Schlagwort: Suchtselbsthilfe

  • Apps zu Substanzkonsum, Glücksspiel und psychosozialer Gesundheit

    Apps zu Substanzkonsum, Glücksspiel und psychosozialer Gesundheit

    Das Smartphone haben die meisten Menschen ständig dabei – ein Umstand, der zur Förderung der Gesundheit genutzt werden kann. Mittlerweile gibt es eine Vielzahl an Apps, die bei Problemen mit Substanzkonsum und exzessiven Verhaltensweisen sowie im Bereich psychosoziale Gesundheit Hilfe und Unterstützung anbieten. Zwei Apps zur Rauchstopp-Unterstützung wurden bereits in das Verzeichnis für digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA-Verzeichnis) des Bundesinstitutes für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) aufgenommen.

    KONTUREN online hat das Angebot an sucht- und Mental Health-bezogenen Apps in den Blick genommen und einige Anbieter gebeten, ihre Apps anhand eines standardisierten Fragebogens vorzustellen. Die vorliegende Übersicht stellt selbstverständlich nur einen kleinen Ausschnitt eines schnell wachsenden Angebotes dar, und nicht alle angeschriebenen Anbieter haben geantwortet. Mit den vielfältigen Steckbriefen möchten wir einen Impuls geben, sich dieses Feld an Hilfemöglichkeiten zu erschließen und neue, effektive Wege der Prävention und Behandlung zu erkunden.

    Über folgende Apps können Sie sich hier informieren:

    • SUBSTANZKONSUM: MINDZONE-App „sauberdrauf!“, Elma-App, CariTapp, coobi care
    • GLÜCKSSPIEL: PlayOff
    • PRÄVENTION / PSYCHISCHE GESUNDHEIT: blu:app, ready4life, „Cyber-Mobbing Leichte Hilfe“-App, belinu
    • RAUCHEN: NichtraucherHelden, Smoke Free – Rauchen aufhören

    SUBSTANZKONSUM

    MINDZONE-App „sauberdrauf!“

    1. Auf welchen Plattformen ist die App zu bekommen?
    Verfügbar bei Google Play für Android oder im App-Store für Betriebssystem iOS bzw. iPhone. Weitere Infos unter: https://mindzone.info/aktuelles/update-mindzone-app-sauberdrauf/

    2. Bei welchem Thema kommt die App zum Einsatz? Was ist ihr Anwendungsbereich?
    Speziell: Themenbereich Freizeitdrogen bzw. Partydrogen und Suchtrisiken
    Allgemein: Prävention und Gesundheitsförderung im Partysetting

    3. An wen richtet sich die App?
    An drogenaffine, konsuminteressierte Partygängerinnen und Partygänger im Alter zwischen 14 und 30 Jahren sowie an informations- und ratsuchende Angehörige und Bezugspersonen von Betroffenen. Die Mindzone-App richtet sich zudem an Fachkräfte aus dem Sucht- und Jugendhilfebereich.

    4. Welche Leistungen, welchen Nutzen bietet die App?
    Die App ist quasi eine mobile Version der Mindzone-Homepage: https://mindzone.info/. Diese kann direkt auf dem Smartphone installiert werden und ist dann mobil abrufbar ohne Browser-Zugriff.

    5. Was können die Nutzer:innen aktiv damit machen?
    Umfassende Informations-Plattform rund ums Thema Partydrogen (Substanzinfos A-Z), aktuelle Substanzwarnungen, Pillen-Finder, Drogennotfall-Infos, Online-Beratung über Kontaktformular, kostenfreie Bestellung von Info-Materialien

    6. Hat die App weitere besondere Merkmale? Wenn ja, welche?
    Ja, der Pillen-Finder, er ist das am häufigsten genutzte Tool: umfangreiche Datenbank mit Suchfilter-Funktion gibt eine Übersicht zu besonders hochdosierten bzw. gesundheitsschädlichen Ecstasy-Pillen (z. B. unerwartete Wirkstoffe, gefährliche Streckmittel), siehe auch unter https://mindzone.info/aktuelle-infos/pillenwarnungen/

    7. Bestehen für die Nutzer:innen Zugangsvoraussetzungen? Wie lange begleitet die App die Nutzer:innen?
    Nein, es gibt keine Zugangsvoraussetzungen oder Beschränkungen.

    8. Ist die App für Nutzer:innen kostenlos oder kostenpflichtig? Ist sie auf Rezept erhältlich? Wie hoch sind die Kosten?
    Es handelt sich um eine Gratis-App.

    9. Wer hat die App entwickelt bzw. ist „Herausgeber“?
    Die App wurde vom App-Entwickler vmapit.de aus Mannheim in Form eines Sponsorings komplett kostenlos für Mindzone entwickelt. Siehe auch weiterführende Infos zum Sponsoring-Angebot unter: https://www.vmapit.de/1000-apps-fuer-1000-vereine

    10. Wird oder wurde die Nutzung der App evaluiert?
    Ja, im Rahmen der Mindzone-Evaluation 2023 durch das IFT Institut für Therapieforschung, München, wurde u. a. auch die App evaluiert, siehe Auszug aus IFT-Evaluationsbericht, S. 42 f.

    11. Ist die App noch in anderen Sprachen außer Deutsch verfügbar? Wenn ja, welche?
    Die App selbst ist nicht in anderen Sprachen verfügbar. Aber auf der Mindzone-Homepage ist direkt auf Startseite (oben rechts) ein mehrsprachiger Google-Translator installiert: https://mindzone.info Die mobile Web-Version der Mindzone-Homepage inklusive Google-Translator ist auch problemlos über die App abrufbar.

    12. Weitere interessante Informationen über die App
    Im September 2016 wurde die Mindzone-App erstmals veröffentlicht und ist seitdem als Gratis-App erhältlich. Im Jahr 2023 (nachdem die Mindzone-Evaluationsergebnisse feststanden) wurde die Funktionalität der App verbessert, das System wurde upgedatet und die App anwenderfreundlicher gestaltet, z. B.: übersichtlichere Struktur, mittels automatisierter Push-Nachrichten erhalten Nutzerinnen und Nutzer aktuelle Substanzwarnungen, neue Live-Chat-Funktion (ist allerdings wegen fehlender Personalressourcen momentan nicht aktiv), direkte Verlinkungen zu Social-Media-Profilen von Mindzone auf Instagram, Facebook und X, neue Feedback-Funktion, Anfahrt bzw. Wegbeschreibung über Google-Maps, neues App-Weiterempfehlungs-Tool.

    Die Fragen beantwortete Sonia Nunes, Fachliche Projektleitung, Projekt MINDZONE, München.

    Elma-App

    1. Auf welchen Plattformen ist die App zu bekommen?
    Elma steht für Elternsein motiviert und abstinent. Die Elma-App kann im Google Play Store und im Apple App Store heruntergeladen werden. Zur Aktivierung benötigen die Nutzer:innen einen Code, dieser kann unter elma@zi-mannheim.de angefordert werden.

    2. Bei welchem Thema kommt die App zum Einsatz? Was ist ihr Anwendungsbereich?
    Die App richtet sich an suchterkrankte Mütter und Väter sowie werdende Eltern mit einer Abhängigkeitserkrankung und unterstützt diese bei der Erlangung und Aufrechterhaltung einer stabilen Abstinenz sowie bei der Stärkung der Erziehungskompetenzen.

    3. An wen richtet sich die App?
    Die App richtet sich an die Betroffenen. Der Angehörigenbereich kann gemeinsam mit den Kindern genutzt werden. Hier erhalten sie auf eine kindgerechte Art Informationen zur elterlichen Erkrankung.

    4. Welche Leistungen, welchen Nutzen bietet die App?
    Es werden die Themenbereiche Abhängigkeitserkrankung und Kindererziehung behandelt. Alle Themenbereiche sind gegliedert in einen „Werde Experte“-Teil und einen „Werde aktiv“-Teil. Im „Werde Experte“-Teil erhalten die Nutzer:innen Informationen zu den jeweiligen Themenbereichen, der „Werde aktiv“-Teil dient zur Reflexion über die eigene Situation mit vielen Mitmachmöglichkeiten. Die Inhalte sind multimedial und mehrsprachig aufbereitet.

    5. Was können die Nutzer:innen aktiv damit machen?
    Die Elma-App enthält
    – eine Tagebuchfunktion zum Monitoring von Abstinenz, Stimmung, Stimmung in der Familie und Schlaf sowie
    – einen Erfolge- und einen Zielebereich, in dem sich die Nutzer:innen eigene Ziele oder Erfolgsmeilensteine setzen können.
    Außerdem kann ein individueller Notfallplan für Suchtdruck- und Rückfallsituationen erstellt werden.

    6. Hat die App weitere besondere Merkmale? Wenn ja, welche?
    Alle Textbausteine sind auch als Audios in der App integriert. Die Elma-App ist mehrsprachig gestaltet.

    7. Bestehen für die Nutzer:innen Zugangsvoraussetzungen? Wie lange begleitet die App die Nutzer:innen?
    Die Elma-App ist kostenfrei unbegrenzt lange nutzbar. Es muss für die Nutzung ein Aktivierungscode unter elma@zi-mannheim.de angefordert werden.

    8. Ist die App für Nutzer:innen kostenlos oder kostenpflichtig? Ist sie auf Rezept erhältlich? Wie hoch sind die Kosten?
    Die App ist kostenlos ohne Rezept nutzbar.

    9. Wer hat die App entwickelt bzw. ist „Herausgeber“?
    Die App wurde am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit entwickelt, das Zentralinstitut für Seelische Gesundheit ist Herausgeber der App. Webadresse unseres Projekts: https://www.elma-app.de/

    10. Wird oder wurde die Nutzung der App evaluiert?
    Die Elma-App-Einführung wird in einer Begleitstudie aktuell evaluiert, sowohl unter den Nutzer:innen als auch unter den Fachkräften.

    11. Ist die App noch in anderen Sprachen außer Deutsch verfügbar? Wenn ja, welche?
    Ja, in Englisch, Französisch, Polnisch, Russisch, Ukrainisch, Italienisch, Spanisch

    12. Weitere interessante Informationen über die App
    Alle Eingaben der Nutzer:innen werden nur lokal auf deren Endgerät gespeichert, es erfolgt keine Speicherung auf einem zentralen Server.

    Die Fragen beantwortete Prof. (apl.) Dr. Anne Koopmann, Oberärztin der Klinik für Abhängiges Verhalten und Suchtmedizin, Zentralinstitut für Seelische Gesundheit, Mannheim

    CariTapp

    1. Auf welchen Plattformen ist die App zu bekommen?
    Die App ist grundsätzlich im Google Play Store und im Apple App Store verfügbar. Aktuell ist es so, dass wir die App von einem ursprünglich semiprivaten Account auf einen offiziellen Caritas-Account überführen wollen. Deshalb wird die App vorübergehend nicht im Apple App Store erhältlich sein.

    2. Bei welchem Thema kommt die App zum Einsatz? Was ist ihr Anwendungsbereich
    Die App kommt beim Thema Sucht zum Einsatz. Sie ist zur Begleitung einer Suchttherapie oder Suchtberatung entwickelt worden.

    3. An wen richtet sich die App?
    An Menschen mit Abhängigkeitserkrankung, die sich im besten Fall in einem Beratungs- oder Behandlungsprozess befinden, und an Berater:innen und Behandler:innen.

    4. Welche Leistungen, welchen Nutzen bietet die App?
    Die CariTapp unterstützt und erleichtert den Therapieprozess und hilft dabei, motiviert zu bleiben, um sein Suchtverhalten nachhaltig zu verändern. Die Leistungen und Funktionen sind sehr umfangreich. Die Wichtigsten wären: Motivation, Selbstbeobachtung, Rückfallvermeidung, Arbeit an den Therapiezielen und viele mehr … Auf unserer Website gibt es ein Erklärvideo: https://www.caritas-suchtambulanz-junge-muenchen.de/de/caritapp Um es anschauen zu können, muss man die Marketing-Cookies akzeptieren.

    5. Was können die Nutzer:innen aktiv damit machen?
    Tracken von Stimmung, Verlangen und Konsum. Vereinbarungen und Therapieziele inkl. Zwischenzielen formulieren und ergänzen. Es steht eine Fotobox zur Verfügung, in der man sich wichtige Bilder abspeichern kann. Dazu kann man verschiedene Ordner anlegen, z. B. „Privat“ oder „Therapie“ etc. Außerdem bietet die App: ein Quiz, einen Notfallbutton, Frühwarnsignale, einen Zugang zur Onlineberatung.

    6. Hat die App weitere besondere Merkmale? Wenn ja, welche?
    Nein

    7. Bestehen für die Nutzer:innen Zugangsvoraussetzungen? Wie lange begleitet die App die Nutzer:innen?
    Nein

    8. Ist die App für Nutzer:innen kostenlos oder kostenpflichtig? Ist sie auf Rezept erhältlich? Wie hoch sind die Kosten?
    Kostenlos

    9. Wer hat die App entwickelt bzw. ist „Herausgeber“?
    Die Caritas Fachambulanz für junge Suchtkranke der Erzdiözese München und Freising.

    10. Wird oder wurde die Nutzung der App evaluiert?
    Ja, mit positivem Ergebnis. Das Ergebnis ist während eines Hackerangriffs verloren gegangen.

    11. Ist die App noch in anderen Sprachen außer Deutsch verfügbar? Wenn ja, welche?
    Nein

    12. Weitere interessante Informationen über die App
    Es war die allererste App zur Therapiebegleitung auf dem Markt. Die Fachambulanz für junge Suchtkranke hat die App on top zum Alltagsgeschäft realisiert.

    Die Fragen beantwortete Ralf Hermannstädter, Einrichtungsleitung, Caritas Fachambulanz für junge Suchtkranke, München. 

    coobi care

    1. Auf welchen Plattformen ist die App zu bekommen?
    Im Rahmen einer Testphase erhältlich ab Ende August 2024. App Store & Google Play Store (Für einen Zugangscode kontaktieren Sie bitte julian@coobi.health.)

    2. Bei welchem Thema kommt die App zum Einsatz? Was ist ihr Anwendungsbereich?
    coobi care bietet eine digitale Unterstützung für die Nachsorge von Abhängigkeitserkrankungen nach einer Entwöhnungstherapie. Die erste Version richtet sich an Menschen mit einer Alkoholabhängigkeit. In den nächsten Monaten wird die App auch für Nutzer:innen mit anderen substanzgebundenen Abhängigkeitserkrankungen, problematischem Konsum und Verhaltenssüchten angepasst.

    3. An wen richtet sich die App?
    – Betroffene Personen ≥18 Jahre in der Nachsorge
    – Nachsorge-Gruppenleiter:innen können mit Zustimmung der Betroffenen coobi care-Daten erhalten (mehr unter „Dashboard für Therapeut:innen“)

    4. Welche Leistungen, welchen Nutzen bietet die App?
    Die App soll in Synergie mit Nachsorge-Gruppengesprächen einen wertvollen Beitrag zur langfristigen Aufrechterhaltung der Abstinenz und zur Rückfallprävention leisten.
    Die App unterstützt folgende Kernaufgaben der Nachsorge: kontinuierliche Unterstützung direkt nach der Rehabilitation, Aufrechterhaltung der Abstinenzmotivation, Förderung der Eigenaktivität, Erkennen von Krisensituationen und Bereitstellung geeigneter Konfliktlösungsstrategien bei drohenden oder aktiven Krisen, Förderung sozialer Kontakte, Einbeziehung von Bezugspersonen.

    5. Was können die Nutzer:innen aktiv damit machen?

    • Chatfunktion für die Nachsorgegruppe: Chat mit Nachsorgegruppe zur Verbesserung der Compliance und sozialen Integration durch selbsthilfeähnliche Kommunikation zwischen den Nachsorgegesprächen.
    • Module: Nutzer:innen haben Zugang zu einer Reihe von kurzen Modulen, die verschiedene nachsorgebezogene Themen abdecken. Die Module beinhalten Übungen, Videos und Texte zu Themen wie z. B. Suizidalität, Umgang mit Rückfällen, Emotionen, Selbstsicherheitstraining.
    • Craving-Bereich: Im Falle eines akuten Cravings können Nutzer:innen schnelle Unterstützung durch Reflexion und Bewältigungsstrategien im Craving-Bereich finden.
    • Motivation: Zur Aufrechterhaltung der Motivation bietet die App Streaks zu Abstinenz, tägliche Übungen und Reflexion.
    • Zielsetzung: Nutzer:innen werden angehalten, sich erreichbare tägliche Ziele zu setzen, und können Langzeitziele erarbeiten und verfolgen.
    • Abend Check-Out: Abends können Nutzer:innen ihren Tag hinsichtlich der Aspekte Abstinenz, Craving, Trigger, Stimmung und Tagesziel reflektieren.
    • Trends: In diesem Bereich können Nutzer:innen ausgewertete Daten der abendlichen Check-Ins und Wearable-Messungen einsehen und analysieren. Dadurch gibt coobi care einen Überblick über Parameter wie Schlaf, Aktivität, Stimmung, Stress und Craving. Über dieses Biofeedback kann coobi care die Eigenaktivität der Nutzer:innen fördern und sie dabei unterstützen, Problembereiche und Trigger zu erkennen und Krisensituationen bewusst wahrzunehmen.
    • Werkzeugkasten: Nutzer:innen können im Werkzeugkasten freigeschaltete Übungen, Konfliktlösungsstrategien für unterschiedliche Problembereiche und favorisierte Inhalte schnell zugänglich finden.

    6. Hat die App weitere besondere Merkmale? Wenn ja, welche?

    • Die App wird in einem Paket mit einem Garmin Wearable angeboten.
    • Dashboard für Therapeut:innen: Damit coobi care auch in den Nachsorgegesprächen einen Mehrwert leisten kann, werden wir die gesammelten Daten bei Zustimmung der Nutzer:innen in regelmäßigen Berichten für Therapeut:innen zugänglich machen. Durch Einblicke in Daten zu Schlaf, App-Nutzung, Aktivität, Stress, Craving und selbstberichteten Rückfällen können Therapeut:innen Anomalien und Problembereiche erkennen und in kritischen Situationen intervenieren.

    7. Bestehen für die Nutzer:innen Zugangsvoraussetzungen? Wie lange begleitet die App die Nutzer:innen?

    • ≥18 Jahre alt
    • Teilnahme an der Nachsorge (für Selbstzahler:innen ist dies keine Zugangsvoraussetzung)
    • Nachsorgedauer ist sechs Monate, mit Verlängerung zwölf Monate. coobi care wird für diesen Zeitraum begleitend angeboten. Nach Beendigung der Nachsorge kann coobi care von Selbstzahler:innen weiter genutzt werden.

    8. Ist die App für Nutzer:innen kostenlos oder kostenpflichtig? Ist sie auf Rezept erhältlich? Wie hoch sind die Kosten?
    Wir befinden uns derzeit in einer kostenlosen Testphase. Um Zugang zur App zu erhalten oder die App mit Ihrer Nachsorgegruppe zu testen, wenden Sie sich bitte an Julian@coobi.health. In Zukunft streben wir an, coobi care über ein digitales Nachsorgekonzept von der DRV erstatten zu lassen. Damit könnten alle nachsorgeberechtigten Rehabilitand:innen dieses Nachsorgekonzept wählen. Wir wollen in den nächsten Monaten auch ein Angebot für Selbstzahler:innen schaffen. Der Preis steht noch nicht fest.

    9. Wer hat die App entwickelt bzw. ist „Herausgeber“?
    Stigma Health GmbH – ein junges Start-up-Unternehmen mit Sitz in Berlin, das es sich zur Aufgabe gemacht hat, mitfühlende und zugängliche Lösungen anzubieten, die die komplexen Herausforderungen, mit denen Menschen mit Abhängigkeitserkrankungen konfrontiert sind, wirklich verstehen und berücksichtigen und eine unterstützende und integrative Gemeinschaft fördern. Das Team vereint Fachwissen aus den Bereichen Medizin, Psychologie, Informatik und Wirtschaft.

    10. Wird oder wurde die Nutzung der App evaluiert?
    coobi care befindet sich gerade in einer ersten Testphase. Nach Zustimmung der DRV wollen wir coobi care in einem Modellprojekt erproben. Wir konnten für das Modellprojekt bereits einige wichtige Kliniken gewinnen und sind nun auf der Suche nach weiteren Kollaborationspartnern. Falls Sie als Nachsorgeeinrichtung, Rehabilitationsklinik, Entzugsklinik oder Forschungsinstitut Interesse an einer Teilnahme am Modellprojekt oder einer anderen Zusammenarbeit haben, wenden Sie sich bitte an Julian@coobi.health.

    11. Ist die App noch in anderen Sprachen außer Deutsch verfügbar? Wenn ja, welche?
    Deutsch & Englisch

    12. Weitere interessante Informationen über die App
    Datenschutz: Das Datenschutzkonzept von coobi care basiert auf vollständiger Anonymität. Der Zugang zur App erfolgt über einen Code. Eine E-Mail-Adresse oder Telefonnummer wird nicht benötigt. coobi care sammelt keinerlei persönliche Daten. Die Identität der Nutzer ist coobi also nicht bekannt, und alle erhobenen Daten sind immer anonym. Um den Zugriff durch Dritte zu verhindern, wird der Nutzer vor dem Öffnen der Anwendung biometrisch authentifiziert. Die Übertragung aller Daten erfolgt über eine gesicherte Verbindung (SSL-Verbindung), so dass die Daten vor dem Zugriff Unbefugter geschützt sind. Der Gruppenchat wird vollständig mit einer Ende-zu-Ende-Verschlüsselung verschlüsselt.

     Die Fragen beantwortete Dr. Julian Kruse, Co-Founder & CMedO.


    GLÜCKSSPIEL

    PlayOff

    1. Auf welchen Plattformen ist die App zu bekommen?
    PlayOff ist eine von der Landesstelle Glücksspielsucht in Bayern (LSG) entwickelte App, die für alle iOS- und Android-Geräte im Google Play Store und Apple App Store kostenlos heruntergeladen werden kann.

    2. Bei welchem Thema kommt die App zum Einsatz? Was ist ihr Anwendungsbereich?
    PlayOff ist eine Selbsthilfe-App vor allem für Betroffene eines problematischen Glücksspielverhaltens. Sie kann darüber hinaus von allen Nutzer:innen von Glücksspielen genutzt werden, die ihr Spielverhalten kontrollieren, reduzieren oder beenden möchten.

    3. An wen richtet sich die App?
    PlayOff richtet sich an Nutzer:innen von Glücksspielen aller Altersgruppen, die ihr Spielen entweder komplett beenden möchten oder versuchen möchten, kontrolliert und in einem persönlich festgelegten Ausmaß weiterzuspielen. Die App kann auch begleitend zu einer Beratung oder Therapie eingesetzt werden (die Tagebucheinträge und damit die Angaben zum Glücksspielverhalten können als PDF exportiert werden) und ist damit auch für Profis interessant.

    4. Welche Leistungen, welchen Nutzen bietet die App?
    PlayOff basiert auf verhaltenstherapeutischen Methoden und bietet zahlreiche Features wie eine Tagebuchfunktion, einen Wochenplan und eine Auswertung des eigenen Spielverhaltens. Diese Features können bei der Kontrolle und Reflexion des Spielverhaltens wie auch bei der Bewältigung von Glücksspielproblemen helfen.

    5. Was können die Nutzer:innen aktiv damit machen?

    • Erfassen des aktuellen Glücksspielverhaltens
    • Erfassen persönlicher Gründe fürs Glücksspielen
    • Individuelle Zielsetzung, das Spielen aufzugeben, zu reduzieren oder in einem festgelegten Rahmen fortzuführen
    • Auswahl von Lebensbereichen, auf die sich die Nutzer:innen als Alternative zum Glücksspielen verstärkt konzentrieren möchten
    • Wochenplan zum Gestalten der glücksspielfreien Zeit und zum Festlegen der Spielzeit bei kontrolliertem Konsum
    • Tagebuch zum Erfassen von Aktivitäten, darunter die für Glücksspiele aufgewendete Zeit, das verspielte Geld und die Situation, in der die Entscheidung zum Spielen getroffen wurde

    6. Hat die App weitere besondere Merkmale? Wenn ja, welche?

    • Aktivitätsvorschläge für eine abwechslungsreiche Freizeitgestaltung
    • In-App-Alerts zum aktuellen Spielverhalten und Erfolg bei der Zielerreichung
    • Risikoprofil zur Auswertung der Umstände, die häufig zu ungeplantem Glücksspielen führen
    • Wertvolle Hinweise, wie das ungeplante Spielen künftig verhindert werden kann
    • Wechselnde Tipps zur Änderung des eigenen Glücksspielverhaltens und für eine zufriedenstellende Gestaltung des Alltags
    • Weitere Informationen und Hilfemöglichkeiten bei Problemen durch übermäßiges Glücksspielen

    7. Bestehen für die Nutzer:innen Zugangsvoraussetzungen? Wie lange begleitet die App die Nutzer:innen?
    Es bestehen keine Zugangsvoraussetzungen, die App ist kostenfrei und ohne Anmeldung nutzbar. Die Nutzungsdauer ist nicht limitiert, Nutzer:innen können sich von PlayOff dauerhaft begleiten lassen.

    8. Ist die App für Nutzer:innen kostenlos oder kostenpflichtig? Ist sie auf Rezept erhältlich? Wie hoch sind die Kosten?
    PlayOff ist kostenlos und rezeptfrei erhältlich.

    9. Wer hat die App entwickelt bzw. ist „Herausgeber“?
    PlayOff wurde von der Landesstelle Glücksspielsucht in Bayern (LSG) entwickelt. Die LSG ist die zentrale Schnittstelle für alle an der Prävention, Suchthilfe, Suchtforschung und Beratung bei Glücksspielsucht beteiligten Organisationen und Akteure. Beteiligt an der LSG sind die Bayerische Akademie für Sucht- und Gesundheitsfragen BAS Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt), das IFT Institut für Therapieforschung und der Betreiberverein der Freien Wohlfahrtspflege Landesarbeitsgemeinschaft Bayern für die Landesstelle Glücksspielsucht in Bayern e. V. Die LSG wird vom Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit, Pflege und Prävention finanziert, ist nicht weisungsgebunden und arbeitet fachlich unabhängig.

    10. Wird oder wurde die Nutzung der App evaluiert?
    2017/2018 hat die Geschäftsstelle der Landesstelle Glücksspielsucht in Bayern (LSG) die Nutzer:innen der Selbsthilfe-App PlayOff befragt und zusätzliche Daten aus einem (anonymen) Datentracking gemeinsam mit dem IFT Institut für Therapieforschung ausgewertet. Zusammengefasst zeigen die Ergebnisse, dass die App zwar nur von einem Teil der Personen, die sie sich herunterladen, langfristig und regelmäßig genutzt wird, dass sie von diesen jedoch als hilfreiches Instrument zur Bearbeitung des Spielverhaltens bewertet und gut angenommen wird. Vor allem die Tagebuchfunktion der App ist hier hervorzuheben. Auch die in die App eingetragenen Daten weisen darauf hin, dass die Nutzer:innen während der Verwendung von PlayOff ihren Geldeinsatz und ihre Spieldauer reduzieren. Zum vollständigen Evaluationsbericht geht es hier.

    11. Ist die App noch in anderen Sprachen außer Deutsch verfügbar? Wenn ja, welche?
    PlayOff kann in der aktuellen Version auf Deutsch oder Türkisch verwendet werden.

    12. Weitere interessante Informationen über die App
    2019 wurde PlayOff mit dem Sozialpreis der Bayerischen Landesstiftung ausgezeichnet.
    Die App wird Ende 2024 neu aufgesetzt und dabei einerseits vereinfacht und andererseits um weitere Funktionen ergänzt. So können künftig neben dem Spielen auch das Verlangen zu spielen und damit einhergehend Bewältigungsstrategien bei „Spieldruck“ erfasst und ausgewertet werden. Außerdem fließen erledigte therapeutische „Hausaufgaben“ und ein zuverlässiges Führen des Tagebuchs in einen neuen Erfolgsmesser ein. Das Kapitel Risikoprofil/Auswertung wird erweitert und neu strukturiert. Außerdem wird die App direkt mit einem Zugang zu der Online-Beratungsplattform der LSG PlayChange und mit einem persönlich gestaltbaren „Notfallpass“ bei Spieldruck ausgerüstet.

    Die Fragen beantwortete Lisa Mehrbrodt, Fachstellenbetreuung und Projektentwicklung, Landesstelle Glücksspielsucht in Bayern, München.


    PRÄVENTION / PSYCHISCHE GESUNDHEIT

    blu:app

    1. Auf welchen Plattformen ist die App zu bekommen?
    8. Ist die App für Nutzer:innen kostenlos oder kostenpflichtig? Ist sie auf Rezept erhältlich? Wie hoch sind die Kosten?
    Die „blu:app“ ist auf allen gängigen Smartphones über den Google Play Store oder Apple App Store kostenlos erhältlich. Auch während der Nutzung entstehen keine Zusatzkosten. Die blu:app ist ein Produkt von blu:prevent. Als Teil des Blauen Kreuzes e.V. in Deutschland und durch Förderungen sowie Spendengelder können wir die Plattform kostenfrei zur Verfügung stellen.

    2. Bei welchem Thema kommt die App zum Einsatz? Was ist ihr Anwendungsbereich?
    3. An wen richtet sich die App?
    4. Welche Leistungen, welchen Nutzen bietet die App?
    5. Was können die Nutzer:innen aktiv damit machen?
    Die blu:app richtet sich an alle Personen, die sich informieren und eine Meinung zum Thema Konsum bilden möchten. Das Ziel der integrierten Plattform blu:base ist, ein an das Kommunikations- und Nutzerverhalten der Gen Z angepasstes Portal für Hilfsangebote primär der Suchtprävention zu etablieren. Dabei werden sowohl Informationen als auch der Erstkontakt mit dem Hilfesystem niedrigschwellig bereitgestellt.

    Die App bietet vollen Zugang zur Plattform blu:base, die viele Infos rund um die Themen Cannabis, Alkohol, Mental Health, Fitness, Sexualität, Mobbing etc. beinhaltet. Durch den intelligenten Chatbot gelangen Nutzer:innen schnell zu den für sie jeweils relevanten Beiträgen! Zudem findet man schnell und einfach digitale und lokale Hilfsangebote. Einfach die Postleitzahl eingeben und das passende Angebot in der Nähe finden. Außerdem bietet die blu:app Zugang zu den beiden digitalen Tools blu:interact und fred_online.

    7. Bestehen für die Nutzer:innen Zugangsvoraussetzungen? Wie lange begleitet die App die Nutzer:innen?
    Um über die App blu:interact und fred_online zu nutzen, benötigt man einen Kenncode, der die Verbindung zwischen den Anwendungen herstellt. Dieser wird während der durch eine Fachkraft geführten Präventionseinheit über die Moderatorenansicht von blu:interact / fred_online angezeigt. Die Nutzung der blu:base hingegen funktioniert ohne Anmeldung.

    6. Hat die App weitere besondere Merkmale? Wenn ja, welche?
    9. Wer hat die App entwickelt bzw. ist „Herausgeber“?
    Die blu:app wird gemeinsam mit den Angeboten blu:base und blu:interact / fred_online stets weiterentwickelt und optimiert. Die Entwicklung und Verwaltung der blu:app liegt bei blu:prevent. Die technische Umsetzung/Programmierung erfolgt durch externe Partner.

    10. Wird oder wurde die Nutzung der App evaluiert?
    Zur Wirksamkeit der App liegen noch keine Daten vor. Eine Prüfung der Wirksamkeit ist jedoch für das nächste Frühjahr angedacht.

    11. Ist die App noch in anderen Sprachen außer Deutsch verfügbar? Wenn ja, welche?
    Die App ist im Moment ausschließlich in deutscher Sprache verfügbar. Für die Zukunft ist eine Übersetzung der Seite in mehrere Sprachen jedoch nicht ausgeschlossen.

    Die Fragen beantwortete Benjamin Becker, Leitung blu:prevent.

    ready4life

    1. Auf welchen Plattformen ist die App zu bekommen?
    Bezugsquelle des ready4life-App: App Store (Apple); Google Play Store (Android) – ebenso wird ready4life seit dem 01.08.2024 auch zielgruppengerecht auf Instagram (ready4life.ch) begleitet.

    2. Bei welchem Thema kommt die App zum Einsatz? Was ist ihr Anwendungsbereich?
    Förderung der Lebenskompetenzen und Stärkung der Widerstandsfähigkeit gegenüber Suchtmitteln. Adressierte Themen (Wording in der App „Module“) sind: Stress, Sozialkompetenz, Bewegung, Tabak & Nikotin, Cannabis, Alkohol, Social Media & Gaming

    3. An wen richtet sich die App?
    An alle Jugendlichen zwischen 15 und 25 Jahren.

    4. Welche Leistungen, welchen Nutzen bietet die App?
    ready4life ist ein Smartphone-App-basiertes Programm zur Prävention des Suchtmittelkonsums und zur Förderung von Lebenskompetenzen für Jugendliche in der Schweiz, Österreich und Liechtenstein. Auf Basis einer am Smartphone durchgeführten Befragung erstellt die App ein individualisiertes Kompetenzprofil, aus dem für die Teilnehmenden hervorgeht, in welchen Bereichen sie über ausreichend Ressourcen verfügen und in welchen ein Coaching- oder Beratungsbedarf besteht.
    Aus den sieben Modulen Stress, Sozialkompetenz, Tabak & Nikotin, Alkohol, Social Media & Gaming, Bewegung sowie Cannabis können die Teilnehmenden basierend auf ihrem Profil zwei Module auswählen und erhalten zu diesen ein Coaching durch ein automatisiertes Dialogsystem, einen sogenannten Chatbot. Nach Beendigung der ersten beiden Module können alle weiteren adressierten Module bearbeitet werden.  Der virtuelle Coach motiviert die Teilnehmenden zum Aufbau von Lebenskompetenzen und zu einem sensiblen Umgang mit Suchtmitteln, gibt regelmäßig Feedback und informiert in Dialogen, innerhalb von Contests mit anderen Teilnehmenden (Bilderupload und Voting) und interaktiven Challenges (Umsetzen eines Verhaltensziels).
    In einem separaten Chat innerhalb der App beantworten Expert:innen persönliche Fragen zum jeweiligen Modul (Ask the Expert). Um das Präventionsangebot noch attraktiver zu machen, werden am Ende vom Schuljahr tolle Preise verlost (je mehr Credits gesammelt werden, desto höher die Gewinnchance).

    5. Was können die Nutzer:innen aktiv damit machen?
    s.o. Im Folgenden werden noch die einzelnen Features aufgelistet, welche die App neben dem eigentlichen Coaching via Chatbot bietet:

    • Alkoholtagebuch führen: Getränke in einer gamifizierten Trinkbar auswählen und protokollieren, jede Woche gibt es Feedback von der App zum Trinkverhalten. Ziel: Trinkverhalten sichtbar machen und dadurch reflektieren
    • Bewegungstagebuch führen: Schrittzähler kann verbunden werden, Einträge können manuell gesetzt werden, es können Ziele aufgestellt werden etc. Ziel: Bewegung bewusst eintragen und reflektieren/ Bewegung ggf. erhöhen
    • Social Media-Tagebuch: Dauer, Plattform und Gefühl nach Mediennutzung kann eingetragen werden. Ziel: bewusst Medienkonsum eintragen und feststellen/ beobachten, wie man sich danach gefühlt hat
    • Ask the Expert: User können ihre individuellen Fragen an eine Fachperson stellen.
    • User-Lifehacks: User können Strategien von anderen als top oder flop bewerten (top: sie werden bei ihnen als Inspiration im Profil gesammelt, flop: Strategie verschwindet). User kann selbst auch Strategien hochladen. Beispiel-Frage: „Was motiviert dich, weniger zu kiffen oder sogar mit dem Kiffen aufzuhören? Lade ein Bild hoch.“
    • Cannabis Control: Es werden zu gewünschten Zeiten Tipps geschickt, wie man sich am besten auf einen Cannabisstopp vorbereitet.
    • Alkoholfrei werden
    • „Mein Feedback“: Hier sehen die User ihre Ampelfarbe zu den ausgewählten Modulen und wie sich ihre Ressourcen im Laufe des Coachings verbessern.

    6. Hat die App weitere besondere Merkmale? Wenn ja, welche?
    Hinter der App steht ein qualitativ hochwertiges Netzwerk, das sowohl bei der Weiterentwicklung als auch bei Ask the Expert involviert ist. Ebenso bietet ready4life viele Themen zum Bearbeiten an und bietet somit ganzheitliche Prävention innerhalb einer App. Ziel: Erhöhung des Interesses und der Relevanz von Gesundheitsthemen bei Jugendlichen durch Identifikation und Wahlfreiheit. Indem eine Vielzahl von Gesundheitsthemen abgedeckt wird, wird deutlich, dass Gesundheit durch viele Faktoren beeinflusst wird. Dies erweitert ihr Verständnis von Gesundheit und macht sie für verschiedene Themen sensibler und Zusammenhänge werden erkannt.

    7. Bestehen für die Nutzer:innen Zugangsvoraussetzungen? Wie lange begleitet die App die Nutzer:innen?
    Die Nutzer:innen benötigen einen Zugangscode und müssen mind. 15 Jahre alt sein.
    Ein Modul (und somit ein Coaching) dauert 14 Tage – im Idealfall dauert die Begleitung durch die gesamte App also 14 Wochen. Weitere wichtige Funktionen (wie Ask the Expert) können das ganze Jahr über genutzt werden. Zum 1. August eines jeden Jahres erscheint eine neue weiterentwickelte Version von ready4life.

    8. Ist die App für Nutzer:innen kostenlos oder kostenpflichtig? Ist sie auf Rezept erhältlich? Wie hoch sind die Kosten?
    Für die Nutzer:innen ist der Zugang kostenlos. Unter (Bundes-)Ländern/ Kantonen gibt es (Lizenz)-Vereinbarungen.

    9. Wer hat die App entwickelt bzw. ist „Herausgeber“?
    ready4life ist ein Projekt der Lungenliga, das 2016 durch das Schweizer Institut für Sucht- und Gesundheitsforschung (ISGF) initiiert wurde. Die Inhalte der App wurden mit Fachpersonen der Lungenligen (LL) und folgenden Partner:innen entwickelt: Universitäre Psychiatrische Dienste Bern (UPD), Universität Zürich (UZH), Zürcher Fachstelle zur Prävention des Suchtmittelmissbrauchs (ZFPS), Suchtprävention Dietikon & Affoltern (SUPAD), Blaues Kreuz (BLK), Schweizer Institut für Sucht- und Gesundheitsforschung (ISGF).

    10. Wird oder wurde die Nutzung der App evaluiert? Ergebnisse?
    Das ISGF hat ready4life 2021/2022 evaluiert und festgestellt, dass die App wirkt (signifikant bei den Modulen Stress, Alkohol und Social Media & Gaming).

    11. Ist die App noch in anderen Sprachen außer Deutsch verfügbar? Wenn ja, welche?
    Deutsch, Französisch, Italienisch

    12. Weitere interessante Informationen über die App
    Seit dem 01.08.2024 erscheint ready4life in einem neuen Design. Ebenso wurden Erklärvideo, Website und Social-Media-Auftritt erneuert.

    Die Fragen beantwortete Pia Nobis, Nationale Projektleitung ready4life, Lungenliga beider Basel.

    Cyber-Mobbing Leichte Hilfe

    1. Auf welchen Plattformen ist die App zu bekommen?
    Die „Cyber-Mobbing Leichte Hilfe“-App ist über den Apple App Store und den Google Play Store zu beziehen.

    2. Bei welchem Thema kommt die App zum Einsatz? Was ist ihr Anwendungsbereich?
    Die App stellt primär ein Hilfsangebot bei Betroffenheit von Cybermobbing und digitaler sexualisierter Gewalt dar. Im Wesentlichen geht es um erste Schritte nach einem Angriff. Es werden Beratungsstellen aufgeführt, es gibt Videotipps zu ersten Schritten, Anleitungen zum Blockieren, Melden und Löschen von Angreifer:innen sowie Vorschläge zur Aufmunterung.
    Gleichzeitig soll die App potenziell Betroffene für diese speziellen Formen der Gewalt sensibilisieren und gibt einige Tipps, wie man sich im Internet schützen kann.

    3. An wen richtet sich die App?
    Die App richtet sich primär an erwachsene Menschen mit Beeinträchtigung, kann aber ebenso von älteren Personen oder Personen, die noch nicht so gut Deutsch sprechen, genutzt werden.

    4. Welche Leistungen, welchen Nutzen bietet die App?
    Die App bietet in erster Linie Hinweise und Informationen zum Verhalten bei digitaler Gewalt in einfacher und zum Teil auch Gebärdensprache.

    5. Was können die Nutzer:innen aktiv damit machen?
    Nutzer:innen können sich Videotipps in einfacher Sprache und in Gebärdensprache zum Umgang mit digitaler Gewalt ansehen und erhalten Informationen zum Thema Cybermobbing und digitale sexualisierte Gewalt. Außerdem enthält die App Anleitungen zum Blockieren, Melden und Löschen von Angreifer:innen auf sechs unterschiedlichen Social-Media-Plattformen (WhatsApp, Instagram, Facebook, TikTok, YouTube und Discord). Nutzer:innen bekommen eine Übersicht von spezialisierten Beratungsangeboten zum Thema digitale Gewalt, die aus der App heraus angerufen werden können. Zudem gibt es eine Videoanleitung zur Erstellung einer Online-Anzeige in Berlin und eine Linksammlung zu sämtlichen Internetwachen aller Bundesländer.

    6. Hat die App weitere besondere Merkmale? Wenn ja, welche?
    Alle Videotipps liegen in einfacher Sprache und in Gebärdensprache vor. Die App wurde partizipativ erarbeitet. Das bedeutet, dass die Inhalte (Texte, Videos, Design) mit und von Menschen mit Beeinträchtigungen der Werkstätten in Berlin erarbeitet wurden.

    7. Bestehen für die Nutzer:innen Zugangsvoraussetzungen? Wie lange begleitet die App die Nutzer:innen?
    Es bestehen keine speziellen Zugangsvoraussetzungen. Die App begleitet Nutzer:innen so lange diese dies wünschen und benötigen.

    8. Ist die App für Nutzer:innen kostenlos oder kostenpflichtig? Ist sie auf Rezept erhältlich? Wie hoch sind die Kosten?
    Die App ist kostenlos.

    9. Wer hat die App entwickelt bzw. ist „Herausgeber“?
    Die App wurde im Rahmen einer Kooperation von klicksafe https://www.klicksafe.de/ und der Landesarbeitsgemeinschaft Werkstätten für behinderte Menschen Berlin e. V. erarbeitet.

    10. Wird oder wurde die Nutzung der App evaluiert?
    Eine Evaluation der App steht noch aus.

    11. Ist die App noch in anderen Sprachen außer Deutsch verfügbar? Wenn ja, welche?
    Die App liegt bisher noch nicht in anderen Sprachen vor, ist aber angedacht.

    Die Fragen beantwortete Sascha Omidi, Fachberater für Gewaltprävention, Landesarbeitsgemeinschaft der Werkstätten für Menschen mit Behinderung Berlin e. V.

    belinu

    belinu – Abkürzung für believe in yourself. Während meiner eigenen Trauerzeit war der Glaube an mich selbst, um diese herausfordernde Zeit zu überwinden, sehr prägend und wichtig. Da es so wichtig ist, an sich selbst zu glauben, besonders in herausfordernden Zeiten und persönlichen Krisen, liegt uns diese Botschaft sehr am Herzen. Deshalb haben wir auch die App danach benannt.

    1. Auf welchen Plattformen ist die App zu bekommen?
    belinu ist im App Store und Google Play Store verfügbar.

    2. Bei welchem Thema kommt die App zum Einsatz? Was ist ihr Anwendungsbereich?
    Wir haben uns auf die Themenbereiche Trauer, Einsamkeit, Stress und Überforderung sowie Probleme in Beziehungen spezialisiert. Für diese Themen gibt es zahlreiche Videokurse und Übungen, die wir speziell für die App mit unseren Expert:innen entwickeln. Hier arbeiten wir mit verschiedensten Psycholog:innen, Trauerbegleiter:innen und anderen ausgebildeten Expert:innen zusammen.

    3. An wen richtet sich die App?
    Die App richtet sich an Betroffene, die mit einem oder mehreren unserer Themengebiete zu kämpfen haben. Alle unsere Themengebiete lassen sich nicht auf ein Alter beschränken, weshalb wir keine bestimmte Altersgruppe haben. Allerdings richtet sich die App an Erwachsene und ist somit erst ab 18.

    4. Welche Leistungen, welchen Nutzen bietet die App?
    belinu ist in zwei Hauptbereiche aufgeteilt. Zum einen gibt es die Video-Mediathek mit zahlreichen praktischen Übungen und Anwendungsfällen zu den genannten Themengebieten. Zum anderen gibt es einen Community Bereich. Hier können sich Betroffene austauschen, Erfahrungen und Informationen teilen. Hierfür wählen die Nutzer:innen aus, über welches Thema, mit welcher Altersgruppe oder mit welchem Geschlecht sie sich gerne austauschen möchten. Anschließend wird eine Liste mit Menschen, die vor ähnlichen / gleichen Herausforderungen stehen, vorgeschlagen, und die Nutzer:innen können selbst entscheiden, mit wem sie sich vernetzen möchten. Hierbei können die Nutzer:innen so viel sie von sich preisgeben, wie sie möchten, und die App auch anonym nutzen.

    5. Was können die Nutzer:innen aktiv damit machen?
    Die Nutzer:innen können sich aktiv mit der Community austauschen und das Schwarmwissen der Community nutzen. Zusätzlich können sie Übungen aus den verschiedenen Kursen direkt in ihren Alltag integrieren, da die Kurse sehr praktisch sind und der Fokus auf der direkten Umsetzungsmöglichkeit im Alltag liegt. Zusätzlich gibt es ein Tagebuch mit Stimmungstracking. Täglich kann eine Emotion des Tages und der Grund für diese Emotion erfasst werden. Das ermöglicht einen guten Überblick über die eigenen Gefühle und die Gründe für diese Gefühle.

    6. Hat die App weitere besondere Merkmale? Wenn ja, welche?
    Unser Merkmal ist die Bandbreite an Expert:innen und unterschiedlichen Menschen. Was für den einen passt, ist für den anderen unpassend. Deshalb arbeiten wir mit verschiedensten Expert:innen und erweitern unsere Videokurse laufend. Auch unsere Community wächst stetig, was einen Austausch mit verschiedensten Personen ermöglicht.

    7. Bestehen für die Nutzer:innen Zugangsvoraussetzungen? Wie lange begleitet die App die Nutzer:innen?
    belinu ist für Nutzer:innen ab 18 Jahren geeignet. Weitere Voraussetzungen bestehen nicht. Wie lange die App die Nutzer:innen begleitet, ist von Nutzerin zu Nutzer unterschiedlich. Jede:r entscheidet selbst, mit welchem Tempo und in welcher Intensität er/sie die App nutzen möchte.

    8. Ist die App für Nutzer:innen kostenlos oder kostenpflichtig? Ist sie auf Rezept erhältlich? Wie hoch sind die Kosten?
    belinu ist in zwei Abo-Varianten erhältlich. Nutzer:innen können zwischen einem Quartals-Abo (38,90 €) und einem Jahres-Abo (94,90 €) entscheiden. Bisher ist die App nicht auf Rezept erhältlich.

    9. Wer hat die App entwickelt bzw. ist „Herausgeber“?
    belinu wurde vollständig von uns selbst in Kooperation mit verschiedenen Expert:innen und Psycholog:innen entwickelt.

    10. Wird oder wurde die Nutzung der App evaluiert?
    Hier sind wir dran. Bisher noch kein Start einer Studie.

    11. Ist die App noch in anderen Sprachen außer Deutsch verfügbar? Wenn ja, welche?
    Die App ist im DACH Raum verfügbar, bisher nur in deutscher Sprache.

    Die Fragen beantwortete Lisa Mutvar, Gründerin von belinu.


    RAUCHEN

    NichtraucherHelden

    1. Auf welchen Plattformen ist die App zu bekommen?
    Die NichtraucherHelden-App ist als Präventionsprogramm im jeweiligen Store von Apple und Google erhältlich und kann auch über einen Browser auf www.nichtraucherhelden.de genutzt werden. Zuerst war die App als Präventionsprogramm für Unternehmen im Rahmen ihres BGM-Angebots (Betriebliches Gesundheitsmanagement) sowie für Krankenkassenversicherte erhältlich. Inzwischen gibt es auch eine Variante als DiGA (Digitale Gesundheits- Anwendung), diese kann somit als „App auf Rezept“ von Ärzten und Ärztinnen verordnet werden. Im Folgenden wird nur auf die als DiGA auf Rezept erhältliche NichtraucherHelden-App eingegangen.

    2. Bei welchem Thema kommt die App zum Einsatz? Was ist ihr Anwendungsbereich?
    Bei Personen, die sich das Zigarettenrauchen abgewöhnen wollen, kommt die NichtraucherHelden-App zum Einsatz. Sie kann entweder als eigenständiges Hilfsmittel genutzt werden, aber auch in Verbindung mit Medikamenten. Ansprechpartner dazu ist dann zwingend der Arzt. Die App informiert und motiviert die Anwender:innen, um den Entschluss des Rauchstopps besser und erfolgreicher umsetzen zu können und Entzugserscheinungen und mit dem Rauchen verbundenen Gewohnheiten bewusst zu begegnen.

    3. An wen richtet sich die App?
    Die NichtraucherHelden-App richtet sich an Zigarettenraucher:innen, die tabakabhängig sind und sich das Rauchen abgewöhnen wollen. Es gibt dabei keine Einschränkung bezüglich Personengruppen oder Alter. Die NichtraucherHelden-Anwendung ist nicht geeignet bei Personen mit psychiatrischen Erkrankungen mit Zeichen der akuten Depressivität oder Suizidalität sowie bei Erkrankungen mit akuten deliranten oder akuten psychotischen Störungen.

    4. Welche Leistungen, welchen Nutzen bietet die App?
    Die NichtraucherHelden-App bietet mit informativen Videos und lehrreichen Aufgaben eine umfangreiche Vorbereitung auf den Rauchstopp. Anschließend folgen verschiedene Angebote nach dem Rauchstopp, z. B. was tun, wenn Entzugserscheinungen eintreten, Verlangen nach einer Zigarette auftritt, gegen mögliche Gewichtszunahme und Ähnliches. Sehr gerne wird die moderierte NichtraucherHelden-Community genutzt, die im Rahmen der App angeboten wird. Darin tauschen sich die Anwender und Anwenderinnen aus, beantworten sich gegenseitig Fragen und geben und finden Motivation.

    5. Was können die Nutzer:innen aktiv damit machen?
    Neben informativen und motivierenden Coaching-Videos haben die Benutzer und Benutzerinnen die Möglichkeit, sportliche Übungen mitzumachen und gesunde Rezepte auszuprobieren. In der NichtraucherHelden-Community können die Anwender und Anwenderinnen sich austauschen. Im Rahmen der täglichen Betreuung fordert die App die Benutzer:innen auf, Aufgaben abzuarbeiten und sich seiner Gewohnheiten bewusst zu werden und sie gegebenenfalls zu ändern. Zur Belohnung gibt es Informationen, was man erreicht hat und wie viel Geld man an nicht gerauchten Zigaretten gespart hat.

    6. Hat die App weitere besondere Merkmale? Wenn ja, welche?
    Die Vorgehensweise im Programm basiert auf einem eigens entwickelten Ansatz des „Medical Story Telling“. In Videos werden medizinische Informationen mit Filmszenen aus dem Leben und Tipps zum Nichtrauchen angeboten. Zusammen mit Aufgaben zur Selbstanalyse wird dem Benutzer und der Benutzerin bewusst, welche schädlichen Folgen das Rauchen hat, und es wird eine starke Motivation erzeugt, mit dem Rauchen aufzuhören. Durch tägliche Abfragen trägt der Anwender und die Anwenderin eigenes Feedback ein, womit die NichtraucherHelden-App auf jeden individuellen Fall angepasst wird.

    7. Bestehen für die Nutzer:innen Zugangsvoraussetzungen? Wie lange begleitet die App die Nutzer:innen?
    Nachdem der Arzt oder die Ärztin ein Rezept ausgestellt hat, wird dieses vom Patienten oder der Patientin bei der Krankenkasse eingereicht. Die Kasse gibt dem Patienten oder der Patientin einen Zugangs-Code, mit dem man sich bei den NichtraucherHelden anmelden kann. Zuvor muss man nur die App aus dem jeweiligen Store auf sein Smartphone laden und installieren, und es kann losgehen. Die Nutzungsdauer der App ist angelegt auf drei Monate, das heißt Vorbereitung zum Rauchstopp, die Phase des Rauchstopps sowie die Begleitung und Unterstützung hinterher. Es kann jederzeit ein Folgerezept ausgestellt werden, sodass die App jeweils weitere drei Monate genutzt werden kann.

    8. Ist die App für Nutzer:innen kostenlos oder kostenpflichtig? Ist sie auf Rezept erhältlich? Wie hoch sind die Kosten?
    Nach Feststellen der Nikotinabhängigkeit durch den Arzt oder die Ärztin wird ein Rezept für den Patienten oder die Patientin ausgestellt. Dies belastet das Budget des Arztes bzw. der Ärztin nicht. Durch das Rezept wird die Nutzung der App für drei Monate freigeschalten. Für den Patienten oder die Patientin entstehen keine Kosten.

    9. Wer hat die App entwickelt bzw. ist „Herausgeber“?
    Die Firma Sanero Medical GmbH aus Stuttgart ist ein Startup, das sich auf medizinische Apps auf Rezept spezialisiert hat. Die NichtraucherHelden-App wurde gemeinsam mit Medizinern und Fachleuten entwickelt und wird von Sanero Medical vermarktet.

    10. Wird oder wurde die Nutzung der App evaluiert?
    Damit die NichtraucherHelden-App als DiGA dauerhaft zugelassen werden konnte, wurde eine umfangreiche klinische Studie durchgeführt. Das Ziel der Studie war die Evaluierung der Wirksamkeit der Digitalen Gesundheitsanwendung (DiGA) NichtraucherHelden. Als Schlussfolgerung aus der Studie kann man zusammenfassen, dass der Rauchstopp mit Hilfe der NichtraucherHelden-App die Abstinenzquote verdoppelt.

    11. Ist die App noch in anderen Sprachen außer Deutsch verfügbar? Wenn ja, welche?
    Aktuell ist die NichtraucherHelden-App nur in Deutsch verfügbar. Inzwischen führen weitere Länder Programme für eine App auf Rezept ein, ähnlich der DiGA in Deutschland. Entsprechend ist geplant, die App in weiteren Sprachen für andere Länder anzubieten.

    12. Weitere interessante Informationen über die App
    Anfang 2024 ist die NichtraucherHelden App bei der Stiftung Warentest Testsieger geworden und mit Top-Noten bewertet worden. Aktuell ist die NichtraucherHelden-App die einzige DiGA zur Rauchentwöhnung, die vom Bundesamt für Arzneimittel (BfArM) eine dauerhafte Zulassung erhalten hat. Auf der Internetseite von NichtraucherHelden (www.nichtraucherhelden.de) findet man interessante Erfahrungsberichte von Personen, die mit der Nichtraucherhelden-App aufgehört haben zu rauchen.

    Die Fragen beantwortete Rainer Ott, Sales und Partner Manager, Firma Sanero Medical GmbH.

    Smoke Free – Rauchen aufhören

    1. Auf welchen Plattformen ist die App zu bekommen?
    Die App ist im Apple App Store und Google Play Store verfügbar. Es gibt keine Web-Version.

    2. Bei welchem Thema kommt die App zum Einsatz? Was ist ihr Anwendungsbereich?
    Smoke Free wird im Bereich der Rauchentwöhnung eingesetzt. Sie ist eine evidenzbasierte, digitale Therapie, die als Smartphone-App angeboten wird und darauf abzielt, Menschen beim Aufhören mit dem Rauchen zu unterstützen. Sie kann von Ärzt:innen und Psychotherapeut:innen beim Vorliegen einer Tabakabhängigkeit (ICD 17.2) als Digitale Gesundheitsanwendung (DiGA) verordnet werden. Die App hilft, die nötige Motivation aufzubauen und aufrechtzuerhalten, um dem Rauchverlangen zu widerstehen und dauerhaft rauchfrei zu bleiben.

    3. An wen richtet sich die App?
    Smoke Free richtet sich an Erwachsene zwischen 18 und 65 Jahren, die direkt von der Tabakabhängigkeit betroffen sind und mit dem Rauchen aufhören möchten.

    4. Welche Leistungen, welchen Nutzen bietet die App?
    Die App zielt darauf ab, die Motivation der Nutzer:innen zu steigern und ihr Selbstbewusstsein zu stärken, indem sie Feedback zu Fortschritten gibt und den Rauchstopp als einen Prozess mit möglichen Rückschlägen betrachtet. Dazu bietet sie eine Vielzahl an Leistungen:

    • Tägliche Missionen und Belohnungssystem: Nutzer:innen erhalten bereits sieben Tage vor dem Rauchstoppversuch tägliche Missionen, um sich auf den Rauchstopp vorzubereiten und diesen erfolgreich zu absolvieren. Im Verlauf des Rauchstoppversuchs nimmt die Frequenz der Missionen ab. Darüber hinaus lassen sich Abzeichen verdienen, was zur Steigerung des Selbstbewusstseins beiträgt und die Motivation aufrechterhält.
    • Unterstützung durch Community und Chatbot: Die App bietet Unterstützung durch einen Chatbot, der rund um die Uhr verfügbar ist und den Rauchstopp begleitet. Der Chatbot vermittelt praktische Tipps und passende Strategien, zum Beispiel im Umgang mit Rauchverlangen. Er basiert auf einem etablierten Protokoll zur Rauchentwöhnung, das in Face-to-Face-Rauchentwöhnungsangeboten im Vereinigten Königreich genutzt wird. Außerdem gibt es eine Community, in der sich unsere Nutzer:innen gegenseitig motivieren und unterstützen können.
    • Fortschrittsverfolgung: Nutzer:innen können verfolgen, wie lange sie rauchfrei sind, wie viel Geld sie gespart haben und welche gesundheitlichen Verbesserungen sie bereits mit der rauchfreien Zeit erzielt haben.
    • Ablenkung: Nutzer:innen können in einem virtuellen Haustierspiel Ablenkung finden, bis ein aufgekommenes Rauchverlangen vorbeigeht. Mit der Nutzung verschiedener Aspekte der App schaltet man dazu noch Gegenstände frei, die zur individuellen Dekoration des eigenen Haustiers genutzt werden können.
    • Analyse von Auslösern für Rauchverlangen und Stress-Tracking: Nutzer:innen werden ermutigt, aufgekommene Rauchverlangen in die App einzutragen und sowohl die Stärke des Verlangens als auch Uhrzeit, Ort oder Tätigkeiten zu notieren. Die Rauchverlangen können dann im Anschluss räumlich, zeitlich und situativ ausgewertet werden, um kritische Situationen zu identifizieren und diese besser bewältigen zu können. Darüber hinaus bietet die App ein Stress-Tracking, um Veränderungen im Stresserleben, die zu einem möglichen Rückfall führen könnten, frühzeitig zu erkennen und dem entgegenzuwirken.
    • Verhaltenstherapeutische Techniken: Die App integriert Techniken zur Verhaltensänderung, die auf psychologischen Theorien zur Verhaltensänderung basieren. Dies schließt Erkenntnisse aus der kognitiven Verhaltenstherapie, aber auch der Motivationspsychologie ein.
    • Wissenschaftlich nachgewiesene Wirksamkeit: In mehreren Studien konnte gezeigt werden, dass die Nutzung der App die Erfolgsrate beim Rauchstopp signifikant erhöhen kann.

    5. Was können die Nutzer:innen aktiv damit machen?

    • Tägliche Missionen: Nutzer:innen können tägliche Aufgaben absolvieren, die speziell darauf ausgelegt sind, die Rauchgewohnheiten zu durchbrechen und die Motivation zu steigern. Diese Missionen sind wissenschaftlich fundiert und konnten in einer Studie die Erfolgschancen beim Rauchstopp verdoppeln.
    • Generelle Unterstützung bei Rauchverlangen: Die App bietet Tools und Tipps, um mit Rauchverlangen umzugehen, einschließlich eines Chatbots, der rund um die Uhr Unterstützung bietet.
    • Soziale Unterstützung: In der App haben Nutzer:innen Zugang zu einer Community, in der Tipps und Strategien zum Rauchstopp ausgetauscht werden können sowie Erfolge gemeinsam gefeiert werden.
    • Spielerische Unterstützung (Haustierspiel): Nutzer:innen können ihren eigenen virtuellen Drachen großziehen und diesen pflegen. Dies kann vor allem dann hilfreich sein, wenn die Dauer eines Verlangens überbrückt werden soll. Generell bietet das Spiel aber auch einen Anreiz, andere Teile der App zu nutzen, da man damit Gegenstände für den Drachen freischalten kann.
    • Analytische Unterstützung: Die App ermöglicht es den Nutzer:innen, ihren Fortschritt zu überwachen, indem sie sehen, wie lange sie rauchfrei sind, wie viel Geld sie gespart haben und welche gesundheitlichen Verbesserungen sie erzielt haben. Darüber hinaus können die Nutzer:innen die eingetragenen Rauchverlangen nach Ort, Zeit und auslösenden Situationen analysieren.

    6. Hat die App weitere besondere Merkmale? Wenn ja, welche?
    Die App umfasst sowohl off- als auch online nutzbare Funktionen. Das ist besonders im Kontext der Rauchentwöhnung wichtig, da Rauchverlangen nicht immer nur dann auftreten, wenn eine gute Internetverbindung vorhanden ist. Allgemein versteht sich die App nicht als Onlinekurs, bei dem Lerninhalte (z. B. im Videoformat) vermittelt werden, sondern als Begleiter auf dem Weg ins rauchfreie Leben. Deshalb wird viel Wert auf eine therapeutische Allianz zwischen App und Nutzer:in gelegt.

    7. Bestehen für die Nutzer:innen Zugangsvoraussetzungen? Wie lange begleitet die App die Nutzer:innen?
    Es bestehen keine Zugangsvoraussetzungen. Die Zusatzfunktionen der App begleiten die Menschen beim Rauchstopp für den Verschreibungszeitraum (90 Tage, Folgeverschreibungen sind möglich). Die Basisfunktionen sind dauerhaft kostenfrei verfügbar und bieten im Anschluss an einen Verschreibungszeitraum weiterhin Unterstützung.

    8. Ist die App für Nutzer:innen kostenlos oder kostenpflichtig? Ist sie auf Rezept erhältlich? Wie hoch sind die Kosten?
    Die App Smoke Free enthält sowohl kostenlose Basisfunktionen als auch kostenpflichtige Zusatzfunktionen. Nutzer:innen können die App kostenlos im App-Store herunterladen und die Zusatzfunktionen für eine Woche unverbindlich testen. Nach der einwöchigen Testphase ist für die Zusatzfunktionen ein Rezept nötig. Dies kann von Ärzt:innen oder Psychotherapeut:innen ohne Kontraindikationen verordnet werden. In diesem Fall übernehmen sowohl gesetzliche Krankenkassen als auch viele private Krankenversicherungen die Kosten, sodass die App für die Nutzer:innen kostenlos ist. Selbstzahler:innen zahlen 389,00 € für den Nutzungszeitraum von 90 Tagen.

    9. Wer hat die App entwickelt bzw. ist „Herausgeber“?
    Die App wurde von Dr. David Crane entwickelt, der auch als Gründer und CEO des Unternehmens fungiert. David hat einen Hintergrund in den Verhaltenswissenschaften und hat die App als Teil seiner Dissertation im Bereich der digitalen Gesundheitslösungen entwickelt.

    10. Wird oder wurde die Nutzung der App evaluiert?
    Verschiedene Aspekte der App wurden bereits in größeren RCTs mit der englischsprachigen Version evaluiert. Hier zeigte sich, dass sowohl die Missionen als auch der Chatbot die Chance, erfolgreich aufzuhören, etwa verdoppeln konnte. Die App wird darüber hinaus im englischen Kontext stetig evaluiert, da dies von den Kooperationspartnern vorausgesetzt wird (siehe unten). In der letzten derartigen Evaluation wurden beispielsweise Aufhörraten von 40 % nach drei Monaten ermittelt. Für die deutschsprachige Version mit Zusatzfunktionen liegen erste Ergebnisse im Rahmen der vorläufigen Aufnahme in das DiGA-Verzeichnis vor. Momentan sind wir in der Abschlussphase der bis dato größten DiGA-Evaluationsstudie mit über 1.450 Teilnehmenden, um die Voraussetzungen für eine dauerhafte Listung zu erfüllen. Die Ergebnisse der Studie werden in den kommenden Monaten veröffentlicht.

    11. Ist die App noch in anderen Sprachen außer Deutsch verfügbar? Wenn ja, welche?
    Die Zusatzfunktionen in der App sind auch auf Englisch verfügbar. Die Basisfunktionen werden auch noch in weiteren Sprachen (momentan Spanisch, Französisch, Russisch und Portugiesisch) angeboten, wobei wir das Angebot stetig ausbauen wollen.

    12. Weitere interessante Informationen über die App
    Die App wird sowohl im deutschen als auch im englischen Gesundheitssystem genutzt. Dort bestehen Kooperationen unter anderem mit dem britischen National Health Service (NHS) und dem National Centre for Smoking Cessation and Training (NCSCT).
    Die App ist bereits seit über zehn Jahren erhältlich und verzeichnet mehr als sieben Millionen Downloads, wovon mehr als eine Million Downloads auf Deutschland fallen. Sie gehört zu den bestbewerteten Rauchstopp-Apps mit mehr als 185.000 5-Sterne-Bewertungen.

    Die Fragen beantwortete Dr. Lucas Keller, Lead Researcher.

  • Abstinent durch Selbsthilfegruppe

    Neu erschienen ist eine Statistik der fünf Sucht-Selbsthilfe- und Abstinenzverbände (Blaues Kreuz in Deutschland e.V., Blaues Kreuz in der Evangelischen Kirche – Bundesverband e.V., Freundeskreise für Suchtkrankenhilfe – Bundesverband e.V., Guttempler in Deutschland e.V. und Kreuzbund e.V.) für das Jahr 2017. Die Erhebung enthält wichtige Angaben zur Arbeit in den Sucht-Selbsthilfegruppen und deren Leistungen sowie zu Entwicklungen und neuen Tendenzen. Finanziell gefördert wurde die Erhebung von der Techniker Krankenkasse. 

    Grundsätzliche Feststellungen

    2017 wurden in den 4.110 Gruppenangeboten der fünf Sucht-Selbsthilfe- und Abstinenzverbände fast 70.000 Personen erreicht, davon waren rund 30.000 Frauen und 40.000 Männer, die die Gruppen besuchten. Die Zahl der Angehörigen, die eine Gruppe besuchten, ging in 20 Jahren von ca. 30 Prozent auf 19 Prozent zurück. Hier sehen die fünf Verbände Handlungsbedarf. Interessant ist der starke Anstieg der Abhängigen von illegalen Drogen auf knapp 3.200 Personen im Vergleich zu 830 Personen im Jahr 2010. Dies darf als Indiz für die erfolgreiche suchtstoffübergreifende Arbeit der Verbände gewertet werden.

     Altersstruktur und Rückfallquote

    Fast die Hälfte der Gruppenteilnehmenden in den fünf Verbänden ist zwischen 41 und 60 Jahren alt. In dieser Altersgruppe finden die meisten neuen Gruppenteilnehmenden in die Selbsthilfe. Der hohe Anteil der über 60-Jährigen ist mit der außerordentlichen Haltequote und mit rückfallprophylaktischen Gründen verknüpft. Aus der Erhebung ergab sich, dass gut jeder fünfte Suchtkranke durch die Selbsthilfegruppe abstinent geworden ist und kein Angebot der beruflichen Suchthilfe nutzen musste.

    Insgesamt wurde deutlich, dass die Sucht-Selbsthilfe eine wertvolle Arbeit leistet und dazu beiträgt, dass Suchtkranke abstinent bleiben und nicht zuletzt Behandlungserfolge aus der beruflichen Suchthilfe gesichert werden. So blieben 87 Prozent der Suchtkranken ohne Rückfall. Nur 13 Prozent wurden rückfällig. Ermutigend ist, dass mehr als drei Viertel der rückfällig gewordenen Personen wieder zu einem stabilen abstinenten Leben zurückfinden konnten. Der stellvertretende Geschäftsführer der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen, Dr. Peter Raiser, stellt fest: „Die Erhebung der fünf Sucht-Selbsthilfeverbände zeigt einmal mehr, dass die Sucht-Selbsthilfegruppen ein unverzichtbarer Teil des Suchthilfesystems sind. Durch ihre Arbeit bleiben in Deutschland mehr als 50.000 Suchtkranke suchtfrei bzw. stabilisieren sich nach einem Rückfall.“

    Ausbildungen in der Sucht-Selbsthilfe

    In den Sucht-Selbsthilfeverbänden haben sich mittlerweile rund 11.000 Menschen zu Gruppenleitenden, ehrenamtlich Mitarbeitenden in der Suchtkrankenhilfe (Grundausbildung) bzw. Mitarbeitenden in der betrieblichen Suchtkrankenhilfe ausbilden lassen, die sich nun in der Selbsthilfe engagieren.

    Die Statistik 2017 der fünf Sucht-Selbsthilfe- und Abstinenzverbände kann eingesehen werden auf: http://www.dhs.de/arbeitsfelder/selbsthilfe/statistik-der-fuenf-selbsthilfe-und-abstinenzverbaende.html

    Pressestelle der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS), 06.12.2018

  • Dokumentationsstandard für eine vernetzte Versorgungslandschaft

    Dokumentationsstandard für eine vernetzte Versorgungslandschaft

    Karl Lesehr
    Dr. Barbara Braun

    Mitarbeiter/innen der Suchthilfe kennen den Kerndatensatz (KDS) als Standard für ihre eigene einrichtungsbezogene Dokumentation, die sie oft schon seit vielen Jahren nutzen – lange vor jeder EDV. Insofern war es nicht erstaunlich, dass in vielen Vorschlägen an die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) zur Aktualisierung des KDS noch differenziertere Erfassungsmöglichkeiten für die jeweils spezifischen Zielgruppen der eigenen Einrichtung gefordert wurden.

    Tatsächlich will der Kerndatensatz schon immer die Basis für die Dokumentation in den verschiedensten Einrichtungen zur Versorgung suchtkranker Menschen sein: Wesentliche Daten und Aussagen sollen damit unabhängig von Arbeits- und Interventionsschwerpunkten einzelner Einrichtungen verglichen werden können. Bei der Aktualisierung des KDS 3.0 haben sich der Fachausschuss Statistik der DHS und die externen Expert/innen darum bemüht, die Erfassungsmöglichkeiten so weiterzuentwickeln, dass sie den Veränderungen in der Versorgungslandschaft Rechnung tragen. Insbesondere die stärkere Differenzierung und Vernetzung von Behandlungs- und Betreuungsangeboten und eine stärkere Orientierung aller Versorgungsleistungen auf eine umfassende Verbesserung der gesundheitlichen Situation sowie der sozialen und beruflichen Teilhabe der betreuten/behandelten Menschen sollen auch in der Dokumentation abgebildet werden können.

    Der KDS 3.0 soll nicht nur Charakteristika von und Maßnahmen für Hilfe suchende Menschen erfassen, sondern als einheitlicher Dokumentationsstandard auch die Analyse realer Versorgungsverläufe ermöglichen. Bei einer solchen auf die Abfolge eigenständiger Maßnahmen orientierten Dokumentation wird eine eindeutige Abgrenzung der für die einzelnen Maßnahmen erfassten Daten umso notwendiger. So ist es (bei konsequenter Umsetzung der Manualregelungen) künftig möglich, beispielsweise Maßnahmen der ambulanten Suchtrehabilitation oder der Reha-Nachsorge eigenständig auszuwerten, auch wenn solche Leistungen von einer ambulanten Suchtberatungsstelle erbracht werden, die diese Leistungen nicht unter einem eigenen Einrichtungstyp dokumentiert hat.

    Komplexe Maßnahmenmatrix

    Um Versorgungsverläufe möglichst konsistent abbilden zu können, wurde die bislang stark aufgefächerte Erfassung von 16 Einrichtungstypen durch eine ‚gröbere‘ Einordnung des Einrichtungstyps ersetzt, gleichzeitig wurden die einzelnen Angebote/Maßnahmen deutlich ausdifferenziert. Diese systematische ‚Leistungsmatrix‘ wird nun an mehreren Stellen im KDS 3.0 genutzt: 1. im KDS-E (Einrichtung) bei „Art der Dienste/Angebote“ (1.7.), vereinfacht bei „Kooperation und Vernetzung mit anderen Einrichtungen/Angeboten“ (1.10) und 2. im KDS-F (der frühere KDS Klienten wurde umbenannt in KDS Fall) bei „Vorbetreuungen/-behandlungen“ (2.2.3), „Art der Betreuung/Behandlung in der eigenen Einrichtung“ (2.5.1) sowie „Weitervermittlung“ (2.6.6). Die Komplexität dieser Matrix mag manchen Nutzer zunächst erschrecken; sie ist aber notwendige Voraussetzung, um künftig individualisierte Behandlungswege und Betreuungsformen umfassend darstellen und in der Folge auch steuern zu können. Insbesondere die regional teilweise doch recht unterschiedlichen Formen der Suchtrehabilitation können jetzt differenziert (unter Substitution, als Kombibehandlung) dokumentiert werden.

    Vereinfachung des KDS-E

    Eine Neuregelung im KDS-E soll künftig auch ein realistisches Bild der immer komplexeren Versorgungslandschaft ermöglichen: Dienste und Angebote einer Einrichtung können für ein Bezugsjahr nur noch dann dokumentiert werden, wenn in den mit diesem Einrichtungsdatensatz verbundenen Falldatensätzen die entsprechende Maßnahme mindestens einmal dokumentiert wurde. Die KDS-E-Auswertung ermöglicht so erstmals einen aktuellen Überblick über das real genutzte Leistungsspektrum der dokumentierenden Suchthilfeeinrichtungen. Gleichzeitig wurde der KDS-E aber auch deutlich vereinfacht: Es wurden Abfragen herausgenommen, bei denen nach der Erfahrung der letzten Jahre und auch aus strukturellen Gründen keine wirklich aussagekräftige Datenauswertung möglich war. Analysen beispielsweise der oft mehr als problematischen Finanzierungsstruktur ambulanter Suchtberatungsstellen brauchen andere eigenständige und der Komplexität der Thematik angemessene Erfassungsverfahren.

    Wichtige Anpassungen bestehender Items im KDS-F

    Im KDS-F wurde die bisherige Kategorie „Angehörige“ erweitert auf „Personen aus dem sozialen Umfeld“, und es ist nun auch eine differenziertere Erfassung der Probleme aus der Sicht dieser Personen möglich.

    Weiterhin fand eine Anpassung der Erhebung soziodemografischer Daten im KDS-F statt: Familienstand/Partnerbeziehung wurden ersetzt durch das Item „Lebenssituation“ (2.3.1); auf das bisherige Item zum Lebensunterhalt wurde verzichtet aufgrund der inhaltlichen Überschneidungen mit dem Item „Erwerbssituation“ (2.3.7). Der insbesondere aus sozialpolitischer Sicht relevanten Risikosituation von Kindern wurde durch eine erweiterte Dokumentation Rechnung getragen, ebenso wurde die Dokumentation des Migrationsstatus neu geordnet.

    Die Erfassung des Kostenträgers wurde spezifiziert. Sie bezieht sich jeweils auf die aktuell dokumentierte Betreuung/Behandlung: Bei einem Wechsel des Kosten-/Leistungsträgers ist nach den Manualregeln ein neuer Falldatensatz zu öffnen (also z. B. beim Wechsel aus einer institutionell geförderten Betreuung in eine leistungsfinanzierte Maßnahme ambulanter Suchtrehabilitation).

    Die gesundheitspolitisch bedeutsame Dokumentation des HIV- bzw. Hepatitis-Status wurde auch aufgrund der bislang eher unzureichenden Dokumentationspraxis zweigeteilt: Zum einen werden Informationen zum Teststatus, zum anderen zum Infektionsstatus erfragt. Somit können die berechtigten Schutzinteressen des einzelnen Menschen berücksichtigt werden, gleichzeitig ist aber auch eine bessere Validität der erhobenen Daten möglich.

    Wesentliche konzeptionelle Neuerungen im KDS-F

    Neben der oben beschriebenen differenzierten Erfassungssystematik von Maßnahmen (und damit auch von Vorbehandlungen und Weitervermittlungen) bestehen die wesentlichen Neuerungen im aktualisierten KDS-F 3.0 in der differenzierten Erfassung psychosozialer Problembereiche, in der neuen Differenzierung zwischen Konsumdaten und medizinischer Diagnostik, in den (erweiterten) Dokumentationsmöglichkeiten für pathologisches Glücksspielen und exzessive Mediennutzung und schließlich in der Dokumentation von Selbsthilfeanbindung.

    Psychosoziale Problembereiche

    Bislang ging der KDS implizit davon aus, dass Betreuungen in den Einrichtungen der Suchthilfe grundsätzlich durch eine Suchtproblematik ausgelöst sein und deshalb auch vorrangig eine Verbesserung/Behandlung dieser Suchtproblematik zum Ziel haben müssten. Während dies in Institutionen der medizinischen Behandlung unstrittig ist, stellen sich die Arbeitssituation der ambulanten Suchtberatungsstellen, aber auch die Angebote der Eingliederungshilfe vielschichtiger dar. Schon bei der letzten KDS-Überarbeitung war deshalb das Fehlen einer Einschätzung der psychosozialen Belastung kritisiert worden. Mit den Items 2.1.5 bzw. 2.6.7 zu Beginn und am Ende einer Falldokumentation bietet sich jetzt die Möglichkeit, aus Sicht der betreuenden Fachkraft die Probleme zu dokumentieren, die zur Kontaktaufnahme geführt haben bzw. die für eine angestrebte Veränderung zu berücksichtigen sind. Gleichzeitig wird über diese Item auch die Möglichkeit geschaffen, Entwicklungen im Lebensalltag der betreuten Menschen und damit potentielle Wirkungen von Betreuungsleistungen sichtbar zu machen. Zudem bieten diese Items die Option, vertiefte Wahrnehmungen einer komplexen Gesamtproblematik der betroffenen Menschen während der gesamten Betreuungszeit abschließend zu dokumentieren und damit auch für weitere Betreuungen aufgreifen zu können. Zusätzlich werden diese Items im Kerndatensatz Katamnese (KDS-Kat) abgefragt, so dass dann grundsätzlich eine Drei-Punkt-Messung – wenn auch aus unterschiedlichen Quellen – möglich ist.

    Differenzierung zwischen Konsumdaten und medizinischer Diagnostik

    Bislang war der suchtbezogene Problembereich auf medizinische Diagnosen nach der IDC-10 und insbesondere auf eine Hauptdiagnose bezogen. Diese medizinische Diagnosesystematik ist im Bereich von Suchtbehandlungen weiter bedeutsam und unstrittig. Gleichzeitig sind aber in den vernetzten Versorgungsstrukturen auch die strukturellen Grenzen dieses Diagnosesystems deutlich geworden. So führt das Zeitkriterium von einem Jahr (die Diagnose substanzbezogener Störungen bezieht sich auf einen Ein-Jahres-Zeitraum) häufig dazu, dass gar keine aktuelle Diagnose vergeben werden kann. Auch sind relevante Konsummengenveränderungen im Diagnosesystem nicht oder nur unzureichend abbildbar. Mit der getrennten Erfassung von Konsumdaten (z. B. 2.4.1 ff.) und Diagnosen (2.4.5) sind jetzt sehr viel differenziertere und damit auch wirklichkeitsnähere Dokumentationen möglich.

    Gleichzeitig wurde die Liste der dokumentierbaren Substanzgruppen deutlich erweitert und so gestaltet, dass bei Bedarf während der Gültigkeit des KDS 3.0 auch Ergänzungen möglich sind. Dokumentiert werden können für (maximal 15) Substanzen die Lebenszeitprävalenz und die aktuelle Bedeutung dieser Substanz (gemessen in Konsumtagen). Erhoben wird auch, ob bestimmte Substanzen nur und vollumfänglich aufgrund ärztlicher Verordnung konsumiert wurden – eine Möglichkeit, der angesichts der Grauzone des Medikamentenmissbrauchs erhebliche Bedeutung zukommt. Mithilfe der dokumentierten Konsumdaten kann künftig eine Konsummengenreduzierung festgestellt werden, sowohl als unmittelbare Auswirkung einer entsprechenden Behandlungsmaßnahme als auch als Teileffekt einer eigentlich abstinenzorientierten Behandlung. Und schließlich lassen sich über eine differenzierte Konsumdokumentation auch teilhaberelevante Risiken leichter identifizieren (z. B. täglicher Alkoholkonsum bei Substituierten).

    Dokumentation von pathologischem Glücksspielen und exzessiver Mediennutzung

    Der neue KDS 3.0 bietet in weitgehender Analogie zu den substanzbezogenen Störungen auch für die Störungsformen pathologisches Glücksspielen und exzessive Mediennutzung erweiterte bzw. neue Dokumentationsmöglichkeiten (2.4.8 bis 2.4.13). In Bezug auf Glücksspiele wurde die Liste an Spielformen (getrennt nach terrestrisch/stationär und online) erweitert.

    Selbsthilfeanbindung

    Und schließlich wurden in Zusammenarbeit mit den Verbänden der Sucht-Selbsthilfe zwei neue Items 2.6.3 und 2.6.4 in den KDS 3.0 eingebunden, die wirklichkeitsgerecht die Vernetzung mit den Aktivitäten der Sucht-Selbsthilfe abbilden können.

    Kontakt:

    Dr. Barbara Braun
    IFT Institut für Therapieforschung
    Parzivalstraße 25
    80804 München
    Tel. 089/36 08 04 34
    braunbarbara@ift.de
    www.ift.de

    Karl Lesehr, M.A.
    Werkstatt PARITÄT gemeinnützige GmbH
    Hauptstraße 28
    70563 Stuttgart
    lesehr@paritaet-bw.de
    www.werkstatt-paritaet-bw.de

    Angaben zu den Autoren:

    Dr. Barbara Braun, Dipl.-Psychologin und Psychologische Psychotherapeutin (VT), leitet am IFT Institut für Therapieforschung in München den Bereich Therapie- und Versorgungsforschung sowie den Bereich Forschung Landesstelle Glücksspielsucht in Bayern.
    Karl Lesehr war lange als Mitarbeiter und Leiter einer Suchtberatungsstelle tätig. Danach arbeitete er als Referent für Suchthilfe beim Diakonischen Werk Württemberg und beim PARITÄTISCHEN Baden-Württemberg. Als Ruheständler nimmt er Beratungsaufträge wahr und hat noch die fachliche Leitung zweier Landesprojekte (Projekt Su+Ber zur suchtrehabilitativ gestützten Verbesserung der beruflichen Integration von Langzeitarbeitslosen mit Suchtproblemen und Projekt VVSub zur verbesserten Behandlungskooperation zwischen Arzt und Suchtberatung in der Substitutionsbehandlung).

  • Das Selbstkontrolltraining SKOLL

    Das Selbstkontrolltraining SKOLL

    Sabine Bösing
    Sabine Bösing

    Wer etwas für seinen Rücken tun will, trainiert im Fitnessstudio, wer seine Kondition steigern möchte, geht in eine Laufgruppe. Aber welches Angebot bietet sinnvolle Unterstützung, um besser mit dem eigenen Suchtmittelkonsum oder suchtbezogenen Verhalten umzugehen? Hier hilft das Selbstkontrolltraining SKOLL.

    Seit 2006 wird das vom Caritasverband Osnabrück entwickelte SKOLL-Training von Präventions- und Suchtfachkräften in unterschiedlichen Settings (z. B. Schule und Ausbildung, Jobcenter, Betriebe, JVAen, Bewährungshilfe) bundesweit angewendet. SKOLL schließt eine Angebotslücke für die Menschen, die sich zwischen Absichtslosigkeit und Absichtsbildung befinden (Gastpar, Mann, Rommelsbacher 1999) und sich in einer Gruppe darüber klar werden wollen, ob ihr suchtmittelbezogenes Konsum- und Verhaltensmuster schon problematisch ist. Mehrere wissenschaftliche Untersuchungen (Bruns 2007; Bösing et al. 2012; Görgen, Hartmann 2013) haben die Wirkung dieses Trainings nachgewiesen. Zum Beispiel konnte das Risikoverhalten der Teilnehmenden bei Alkohol im Mittel um bis zu 50 Prozent stabil über mehrere Monate verringert werden. In den letzten zehn Jahren wurden die zahlreichen Erfahrungen der SKOLL-Trainerinnen und -Trainer und die Ergebnisse der Evaluation zur Weiterentwicklung genutzt.

    Dieser Artikel verfolgt das Ziel, die Stärken des Trainingsformats für Fachkräfte in der Suchthilfe und die Teilnehmenden herauszuarbeiten. Eingegangen wird deshalb vor allem auf die Besonderheit des Trainings und die Rolle der Trainerin/des Trainers.

    Ziele des SKOLL-Trainings

    logo-skollDas SKOLL-Selbstkontrolltraining ist ein Programm für den verantwortungsvollen Umgang mit Suchtmitteln und anderen Suchtphänomenen. Es richtet sich an Jugendliche und Erwachsene mit riskantem Konsumverhalten. Die Grundlagen bilden die Prinzipien der Motivierenden Gesprächsführung (Miller & Rollnick 1999), das Selbstmanagement aus dem Bereich der Kognitiven Verhaltenstherapie (Kanfer, Reinecker, Schmelzer 1996), die Grundidee des Empowerments, bewährte psychoedukative Verfahren im Rahmen von Suchtprävention und die interaktionelle Methode zur Steuerung der Gruppendynamik.

    SKOLL umfasst zehn Trainingseinheiten à 90 Minuten im wöchentlichen Rhythmus. Dabei werden die jeweiligen Ziele der Teilnehmenden erfasst, es wird ein individueller Trainingsplan erstellt und das Wahrnehmen von Risikosituationen geübt. Die Teilnehmenden erlernen hilfreiche Gedanken sowie einen gesundheitsförderlichen Umgang mit Stress, Konflikten und Rückschritten. Gemeinsam werden Möglichkeiten der Gestaltung von Beziehungen und Freizeit sowie stabilisierende Rituale erarbeitet.

    Aufbau und Inhalte des Trainings

    „Menschen lassen sich viel eher durch Argumente überzeugen, die sie selbst entdecken, als durch solche, auf die andere kommen.“ (Blaise Pascal) Das Zitat von Blaise Pascal drückt einen wesentlichen Leitgedanken des SKOLL-Programms aus. SKOLL zeichnet sich durch folgende Inhalte und Merkmale aus:

    1.  Es ist ein Training – keine Behandlung oder Therapiegruppe. Krisen, biografische Themen oder gar traumatische Lebenssituationen können hier nicht bearbeitet werden. Das Training ermöglicht den Teilnehmenden, neugierig auf sich selbst zu werden, Angebote zur Bearbeitung ihrer Themen in der Gruppe als hilfreich anzunehmen und sich von anderen inspirieren zu lassen.

    2. Das Training steht allen offen, die in einer Gruppe ihre Konsum- und Verhaltensformen reflektieren wollen. Dabei spielen Alter, Geschlecht, Konsummittel und/oder Verhaltensform keine Rolle. Im Gegenteil, je heterogener die Gruppenzusammensetzung, desto lebendiger die Gruppe und desto stärker die Wirkung für die Einzelne und den Einzelnen. Das verbindende Element ist der Wunsch, einen Umgang mit der problematischen Situation zu finden, die durch den Konsum von Suchtmitteln oder eine Verhaltensform ausgelöst wurde. Die unterschiedlichen Lebensphasen und Lebenserfahrungen der Teilnehmenden offenbaren einen Pool an Ressourcen und Kompetenzen, der das Training bereichert.

    3. Die Durchführung des Trainings basiert auf einem strukturierten Manual. Es gibt so genannte Kernelemente, die sich in allen Trainingsmodulen wiederholen. Diese Kernelemente sind:

    • Trainingsplan: Er wird in der zweiten Trainingseinheit erstellt und ist sehr individuell gestaltet. Zur Festlegung der Ziele werden die SMART-Kriterien (Spezifisch, Messbar, Akzeptabel/Angemessen, Realistisch, Termingebunden) verwendet.
    • Treppe zum Ziel: Sie dient zur Sicherung der Erkenntnisse in den jeweiligen Einheiten. Die Teilnehmenden können auf Arbeitsblättern mit symbolisierten einzelnen Treppenstufen – entsprechend der Module – ihren ganz persönlichen Prozess während des Trainings festhalten.
    • Dokumentation: Sie ist ein wichtiges Hilfeinstrument zur Selbstkontrolle, weil damit die Erreichung des eigenen Vorhabens kontrolliert wird.
    • Situationsanalyse: Mit der Analyse erlebter Situationen können die eigenen Veränderungsmöglichkeiten besser erkannt und Risikosituationen besser gemeistert werden.

    Die Teilnehmenden können mit ihrem Risikoverhalten experimentieren, alternative Verhaltensweisen einüben, neue Erfahrungen sammeln, sich selbst beobachten lernen, alltägliche Situationen analysieren, Gefühle benennen und Gedanken identifizieren – kurz: ihr eigenes Verhalten kritisch wahrnehmen. Durch den Einsatz der Kernelemente in jeder Trainingseinheit kommt es zu einer Verinnerlichung wirksamer Verhaltensänderungen. Damit wird die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass die Veränderungen auch im Alltag umgesetzt werden.

    4. Die Teilnehmenden legen ihre Ziele selbst fest. Die Trainerin/der Trainer und die Gruppe begleiten und bestärken die Einzelne/den Einzelnen dabei. Die Arbeit in der Gruppe orientiert sich an den persönlichen Zielen der Teilnehmenden. So kann es z. B. ein legitimes Ziel sein, keinen Ärger mit dem Jobcenter zu haben oder mit der Freundin. Andere kommen mit der Absicht zu überprüfen, ob sich der Alkoholkonsum noch in einem ‚normalen Rahmen‘ befindet. SKOLL hilft bei der Zielerreichung durch ein gesundheitsbezogenes Selbstmanagement und allgemeine Problemlösungsfertigkeiten. Dadurch erhöht sich die Kontrolle über das Risikoverhalten, und die Gesundheit der Teilnehmenden verbessert sich. SKOLL ist deshalb für unterschiedlich motivierte Teilnehmende geeignet und wirksam.

    5. Die Trainerinnen und Trainer werden in einem mehrtägigen Seminar geschult und bei Bedarf begleitet. Zur kontinuierlichen Durchführung des Trainings werden Tandems gebildet. Im Fokus der Trainerschulung stehen die handlungsorientierte Vermittlung der einzelnen SKOLL-Module sowie die Einübung einer akzeptierenden Grundhaltung. Bei der Gestaltung der Trainingseinheiten gibt es ausreichend Raum, um die jeweils eigenen fachlichen Ressourcen und Kompetenzen miteinzubringen.

    Die Rolle der SKOLL-Trainerin/des SKOLL-Trainers

    Hier einige Aussagen von Trainerinnen und Trainern:

    „Für mich war das Schwierigste, mich zurückzunehmen, meine Trainerrolle zu finden, doch dann stellte ich fest, dass der Austausch innerhalb der Gruppe sehr spannend ist und eine große Gruppendynamik entsteht.“
    „Es hat auch was Erfrischendes.“
    „Das Training birgt viel Abwechslung, davon profitieren eigentlich alle.“

    Aufgaben der Trainingsleitung:

    1. Die Trainerinnen bzw. Trainer schreiben die Inhalte und die Struktur des Trainings vor. Sie sind die ‚Impulsgeber‘ für die Teilnehmenden und fördern die Interaktion in der Gruppe. Das Training bezieht seine Stärke aus dieser lebendigen Interaktion. Umso mehr sich die Trainingsleitung auf ihre beobachtende und impulsgebende Rolle zurückzieht, umso mehr kann zwischen den Teilnehmenden geschehen. Dabei sind es oft kleine Erkenntnisgewinne, die große Wirkung entfalten.

    2. Bei Verstößen gegen die Gruppenregeln, die von den Teilnehmenden im Rahmen der Gruppendynamik nicht eigenständig korrigiert werden können, obliegt der Trainerin/dem Trainer die Aufgabe der Intervention.

    3. Um Über- und Unterforderungen zu vermeiden, ist ein offener Blick für die individuellen Ressourcen und Bedürfnisse wichtig, um ggf. durch Aufgabenverteilung eine Ausgewogenheit herzustellen.

    4. Die Trainingsleitung stärkt die positiven Veränderungen und trägt wertfrei die als Teil des Prozesses zu akzeptierende Stagnation bzw. auch Rückschritte mit.

    Die wichtigsten Faktoren für die Gestaltung der Beziehung der Trainerin/des Trainers zu den Teilnehmenden sind Empathie, Wertschätzung und gegenseitiges Vertrauen. Selbstbestimmung und Eigenverantwortlichkeit der Teilnehmenden werden stets betont. Selbstheilungskräfte, vorhandene Ressourcen, gesunde Verhaltensmuster und Bewältigungsstrategien werden gefördert und genutzt.

    Zusammengefasst lässt sich festhalten, dass die SKOLL-Trainerin/der SKOLL-Trainer ein förderndes Klima für die Teilnehmenden schafft, damit diese selbstbestimmt handeln, eigene Ziele festlegen und eine eigene Entscheidung über ihr weiteres Vorgehen treffen können. Jede/jeder trainiert die eigenen Stärken und Fähigkeiten, um wieder die Macht zu spüren, die eigene Geschichte beeinflussen zu können.

    Die SKOLL-Fachkräfte verstehen sich als ‚Verbündete‘ der Teilnehmenden, ohne vorzugeben, die richtige Methode, die zum Ziel führt, zu kennen. Für die erfolgreiche Implementierung von Trainings in den unterschiedlichen Institutionen ist es notwendig, dass diese Haltung nicht nur von den Trainerinnen und Trainern getragen wird, sondern auch von der dortigen Leitung und dem Team.

    Die Verbreitung von SKOLL

    Der Transfer des Trainings erfolgte bisher durch die Etablierung in seinem ursprünglichen Kontext der Suchthilfe und erfuhr dann eine Ausweitung in weitere Bereiche wie z. B. Schulen, Job-Center und die Wohnungslosenhilfe. Unter dem Gesichtspunkt der nachhaltigen Qualitätssicherung wurden erfahrene SKOLL-Trainerinnen und -Trainer zu SKOLL-Lehrtrainerinnen und -Lehrtrainern geschult. So können bundesweite Schulungen angeboten werden. Die Lehrtrainerinnen und -trainer  erfüllen das notwendige Qualifikationsprofil, um das evidenzbasierte Manual, die in der Fläche nachgewiesenen Wirkfaktoren und die daraus erstellten Qualitätsstandards weiterzuvermitteln.

    logo-skoll-spezialEine Weiterentwicklung des bewährten SKOLL-Konzepts stellt SKOLL-SPEZIAL dar. SKOLL-SPEZIAL ist ein Angebot für Menschen, die sich gezielt mit Alkohol und Nikotin auseinandersetzen möchten. Das Training wurde von der Zentralen Prüfstelle Prävention der GKV als Maßnahme nach § 20 SGB V anerkannt. Die Kosten für die Teilnahme können bei den Krankenkassen abgerechnet werden.

    Die letzte wissenschaftliche Untersuchung (Görgen, Hartmann 2013) zeigte, dass SKOLL nicht nur als Intervention bei Menschen mit substanz- und verhaltensbezogenen Problemlagen Nutzen bringt. Auch die Fachkräfte selbst – aus der Sucht- und Drogenhilfe, aber auch aus angrenzenden Arbeitsfeldern – profitieren von der Ausbildung zu SKOLL-Trainerinnen und -trainern. Die Ausbildung enthält hohe Anteile selbstreflexiver Elemente, die geeignet sind, das eigene Selbstverständnis, die verfolgten Ziele und angewendeten Methoden zu hinterfragen und weiterzuentwickeln.

    So gilt es, SKOLL-Trainings in den unterschiedlichen Settings weiter zu implementieren, mehr motivierte Trainerinnen und Trainer zu finden und das SKOLL-Programm damit zu einem flächendeckenden, entstigmatisierenden Angebot in der Suchtprävention und Frühintervention zu machen.

    SKOLL und SKOLL-SPEZIAL wurden entwickelt vom Caritasverband für die Diözese Osnabrück e. V. Weitere Informationen zum Training und zu Schulungen sind unter www.skoll.de zu finden.

    Kontakt:

    Sabine Bösing, Berlin
    s.boesing@gmx.net

    Angaben zur Autorin:

    Sabine Bösing ist Diplom-Sozialpädagogin, Suchttherapeutin (DRV-anerkannt), systemische Coachin und Beraterin für Organisationsentwicklung/Changemanagementprozesse. Sie hat langjährige Erfahrung in der Entwicklung und Umsetzung von Landes- und Bundesprogrammen zur Prävention und Gesundheitsförderung und war Bundesmodellkoordinatorin von SKOLL. Heute ist sie als Referentin beim Paritätischen Wohlfahrtsverband tätig und als freie Trainerin und Ausbilderin für SKOLL, SKOLL-SPEZIAL und zum Thema Empowerment.

    Literatur:
    • Bösing, S., Kliche, T., Tönsing, C. (2012): Transfer und Evaluation des SKOLL-Selbstkontrolltrainings in Deutschland unter besonderer Berücksichtigung von Wirksamkeit, Umsetzung und Versorgungsaspekten, insbesondere im ländlichen Raum (Abschlussbericht 2012, Caritasverband für die Diözese Osnabrück e. V.).
    • Bruns, B. (2007): SKOLL – SelbstKOntroLL-Training. Eine Studie zur Effektivität des Frühinterventionsmodells bei substanz- und verhaltensbezogenen Störungen im Auftrag des Deutsch-Niederländischen Suchthilfeverbundes. Fachhochschule Norddeutschland, Fakultät Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, Osnabrück.
    • Gastpar, M. H., Mann, K. H., Rommelspacher, H. H. (1999): Lehrbuch der Suchterkrankungen. Stuttgart, New York.
    • Görgen, W., Hartmann, R. (2013): Befragungen im Rahmen einer nachhaltigen Qualitätssicherung des SKOLL-Selbstkontrolltrainings im Zusammenhang seiner flächendeckenden Umsetzung. FOGS, Gesellschaft für Forschung und Beratung im Gesundheits- und Sozialbereich, Köln.
    • Kanfer, F. H., Reinecker, H., Schmelzer, D. (1996): Selbstmangement-Therapie. Ein Lehrbuch für die klinische Praxis. Berlin.
    • Kliche, T., Boye, J., Griebenow, B., Richter, S. (2009): Bundesmodellprojekt SKOLL: Evaluation eines übergreifenden Trainingsprogramms bei riskantem Konsum von Suchtmitteln. Erste Befunde zur Umsetzung aus der Nutzerbefragung 2008-09. Unveröffentlichtes Manuskript.
    • Miller, W., Rollnick, S. (1999): Motivierende Gesprächsführung. Ein Konzept zur Beratung von Menschen mit Suchtproblemen. Freiburg.
    • Petermann, M. (2010): Möglichkeiten und Grenzen von Selbstmanagement im Rahmen ambulanter Suchtberatung und -behandlung unter besonderer Berücksichtigung des Selbstkontrolltrainings (SKOLL). Diplomarbeit an der Berufsakademie Sachsen, Staatliche Studienakademie Breitenbrunn.
  • Zusammenarbeit von beruflicher Suchthilfe und Sucht-Selbsthilfe

    Zusammenarbeit von beruflicher Suchthilfe und Sucht-Selbsthilfe

    Dr. Daniela Ruf
    Dr. Daniela Ruf

    Berufliche Suchthilfe und Sucht-Selbsthilfe stellen zwei jeweils eigenständige wichtige Hilfeansätze im Versorgungssystem dar. Beide haben dasselbe Ziel: Sie wollen die Ressourcen und Kompetenzen von Betroffenen und Angehörigen stärken, Suchtkranke motivieren, Wege in ein suchtmittelfreies Leben zu finden, ihre Gesundheit fördern und ihnen Teilhabe am Familienleben sowie an Beruf und Gesellschaft ermöglichen. Berufliche Suchthilfe und Sucht-Selbsthilfe sind beim Erreichen dieses Ziels keine Konkurrenz, denn sie können sich gegenseitig nicht ersetzen, sie machen unterschiedliche, sich ergänzende Angebote. Die berufliche Suchthilfe bietet in Form von professioneller Beratung, Behandlung, Rehabilitation und Nachsorge ein differenziertes Hilfesystem für Betroffene und Angehörige sowie zahlreiche Unterstützungsangebote für die Selbsthilfe. Die Selbsthilfe bietet Gemeinschaft, Austausch unter Gleichen und Unterstützung im Alltag – und zwar vor, während, nach oder unabhängig von einer professionellen Behandlung. Berufliche Suchthilfe ist zudem immer ein zeitlich begrenztes Angebot, während Selbsthilfe unbegrenzte Begleitung über das Ende der beruflichen Hilfe hinaus bietet, bei Bedarf sogar lebenslang. Selbsthilfe ermöglicht niedrigschwellig Hilfe, wann immer sie gerade benötigt wird.

    Im Bereich der Nachsorge besteht die größte Überschneidung zwischen beruflicher Suchthilfe und Sucht-Selbsthilfe, aber auch hier stehen die Angebote nicht in Konkurrenz, sondern haben jeweils eine unterschiedliche Ausrichtung. Sie ergänzen sich in Bezug auf die Dauer (Eisenbach-Stangl, 2003), aber auch in Bezug auf den Inhalt. Verkürzte Behandlungszeiten und schwierige Problemlagen machen eine professionelle Nachsorge oft unverzichtbar, langfristige Stabilisierung und Bewältigung des Alltags erfordern die Fortführung der Nachsorge in der Selbsthilfe (Küfner, 1990).

    Wieso die Zusammenarbeit so wichtig ist

    Vorteile der Zusammenarbeit

    Allein die Tatsache, dass es zwei Hilfeansätze gibt, ist bereits ein Vorteil, da Menschen unterschiedliche Bedarfe haben und so die Möglichkeit erhalten, ihren jeweils eigenen Weg aus der Sucht zu finden. Manche Menschen mögen allein in der beruflichen Suchthilfe ein für sie wirksames Hilfeangebot finden, andere allein in der Selbsthilfe, für viele jedoch bietet die Verbindung beider Hilfeangebote die beste Unterstützung, v. a. im Hinblick auf eine langfristige Stabilisierung. Aber erst eine gute Zusammenarbeit in Form von durchlässig gestalteten Übergängen ermöglicht die optimale Nutzung der Kompetenzen beider Hilfeansätze. Darüber hinaus bietet eine gute Zusammenarbeit für berufliche Suchthilfe und Sucht-Selbsthilfe die Möglichkeit, Ressourcen zu bündeln, die Qualität des Hilfeangebots zu erhöhen und neue Herausforderungen – beispielsweise durch veränderte Rahmenbedingungen, vielfältigere Bedarfe oder neue Zielgruppen – gemeinsam besser zu bewältigen.

    Wirksamkeit

    Beide Hilfeansätze weisen eine hohe Wirksamkeit auf. In der beruflichen Suchthilfe erreichten im Jahr 2013 80 Prozent der ambulanten und 92 Prozent der stationären Patienten/-innen, die die Betreuung/Behandlung planmäßig beendeten, ein positives Behandlungsergebnis (Braun, Künzel & Brand, 2015). Gut ein Viertel der Besucher/-innen von Selbsthilfegruppen erreichten 2010 Abstinenz, ohne berufliche Suchthilfeangebote in Anspruch genommen zu haben, und etwa drei Viertel der rückfällig geworden Gruppenbesucher/-innen konnten durch die Gruppe stabilisiert werden (Selbsthilfe- und Abstinenzverbände, 2011).

    Insbesondere zur Rückfallprävention und (Re)Integration in ein intaktes soziales Umfeld leisten Selbsthilfegruppen einen wichtigen Beitrag in der Versorgung (Schwoon, 1996). Selbsthilfe wirkt sowohl rückfallvorbeugend als auch stabilisierend nach einem Rückfall (Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen, 2001). Der regelmäßige Besuch einer Selbsthilfegruppe nach einer stationären Therapie zeigte sich in Studien mit deutlich höheren Abstinenzraten verbunden (Schwoon, 1996; Küfner, 1988). Und auch bei Patienten/-innen, die nach einer stationären Entwöhnungsbehandlung rückfällig gewordenen waren, zeigte sich, dass sie in der Folge häufiger abstinent waren, wenn sie regelmäßig eine Selbsthilfegruppe besuchten (Küfner, 1990).

    Verankerung

    Der nachgewiesenen Wirksamkeit der beiden Hilfeansätze sowie ihres Zusammenwirkens wird an verschiedenen Stellen Rechnung getragen. Im gemeinsamen Rahmenkonzept der Deutschen Rentenversicherung und der Gesetzlichen Krankenversicherung zur ambulanten medizinischen Rehabilitation Abhängigkeitskranker ist die Kooperation als eine der Voraussetzungen benannt. Und auch in der neuen S3-Leitlinie „Screening, Diagnose und Behandlung alkoholbezogener Störungen“ werden Empfehlungen zum regelmäßigen Besuch von Selbsthilfegruppen getroffen sowie auf die Bedeutung der Zusammenarbeit von beruflicher Suchthilfe und Sucht-Selbsthilfe explizit hingewiesen (v. a. Kapitel 4 Versorgungssituation).

    Der Mehrwert einer guten Zusammenarbeit von beruflicher Suchthilfe und Sucht-Selbsthilfe ist also belegt und in verschiedenen Kontexten bereits verankert. Sie kann daher nicht optional sein oder nur von der Motivation einzelner Mitarbeiter/-innen abhängen, sondern muss verbindlich und nachhaltig geregelt und umgesetzt werden.

    Herausforderungen für die Zusammenarbeit

    Die Ausdifferenzierung des Angebotsspektrums in der Suchthilfe hat die Bedeutung von Kooperation innerhalb des Hilfesystems erhöht (Oliva & Walter-Hamann, 2013). In der Suchthilfe der Caritas gibt es eine lange Tradition der guten Zusammenarbeit zwischen beruflicher Suchthilfe und Sucht-Selbsthilfe als einer der zentralen Schnittstellen im Hilfesystem. Dennoch ist diese Kooperation vor Ort sehr unterschiedlich ausgeprägt und nicht immer zufriedenstellend. Sie ist kein Selbstläufer – sie muss immer wieder neu gestärkt, geklärt und mit Impulsen belebt werden, gerade in Zeiten rascher Veränderungen. Abbildung 1 gibt einen Überblick über die zentralen Faktoren, welche die Zusammenarbeit von beruflicher Suchthilfe und Sucht-Selbsthilfe beeinflussen.

    Abb. 1:Zentrale Faktoren, welche die Zusammenarbeit zwischen beruflicher Suchthilfe und Sucht-Selbsthilfe beeinflussen
    Abb. 1: Zentrale Faktoren, welche die Zusammenarbeit zwischen beruflicher Suchthilfe und Sucht-Selbsthilfe beeinflussen

    Die verschiedenen Faktoren sind jeweils mit Herausforderungen verbunden, die im Folgenden erläutert werden.

    Rahmenbedingungen

    • Eine vielfältiger gewordene Behandlung, welche sich aus verschiedenen Abschnitten zusammensetzt, macht die Gestaltung der Übergänge von der Behandlung in die Selbsthilfe und die Verzahnung zwischen den jeweiligen Angeboten anspruchsvoller.
    • Neue Zielgruppen und Konsummuster, Zugänge zu diesen Zielgruppen und vielfältigere Vorstellungen von Selbsthilfe stellen die Zusammenarbeit vor neue Aufgaben.
    •  Veränderte Finanzierungsstrukturen und Vorgaben von Leistungsträgern erfordern eine Anpassung der Arbeit an die dadurch gegebenen Rahmenbedingungen.

    System der beruflichen Suchthilfe und der Sucht-Selbsthilfe

    • Unterschiedliche Kompetenzbereiche, Regeln und Handlungszwänge sowie Alltagskulturen müssen aufeinander abgestimmt werden. Das Aufeinandertreffen des reglementierten beruflichen Settings und des selbstbestimmten ehrenamtlichen Settings erfordert gute Abstimmungs- und Organisationsprozesse.
    • Die jeweiligen Arbeitsweisen und Angebote unterscheiden sich und verändern sich über die Zeit. Sie müssen wechselseitig transparent und gut bekannt gemacht werden.
    • Vor dem Hintergrund des Aufeinandertreffens von Alltags- und Fachsprache muss eine Basis zur Verständigung geschaffen und eine gute gegenseitige Rückmeldekultur entwickelt werden.

    Persönliche Beziehungen

    • Es muss ein Rollenwechsel von der ursprünglichen Begegnung als Therapeut/-in und Klient/-in hin zu Partnern/-innen gelingen. Ebenso muss sich das Hierarchiegefälle zwischen Experten/-innen und Laien auflösen. Die evtl. bestehende Wahrnehmung von Konkurrenz sollte der selbstbewussten Wahrnehmung der eigenen Kompetenzen und Angebote weichen. Ein möglicherweise erlebter Widerspruch zwischen Unterstützungswunsch/-bedarf und Autonomie/Selbstbestimmung der Selbsthilfe muss geklärt werden.
    • Die gegenseitige Begegnung muss von Respekt, Wertschätzung, Offenheit und Vertrauen geprägt sein.
    • Eigene Haltungen und Einstellungen müssen überprüft und ggf. korrigiert werden. Interessen und gegenseitige Erwartungen müssen transparent und Vorurteile bewusst gemacht werden.

    Art der Ausgestaltung der Zusammenarbeit

    • Die Zusammenarbeit muss institutionalisiert und in Konzepten und Vereinbarungen vor Ort verankert und verbindlich geregelt werden, sie darf nicht nur vom Engagement einzelner Personen abhängen, um bei einem Wechsel nicht gefährdet zu sein.
    • Für die Zusammenarbeit muss es fest eingeplante Zeit- und Personalressourcen auf beiden Seiten geben, sie darf nicht einfach nur „nebenher“ laufen.
    • Die Umsetzung von bekannten Handlungserfordernissen muss gefördert und unterstützt werden, oft fehlen Handlungsanleitungen und konkrete Strategien.

    Sich die beschriebenen Einflussfaktoren und Herausforderungen bewusst zu machen, kann helfen zu verstehen, wieso sich die Zusammenarbeit nicht immer einfach gestaltet. Gleichzeitig bieten die genannten Herausforderungen aber auch Chancen und konkrete Ansatzpunkte zur Verbesserung der Zusammenarbeit.

    Gelingende Zusammenarbeit: Gemeinsamer Prozess des Deutschen Caritasverbands und des Kreuzbund-Bundesverbands

    Die Bedeutung der Schnittstelle zwischen beruflicher Suchthilfe und Sucht-Selbsthilfe ernstnehmend, haben sich der Deutsche Caritasverband (DCV) und der Kreuzbund-Bundesverband vor einigen Jahren dazu entschieden, einen gemeinsamen, langfristig angelegten Prozess zur Zusammenarbeit durchzuführen. Dadurch wurde der Tatsache Rechnung getragen, dass die oben genannten Herausforderungen die Verbesserung der Zusammenarbeit zu einer anspruchsvollen Aufgabe machen, die durch punktuelles Engagement, einzelne Veranstaltungen oder die alleinige Entwicklung einer Positionierung oder Handreichung nicht hinreichend erfüllt werden kann. Um die Basis für eine tragfähige, zukunftsorientierte Zusammenarbeit von beruflicher Suchthilfe und Sucht-Selbsthilfe zu schaffen, braucht es Begegnung, kontinuierliche Auseinandersetzung sowie Zeit, um Haltungen zu überprüfen und Veränderungen einzuleiten und wirksam werden zu lassen.

    Im Folgenden werden die zentralen Grundsätze und Erfolge des bisherigen Prozesses zur Zusammenarbeit von beruflicher Suchthilfe und Sucht-Selbsthilfe in der Caritas dargestellt sowie ein Ausblick auf seine Weiterführung gegeben (vgl. Abb. 2).

    Abb. 2: Maßnahmen zur Förderung der Zusammenarbeit zwischen beruflicher Suchthilfe und Sucht-Selbsthilfe in der Caritas
    Abb. 2: Maßnahmen zur Förderung der Zusammenarbeit zwischen beruflicher Suchthilfe und Sucht-Selbsthilfe in der Caritas

    Gemeinsam angelegter Prozess

    Um möglichst vielfältige Sichtweisen und Erfahrungen zusammenzuführen und fundierte, von allen Akteuren getragene Ergebnisse zu erreichen, waren jeweils Vertreter/-innen der beruflichen Suchthilfe und der Sucht-Selbsthilfe von Orts-, Diözesan- und Bundesebene an dem Prozess beteiligt. Es gab sowohl gemeinsame Arbeitsphasen in Form von Workshops als auch getrennte, allerdings immer in Verbindung mit kontinuierlichem Austausch. Damit wurden bereits im Verlauf des Prozesses wesentliche Grundzüge einer guten Zusammenarbeit konsequent umgesetzt.

    Zur Darstellung der Ergebnisse des Prozesses wurde 2011 eine Dokumentation veröffentlicht. Auf der Basis dieser Ergebnisse wurde in den letzten Jahren in gemeinsamen Veranstaltungen und Konferenzen weiter an der Thematik gearbeitet. Es bestand Einigkeit darüber, dass ähnliche Prozesse nun auch auf Diözesan- und Ortsebene angestoßen werden müssen und dass es dafür weiterer Impulse und konkreter Arbeitshilfen zur Unterstützung bedürfe.

    Arbeitshilfe des DCV für die berufliche Suchthilfe und die Sucht-Selbsthilfe

    Die Entwicklung einer Arbeitshilfe war kein zu Beginn des Prozesses formuliertes Ziel, sondern die Antwort des DCV auf den aus der Praxis geäußerten Unterstützungsbedarf. Sie ist damit Ergebnis des bisherigen Prozesses und Grundlage für die Fortsetzung des Prozesses zugleich. Die Arbeitshilfe besteht aus zwei Modulen: Modul I „Grundlagen und Empfehlungen für eine gute Zusammenarbeit“ und Modul II „Good practice Beispiele für eine gute Zusammenarbeit“. Um die Einführung in die Arbeitshilfe und die Arbeit mit den beiden Modulen zu unterstützen, wurde ein weiteres Modul entwickelt, Modul III „Foliensatz zu Modul I und II“. Im Folgenden werden die zentralen Ziele, welche die Module verfolgen, dargestellt.

    1. Grundlagen für eine gute Zusammenarbeit vermitteln: Selbstverständnis – Wechselseitiges Verständnis – Kooperationsverständnis
    Cover Modul 1Das Erkennen der eigenen wichtigen Bedeutung im Hilfesystem, des sich ergänzenden Charakters der jeweiligen Angebote sowie der Unverzichtbarkeit einer guten Zusammenarbeit zur optimalen Gestaltung der Hilfen für Betroffene und Angehörige sind wichtige Grundlagen für eine gute Zusammenarbeit. Darüber hinaus ist eine gute Wissensbasis über die wechselseitigen Arbeitsweisen und Angebote zentral. Kapitel I bis III von Modul I der Arbeitshilfe bieten eine ausführliche und praxisnahe Aufbereitung dieser Inhalte. Kapitel IV und V nehmen Bezug auf die Herausforderungen in der Zusammenarbeit und zeigen Wege zur gemeinsamen Bewältigung auf. In Kapitel IV werden dazu konkrete Handlungsempfehlungen in Form von fünf Grundsätzen vorgestellt. Diese lauten: Bereitschaft und Begeisterung, Gemeinsame Ziele und Anliegen, Begegnung und gemeinsames Tun, Gute Kommunikation und Rollenklarheit, Verankerung und Verbindlichkeit. In Kapitel V werden Hinweise gegeben, wie mit der Arbeitshilfe konkret gearbeitet werden kann. Dieses Kapitel schlägt eine Brücke zwischen dem reinen Wissen, welche Maßnahmen erforderlich wären, und der tatsächlichen Umsetzung, denn häufig fehlt es vor Ort an Strategien, um vom Wissen zum Tun zu gelangen.

    2. Vielfalt der Zusammenarbeit und Möglichkeiten, wie man voneinander lernen kann, aufzeigen
    Cover Modul 2Modul II stellt in Form von good practice Beispielen zur Zusammenarbeit Anregungen und konkrete Umsetzungshilfen zur Verfügung. Die Kooperationsbeispiele stehen jeweils für sich und können je nach Interesse anhand des Inhaltsverzeichnisses gefunden und genutzt werden. Modul II soll aufzeigen, wie vielfältig die Formen der Zusammenarbeit zwischen beruflicher Suchthilfe und Sucht-Selbsthilfe sein können, es soll Mut machen, Vorhaben gemeinsam anzugehen und auszuprobieren.

    3. Gemeinsame Basis für die gemeinsame Arbeit anbieten
    In der Arbeitsgruppe, die die Entwicklung der Module begleitete, waren Vertreter/-innen aus der beruflichen Suchthilfe und der Sucht-Selbsthilfe von Bundes-, Diözesan- und Ortsebene vertreten, um die Perspektiven und Bedarfe aller Akteure bestmöglich zu berücksichtigen. Die Arbeitshilfe richtet sich gleichermaßen an die berufliche Suchthilfe und die Sucht-Selbsthilfe. Zusammenarbeit kann nur durch Ansprache und Einbezug beider Partner gelingen – mit denselben Materialien und Grundlagen.

    4. Praktikable und praxisnahe Materialien zur Verfügung stellen

    Einfach erfassbare und ansprechend gestaltete Inhalte statt langer Fließtexte sollen zur Arbeit an einer guten Zusammenarbeit motivieren. Da die Voraussetzungen vor Ort unterschiedlich sind und die gemeinsame Konkretisierung der Inhalte der Arbeitshilfe einen wichtigen Schritt in der Zusammenarbeit vor Ort darstellt, sind die Inhalte nur so weit wie nötig festlegend. Die Rückmeldungen in Bezug auf die Nutzbarkeit in der Praxis sind sowohl im Bereich der Sucht-Selbsthilfe als auch im Bereich der beruflichen Suchthilfe sehr positiv.

    5. Lösungen für „Knackpunkte“ verfügbar machen
    In Modul I wird unter der Überschrift „Vielfalt der Selbsthilfe“ u. a. auch das nicht immer spannungsfreie Thema des Nebeneinanders von verbandlich organisierter und nicht-verbandlich organisierter Selbsthilfe aufgegriffen, das sich auch in Modul II in einzelnen good practice Beispielen wiederfindet. Modul II soll darüber hinaus mit seinen Beispielen bewusst Themen fokussieren, die nicht ganz einfach sind, und konkrete Ansätze aufzeigen, wie durch Kooperationen bisher eher schwer zugängliche Zielgruppen erreicht werden können.

    Die Inhalte der Module sind nicht auf die Nutzung innerhalb der Caritas beschränkt. Die Module können auch von anderen Verbänden und in anderen Kontexten genutzt werden und hilfreich sein.

    Nachhaltigkeit in der guten Zusammenarbeit

    Auf Bundesebene wurde zwischen DCV und Kreuzbund-Bundesverband durch den bisherigen Prozess bereits Nachhaltigkeit in der Zusammenarbeit erreicht. Gegenseitige Akzeptanz und Wertschätzung sind selbstverständlich geworden, und es konnte auch in Bezug auf schwierige Themen ein offener und konstruktiver Austausch erreicht werden. Der gegenseitige Einbezug und der Informationsfluss konnten intensiviert werden – es wurde beispielsweise die gegenseitige Teilnahme an zentralen Konferenzen und Projekten verbindlich implementiert.

    Auch auf Diözesanebene hat sich an vielen Orten eine verbindliche gegenseitige Teilnahme an wichtigen Gremien etabliert, in zwei Diözesen gibt es sogar schriftliche Rahmenvereinbarungen zwischen beruflicher Suchthilfe und Sucht-Selbsthilfe.

    Um auch auf Ortsebene eine nachhaltige Verbesserung der Zusammenarbeit zu fördern, werden folgende Maßnahmen durchgeführt:

    • breite Streuung der Arbeitshilfe im Bereich der beruflichen Suchthilfe und der Sucht-Selbsthilfe – auf allen Ebenen und über verschiedene Verbände der beruflichen Suchthilfe und Sucht-Selbsthilfe
    • Unterstützung von Multiplikatoren/-innen durch Modul III, einem zur Einführung in die Arbeitshilfe entwickelten Foliensatz
    • Unterstützung von gemeinsamen Fachveranstaltungen zum Thema Kooperation auf Diözesan-/Ortsebene
    • Entwicklung eines QM-Moduls zur Zusammenarbeit, welches anschlussfähig ist an QM-Rahmenhandbücher

    Um nachhaltig eine gute und zukunftsorientierte Zusammenarbeit zwischen beruflicher Suchthilfe und Sucht-Selbsthilfe sicherzustellen, braucht es ein langfristiges und kontinuierliches Engagement auf allen Ebenen: Zur Verbesserung der Zusammenarbeit vor Ort sind Multiplikatoren/-innen in der beruflichen Suchthilfe sowie in der Sucht-Selbsthilfe unverzichtbar, die Bundesebenen der beruflichen Suchthilfe sowie der Sucht-Selbsthilfe bleiben weiterhin in der Verantwortung mit folgenden Aufgaben:

    • Unterstützung von Multiplikatoren/-innen und gemeinsamen Veranstaltungen vor Ort
    • Einbindung der Zusammenarbeit in Schulungskonzepte und QM-Systeme
    • gleichberechtigte Berücksichtigung der Schnittstelle zwischen beruflicher Suchthilfe und Sucht-Selbsthilfe neben anderen Themen in Fachdebatten und bei Fachveranstaltungen
    • gezielte Öffentlichkeitsarbeit zur Vermittlung der Notwendigkeit und Selbstverständlichkeit der Zusammenarbeit

    Eine gute Zusammenarbeit kann nur vor Ort gestaltet und gelebt werden. Der Perspektivprozess auf Bundesebene sowie die vom DCV entwickelte Arbeitshilfe und die durchgeführten Maßnahmen können und sollen die Begegnung, die Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit der Thematik und die tatsächliche Umsetzung vor Ort nicht ersetzen, aber sie können gute Anregungen und konkrete Umsetzungshilfen bieten.

    Kontakt:

    Dr. Daniela Ruf
    Deutscher Caritasverband e. V.
    Referat Gesundheit, Rehabilitation, Sucht
    Karlstr. 40
    79104 Freiburg
    Daniela.Ruf@caritas.de
    www.caritas.de
    http://www.facebook.com/caritas.deutschland

    Angaben zur Autorin:

    Dr. Daniela Ruf (*1978 in Karlsruhe) schloss 2004 ihr Psychologiestudium an der Universität Freiburg ab. Von 2005 bis 2010 war sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie des Universitätsklinikums Freiburg, Sektion Klinische Epidemiologie und Versorgungsforschung, beschäftigt – mit den Arbeitsschwerpunkten Sucht, Migration, Demenz, Online-Systeme. Seit 2011 ist sie als Suchtreferentin beim Deutschen Caritasverband, Referat Gesundheit, Rehabilitation, Sucht, tätig – aktuell mit den Schwerpunkten Selbsthilfe, Migration, Online-Beratung/Neue Medien, Internetabhängigkeit.

    Literatur:
    • Braun, B., Künzel, J. & Brand H. (2015). Jahresstatistik 2013 der professionellen Suchtkrankenhilfe. In Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e.V. (Hrsg.), Jahrbuch Sucht 2015. Lengerich: Pabst, S. 214-240
    • Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e.V. (2001). Informationen zur Suchtkrankenhilfe. Selbsthilfe Sucht. Möglichkeiten – Grenzen – Perspektiven [Online]. Verfügbar unter:
      http://www.dhs.de/fileadmin/user_upload/pdf/Arbeitsfeld_Selbsthilfe/selbsthilfe_sucht_2001.pdf [25. Juni 2015]
    • Eisenbach-Stangl, I. (2003). Suchtkrankenhilfe – Selbsthilfe – Psychotherapie: Komplizierte Verhältnisse. Wiener Zeitschrift für Suchtforschung, 26 (2), S. 5-11
    • Küfner, H., Feuerlein, W. & Huber, M. (1988). Die stationäre Behandlung von Alkoholabhängigen: Ergebnisse der 4-Jahreskatamnesen, mögliche Konsequenzen für Indikationsstellung und Behandlung. Suchtgefahren, 34 (3), S. 157-272
    • Küfner, H. (1990). Die Zeit danach – Alkoholkranke in der Nachsorgephase. In D. Schwoon & M. Krausz (Hrsg.), Suchtkranke. Die ungeliebten Kinder der Psychiatrie. Stuttgart: Ferdinand Enke, S. 189-202
    • Oliva, H. & Walter-Hamann, R. (2013). Suchthilfe in Netzwerken. Praxishandbuch zu Strategie und Kooperation. Freiburg: Lambertus
    • Selbsthilfe- und Abstinenzverbände (2011). Erhebung der fünf Selbsthilfe- und Abstinenzverbände. Statistik 2010 [Online]. Verfügbar unter:
      http://www.dhs.de/fileadmin/user_upload/pdf/Arbeitsfeld_Selbsthilfe/Statistik_der__5_SH-Verbände.pdf [25. Juni 2015]
    • Schwoon, D. (1996). Nutzung professioneller Nachsorge und Selbsthilfegruppen durch Alkoholiker nach stationärer Kurzzeittherapie. In K. Mann & G. Buchkremer (Hrsg.), Sucht. Grundlagen, Diagnostik, Therapie. Stuttgart: Fischer, S. 281-287