Betreuungen und 49.297 stationäre Behandlungen in 837 ambulanten und 206 stationären Einrichtungen durchgeführt hat, gebührt mehr Platz. Zur Erinnerung: Insgesamt gibt es in Deutschland über 1.400 Suchtberatungsstellen, 13.000 stationäre Suchttherapie-Plätze und fast 25.000 Plätze in Wohnheimen der Sozialhilfe. Das sind zumindest halbwegs regelhaft finanzierte Angebote für Suchtkranke. Der Drogen- und Suchtbericht bezieht sich zum überwiegenden Teil auf kurzfristig finanzierte Präventionsprojekte, die nach der Modellphase häufig wieder eingestellt werden (müssen). Von einem regelhaften, bedarfsorientiert finanzierten Angebot der Suchtprävention und Gesundheitsförderung ist Deutschland weit entfernt. Auch wenn Gesundheitspolitik Ländersache ist – die Herstellung gleicher Lebensbedingungen ist Sache der Bundesregierung. Das steht sogar im Grundgesetz.

    Es geht doch besser

    Es gibt auch einen Bericht, der alle unsere Fragen beantwortet und sogar noch die, von denen wir gar nicht wussten, dass wir sie haben: Im November erscheint jährlich der Reitox-Bericht der deutschen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (DBDD). Da ist nun aber wirklich alles drin, was es an Fakten, Hintergrundinformationen, Zusammenhängen und Fragen rund um das Thema „illegale Drogen“ gibt. Na also, geht doch!

    Epilog

    „Das Jahr 2016 ist kein gutes für die Suchthilfe“, schrieb ich eingangs. Während das im Alternativen Drogen- und Suchtbericht zumindest anklingt und aus dem Reitox-Bericht heraus interpretiert werden kann, erfährt man bei den anderen berichterstattenden Institutionen nichts davon. Sucht- und Drogenprobleme zu beschreiben, heißt nicht, bei den Phänomenen zu verweilen und staatliche Ausgaben zu legitimieren. Sucht- und Drogenprobleme treffen den einzelnen Menschen in seiner Existenz, in seinem Lebensumfeld und in seinen Perspektiven. Das (immer noch) sehr gut ausgebaute Verbundsystem der Suchthilfe hilft, Abhängigkeitserkrankungen zu überwinden, gibt Menschen Hoffnung und Familien Rückhalt. Zehn Millionen von Suchterkrankungen betroffene und bedrohte Menschen und weitere zehn Millionen mitbetroffene Angehörige machen die Abhängigkeit zur Volkskrankheit. Es ist nicht nachzuvollziehen, dass die Behandlung von Suchterkrankungen unter Rechtfertigungsdruck steht und in der Realität nur nach Maßgabe der zur Verfügung stehenden Mittel erfolgen kann. Das soll an dieser Stelle auch berichtet werden.

    Kontakt:

    Jost Leune
    Fachverband Drogen- und Suchthilfe e. V (fdr)
    Gierkezeile 39
    10585 Berlin
    leune@fdr-online.info

    Angaben zum Autor:

    Jost Leune ist Geschäftsführer des Fachverbands Drogen- und Suchthilfe e. V. (fdr) und Mitglied im Fachbeirat von KONTUREN online.

  • Always on?!

    Always on?!

    Dr. Klaus Wölfling
    Dr. Klaus Wölfling
    Dr. Kai W. Müller
    Dr. Kai W. Müller
    Prof. Manfred Beutel
    Prof. Dr. Manfred E. Beutel
    Jun.-Prof. Dr. Leonard Reinecke. Foto: Richard Lemke

     

     

     

     

    Die zunehmende Verbreitung des Internets und insbesondere die hohe Nutzungsrate bei Jugendlichen (JIM-Studie, 2015) hat in den letzten Jahren zu einem intensiven gesellschaftlichen sowie wissenschaftlichen Diskurs geführt. Im Zentrum steht die Frage nach den Folgen der Digitalisierung. Da sich die Nutzung ‚neuer‘ Medien in annähernd allen Gesellschaftsschichten mit einer beispiellosen Geschwindigkeit vollzieht, fehlen weitestgehend Vergleichsmöglichkeiten in Bezug auf die positiven wie auch negativen Auswirkungen auf gesellschaftlicher und individueller Ebene. Aktuelle Statistiken weisen aus, dass das Internet unter Kindern und Jugendlichen einen besonders hohen Stellenwert einnimmt und internetbasierte Aktivitäten wie etwa Chats und weitere Kommunikationsplattformen, aber auch Online-Computerspiele und Unterhaltungsportale einen integralen Bestandteil im Leben und Aufwachsen dieser Generation darstellen (JIM-Studie, 2015). Diese Generation wird auch als „Digital Natives“ (deutsch: Digitale Eingeborene) bezeichnet.

    Mehr noch als in erwachsenen Bevölkerungsschichten ist hier ein Spannungsfeld zu beobachten, in welchem einerseits Befürwortung der Internetnutzung, andererseits Bedenken hinsichtlich möglicher nachteiliger Effekte auf die Entwicklung der Kinder und Jugendlichen aufeinandertreffen. Während theoretisch zu erwarten ist, dass beide Positionen in gewissem Maße zutreffen, muss aus empirischer Sicht festgehalten werden, dass derzeit lediglich eine dünne und damit insgesamt wenig belastbare Datengrundlage existiert, welche die mittel- und langfristigen Folgen der Digitalisierung unseres Lebens abbilden könnte. So bleiben wichtige Fragen vorerst ungeklärt, wie etwa die Auswirkung der Digitalisierung auf die Entwicklung der sozioemotionalen Kompetenz oder die Fähigkeit, internetbasierte Fertigkeiten auf andere Lebensbereiche übertragen zu können. Eine besondere Rolle nimmt die Frage ein, welche Auswirkungen eine intensive bis exzessive Mediennutzung auf die psychische Gesundheit hat.

    „Nur eine Phase?“ – und weitere offene Fragen

    Ein viel diskutierter und eindeutiger Nachteil, den die Digitalisierung gebracht hat, ist das Auftreten eines neuen Störungsbildes. Die im Jahr 2013 erfolgte Aufnahme der „Internet Gaming Disorder“ in das Klassifikationssystem für psychische Störungen (DSM-5) als Forschungsdiagnose zeugt davon, dass mit der Verbreitung des Internets auch vorher unbekannte gesundheitsrelevante Auswirkungen der Mediennutzung festzustellen sind (APA, 2013). Aktuelle querschnittliche Erhebungen konnten zeigen, dass ein nicht zu vernachlässigender Anteil der deutschen Allgemeinbevölkerung und gerade auch der Jugendlichen computerspiel- oder internetsüchtiges Verhalten aufweist und hierüber teils dramatische Einschränkungen der psychischen Gesundheit hinnehmen muss. Jedoch stellt sich die Frage nach der zeitlichen Stabilität suchtartiger Internetnutzung: Handelt es sich bei dem Verhalten eher um ein fokussiertes Interesse und damit nur um eine ‚Phase‘? Oder ist das Medienverhalten tatsächlich eine Sucht und bedarf externer, professionaler Hilfe? Außerdem stellt sich die Frage nach den Entstehungsbedingungen einer exzessiven Nutzung: Welche Risikofaktoren begünstigen einen suchtartigen Medienkonsum und welche Faktoren wirken – vielleicht trotz einer intensiven Nutzung – schützend?

    Während seit etwa zehn Jahren eine Zunahme von Querschnittstudien – teilweise auch in Form von repräsentativen Erhebungen – zu verzeichnen ist und somit die oben stehenden Fragen zum Teil schon in den Fokus wissenschaftlichen Interesses gerückt sind, stellen Längsschnitterhebungen noch immer eine Seltenheit dar. Dies ist ungünstig, da Querschnitterhebungen zwar wichtige Erkenntnisse zum Thema erlauben, konkrete Aussagen über die kausalen Zusammenhänge bestimmter Merkmale jedoch nur über längsschnittliche Forschungsmethoden getroffen werden können.

    Viele Jugendliche durchlaufen Phasen mit gesteigertem Interesse an bestimmten Themen. Hierbei handelt es sich um ein aus entwicklungspsychologischer Sicht ganz normales Phänomen, welches für die Autonomieentwicklung in dieser Phase sogar notwendig ist. Diese Phasen können spontan enden oder von neuen Phasen abgelöst werden. Auch von risikoreichem Verhalten wie etwa dem Rauschmittelkonsum ist bekannt, dass sich Konsummuster aus dem Jugendalter keineswegs zwangsläufig im Erwachsenenalter fortsetzen müssen, sondern ebenfalls einer spontanen Remission unterliegen können (Moffitt, 1993). Analog könnte es sich mit dem problematischen bzw. suchtartigen Mediengebrauch verhalten, d. h. es könnte sich hierbei lediglich um eine temporäre Erscheinung in der Entwicklung handeln.

    Viele Studien zur Internetsucht beschränken sich auf eine einmalige Erhebung des Phänomens, also auf eine Abbildung der Situation im Hier und Jetzt. Um den Verlauf bzw. die zeitliche Stabilität abzubilden, sind solche Studiendesigns demnach ungeeignet. Lediglich Längsschnitterhebungen, die ein und dasselbe Phänomen bei denselben Personen zu mehreren unterschiedlichen Zeitpunkten erfassen, können Aufschluss über wichtige Zusammenhänge und tiefere Einblicke in die Thematik geben. Solche Studien werden aufgrund des damit verbundenen enormen Aufwands jedoch zum einen selten durchgeführt, und zum anderen sind sie häufig methodisch nicht einwandfrei. So stellt sich etwa immer wieder das Problem, dass die untersuchte Kohorte nicht über den zeitlichen Verlauf gehalten werden kann, was bisweilen in Stichprobenreduktionen auf zum Teil deutlich unter 50 Prozent resultiert. Aus diesen Gründen ist die Forschungsliteratur zur zeitlichen Stabilität suchtartiger Internet- und Computerspielnutzung, aber auch zu anderen Langzeiteffekten der Mediennutzung durch Jugendliche deutlich unterrepräsentiert. Der bisherige Stand der Forschung soll nachstehend kurz zusammengefasst werden.

    Befunde bisheriger Längsschnittstudien

    Forscher untersuchten im Jahr 2014 rund 3.000 Schüler in Taiwan im Alter zwischen 15 und 17 Jahren über einen Zeitraum von zwölf Monaten bezüglich der Stabilität internetsüchtigen Verhaltens (Chang, Chiu, Lee, Chen & Miao, 2014). Es wurde festgestellt, dass rund 66 Prozent der anfänglich als internetsüchtig diagnostizierten Jugendlichen auch noch bei der (abschließenden) zweiten Messung die diagnostischen Kriterien für eine Internetsucht erfüllten. Positiv hervorzuheben ist die methodische Stärke der Studie: So wurde auf einen gut etablierten Fragebogen zurückgegriffen (CIAS, Chen Internet Addiction Scale; Chen, Weng & Su, 2003) und eine hohe Haltequote der Studienteilnehmer erzielt: 77 Prozent der Schüler nahmen zu beiden Messzeitpunkten teil. Eine weitere Untersuchung aus dem asiatischen Raum fand über einen Zeitraum von drei Jahren statt (Yu & Shek, 2013). Von den 3.300 jugendlichen Befragten nahmen noch 80 Prozent zum letzten Zeitpunkt an der Befragung teil. Der Anteil der Jugendlichen mit Internetsucht erwies sich hier als annähernd stabil: Während zum ersten Zeitpunkt 26 Prozent die Kriterien einer Internetsucht erfüllten, belief sich der Anteil zum Zeitpunkt der letzten Befragung noch auf 23 Prozent.

    Speziell zur Computerspielsucht führten Gentile und Kollegen (2011) eine Studie an 3.000 Jugendlichen aus Asien durch. Ihre Ergebnisse deuten ebenfalls auf eine hohe Stabilität des Problemverhaltens hin. 84 Prozent der zu Beginn als suchtartige Spieler eingeschätzten Jugendlichen zeigten auch noch nach zwei Jahren das gleiche Problemverhalten. Methodisch zu bemängeln ist jedoch die Verwendung eines bislang nicht anerkannten Fragebogens zur Klassifikation der Computerspielsucht.

    Interessanterweise kommen Längsschnittstudien mit europäischen Teilnehmern zu abweichenden Ergebnissen und legen eher den Schluss einer mittleren bis schwachen zeitlichen Stabilität des suchtartigen Verhaltens nahe. Lemmens, Valkenburg und Peter (2011) berichten für eine kleine Stichprobe von 851 Jugendlichen über einen Zeitraum von sechs Monaten geringe Stabilitäten der Diagnose Computerspielsucht. Sie zeigten jedoch gleichzeitig auf, dass eine suchtartige Computerspielnutzung eine zumindest exzessive (also zeitlich ausufernde) Computerspielnutzung sechs Monate später voraussagte. Das Problemverhalten remittierte also nicht vollständig.

    Eine erste Untersuchung basierend auf einer repräsentativen Bevölkerungsstichprobe in Deutschland nahmen Scharkow, Festl und Quandt (2014) an 4.500 regelmäßigen Computerspielern vor. Hier zeigte ein Prozent der Befragten über den gesamten Zeitraum von zwei Jahren ein problematisches Computerspielverhalten, wohingegen es bei drei Prozent zu einer Veränderung hin zu einem unauffälligen Computerspielverhalten kam. Obgleich dieser Studie eine wichtige Pionierrolle für den deutschen Sprachraum zukommt, lassen sich doch methodische Unzulänglichkeiten finden. Diese betreffen insbesondere die geringe Haltequote der Stichprobe (lediglich 902 der initial 4.500 Teilnehmer konnten zwei Jahre später nachbefragt werden).

    In den oben berichteten Untersuchungsergebnissen wird eine erhebliche Heterogenität deutlich. Daraus lässt sich ein Bedarf an methodisch hochwertigen Studien mit mehreren Messzeitpunkten, ausreichender und kohortenspezifischer Teilnehmerzahl zu allen Messzeitpunkten und zuverlässigen Instrumenten zur Messung der Internetsucht ableiten.

    Schutz- und Risikofaktoren

    Insbesondere erscheint es relevant, in solchen langfristig angelegten Untersuchungen Faktoren ausfindig zu machen, die zu einer Stabilität der Problematik beitragen können oder diese gar bedingen. Erkenntnisse über schützende Faktoren, die zu einer Verbesserung der suchtartigen Mediennutzung beitragen, sind vor allem für die Ableitung präventiver Strategien, aber auch für Interventionsprogramme wichtig. Gerade in dieser Hinsicht mangelt es derzeit noch an aussagekräftigen Forschungsbefunden. Ob sich eine verstärkte Mediennutzung nachteilig auf bestimmte Gruppen von Adoleszenten, die beispielsweise eine spezifische Vulnerabilität mitbringen, auswirkt und welche Einflüsse hierzu beitragen, muss von daher eine wesentliche Aufgabenstellung der modernen Forschung sein. Einen theoretischen Ausgangspunkt für die Formulierung zielgerichteter Hypothesen bietet die inzwischen reichhaltige Literatur aus Querschnittserhebungen.

    Wenngleich die Anzahl jener Studien, die sich gezielt mit der Frage nach Schutz- und Risikofaktoren befassen, noch überschaubar ist, deuten einzelne Befunde doch darauf hin, dass das Auftreten einer Internetsucht unter bestimmten Voraussetzungen wahrscheinlicher ist. Ähnlich wie bei anderen psychischen Erkrankungen und Abhängigkeitsphänomenen legt die Forschung einen Zusammenhang zwischen bestimmten Persönlichkeitsdimensionen und Internetsucht nahe. Demnach ist in erhöhtem Neurotizismus, niedriger Gewissenhaftigkeit oder verminderter Extraversion zumindest ein Korrelat internetsüchtigen Verhaltens zu sehen und möglicherweise sogar ein kausaler Faktor, der die Krankheitsentstehung direkt beeinflusst (vgl. z. B. Müller et al., 2014; Kuss et al., 2014; Braun et al., 2015; für eine Übersicht vgl. Müller, 2013). Hiervon ausgehend kann angenommen werden, dass möglicherweise das Gefühl von einer bedrohlichen Welt voller potenzieller Stressoren zu einer stärkeren Hinwendung zum Internet führt. In dieser als sicher und berechenbar erlebten Online-Welt kann der Jugendliche Belastungen entfliehen und erlebt eine erhöhte Selbstwirksamkeit (Müller, 2013). Im Umkehrschluss ist gleichzeitig anzunehmen, dass es bestimmte Umstände gibt, die eine Remission des exzessiven oder gar suchtartigen Nutzungsverhaltens begünstigen – und eben dieser Punkt ist es, über den es zum aktuellen Zeitpunkt noch so gut wie keine Erkenntnisse gibt. Wissen über diese Thematik würde entscheidende Vorteile mit sich bringen. Im Sinne der positiven Psychologie wäre es etwa möglich, ressourcenfördernd bzw. -aktivierend zu arbeiten und bestehende Präventionskonzepte um entsprechende Module zu ergänzen.

    Einen Versuch, Schutz- und Risikofaktoren bei der Entwicklung von unauffälligem, problematischem und suchtartigem Internetverhalten zu eruieren, nahm die Forschergruppe um Dreier im Jahr 2012 vor. In ihrer international angelegten qualitativen Studie wurden Tiefeninterviews mit Jugendlichen durchgeführt, welche ein intensives bis exzessives Internetnutzungsverhalten aufwiesen. Die Forscher stellten in dieser spezifischen Stichprobe adaptive sowie maladaptive Strategien im Umgang mit dem Internet fest: Zu den identifizierten adaptiven Strategien zählten Kompetenzen wie etwa die Priorisierung von Offline-Aktivitäten als gezielter Ausgleich zum Online-Verhalten sowie angewandtes Verhaltensmonitoring, um die Onlinenutzungszeiten nicht entgleiten zu lassen. Demgegenüber ließen sich maladaptive Strategien identifizieren wie das gezielte Umgehen elterlicher Kontrolle und die Bagatellisierung des exzessiven Verhaltens.

    Verschiedene Nutzertypen

    Anhand der Befragung von Dreier et. al (2012) konnten vier unterschiedliche Nutzertypen ausgemacht werden: „Stuck online“, „Juggling it all“, „Coming full cycle“ und „Killing boredom“. Jugendliche des Typs Stuck online zeigten einen exzessiven Internetkonsum, vernachlässigten wichtige Alltagsaktivitäten (Schule, Freunde, Pflichten) und schafften es nicht aus eigener Kraft, den Internetkonsum zu reduzieren. Die exzessive Nutzung zeigte bei diesen Jugendlichen bereits negative Konsequenzen wie beispielsweise Schlafstörungen. Als Risikofaktoren für diesen Typ wurden defizitäre soziale Fertigkeiten genannt, die teilweise auf erlebte Enttäuschungen in sozialen Interaktionen, aber auch auf Mobbingerlebnisse zurückgeführt werden können. Der Typ Juggling it all zeigt eine Balance zwischen Online- und Offline-Aktivitäten. In beiden ‚Welten‘ zeigen sich Jugendliche dieses Typs sehr präsent, was – negativ betrachtet – zu einem vollen Zeitplan und Stress führen kann. Als protektiven Faktor wiesen diese Jugendliche ein hohes Maß an sozialer Kompetenz auf, die sich darin äußerte, dass die Jugendlichen einen qualitativen Unterschied zwischen Offline- und Online-Kommunikation machen. Gleichzeitig nehmen die Online-Aktivitäten Bezug zur Offline-Welt (z. B. Jugendlicher mit vielen Freunden, der viel Aktivität auf sozialen Netzwerken aufweist). Jugendliche des Typs Coming full cycle zeigten ein exzessives Nutzungsverhalten, konnten jedoch durch Selbstregulierungsprozesse eine progressive und adaptive Veränderung in ihrem Verhalten erzielen. Bei diesen Jugendlichen handelte es sich lediglich um eine ‚Phase‘ exzessiver Nutzung, die sich ohne externe Hilfe wieder legte. Der Typ Killing boredom empfindet die Offline-Welt als langweilig, und ihm fehlt es an alternativen Aktivitäten, die ihn interessieren. Die Internetnutzung ist ein Zeitfüller und eine automatisierte Reaktion auf Langeweile. Dieser Typ zeigt wenig Eigeninitiative in der aktiven Exploration von Verhaltensalternativen und hat begrenzte soziale Fähigkeiten.

    Zusammenfassend scheint die Befundlage zu Risiko- und protektiven Faktoren hinsichtlich der Entwicklung einer Internetsucht überschaubar. Insbesondere an ganzheitlichen und langfristigen Betrachtungen fehlt es bislang. Die Durchführung weiterer methodisch einwandfreier Längsschnittstudien ist in diesem recht neuen Themengebiet bedeutsam, um Präventionskonzepte und Strategien der Frühintervention an die Bedürfnisse der Jugendlichen anpassen zu können.

    Die intensive Nutzung internetbasierter Anwendungen durch Jugendliche zeigt, dass in vielerlei Hinsicht von einem Wandel im Freizeit- und Kommunikationsverhalten auszugehen ist, der auf keinen Fall automatisch mit einem Krankheitswert gleichzusetzen ist. Im Gegenteil existieren empirische Befunde, die der Nutzung moderner Medien mancherlei positive Effekte bescheinigen (z. B. Greitemeyer, 2011). Bei allen nachteiligen Konsequenzen, die eine manifeste Internetsucht nach sich zieht, sollte also nicht außer Acht gelassen werden, dass internetsüchtiges Verhalten mit einer Prävalenz zwischen zwei und vier Prozent in Europa deutlich seltener ist als die problematische Internetnutzung.

    Die Studie „Always on – Mediennutzungsverhalten im Verlauf“

    Eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe aus Vertreter/innen der Fachdisziplinen Psychologie, Kommunikationswissenschaft, Medizin und Medienpädagogik hat sich zum Ziel gesetzt, die oben genannten offenen Punkte näher zu beleuchten. In der vom Forschungsschwerpunkt Medienkonvergenz der Johannes Gutenberg-Universität finanzierten Studie „Always on – Mediennutzungsverhalten im Verlauf“ wird eine repräsentative Stichprobe von 2.500 Jugendlichen im Alter zwischen zwölf und 15 Jahren aus Rheinland-Pfalz schriftlich befragt. Das innovative Moment der Erhebung stellt die Begleitung der Jugendlichen über zwei Jahre hinweg dar. Es wird angestrebt, die Teilnehmer zu insgesamt drei Messzeitpunkten (2015, 2016 und 2017) zu denselben Themen zu befragen und somit Aussagen über individuelle Verläufe in der Mediennutzung treffen zu können. Ebenso soll es möglich werden, Rückschlüsse auf die Kausalität der gefundenen Zusammenhänge zu ziehen. Bei der inhaltlichen Konzeption der Befragung wurde Wert darauf gelegt, dass die Fragestellungen nicht explorativ, sondern theoriegeleitet sind und eine entwicklungspsychologische Perspektive eingenommen wird. Zentrale Inhalte des Projekts betreffen:

    • Art und Umfang des Mediennutzungsverhaltens
    • Subjektive und objektive Beeinflussbarkeit durch Medieninhalte
    • Häufigkeit und Effekte von „Digital Stress“
    • Veränderung von Peer-Kontakten durch die Nutzung sozialer Netzwerke
    • Effekte auf die Persönlichkeitsentwicklung durch unterschiedlich intensive Mediennutzung
    • Prävalenz, Inzidenz (= Häufigkeit der Neuerkrankungen), Stabilität und Remission von Internetsucht
    • Belastung durch psychosoziale Symptome in unterschiedlichen Nutzergruppen

    In der Erhebung kommen ausschließlich gut etablierte Erhebungsinstrumente zum Einsatz, welche vor dem Hintergrund eines ganzheitlichen Ansatzes zusammengestellt wurden. Hierüber sollen die Effekte der Mediennutzung möglichst breit erfasst werden, sodass sich Raum für die Identifikation sowohl von positiven als auch negativen Effekten bietet. Die Studie ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt auf insgesamt 24 Monate angelegt, jedoch wird angestrebt, die rekrutierte Kohorte über den genannten Zeitraum hinaus beizubehalten und im Idealfall auch den Übergang von der Adoleszenz in das junge Erwachsenenalter abbilden zu können.

    Kontakt:

    Dr. Kai W. Müller
    Grüsser-Sinopoli-Ambulanz für Spielsucht
    Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie
    Unversitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz
    Untere Zahlbacher Straße 8
    55131 Mainz
    muellka@uni-mainz.de / kai.mueller@unimedizin-mainz.de

    Angaben zu den Autoren:

    Die Dipl.-Psychologen Dr. Klaus Wölfling, Dr. Kai W. Müller und Prof. Dr. Manfred E. Beutel forschen und arbeiten an der Grüsser-Sinopoli-Ambulanz für Spielsucht, Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie der Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Dr. Leonard Reinecke ist Juniorprofessor am Institut für Publizistik der Johannes Gutenberg-Universität Mainz.

    Literatur:
    • APA – American Psychiatric Association. Diagnostic and statistical manual of mental disorders. 5th ed. Arlington, USA: American Psychiatric Publishing; 2013.
    • Braun, B., Stopfer, J.M., Müller, K.W., Beutel, M.E. & Egloff, B. (2016). Comparing regular gamers, non-gamers, and gaming addicts and differentiating between game genres. Computers in Human Behavior, 55, 406-412.
    • Chang, F. C., Chiu, C. H., Lee, C. M., Chen, P. H., & Miao, N. F. (2014). Predictors of the initiation and persistence of Internet addiction among adolescents in Taiwan. Addictive Behaviors, 39, 1434–1440.
    • Chen, S., Weng, L., & Su, Y. (2003). Development of Chinese Internet Addiction Scale and its psychometric study. Chinese Journal of Psychology, 45, 279–294.
    • Dreier, M., Tzavela, E., Wölfling, K., Mavromati, F., F., Duven, E., Karakitsou, Ch., Macarie, G., Veldhuis, L., Wójcik , S., Halapi, E., Sigursteinsdottir, H., Oliaga, A., Tsitsika, A. (2012). The development of adaptive and maladaptive patterns of Internet use among European adolescents at risk for internet addictive behaviours: A Grounded theory inquiry. National and Kapodistrian University of Athens (N.K.U.A.), Athens: EU NET ADB. Vefügbar unter: www.eunetadb.eu [20.11.2015].
    • Duven, E., Giralt, S., Müller, K.W., Wölfling, K., Dreier, M. & Beutel, M.E. (2011). Problematisches Glücksspielverhalten bei Kindern und Jugendlichen in Rheinland-Pfalz. Abschlussbericht an das Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie des Landes Rheinland-Pfalz.
    • Feierabend S., Plankenhorn T., Rathgeb T. JIM 2014: Jugend, Information,(Multi-) Media. Basisstudie zum Medienumgang 12-19-Jähriger in Deutschland [Internet]., November 2014 [zitiert am 24.11.2015]. URL: http://www.mpfs.de/fileadmin/JIM-pdf14/JIMStudie_2014.pdf
    • Gentile, D. A., Choo, H., Liau, A., Sim, T., Li, D., Fung, D., & Khoo, A. (2011). Pathological video game use among youths: A two-year longitudinal study. Pediatrics, 127 (2), 319-329.
    • Greitemeyer, T. (2011). Effects of Prosocial Media on Social Behavior When and Why Does Media Exposure Affect Helping and Aggression?. Current Directions in Psychological Science, 20(4), 251-255.
    • Kuss DJ, Shorter GW, van Rooij AJ, can de Mheen D, Griffiths MD. The Internet addiction components model and personality: Establishing construct validity via a nomological network. Comput Hum Behav. 2014;39:312-21.
    • Lemmens, J. S., Valkenburg, P. M., & Peter, J. (2011). The effects of pathological gaming on aggressive behavior. Journal of Youth and Adolescence, 40, 38-47.
    • Moffitt, T.E. (1993) Adolescent-limited and life-course persistent antisocial behavior: A developmental taxonomy. Psychological Review, 100 (4), 674-701.
    • Müller, K. (2013). Spielwiese Internet: Sucht ohne Suchtmittel. Springer-Verlag.
    • Müller KW, Beutel ME, Egloff B, Wölfling K. Investigating risk factors for Internet Gaming Disorder: A comparison of patients with addictive gaming, pathological gamblers and healthy controls regarding the Big Five personality traits. Eur Addict Res. 2014;20:129-136.
    • Scharkow, M., Festl, R. & Quandt, T. (2014). Longitudinal patterns of problematic computer game use among adolescents and adults – a 2-year panel study. Addiction, 109 (11), 1910-1917. doi: 10.1111/add.12662
    • Wölfling, K., Müller, K. W., Giralt, S., & Beutel, M. E. (2011). Emotionale Befindlichkeit und dysfunktionale Stressverarbeitung bei Personen mit Internetsucht. Sucht, 57 (1), 27-37.
    • Yu, L., & Shek, D. T. L. (2013). Internet addiction in Hong Kong adolescents: a three-year longitudinal study. Journal of pediatric and adolescent gynecology,26 (3), 10-S17.
  • Der Science Circle

    Der Science Circle

    Dr. Jens Hinrichs
    Dr. Jens Hinrichs
    Dr. Anne-Kathrin Exner
    Dr. Anne-Kathrin Exner
    Prof. Dr. Anke Menzel-Begemann. Foto: Wilfried Gerharz
    Prof. Dr. Anke Menzel-Begemann. Foto: Wilfried Gerharz

    Der Science Circle wurde 2012 unter dem damaligen Namen „Zukunftsworkshop“ durch Prof. Dr. Anke Menzel-Begemann und Dr. Anne-Kathrin Exner ins Leben gerufen, um die Vernetzung und den Austausch zwischen Forschenden aus verschiedenen Disziplinen und Praktikern verschiedener Professionen aus der Rehabilitation zu fördern. Mittlerweile hat sich die Gründungsidee bestätigt: Die Qualität der Rehabilitationsforschung wird mithilfe des Science Circles durch gezielte Projektentwicklungen und die Nutzung gemeinsamer Ressourcen und Potenziale verbessert (Menzel-Begemann & Exner 2013). Seit 2014 ist die Innovationswerkstatt offiziell eine Arbeitsgruppe des Nordrhein-Westfälischen Forschungsverbundes Rehabilitationswissenschaften.

    Was führte zu der Idee?

    sc_logoDas Feld der Rehabilitationswissenschaften ist im Vergleich zu anderen Wissenschaftsdisziplinen überschaubar. Viele forschende Kollegen (im Sinne einer besseren Lesbarkeit des Textes wird durchgängig die männliche Form verwendet, wobei jeweils beide Geschlechter impliziert sind) kennen und schätzen sich mitunter schon über Jahre, jedoch findet Forschung häufig relativ unverbunden im Rahmen von Projekten und an unterschiedlichen Standorten statt. Zu welchen Themen geforscht wird oder welche Kompetenzen und Forschungsschwerpunkte die Kollegen mitbringen, bleibt vage, und ein Austausch findet meist nur auf Fachtagungen statt. Besonders unter den Kollegen, die auch regional im Einzugsbereich der Deutschen Rentenversicherungen (DRV) Westfalen, Rheinland und Knappschaft-Bahn-See zusammenarbeiten, wurde dieser Umstand oft als unbefriedigend erlebt.

    Neben der Vernetzung der Forschenden untereinander war von Beginn an auch wichtig, dass Praktiker aus der medizinischen und beruflichen Rehabilitation und Vertreter der Rentenversicherung von einer gemeinsamen ‚Ideenwerkstatt‘ angesprochen werden. Der Grund hierfür ist einfach: Über die Jahre haben sich zum Teil gute Kontakte zu Praktikern entwickelt, die Interesse haben, Themen mit den Forschenden zusammen anzustoßen. Und gerade die Impulse derjenigen, die direkt mit Rehabilitanden im Versorgungssystem arbeiten, sind besonders wichtig, da sie neue Forschungsbedarfe anhand eigener Erfahrungen aufzeigen. Zusammen mit Forschenden und Vertretern der Leistungsträger können diese Beobachtungen im Science Circle diskutiert und konkretisiert und gemeinsam in Projekte umgesetzt werden.

    Welchen Nutzen hat der Science Circle für die Beteiligten?

    Vernetzung

    Das persönliche Kennenlernen der Teilnehmer, die aus verschiedenen Berufsgruppen kommen und in unterschiedlichen Funktionen an gemeinsamen Forschungsideen arbeiten, ist sicherlich einer der wichtigsten Zugewinne im Rahmen des Science Circles. Die dabei entstehenden neuen Kontakte schaffen Vernetzung zwischen Universitäten, Fachhochschulen, Instituten, Rehabilitationseinrichtungen (Leistungserbringern) und Leistungsträgern. Diese Vernetzung bildet die Grundlage einer guten und vertrauensvollen Zusammenarbeit innerhalb der Projekte, die auch außerhalb des Science Circles geschätzt und genutzt wird.

    Gestaltungsmöglichkeiten

    Die Zusammenarbeit zwischen Forschenden und Praktikern bietet einen Gestaltungsraum für bedarfs- und bedürfnisgerechte Forschung, d. h., es können Themen aufgezeigt werden, die unmittelbar an der Versorgungsrealität der Kliniken, ihren Mitarbeitern und nicht zuletzt den Patienten liegen. Es eröffnen sich so Möglichkeiten, Forschungsbedarfe aus Sicht der Leistungserbringer zu formulieren, und diese bilden eine ideale Ergänzung zu den Trendvorgaben der DRV und den Themenschwerpunkten beteiligter Forschungseinrichtungen. Jeder Teilnehmer, ob aus Forschung oder Praxis, kann die Federführung innerhalb einer Projektentwicklung übernehmen. Außerdem gilt, dass unkonventionelle, vielleicht auch noch unklare Ideen in die Gruppe eingebracht und aus verschiedenen Perspektiven diskutiert werden können. Diese Gedankenfreiheit innerhalb eines relativ engen Rahmens, den die vorgegebenen Rehabilitationsstrukturen mit sich bringen, macht den besonderen Reiz des Science Circles aus.

    Transfer

    Die Beteiligung an Forschung beinhaltet – besonders aus Sicht der Praktiker – einen zusätzlichen Aufwand an Zeit und Personal. Jedoch können erfolgreich durchgeführte Projekte und die resultierenden Ergebnisse einen wertvollen Beitrag für die Praxis leisten. Mitarbeiter aus teilnehmenden Kliniken erhalten je nach Art des Projektes Einblicke in neue Verfahren und Methoden in der Rehabilitation und Rehabilitationsforschung. Die Erfahrungen und Erkenntnisgewinne können nützlich bei der Gestaltung und Verbesserung eigener Klinikprozesse (z.  B. im Sinne von Qualitätssicherung) sein oder auch Antworten auf Grundsatzfragen in der Rehabilitation geben (z. B. bei Fragen der Zugangs- und Therapiesteuerung).

    Beispiel eines gelungenen Transfers ist der Fragebogen „Diagnostik von Arbeitsmotivation“ (DIAMO; Fiedler et al. 2005). Er wurde in einer gemeinsamen Studie der Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie am Universitätsklinikum Münster, der Deutscher Orden Ordenswerke, Suchthilfe, Weyarn und der Klinik am Park, Medizinisches Zentrum für Gesundheit Bad Lippspringe auf die Anwendbarkeit in der Rehabilitation von Abhängigkeitserkrankten untersucht. Die Studienfrage wurde von den Praktikern aufgeworfen, die nach Alternativen in der Eingangsdiagnostik der medizinisch-beruflich orientierten Rehabilitation (MBOR) von Suchterkrankten suchten. Die Gesellschaft für Rehabilitationswissenschaften e. V. NRW folgte der Forschungsfrage und förderte das Projekt nach positiver Begutachtung (GfR 2014). Bereits während der Durchführung des Projekts konnten die Mitarbeiter der teilnehmenden Kliniken und Einrichtungen praktische Erfahrungen mit dem Instrument sammeln und diese bewerten. Durch die Aufnahme des DIAMO-Fragebogens in die BORA-Empfehlungen fand ein erfolgreicher Transfer in die Praxis der Suchtrehabilitation statt. Die geplante Publikation der Forschungsergebnisse wird den wissenschaftlichen Transfer abschließen.

    Abbildung 1: Bereiche, die durch den DIAMO-Fragebogen abgefragt werden
    Abbildung 1: Bereiche, die durch den DIAMO-Fragebogen abgefragt werden

    Wie sind die Treffen organisiert?

    Die Treffen des Science Circles finden dreimal im Jahr an unterschiedlichen Standorten in Nordrhein-Westfalen statt. Sie starten in der Regel donnerstagvormittags und enden samstagmittags. Diese Zeit wird intensiv dafür genutzt, in moderierten Gruppen und im Plenum an rehabilitationsbezogenen Themen und Projekten zu arbeiten. Es werden hierzu regelmäßig Experten als Gastredner eingeladen, die zu ausgewählten Themen Impulsreferate halten und mit den Teilnehmern diskutieren.

    Wer wirkt am Science Circle mit?

    Der Science Circle ist ein offenes Angebot, an dem alle Interessierten, die mit Reha befasst sind, nach rechtzeitiger Anmeldung mitwirken können. Die Veranstaltungen des Science Circles haben bereits zu einer guten Resonanz geführt, die Teilnehmer setzen sich mittlerweile aus Rehabilitationsforschern der Universitäten Bielefeld, Hannover und Chemnitz, des Universitätsklinikums Münster, der Fachhochschulen Münster und Bielefeld, der Deutschen Sporthochschule Köln und des Instituts für Rehabilitationsforschung Norderney sowie aus Mitarbeitern verschiedener medizinischer und beruflicher Rehabilitationseinrichtungen und den Forschungsreferenten der Deutschen Rentenversicherungen Westfalen und Rheinland zusammen.

    Arbeitsgruppen und Projekte aus dem Science Circle

    Eine Arbeitsgruppe bearbeitet übergeordnete Themenfelder, die in der Rehabilitation bedeutsam sind, aber nicht direkt in ein Projekt münden sollen. Folgende Arbeitsgruppen haben sich bisher gebildet:

    • der „Inner Circle“ als ein Gremium, das die regelmäßig Teilnehmenden umfasst und die fortlaufende Diskussion und Bearbeitung von speziellen Themen ermöglicht, z. B. die Gestaltung eines gelungenen wechselseitigen Transfers zwischen Forschung und Praxis in der Rehabilitation,
    • die Arbeitsgruppe „Relevante Effekte und Signifikanzen in der Rehabilitationsforschung“, die sich mit der Frage befasst, wann Forschungsergebnisse eine für die Praxis klinische Relevanz haben (Leitung: Dr. Odile Sauzet),
    • die Arbeitsgruppe „Transferförderung – Veranstaltung“, die sich mit der Gestaltung und Organisation eines Veranstaltungsformates zur Förderung von Transfer befasst, in dem ein aktiver Austausch zwischen Forschenden, Trägern und Praktikern stattfinden kann (Leitung: Jochen Heuer, Philipp Pressmann).

    Soll die Bearbeitung von Themen über eine geordnete Antragstellung in ein drittmittelgefördertes Projekt münden, werden Projektarbeitsgruppen gebildet, an denen sich jeder Interessierte beteiligen kann. Folgende geförderte Projekte sind aus dem Science Circle hervorgegangenen:

    • Verfügbarkeit und Verwendung von Arbeitsplatzbeschreibungen in der Rehabilitation (OpAA) (Projektleitung: Jochen Heuer; Förderer: Verein zur Förderung der Rehabilitationsforschung e. V. Norderney)
    • Bedeutung von Umweltfaktoren in der medizinischen Rehabilitation zur Förderung von Teilhabe (UfaR) (Projektleitung: Prof. Dr. Anke Menzel-Begemann, Prof. Dr. Thorsten Meyer; Förderer: Gesellschaft für Rehabilitationswissenschaften NRW e. V.)
    • Resilienzförderung im Reha-Prozess: Entwicklung einer verhaltens- und verhältnisorientierten Intervention (InResPro) (Projektleitung: Dr. Jens Hinrichs, Prof. Dr. Thomas Altenhöner; Förderer: Gesellschaft für Rehabilitationswissenschaften NRW e. V.)

    Folgende Vorhaben sind in Vorbereitung auf eine Antragstellung zur Drittmittelförderung:

    • Verhaltens- und verhältnisorientierte Nachsorge (Projektleitung: Dr. Andrea Schaller)
    • Qualitative Analyse von Faktoren des Erfolgs einer medizinisch-beruflich orientierten Rehabilitation (QAFE-MBOR) (Projektleitung: Prof. Dr. Anke Menzel-Begemann, Prof. Dr. Thorsten Meyer)
    • Spezifizierung von MBOR-Bedarfen (Projektleitung: Dipl.-Psych. Johanna Frieler)
    • Wissenschaftsnetzwerk „Internationale Rehabilitationsforschung“ (Projektleitung: Jun.-Prof. Dr. Patrick Brzoska)

    Wie können Interessierte am Science Circle mitwirken?

    Für die Mitwirkung am Science Circle wird Freude am Austausch und an der Zusammenarbeit mit anderen Forschungsinteressierten zur (Weiter-)Entwicklung von Themen und Projekten vorausgesetzt. Eine personelle Einbindung in Forschungsprojekte, die bei der Rentenversicherung zur Förderung vorgelegt werden, ist nicht zwingend, aber möglich. Wer Interesse zur Mitwirkung im Science Circle hat, kann Kontakt zu den Autoren dieses Beitrags aufnehmen. Ebenso besteht die Möglichkeit, den Newsletter zu abonnieren, der über die Aktivitäten des Science Circles und Veranstaltungstermine informiert.

    Weitere Informationen über den Science Circle finden Sie unter: http://www.sciencecircle.de/

    Kontakt und Angaben zu den Autor/-innen:

    Dr. rer. medic. Jens Hinrichs, Dipl.-Psych.
    Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie
    Universitätsklinikum Münster
    Domagkstr. 22
    48149 Münster
    jens.hinrichs@ukmuenster.de
    http://psychosomatik.klinikum.uni-muenster.de
    http://zazo-i.de

    Dr. Jens Hinrichs (*1972) schloss 2005 das Studium der Psychologie mit dem Schwerpunkt Arbeits- und Organisationspsychologie an der Universität Osnabrück ab. Seit 2007 arbeitet er als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie, Universitätsklinikum Münster. Er promovierte zum Thema berufsspezifischer Belastungen von Polizeibeamten in NRW. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen der Ressourcen- und Motivationsdiagnostik und in der Entwicklung von Interventionen zur Förderung von beruflicher Motivation und Resilienz.

    Dr. Anne-Kathrin Exner, M.Sc. PH
    Fakultät für Gesundheitswissenschaften
    AG3: Epidemiologie und International Public Health
    Universität Bielefeld
    Postfach 100131
    33501 Bielefeld
    aexner@uni-bielefeld.de
    http://www.uni-bielefeld.de/gesundhw/ag3/projekte/05a_reha.html

    Dr. Anne-Kathrin Exner (*1982) schloss 2005 den Bachelorstudiengang Ökotrophologie an der Justus-Liebig-Universität Gießen und 2008 das Masterstudium Public Health an der Universität Bielefeld ab. Seit 2009 arbeitet sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Methodenberatung des NRW-Forschungsverbunds Rehabilitationswissenschaften an der Universität Bielefeld. Sie promovierte zum Thema Ernährungs- und Sportverhalten bei Frauen mit Brustkrebs nach Abschluss einer medizinischen Rehabilitation. Interessen in den Rehabilitationswissenschaften sind der Forschungs-Praxis-Transfer und regionale Vernetzung.

    Prof. Dr. rer. nat. Anke Menzel-Begemann, Dipl.-Psych.
    Fachhochschule Münster
    Fachbereich Pflege und Gesundheit
    Lehr- und Forschungsgebiet Rehabilitationswissenschaften
    Leonardo-Campus 8
    48149 Münster
    menzel-begemann@fh-muenster.de

    Anke Menzel-Begemann (*1972) studierte Psychologie an der Universität Bielefeld mit dem Schwerpunkt Neuropsychologie, arbeitete als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der psychologischen (2002–2006) und gesundheitswissenschaftlichen (2010–2014) Fakultät sowie in der neurologischen Abteilung einer Rehabilitationsklinik. In ihrer Promotion entwickelte sie Diagnoseverfahren für Planungs- und Organisationsstörungen nach Hirnschädigungen. Seit 2015 ist sie Professorin für Rehabilitationswissenschaften an der Fachhochschule Münster. Ihre Forschungsschwerpunkte sind die Förderung von Teilhabe und Selbstmanagement, was u. a. in Konzepte zur medizinisch-beruflichen Orientierung und zur Vorbereitung auf die häusliche Pflege mündete.

    Literatur:
    • GfR e.V. NRW (2014) Förderprojekt: Diagnostik von Arbeitsmotivation: Eine indikationsspezifische Validierung des DIAMO-Fragebogens im Bereich der Rehabilitation von Abhängigkeitserkrankten (FKZ: 13005)
    • Fiedler R.G., Ranft A., Schubmann C., Heuft G., Greitemann B. (2005) Diagnostik von Arbeitsmotivation in der Rehabilitation – Vorstellung und Befunde zur faktoriellen Struktur neuer Konzepte. Psychother Psych Med, 55: 476-482. (Online-Demo: http://diamo.zazo-i.de/)
    • Menzel-Begemann A., Exner A.-K. (2013) Rehabilitationsforschung in Nordrhein-Westfalen – Ergebnisse aus dem Zukunftsworkshop des NRW-Forschungsverbundes Rehabilitations-wissenschaften am 28.06.2012 in Bielefeld und 19.10.2012 in Münster (Westfalen). Rehabilitation, 52: 424-427
  • Verbreitung des Cannabiskonsums

    Verbreitung des Cannabiskonsums

    Dr. Tim Pfeiffer-Gerschel
    Dr. Tim Pfeiffer-Gerschel

    Cannabis ist sowohl unter Erwachsenen als auch unter Jugendlichen nach wie vor die mit Abstand am häufigsten konsumierte illegale Droge in Deutschland, Europa und vielen weiteren Ländern der Welt. Zum Konsum illegaler Substanzen unter Erwachsenen (18 bis 64 Jahre) in Deutschland wurden zuletzt 2013 repräsentative bundesweite Ergebnisse aus dem Epidemiologischen Suchtsurvey (ESA) vorgelegt (Kraus et al. 2013; Pabst et al. 2013), der seit 1980 wiederkehrend vom Bundesministerium für Gesundheit gefördert und gegenwärtig vom IFT Institut für Therapieforschung durchgeführt wird. Dem ESA 2012 zufolge hat etwa jeder zwanzigste Erwachsene (4,5 Prozent der Studienteilnehmer des ESA) in Deutschland in den letzten zwölf Monaten vor der Befragung Cannabis konsumiert. Mit Prävalenzwerten von unter einem Prozent war der Konsum aller anderen untersuchten illegalen Drogen weit weniger verbreitet. Etwa ein Viertel der erwachsenen Bevölkerung hat irgendwann einmal im Laufe des Lebens Konsumerfahrungen mit Cannabis gemacht (23,2 Prozent), die aber u. U. schon sehr lange zurückliegen können. Beim weit überwiegenden Teil der Konsumenten mit Konsumerfahrungen bleibt es beim vorübergehenden, so genannten passageren oder experimentellen Konsum innerhalb umschriebener Lebensphasen. Unterschiede zwischen Männern und Frauen betreffen in erster Linie die geringeren Anteile von weiblichen Cannabiskonsumenten in allen Altersgruppen – dies gilt auch für Jugendliche und junge Erwachsene.

    Die jüngsten Zahlen der BZgA

    In der Drogenaffinitätsstudie (DAS, Erhebung 2011) und im ergänzend dazu vorgelegten Alkoholsurvey 2012 – beide durchgeführt von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) – wurden bzw. werden Daten zum Cannabisgebrauch unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen im Alter von zwölf bis 25 Jahren erhoben. In der DAS, die bereits seit den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts wiederholt durchgeführt wird, ergab sich zuletzt für die 12- bis 17-Jährigen eine 12-Monats-Prävalenz von 4,6 Prozent, im Alkoholsurvey 2012 von 5,6 Prozent. Im Sommer 2015 wurden von der BZgA aktuelle Daten aus dem Alkoholsurvey 2014 vorgestellt. Demnach ist der Anteil der Jugendlichen, die innerhalb der letzten zwölf Monate Cannabis konsumiert haben, weiter gestiegen und liegt aktuell bei 8,3 Prozent (Orth, B., Töppich, J. 2015). 2014 hat jeder zehnte Jugendliche im Alter von zwölf bis 17 Jahren (10,0 Prozent) mindestens einmal im Leben Cannabis konsumiert. 2012 gaben im Rahmen des Alkoholsurveys 1,3 Prozent der 12- bis 17-Jährigen „regelmäßigen“, d. h. mehr als zehnmaligen Konsum in den letzten zwölf Monaten an, auch dieser Wert ist bis 2014 gestiegen und liegt mittlerweile bei 2,2 Prozent (ebd.).

    Bei jungen Erwachsenen im Alter von 18 bis 25 Jahren ist der Cannabiskonsum deutlich weiter verbreitet mit einer Lebenszeitprävalenz von 37,2 Prozent (2012: 34,8 Prozent), einer 12-Monats-Prävalenz von 17,6 Prozent (2012: 15,8 Prozent) und einem regelmäßigen Konsum von 5,1 Prozent (2012: 3,9 Prozent) (Orth, B., Töppich, J. 2015). Bei den jungen Erwachsenen zeigen sich differenziert nach sozialen Merkmalen keine Unterschiede in der Lebenszeitprävalenz. Die 12-Monats-Prävalenz sowie die 30-Tage-Prävalenz liegen bei Arbeitslosen über dem Durchschnitt, diese Gruppe zeigt zudem den mit Abstand höchsten Wert für regelmäßigen Konsum (9,3 Prozent) (BZgA 2014).

    Regionale Daten und weitere Studien

    Einige Bundesländer nahmen 2011 nach den Jahren 2003 und 2007 zum dritten Mal an der ESPAD-Studie (European School Survey Project on Alcohol and Other Drugs; espad.org) teil. Insgesamt sank die Lebenszeitprävalenz des Cannabiskonsums unter den befragten 15- bis 16-jährigen Jugendlichen zwischen 2003 und 2011 von 30,8 Prozent auf 22,2 Prozent, die 12-Monats-Prävalenz von 24,6 Prozent auf 17,4 Prozent und die 30-Tage-Prävalenz von 13,5 Prozent auf 8,1 Prozent. Der Anteil cannabiserfahrener Mädchen ging dabei stärker zurück als der Anteil männlicher Konsumenten. Die zeitliche Entwicklung des problematischen Cannabiskonsums (erhoben über den Cannabis Abuse Screening Test; CAST) kann nur für den Zeitraum 2007 bis 2011 betrachtet werden, da die entsprechenden Indikatoren 2003 nicht erhoben wurden. Demnach hat es sowohl für die Gruppe der 12-Monats-Konsumenten als auch für die Gesamtstichprobe keine signifikante Veränderung des Anteils riskanten Konsums gegeben. Auch in der geschlechtsspezifischen Analyse finden sich keine statistisch bedeutsamen Effekte.

    Die Lebenszeitprävalenz des Cannabiskonsums unter Frankfurter Schülern, die jährlich im Rahmen des Frankfurter Monitoring Systems Drogen (MoSyD) erhoben wird, ist nach einem deutlichen Anstieg von 2011 bis 2013 im Jahr 2014 um einen Prozentpunkt auf 41 Prozent zurückgegangen. Gleiches gilt für die 12-Monats-Prävalenz, die von 34 Prozent im Jahr 2013 auf 33 Prozent in 2014 fiel. Damit lässt sich die Stagnation des Probierkonsums von Cannabis, die in den letzten Jahren zu beobachten war, nun auch bei den Frankfurter Schülern feststellen. Die 30-Tage-Prävalenz ist hingegen auf 21 Prozent gestiegen. Auch der Wert für „häufigen Konsum“ (mindestens zehnmal im Vormonat und damit ein deutlich höherschwelliges Kriterium als in den Studien der BZgA) ist angestiegen und erreichte mit neun Prozent einen neuen Höchststand, ebenso erreicht der Anteil der täglich Konsumierenden mit vier Prozent den höchsten Wert seit 2003. Das Einstiegsalter ist mit durchschnittlich 15 Jahren seit mehreren Jahren unverändert geblieben (Werse et al. 2015).

    Um zu illustrieren, wie unterschiedlich Konsumerfahrungen in Abhängigkeit von der betrachteten Region sein können, sei noch auf die Brandenburger Schülerbefragung 2012/2013 verwiesen. Demnach hat etwas mehr als jeder fünfte Zehntklässler in Brandenburg Haschisch zumindest schon einmal in seinem Leben probiert (vgl. dazu die Ergebnisse aus Frankfurt). Dagegen ist ein regelmäßiger, d. h. täglicher oder wöchentlicher Haschischkonsum in Brandenburg selten (2,0 Prozent der Mädchen, 4,5 Prozent der Jungen) (Ministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz des Landes Brandenburg 2014).

    In spezifischen Szenen kann die Verbreitung des Cannabiskonsums hingegen z. B. deutlich höher ausfallen: Aktuelle Ergebnisse einer Erhebung des IFT München in Kooperation mit mehreren Partyprojekten zu neuen Trends beim Substanzmissbrauch in der Partyszene zeigen, dass unter den Partygängern der Cannabiskonsum extrem weit verbreitet ist (12-Monats-Prävalenz von Cannabis 74,4 Prozent) (Hannemann & Piontek 2015, persönliche Mitteilung).

    Tabelle 1 bietet einen Überblick über die in verschiedenen Studien unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen in Deutschland erhoben Daten zum Cannabiskonsum.

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    Längerfristige Entwicklungen

    Die 12-Monats-Prävalenz des Cannabiskonsums bei den 18- bis 24-jährigen jungen Männern und Frauen ging nach einem Anstieg bis Anfang der 2000er Jahre wieder deutlich zurück (Kraus et al. 2013). Das Maximum war bei beiden Geschlechtern fast viermal höher als im Jahr 1980 (Abbildungen 1 und 2). Eine ähnliche Entwicklung findet sich bei den 25- bis 39-jährigen Erwachsenen, wobei die Prävalenz weit niedriger war als die der jungen Erwachsenen und der Rückgang nach dem Maximum geringer ausfiel. Ein deutlich geringeres Prävalenzniveau und ein flacherer Verlauf der Kurven sind bei den 40- bis 59-Jährigen und bei den 60- bis 64-Jährigen zu beobachten. Im Vergleich zum jeweiligen Ausgangsniveau sind die 12-Monats-Prävalenzwerte im Jahr 2012 bei beiden Geschlechtern mit Ausnahme der 60- bis 64-Jährigen in allen Altersgruppen signifikant höher. Der Rückgang ab Mitte der 2000er Jahre ist lediglich in der jüngsten Altersgruppe statistisch bedeutsam.

    Für die Darstellung der zeitlichen Trends wurde eine in allen Jahren identische Gewichtungsvariable verwendet, sodass ein direkter Vergleich der Zahlen möglich ist (Kraus et al. 2013). Abbildung 1: Männer: Trends der 12-Monats-Prävalenz des Cannabiskonsums, * p < .05
    Abbildung 1: Männer: Trends der 12-Monats-Prävalenz des Cannabiskonsums, * p < .05
    Für die Darstellung der zeitlichen Trends wurde eine in allen Jahren identische Gewichtungsvariable verwendet, sodass ein direkter Vergleich der Zahlen möglich ist (Kraus et al. 2013).
    Für die Darstellung der zeitlichen Trends wurde eine in allen Jahren identische Gewichtungsvariable verwendet, sodass ein direkter Vergleich der Zahlen möglich ist (Kraus et al. 2013). Abbildung 2: Frauen: Trends der 12-Monats-Prävalenz des Cannabiskonsums, * p < .05
    Abbildung 2: Frauen: Trends der 12-Monats-Prävalenz des Cannabiskonsums, * p < .05
    Für die Darstellung der zeitlichen Trends wurde eine in allen Jahren identische Gewichtungsvariable verwendet, sodass ein direkter Vergleich der Zahlen möglich ist (Kraus et al. 2013).

    Betrachtet man den Trend des Cannabiskonsums in den verschiedenen Befragungen der letzten zehn bis 15 Jahre, so zeigt sich nach dem übereinstimmend berichteten Anstieg des passageren Konsums in den 1990er Jahren zunächst ein Rückgang etwa seit 2005. Dieser Rückgang scheint in den letzten Jahren bei Jugendlichen sowie (jungen) Erwachsenen zu stagnieren, es gibt sogar vereinzelt Hinweise auf einen erneuten Anstieg. Daten regionaler Monitoringsysteme aus Frankfurt und Hamburg, die Ergebnisse des ESA 2012 sowie die aktuellen Daten der BZgA weisen aktuell übereinstimmend auf eine Stagnation oder sogar Umkehr des über mehrere Jahre beobachteten kontinuierlichen Rückgangs des Konsums illegaler Substanzen (primär: Cannabis) unter Jugendlichen hin. Zu dieser Entwicklung passt auch, dass im Rahmen der qualitativen Erhebungen des Trendscout Panels des Frankfurter Monitoring Systems Drogen (MoSyD) bereits 2013 und 2014 von der Wahrnehmung einer deutlichen Image-Verbesserung von Cannabis berichtet wurde (zur Beschreibung der einzelnen Studien und Elemente der bundesweiten und regionalen Monitoringsysteme vgl. die REITOX-Berichte der Deutschen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht – DBBD unter www.dbdd.de).

    Anlass zur Sorge bereitet auch die Tatsache, dass sich die Verbreitung des regelmäßigen Konsums insbesondere unter jungen Erwachsenen über die Jahre praktisch kaum verändert hat. Diese Beobachtungen unterstützen die Vermutung, dass Veränderungen im Probierkonsum der Allgemeinbevölkerung keinen Rückschluss auf die Konsumgewohnheiten der erfahrenen Konsumenten erlauben und diese auch von den zahlreichen Maßnahmen nach wie vor nur ungenügend erreicht werden. Die Zahl der wegen Problemen im Umgang mit Cannabis in Behandlung befindlichen Personen ist in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen, was einerseits ein Beleg für die Akzeptanz der angebotenen Interventionen ist. Andererseits verdeutlicht diese Entwicklung auch, dass intensiver Cannabiskonsum zu schwerwiegenden Folgen führen kann bzw. in Kombination mit anderen Faktoren auftreten kann, die eine insgesamt erhebliche Problemlast für das Individuum ausmachen und eine professionelle Unterstützung erfordern.

    Alkohol-, Tabak- und Cannabiskonsum im Vergleich

    Gomes de Matos und Kollegen (2014) haben untersucht, ob auf Bundesebene und im Zeitverlauf Unterschiede im Alkohol-, Tabak- und Cannabiskonsum Jugendlicher bestehen. Über verschiedene Bundesländer hinweg zeigen sich für alle drei Substanzen sinkende Konsumwerte über die Zeit. Cannabiskonsum ist also nicht als isoliertes Phänomen zu betrachten. Für den Cannabiskonsum ist der rückläufige Trend nur bis 2007 zu beobachten. Im Gesamtverlauf sind die beobachteten Konsumparameter, die sich im europäischen Vergleich auf hohem bis mittlerem Niveau befinden, rückläufig. Der Urbanisierungseffekt – höherer Konsum in größeren Städten – wird auf die erhöhte Verfügbarkeit zurückgeführt (Tretter & Kraus 2004). Ähnliche Konsumprofile in den untersuchten Bundesländern deuten darauf hin, dass Substanzkonsum in Deutschland innerhalb eines gemeinsamen kulturellen Rahmens stattfindet. So kann man davon ausgehen, dass sich Personen in allen deutschen Bundesländern grundlegende Normen und Einstellungen zum Substanzkonsum teilen und bundesweiten Regulierungen gleichermaßen unterliegen.

    Eine Studie von Legleye und Kollegen (2014) analysiert die Dynamik der Verbreitung des experimentellen Cannabiskonsums in den Ländern Frankreich, Deutschland und USA. Drei Generationen von Männern und Frauen wurden untersucht, um die Hypothese zu prüfen, dass sich ein positiver Zusammenhang in älteren Kohorten – je höher das Bildungsniveau, desto höher der experimentelle Konsum – zu einem negativen Zusammenhang in jüngeren Kohorten – je höher das Bildungsniveau, desto geringer der experimentelle Konsum – wandelt. Die Hypothese basiert auf der Dynamik der Verbreitung von Tabak, die diesem Muster gefolgt ist. Die Ergebnisse für Deutschland zeigen zunächst das erwartete Entwicklungsmuster, in der letzten untersuchten Generation nivelliert sich die Entwicklung jedoch, sodass der Cannabiskonsum gleichmäßig über alle Bildungsniveaus verteilt ist. Insgesamt steigt die Prävalenz des experimentellen Konsums über die Altersgruppen hinweg deutlich an.

    Hochrisikophasen in der zweiten Lebensdekade

    Mittlerweile ist die Tatsache, dass intensiver Cannabiskonsum insbesondere im Jugendalter mit Risiken für die psychische und körperliche Gesundheit einhergehen kann, weitgehend akzeptiert. Die Hochrisikophasen für den ersten Substanzkonsum sowie den Beginn von regelmäßigem Konsum und Substanzstörungen (Substanzmissbrauch und -abhängigkeit) liegen in der zweiten Lebensdekade. Es ist bemerkenswert, dass sich relativ große Anteile aller Übergänge vom Erstkonsum zum regelmäßigen Konsum und vom Erstkonsum zur Substanzstörung in den ersten wenigen Jahren nach dem Erstkonsum vollziehen. Dabei wurde die kürzeste Übergangsdauer für Cannabis und Nikotin beobachtet (im Vergleich zu Alkohol). Die Altersstufen 15 bis 18 sind nach dem Erstkonsum die entscheidenden Jahre, in denen sich der Übergang zur Substanzstörung vollzieht (Wittchen et al. 2008).

    Behrendt und Kollegen (2009) konnten neben Cannabis auch für Alkohol und Nikotin zeigen, dass ein früherer Beginn des Substanzkonsums in der Adoleszenz im Vergleich zu einem späteren Beginn des Substanzkonsums in der Adoleszenz mit einem erhöhten Risiko der Entwicklung von Substanzmissbrauch und -abhängigkeit verbunden ist. Dabei ist der Konsum von Cannabis kein notwendigerweise vorübergehendes Jugendphänomen: Bei Personen mit erhöhter Konsumfrequenz in der Adoleszenz bleibt der Cannabiskonsum häufig bis in das dritte und vierte Lebensjahrzehnt bestehen. Auch Alkoholabhängigkeit und belastende Lebensereignisse sind Risikofaktoren für die Stabilität des Cannabiskonsums bis in das dritte und vierte Lebensjahrzehnt (Perkonigg et al. 2008). Bezogen auf die Gesamtstichprobe des ESA 2012 erfüllten jeweils 0,5 Prozent der befragten Erwachsenen die DSM-IV Kriterien für Cannabismissbrauch und ‑abhängigkeit (ca. 250.000 Personen) (Pabst et al. 2013).

    Cannabismissbrauch und -abhängigkeit

    Zwischen 2000 und 2012 stieg der Anteil cannabisabhängiger Männer von 0,5 Prozent auf 0,8 Prozent. Keine Hinweise auf bedeutsame zeitliche Veränderungen gibt es bezüglich des Missbrauchs sowie der Abhängigkeit von Cannabis bei Frauen (Kraus et al. 2013). Bei einer insgesamt hohen Prävalenz des Cannabiskonsums unter Jugendlichen muss sorgfältig zwischen alterstypischem Probierkonsum und regelmäßigem bzw. problematischem Cannabiskonsum unterschieden werden. Nach aktuellen epidemiologischen Befunden (aus den Studien Hamburger SCHULBUS, Frankfurter MoSyD, DAS und ESA) zeigen 1,4 Prozent bis 7,1 Prozent der befragten deutschen Jugendlichen einen Cannabiskonsum, der als problematisch einzuschätzen ist (Wartberg et al. 2014).

    Die fachliche Beratung und die Behandlung cannabisbezogener Folgeschäden erfolgt in Deutschland größtenteils ambulant. Eine stationäre Aufnahme und Behandlung ist nur bei schweren gesundheitlichen Störungen oder bei einem hohen Rückfallrisiko vorgesehen (Hoch et al. 2015). In Deutschland erhalten gemäß einer Studie der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EBDD) ca. zehn Prozent der behandlungsbedürftigen Cannabiskonsumenten (täglicher oder fast täglicher Konsum) eine Behandlung. Im gesamteuropäischen Vergleich gehört Deutschland zusammen mit Norwegen zu den Ländern mit der höchsten Abdeckungsrate (Schettino et al. 2015).

    Im Rahmen der Frankfurter Schülerbefragung des MoSyD werden die Schüler seit 2008 auch nach dem Konsum so genannter Räuchermischungen und seit 2010 auch nach dem Konsum anderer ‚Legal Highs‘ befragt. In der aktuellen Erhebung haben sechs Prozent der 15- bis 18-Jährigen mindestens einmal in ihrem Leben eine ‚Räuchermischung‘ mit synthetischen Cannabinoiden konsumiert, ein Prozent auch in den letzten 30 Tagen. Andere Produkte, die neue psychoaktive Substanzen enthalten, spielen quantitativ keine Rolle. Die Lebenszeitprävalenz von Räuchermischungen liegt aktuell bei sechs Prozent und damit unter den Werten von 2009 bis 2012 (sieben bis neun Prozent). Die 30-Tages-Prävalenz verharrt auf dem Vorjahresniveau bei einem Prozent, und der mehr als fünfmalige Konsum (Lebenszeit) steigt geringfügig auf 0,8 Prozent. Insgesamt hat sich die rückläufige Tendenz beim Konsum cannabinoidhaltiger Kräutermischungen weitgehend bestätigt (Werse et al. 2015).

    Kontakt:

    Dr. Tim Pfeiffer-Gerschel
    IFT Institut für Therapieforschung
    Parzivalstraße 25
    80804 München
    Pfeiffer-Gerschel@ift.de
    ift.de

    Angaben zum Autor:

    Dr. Tim Pfeiffer-Gerschel ist Geschäftsführer des IFT Institut für Therapieforschung München, Leiter der Deutschen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (DBDD) und in eigener Praxis als Psychotherapeut tätig.

    Literatur:

    Weitere Literatur beim Verfasser

  • Suchthilfe und Versorgungssituation in Deutschland

    Suchthilfe und Versorgungssituation in Deutschland

    Dr. Andreas Koch
    Dr. Andreas Koch

    Das Verständnis von Suchthilfe muss im Kontext vergangener und aktueller Entwicklungen wie z. B. der Einführung des Neunten Sozialgesetzbuches, der Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) und der 2006 von den Vereinten Nationen verabschiedeten UN‐Behindertenrechtskonvention (UN‐BRK) immer wieder neu definiert werden. Die Auffassungen davon, was hilfreich, wirksam, logisch und effizient ist, prallen auf die harten Bedingungen der Machbarkeit und Finanzierbarkeit in einem sozial‐ und leistungsrechtlich stark gegliederten Versorgungssystem. Statt einer volkswirtschaftlich orientierten Optimierung des Gesamtsystems befürchten viele Experten für die Zukunft eine zunehmend betriebswirtschaftlich orientierte, ineffiziente Optimierung von Teilsystemen mit beliebig anmutender Ressourcenverschiebung auf Kosten jeweils anderer Segmente. Finanziell begründete Restriktionen in komplementären Versorgungsfeldern führen möglicherweise dazu, dass Patienten mit ‚schlechten‘ Prognosen zunehmend weniger erreicht werden.

    Aktuelle Entwicklungen machen eine Bestandsaufnahme erforderlich!

    Um die wesentlichen Meilensteine der Entwicklung des deutschen Suchthilfesystems identifizieren und daraus Handlungsempfehlungen für die Zukunft ableiten zu können, wurde von der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) 2012 ein Ausschuss eingesetzt, der mit Experten aus unterschiedlichen Leistungsbereichen und Verbänden besetzt war. Dieser Ausschuss hat sich intensiv mit den sozial- und leistungsrechtlichen Grundlagen der verschiedenen Bereiche des Suchthilfesystems auseinandergesetzt, eine umfassende Analyse der Funktionsfähigkeit des Systems erarbeitet und Perspektiven für die zukünftige Entwicklung aufgezeigt. Dem Ausschuss gehörten an: Gabriele Bartsch (Stv. Geschäftsführerin DHS), Renate Walter-Hamann (Deutscher Caritasverband), Hans Böhl (Jugendberatung und Jugendhilfe Frankfurt/Caritas Suchthilfe), Eberhard Ewers (Der Paritätische Gesamtverband), Dr. Heribert Fleischmann (Bezirkskrankenhaus Wöllershof/Vorsitzender DHS), Dr. Andreas Koch (Bundesverband für stationäre Suchtkrankenhilfe), Jost Leune (Fachverband Drogen- und Suchthilfe), Dr. Theo Wessel (Gesamtverband für Suchtkrankenhilfe/Stv. Vorsitzender DHS).

    Die von dem Expertenausschuss erstellte Strukturanalyse mit dem Titel „Suchthilfe und Versorgungssituation in Deutschland“ wurde von der DHS im Februar 2014 veröffentlicht und stand bislang nur als pdf-Dokument zur Verfügung. Nun wird sie auch ‚internetgerecht‘ dargestellt. Sie ist auf der Internetseite der DHS unter DHS Stellungnahmen > Versorgungsstrukturen freigeschaltet. Alle Interessierten sind herzlich dazu eingeladen, sich mit den Ergebnissen der Analyse kritisch auseinanderzusetzen und in eine Diskussion mit der DHS einzutreten. Im Folgenden werden die wesentlichen Inhalte und Ergebnisse kurz zusammengefasst.

    Warum ist das deutsche Suchthilfesystem so, wie es ist?

    Um zu verstehen, wie das deutsche Suchthilfesystem funktioniert und warum es sich so entwickelt hat, ist es notwendig, einen Blick auf die Entwicklung der letzten 50 Jahre zu werfen. Beginnend mit dem Urteil des Bundessozialgerichtes (BSG) von 1968 zur grundsätzlichen Anerkennung von ‚Trunksucht‘ als Krankheit und den folgenden Urteilen zur leistungsrechtlichen Zuständigkeit von Kranken‐ und Rentenversicherung werden die unterschiedlichen Entwicklungslinien aufgezeigt. Mit Hilfe eines Zeitstrahls, in dem die wesentlichen Meilensteine (BSG‐Urteile, Modellprojekte, Rahmenkonzepte etc.) verzeichnet sind, lässt sich nicht nur die chronologische Entwicklung des Suchthilfesystems in Deutschland nachzeichnen, sondern es werden auch die Kausalzusammenhänge deutlich, die zu der teilweise sehr komplexen Struktur des Suchthilfesystems bis heute geführt haben. Die historische Entwicklung hat einerseits zu einem sehr breiten und differenzierten Angebot von Hilfen und Interventionen geführt, andererseits aber auch zu einem teilweise unübersichtlichen Geflecht von Rechtsgrundlagen, Zuständigkeiten und Finanzierungsformen.

    Was funktioniert im Suchthilfesystem und was nicht?

    Bei der Analyse und Bewertung der Funktionsfähigkeit des Suchthilfesystems gilt es, eine Vielzahl von Aspekten zu berücksichtigen: die gesetzlichen Rahmenbedingungen, die unterschiedlichen Zielgruppen, die vielfältigen Finanzierungsgrundlagen, die Anforderungen der Leistungsträger, die verschiedenartigen Leistungserbringer mit ihren sehr unterschiedlichen und teilweise stark voneinander abgegrenzten Angeboten. Im Suchthilfesystem und zwischen den darüber hinaus involvierten Systemen gibt es eine Vielzahl von Schnittstellen, deren Funktionieren erheblich über Erfolg oder Misserfolg personenzentrierter Suchthilfe entscheidet. Zur Analyse und Bewertung der Funktionsfähigkeit des Suchthilfesystems wurden in einem ersten Schritt die relevanten Interventionen im Hilfesystem identifiziert und in einer Matrix die leistungsrechtlichen Grundlagen (SGB’s, weitere Gesetze, freiwillige Leistungen) dargestellt. Weiterhin wurden zur Darstellung der Funktionsfähigkeit des Hilfesystems an konkreten Beispielen exemplarische Zielgruppen (typische/häufige Personengruppen oder Menschen mit besonderem Hilfebedarf) beschrieben. In einem zweiten Schritt wurde in verschiedenen Expertendiskussionen analysiert, wie bedarfsgerecht diese Zielgruppen beraten bzw. behandelt werden und wie gut die unterschiedlichen Interventionen ineinandergreifen. Auf dieser Grundlage wurden in einer weiteren Matrix die Ergebnisse der Analyse der aktuellen Versorgungsrealität dargestellt. Die einzelnen Bewertungen sind mit Begründungen hinterlegt.

    Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass es für jeden (auch sehr spezifischen) Hilfebedarf von betroffenen Menschen passende Angebote im deutschen Suchthilfesystem gibt. Problematisch ist allerdings, dass die Zuständigkeiten und Finanzierungsmöglichkeiten extrem kompliziert geregelt sind und ein nahtloses Ineinandergreifen sinnvoll kombinierter Interventionen daher nicht immer möglich ist.

    Wie soll sich das Hilfesystem zukünftig entwickeln?

    Aus den Analyseschritten (historische Entwicklung und kritische Bestandsaufnahme zur aktuellen Situation) wurden Handlungsempfehlungen abgeleitet. Damit das Suchtversorgungssystem auch in Zukunft in seiner Wirksamkeit und Leistungsfähigkeit erhalten werden kann, sind Weiterentwicklungen auf der Ebene der Rahmenbedingungen und der Institutionen notwendig. Im Hinblick auf die Rahmenbedingungen (strategische Ebene) sollten beispielsweise die konsequente Umsetzung des SGB IX und seine zielgerichtete Weiterentwicklung zu einem wirksamen Leistungsgesetz ebenso im Fokus der zukünftigen Entwicklung stehen wie die Aufrechterhaltung der Koordinationsfunktion der Bundesländer. Im Hinblick auf die Institutionen (operative Ebene) sollte die Etablierung von verbindlichen Kooperationsstrukturen (Suchthilfenetzwerke, Case Management) im Mittelpunkt der Entwicklung stehen. Und schließlich müssen Dokumentation, Statistik und Forschung stärker als bisher die Wirksamkeit einzelner Interventionen und des gesamten Systems in den Blick nehmen. Staat und Gesellschaft werden die Leistungsfähigkeit des Suchthilfesystems in Deutschland zukünftig kritischer bewerten und dabei verstärkt die Frage nach dem ‚Social Return on Investment‘ stellen. Daher sind Maßnahmen zur verbesserten Koordination der einzelnen Segmente und zur transparenteren Darstellung der Wirksamkeit der Leistungen erforderlich.

    Kontakt:

    Dr. Andreas Koch
    Bundesverband für stationäre Suchtkrankenhilfe e. V.
    Wilhelmshöher Allee 273
    34131 Kassel
    andreas.koch@suchthilfe.de
    www.suchthilfe.de

    Angaben zum Autor:

    Dr. Andreas Koch ist Geschäftsführer des Bundesverbandes für stationäre Suchtkrankenhilfe e. V., Kassel, Vorstandsmitglied der DHS und Mitherausgeber von KONTUREN online.

  • Psychotherapie bei Internetsucht

    Psychotherapie bei Internetsucht

    Michael Dreier
    Michael Dreier
    Dr. Klaus Wölfling
    Prof. Manfred Beutel
    Kai W. Müller

     

     

     

     

    Seit 2013 findet sich die so genannte Internet Gaming Disorder (zu Deutsch: Internetspielsucht, auch: Computerspielsucht), eine häufige Variante internetsüchtigen Verhaltens, als vorläufige Diagnose im Anhang der fünften Auflage des Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (DSM-5; APA, 2013). Die American Psychiatric Association (APA) reagierte damit auf die stetig anwachsende Zahl wissenschaftlicher Literatur, welche Internetsucht im Allgemeinen und Computerspielsucht im Speziellen als ernstzunehmendes Gesundheitsproblem darstellt. Auf der Grundlage aktueller Prävalenzschätzungen ist davon auszugehen, dass in Deutschland zwischen ein und zwei Prozent der Allgemeinbevölkerung unter Internetsucht leiden, wobei die Prävalenzraten unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit bis zu vier Prozent nochmals höher zu beziffern sind (vgl. z. B. Müller et al., 2014a,b; Rumpf et al., 2013).

    Internetsucht und Psychotherapieforschung

    Das Problemverhalten selbst ist aktuell nosologisch noch nicht endgültig klassifiziert. Jedoch deuten insbesondere neurowissenschaftliche Befunde darauf hin, dass ähnlich wie beim Pathologischen Glücksspiel von deutlichen Parallelen zu Substanzabhängigkeiten ausgegangen werden kann (Thalemann, Wölfling & Grüsser, 2007; Ko et al., 2013) und viele Kliniker und Forscher deshalb das Störungsbild als substanzungebundene Abhängigkeitserkrankung bzw. Verhaltenssucht auffassen. Auch auf diagnostischer Ebene wird die Ähnlichkeit zu anderen Abhängigkeitserkrankungen unterstrichen. Dies zeigen die von der APA definierten diagnostischen Kriterien für Computerspielsucht: Craving, Kontrollverlust, Toleranzentwicklung, Fortführung des Konsums trotz negativer Konsequenzen, Interessensverlust, Täuschung von Angehörigen oder Therapeuten, die Gefährdung relevanter Lebensbereiche, Emotionsregulation und Erleben entzugsähnlicher Symptome bei Konsumverhinderung.

    Internationale Studien ebenso wie Erhebungen im deutschen Suchthilfesystem zeigen, dass Internet- und Computerspielsucht mit einer deutlich erhöhten psychosozialen Symptombelastung und komorbiden Erkrankungen einhergeht. Insbesondere depressive Verstimmungen, erhöhte Ängstlichkeit und Stressbelastung sowie ein schlechteres allgemeines psychosoziales Funktionsniveau treten in Verbindung mit Internetsucht auf (vgl. z. B. Wölfling et al., 2013; Yang et al., 2008).

    Aus der aktuell fehlenden Anerkennung der Internetsucht als Störungsbild ergibt sich, dass derzeit nur sehr wenige Erkenntnisse zur Wirksamkeit und Wirkungsweise (psycho-)therapeutischer Verfahren vorliegen. In einer Evaluation bisher vorliegender Psychotherapiestudien zur Internetsucht stellen King und Kollegen (King, Delfabbro & Griffiths, 2011) entsprechend fest, dass keine der von der Autorengruppe analysierten acht Interventionsstudien den umfassenden Qualitätsstandards klinischer Studien entspricht. Identifizierte Mängel betreffen hier z. B.:

    • Fehlende Definition von Ein- und Ausschlusskriterien für den Einschluss in die Studien
    • Keine ausreichende inhaltliche Beschreibung des Interventionsprogramms
    • Unzureichende Qualität der statistischen Analysen zur Bestimmung der Therapieeffekte
    • Unangemessener methodischer Zugang zur Hypothesentestung (z. B. Fehlen von Kontrollgruppen)

    Trotz des Mangels an standardisierten Behandlungsmanualen ergibt sich aus verschiedenen publizierten Arbeiten jedoch eine Schnittmenge verschiedener Verhaltensdomänen, die in der Therapie aufgegriffen werden. Dazu gehören Maßnahmen wie eine Problemanalyse des Internetnutzungsverhaltens, Abstinenzfokussierung, die Aneignung von Strategien der Kontrolle des Konsums sowie von Motivationstechniken, das Erarbeiten von Tagesstruktur bzw. Online-Zeitmanagement und die Verbesserung sozialer Beziehungen bzw. die Verbesserung der Partnerschaftlichkeit (vgl. King et al., 2011).

    Als positiv ist zu bewerten ist zudem, dass mittlerweile eine erste Meta-Analyse bisheriger Psychotherapiestudien zur Internetsucht veröffentlicht wurde (Winkler et al., 2013). Natürlich sind die Ergebnisse dieser ersten wichtigen Analyse immer vor dem Hintergrund der von King und Kollegen (2011) dokumentierten Schwächen bisheriger Studien zu bewerten, jedoch erlaubt sie eine erste Abschätzung der Wirksamkeit verschiedener Therapiemethoden. In die Studie von Winkler und Kollegen (2013) flossen insgesamt 16 klinische Studien zur Internetsucht aus verschiedenen Kulturkreisen, hauptsächlich jedoch Asien, ein, welche eine Patientenzahl von insgesamt 670 Personen beinhalteten. Die angewandten Interventionsformen bestanden in der überwiegenden Anzahl aus multimodalen Therapieprogrammen mit einem Schwerpunkt auf kognitiv-behavioralen Ansätzen. Zusätzlich wurden drei psychopharmakologische Studien berücksichtigt. Die Autoren verzeichneten unterschiedliche Effektstärken je nach Art der angewandten Intervention. Kognitiv-behaviorale Ansätze waren in Bezug auf die Reduktion der Onlinezeiten und der Symptome der Internetsucht anderen psychotherapeutischen Verfahren überlegen. Die Effektstärken für die kognitive Verhaltenstherapie variierten hier auf einem hohen Niveau zwischen d=0.84 und 2.13, was auf eine gute bis sehr gute Wirksamkeit hindeutet.

    Im Vergleich zwischen der Verhaltenstherapie und der Psychopharmakotherapie ergaben sich keine signifikanten Wirkunterschiede. Die medikamentöse Behandlung der Internetsucht (insbesondere basierend auf selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmern und Methylphenidat) erwies sich mit Effektstärken zwischen d=0.28 und 2.23 ebenfalls als wirksam. Auch hinsichtlich der Wirkung auf assoziierte Problemlagen und psychosoziale Symptome (z. B. depressive Verstimmung) ging die kognitive Verhaltenstherapie mit den höchsten Effektstärken einher.

    Die Analyse der Drop-Out-Quoten ergab, dass fast 20 Prozent der Patienten die Behandlung vorzeitig beendeten. Zusätzlich wurde eine – jedoch auf Grund der geringen Datenmenge als vorläufig anzusehende – Analyse einzelner Wirkfaktoren vorgenommen. Hier erwies sich, dass von höheren Therapieeffekten bei weiblichen und älteren Patienten auszugehen ist. Ein therapeutisches Einzelsetting erwies sich der Gruppentherapie als moderat überlegen.

    Insgesamt deuten die Daten dieser ersten übergreifenden Analyse darauf hin, dass psychotherapeutische und psychopharmakologische Interventionen bei Internetsucht eine gute Wirksamkeit aufweisen, wobei nochmals der vorläufige Charakter der präsentierten Daten unterstrichen werden muss. Ungeklärt bleibt hingegen, inwieweit die erzielten Therapieeffekte über das unmittelbare Setting hinaus zeitliche Stabilität aufweisen. Daneben lassen sich auch noch keine Aussagen darüber treffen, inwieweit die gefundenen Effekte gleichermaßen auf unterschiedliche Formen internetsüchtigen Verhaltens (z. B. Computerspielsucht, Onlinesexsucht, suchtartige Nutzung von sozialen Netzwerken) generalisiert werden können.

    Studie zur Behandlungswirksamkeit im deutschen Sprachraum

    Pilotstudie der Ambulanz für Spielsucht

    Im Jahre 2014 wurde von Wölfling, Beutel, Dreier und Müller eine deutsche Studie zur Behandlungswirksamkeit unter Einschluss von 37 männlichen Patienten mit Internetsucht im ambulanten Setting veröffentlicht. Nach Beendigung des manualisierten und standardisierten Therapieprogramms der Arbeitsgruppe um Wölfling (2012) schlossen 26 Patienten die verhaltenstherapeutische Intervention mit positivem Ergebnis ab. 89 Prozent dieser Patienten, die die Therapie regulär beendet hatten, wiesen in der Abschlussmessung ein unauffälliges Internetnutzungsverhalten auf (d. h. die Symptome der Internetsucht waren nicht mehr vorhanden), was in den meisten Fällen eine Abstinenz von der zuvor suchtartig genutzten Internetanwendung beinhaltete. Zudem zeigte sich eine signifikante Verminderung der zuvor beobachteten zusätzlichen psychopathologischen Symptombelastung im SCL-90R. Es handelt sich hierbei um ein Inventar, welches psychische Symptome und Stressbelastungen abbilden kann. Insbesondere in den Bereichen Depressivität, Angstsymptome, Unsicherheit im Sozialkontakt und Zwanghaftigkeit waren hohe Effektstärken zu verzeichnen, d. h. die jeweiligen Symptome waren nach Beendigung der Therapie signifikant zurückgegangen. Insgesamt elf Patienten brachen die Therapie vorzeitig ab, was einer Drop-Out-Quote von 29 Prozent entspricht.

    Multicenter-Studie zur Behandlungswirksamkeit im deutschen Sprachraum

    Um für den deutschen Sprachraum eine erste Abschätzung der Wirksamkeit eines standardisierten verhaltenstherapeutischen Behandlungsmanuals zu dokumentieren und die im vorigen Abschnitt vorgestellten Daten aus der Pilotstudie in größerem Umfang zu erhärten, führt die Ambulanz für Spielsucht der Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie der Universitätsmedizin Mainz derzeit im Zusammenschluss mit drei weiteren Zentren (Zentralinstitut für Seelische Gesundheit Mannheim, Universitätsmedizin Tübingen, Anton Proksch Institut Wien) eine klinische Studie durch.

    Bei dem von der DFG und dem BMBF geförderten Projekt STICA (Short-term Treatment of Internet and Computer game Addiction) handelt es sich um die Weiterführung der oben genannten Pilotstudie im Rahmen einer multizentrischen randomisierten klinischen Kontrollstudie (RCT). Mit dieser Studie sollen Wirksamkeit und Wirkmechanismen der an der Ambulanz für Spielsucht entwickelten verhaltenstherapeutischen Behandlung für Computerspiel- und Internetsucht überprüft werden (Wölfling et al., 2012). Insgesamt sollen 192 Patienten mit Internet- und Computerspielsucht behandelt werden. Zielgruppe für das Behandlungskonzept sind Männer im Alter von 17 bis 55 Jahren. Das Studiendesign für STICA orientiert sich am Verhaltenssuchtansatz von Computerspiel- und Internetsucht in ihren unterschiedlichen Manifestationen. So ist Internetsucht als Sammelbezeichnung zu verstehen und beinhaltet eine Vielzahl verschiedener Aktivitäten im Internet, die von Betroffenen unkontrolliert bzw. exzessiv ausgeübt werden. Ihre Haupterscheinungsformen beziehen sich auf Computer- bzw. Online-Spiele (z. B. Browsergames, Online-Rollenspiele), die Nutzung von sozialen Netzwerken und Chats, das Surfen auf Erotikseiten, die Teilnahme an Online-Glücksspielen (z. B. Poker, Online-Casinos), das Ansehen und Sammeln von Videos bzw. Filmen (z. B. Streaming-Angebote), ausuferndes Einkaufen (z. B. Online-Auktionen) oder das ziellose Recherchieren und Sammeln von Informationen (z. B. Online-Informationsplattformen oder Lexika).

    In den beteiligten Studienzentren werden die Patienten zufällig entweder der Therapiegruppe oder der Wartekontrollgruppe zugeordnet. Mit dem Vergleich dieser beiden Gruppen soll die Wirksamkeit der speziellen verhaltenstherapeutischen Kurzzeitintervention geprüft werden. Die Behandlung besteht aus 15 Gruppensitzungen (wöchentlich je 100 Minuten), welche unten näher beschrieben werden, und acht Einzelsitzungen (alle 14 Tage 50 Minuten). Acht Patienten stellen die Ideale Gruppengröße dar. Letztendlich erhalten alle in die Studie eingeschlossenen Patienten die Behandlung – für die Wartegruppe beginnt die Therapie jedoch erst nach einer Wartezeit von vier Monaten.  Das genaue Vorgehen bei der Studiendurchführung kann Abbildung 1 entnommen werden (Jäger et al., 2012).

    Abb. 1: STICA Studiendesign
    Abb. 1: STICA Studiendesign

    Ein störungsspezifisches Therapieprogramm bei Internetsucht

    Struktur der Gruppensitzungen

    Bevor die einzelnen Phasen der Therapie skizziert werden, soll vorab  die Struktur der Sitzungen an sich beschrieben werden: Die Gruppensitzungen beinhalten eine Begrüßung und einen Rückblick auf die Ereignisse der letzten Sitzung. Anschließend berichten die Patienten in einer Abstinenzrunde den Verlauf der letzten Woche. Während der Patientenberichte soll der Therapeut/die Therapeutin positive Veränderungen verstärken, Rückfälle und negative Ereignisse werden direkt in der Gruppe besprochen. Zur nachhaltigen Zielerreichung ist eine Ressourcenaktivierung notwendig, welche der Therapeut/die Therapeutin nach den Bedürfnissen der Patienten entwickeln und anwenden muss. Die jeweiligen sitzungsspezifischen Gruppenthemen werden mit ca. 50 Minuten veranschlagt. Sie bestehen aus einer Einführung sowie der Erarbeitung des Themas anhand von Diskussionen, Arbeitsblättern und Übungen. Offene Fragen werden jeweils in der gemeinsamen Zusammenfassung geklärt. Der Therapeut/die Therapeutin entlässt die Gruppenmitglieder, nachdem er/sie einen Ausblick auf die nächste Sitzung gegeben hat.

    Aufbau des Therapiemanuals

    Die folgende Beschreibung basiert auf dem Therapiemanual von Wölfling und Kollegen (2012). Die verhaltenstherapeutische Kurzzeitintervention ist in drei Phasen unterteilt: 1) Psychoedukation und Motivation, 2) Intervention und 3) Transfer und Stabilisierungsphase.

    Die erste Phase (Psychoedukation und Motivation) umfasst die ersten drei Sitzungen und thematisiert eine individuelle störungsspezifische Psychoedukation, vermittelt ein individuelles bio-psychosoziales Erklärungsmodell für die Entstehung von Internetsucht, klärt bzw. fördert die Motivation für eine dauerhafte Verhaltensveränderung (u. a. Abstinenz von der suchtartig genutzten Internetaktivität) und definiert zusammen mit den Patienten weiterführende Therapieziele.

    Die zweite Phase (Intervention) erstreckt sich von Sitzung 4 bis 11 und erarbeitet basierend auf Wochenprotokollen eine Problem- und Verhaltensanalyse nach dem Prinzip des SORCK-Schemas (Stimulus, Organismus, Reaktion, C/Konsequenz, Kontingenz). Es werden funktionale Bewältigungsstrategien im Bereich alternativer Freizeit- bzw. Lebensgestaltung vermittelt, und es soll ein alternativer Umgang mit Emotionen und Stress erlernt werden. Essenzieller Teil dieser Therapiephase ist die Steigerung des Selbstwertes. Diese erfolgt im ständigen Abgleich zur individuellen Biographie anhand spezifischer Problemsituationen mit Selbstwertrelevanz. Darüber hinaus wird mit den Patienten eine angeleitete Exposition mit Reaktionsverhinderung durchgeführt (s. u. bei Sitzung 8).

    Die dritte Phase (Transfer und Stabilisierung) vermittelt in Sitzung 12 bis 15 Maßnahmen für die Rückfallprophylaxe, erstellt einen Notfallplan, reflektiert den Therapieerfolg und durch die Abstinenz eingetretene Veränderungen.

    Inhalte ausgewählter Sitzungen

    In Ergänzung zum bereits dargestellten Ablauf der einzelnen Phasen werden nun ausgewählte Sitzungen näher erläutert.

    Sitzung 1 beinhaltet das Kennenlernen, das Unterzeichnen eines Therapievertrages und das schriftliche Fixieren von Therapiezielen. Nachdem ein Überblick über das Therapieprogramm gegeben wurde, kommt es zur Vereinbarung eines Abstinenzversuches und zur Festlegung einzelner Therapieziele. Unterstützend werden Arbeitsblätter für Wochenprotokolle ausgehändigt, anhand derer die Patienten Situationen aufzeichnen sollen, in denen es in jüngster Vergangenheit zu Spielverlangen gekommen ist. Hier wird vermerkt, welche Emotionen, Kognitionen, körperliche Empfindungen und konsequenten Handlungen bzw. Konsequenzen sich daraus für den Patienten ergaben. Einige Sitzungen, wie beispielsweise die erste Sitzung, bergen „Stolpersteine“ und methodische Schwierigkeiten, auf die es zu achten gilt. So ist es besonders wichtig, dass es nicht zu einer Ausgrenzung Einzelner (beispielsweise Patienten mit bereits initiierter Abstinenz vs. noch stark in der Nutzung verhafteter Patienten) oder einem Ungleichgewicht zwischen den Redeanteilen der Gruppenteilnehmer kommt.

    Aufgabe des Therapeuten/der Therapeutin ist es, auf Einwände und Bedenken der Teilnehmer hinsichtlich eines Abstinenzversuches würdigend einzugehen und diese dennoch gleichzeitig kritisch zu hinterfragen (Prinzip des geschmeidigen Widerstandes). Die zunächst mündlich formulierten und erörterten Ziele sollten realistisch und im konkreten individuellen Fall umsetzbar sein. Es zeigt sich bei der Einführung der Wochenprotokolle, dass es Patienten stellenweise schwer fällt, die Differenzierung zwischen Situationen, Gedanken und Gefühlen vorzunehmen. Hier können Elemente aus Emotionsdiskriminations-Trainings von Nutzen sein.

    Sitzung 6 hat die Entwicklung eines individuellen SORCK-Schemas (Stimulus, Organismus, Reaktion, C/Konsequenz, Kontingenz) zum Thema. Während der Abstinenzrunde werden wieder positive Veränderungen zur Vorwoche aufgegriffen. Es schließt sich die Erarbeitung des individuellen Störungsmodells an. Dabei werden Zusammenhänge zwischen internalen und/oder externalen Risikosituationen, suchtspezifischen Grundannahmen und automatischen Gedanken, die das Verlangen auslösen können, anhand eines Arbeitsblattes zur Mikroanalyse inhaltlich vertieft (individuelles SORCK-Modell).

    In Sitzung 8 werden die Patienten ohne Vorankündigung von Bildreizen bezüglich ihres jeweiligen Störungsbildes empfangen, die sie selbst gewählt und vorab zur Verfügung gestellt haben. Dies kann beispielsweise ein Avatar sein oder eine typische Situation, die Nutzungsverlangen auslöst (z. B. der eigene hochgerüstete PC). Es handelt sich hierbei um eine Exposition mit Reaktionsverhinderung. Die Gruppensitzung startet wieder mit einer Abstinenzrunde, welche positive Veränderungen zur Vorwoche aufgreift und verstärken soll. Der Therapeut/die Therapeutin hat die Aufgabe, mit den Patienten die Emotionen und Kognitionen zu verbalisieren und zu analysieren, die durch den Expositionsstimulus hervorgerufen wurden. Gleichzeitig ist es unerlässlich, den Grad des ausgelösten Nutzungsverlangens zu quantifizieren (auf einer Skala von 0/kein Verlangen bis 100/maximales Verlangen) und dieses im Verlauf der Stunde zu einem merklichen Absinken zu bringen. Positive Gefühle, Kompetenzerwartung und Lernerfahrungen, die auf der Erfahrung basieren, dem Spieldruck nicht nachgegangen zu sein, sind als wichtige Ergebnisse dieser Sitzung anzustreben. Das Expositionsrational wird durch den Einsatz von Notfallkärtchen und konkreten individuellen Handlungsanweisungen in Verführungssituationen abgerundet. Die Gruppe betrachtet gemeinsam den Verlauf des Expositionstrainings aus einer Meta-Perspektive. Hierbei sollte die biographische Einordnung als vertiefende Verarbeitung der Exposition (z. B. Verfassen eines Abschiedsbriefes an den Avatar) mit einbezogen werden. Das Aufgreifen der Erfahrungen in der Exposition und deren therapeutische Nachbearbeitung sollten in anschließenden Einzelsitzungen auf individueller Ebene erfolgen. Typische Schwierigkeiten dieser Sitzung sind das Verständnis des Konfrontationsrationals und v. a. die Gefahr eines gesteigerten Verlangens, welches zu einer erhöhten Rückfallgefährdung beitragen kann.

    In Sitzung 10 und 11 wird ein Modell zur Entwicklung der eigenen Medienaffinität erarbeitet. Die Abstinenzrunde verstärkt wieder positive Veränderungen und greift potenzielle Rückfälle auf. Zielstellung für die Patienten ist es, Zusammenhänge zwischen Lebensereignissen, Lebenszufriedenheit und ihrer Mediennutzung zu erarbeiten und die identifizierten Entwicklungsverläufe in der Gruppe zu besprechen.

    Nach Beendigung der letzten Gruppensitzung folgt eine Zeit von sechs Wochen, in welcher in der Regel kein therapeutischer Kontakt erfolgt. Nach Ablauf dieser Frist werden alle Gruppenteilnehmer zu einer sog. Booster-Session eingeladen, in welcher besprochen wird, inwiefern die Integration der in der Therapie erlernten Techniken in die Lebensumwelt des Patienten gelungen ist und wo unter Umständen Nachbesserungsbedarf besteht.

    Kontakt:

    Michael Dreier
    Ambulanz für Spielsucht
    Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie
    Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz
    Untere Zahlbacher Straße 8
    55131 Mainz
    Michael.Dreier@uni-mainz.de
    www.unimedizin-mainz.de

    Angaben zu den Autoren:

    Die Dipl.-Psychologen Dr. Klaus Wölfling, Kai W. Müller und Prof. Dr. Manfred E. Beutel​​​ und der Dipl.-Soziologe Michael Dreier forschen und arbeiten an der Grüsser-Sinopoli-Ambulanz für Spielsucht, Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie der Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz.

    Literatur:

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